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Verfahren zur Herstellung und Verwendung von Reinkulturen von Milch-
und Essigsäure bildenden Sauerteigbakterien. Als Triebmittel für die Herstellung
von Roggenbrot wird bis jetzt fast ausschließlich Sauerteig genommen. Die Verwendung
von Hefe ist nicht üblich, da die Roggenmehlteige, im Gegensatz zu den mit Hefe
sehr gut zu verarbeitenden W eizenmehlteigen, mit Hefe kein einwandfreies Gebäck
geben.
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Die bisher vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, daß. die Gasbildungen
des Sauerteigs allein den stets vorhandenen Hefenzellen zuzuschreiben sind, während
die Säurebakterien das Aufkommen anderer Gärungen verhüten und dem Brote den Geschmack
des Sauerteigbrotes geben. Isoliert und beschrieben wurden mehrfach reine Milchsäurebakterien,
die dann auch als die eigentlichen Sauerteigbakterien angesprochen wurden. Doch
stehen diese Befunde mit der Erfahrung der Praxis im Widerspruch, denn, wie Dr.
M. P. Neumann in seinem Lehrbuch »Brotgetreide und Brot«, Seite 363. ausführt, können
die reinen Milchsäurebildner nicht die einzige konstante und spezifische Bakterienart
des Sauerteigs sein, ereil im Sauerteig ganz regelmäßig und bei richtiger Führung
auch stets in bestimmtem Verhältnis zur Gesamtsäure flüchtige Säure, also Essigsäure
auftritt.
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Dementsprechend war es auch unmöglich, aus Roggenteig durch Ansetzen
mit Hefe und den bisher isolierten Milchsäurebakterien ein gleich gutes Gebäck herzustellen
wie bei Verwendung von natürlichem Sauerteig.
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Im natürlichen Sauerteig lassen sich die durch seine Mikroorganismen
bedingten Eigenschaften durch regelmäßiges Auffrischen beliebig lange erhalten;
untersuchte man aber die verschiedenartigen in der bakteriologischen Technik gebrauchten;
durch Hitze sterilisierten Nährlösungen auf ihre Eignung zur Fortzüchtung der Sauerteigorganismen,
so bemerkte man nach mehrfacher Übertragung bald eine Änderung in der Zusammensetzung
der Mikroflora, die sich einerseits durch veränderten Geruch und anderseits durch
verändertes Gärvermögen kundgab,. letzteres insofern, als aus einer solchen mehrfach
fortgezüchteten Kultur nicht mehr richtiger Sauerteig durch Einkneten von Mehl zu
erhalten war. Als ebenso ungeeignet erwiesen sich auch wässerige durch Kochen sterilisierte
Mehlauszüge.
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Ein befriedigendes Resultat wurde erst erhalten, als wässerige unter
Vermeidung jeder Erhitzung sterilisierte Mehlauszüge für die Kultur der Sauerteigorganismen
verwendet wurden.
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In solcher Nährlösung läßt sich die wirksame Mikroflora natürlichen
Sauerteigs lange Zeit fortzüchten, ohne ihre Eigenschaften zu verlieren. Durch Mischung
mit Gelatine oder Agarlösung erhält man aus ihr erstarrende Nährmedien, die für
die Reinzüchtung der spezifischen Sauerteigorganismen sehr geeignet sind. Auf Gußplatten,
die- aus solchem erstarrenden Nährboden hergestellt werden, entwickeln sich nach
Impfung mit natürlichem Sauerteig neben Hefen in der Hauptsache Bakterien, die wegen
ihres Vermögens, Milchsäure und Essigsäure in dem beim gewöhnlichen
Sauerteig
vorhandenen Verhältnis zu bilden, als die eigentlichen Sauerteigbakterien angesprochen
werden müssen. Die zur Entwicklung` kommenden Kolonien werden in steril filtrierten
Mehlauszug übertragen und durch Prüfung der Kulturen auf gebildete Milch- und Essigsäure
identifiziert. Die Fortzüchtung findet zweckmäßig in steril filtriertem Mehlauszug
statt.
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Durch die Anwendung der auf kaltem Wege sterilisierten Mehlauszüge
zur Isolierung der Sauerteigbakterien ist es nunmehr zum ersten Mal gelungen, die
für die Wirksamkeit von natürlichem Sauerteig maßgebenden Organismen f in Reinkultur
zu erhalten. Die so gewonnenen Reinkulturen ermöglichen- es, jederzeit einwandfreien
Sauerteig herzustellen und sich r somit freizumachen von den in der Praxis oft genug
auftretenden Störungen, die durch Entartung des natürlichen Sauerteigs entstehen.
Wird der Betriebssauerteig regelmäßig in bestimmten Zeitintervallen mit Hilfe der
Reinkulturen neu angesetzt, so zeigt er auch ein stärkeres Triebvermögen als der
früher verwandte Sauerteig. Das mit ihm hergestellte Brot entspricht in Geschmack
und Aussehen gutem Sauerteigbrot.
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Es war bisher noch nicht bekannt, daß es im Sauerteig überhaupt eine
bestimmte Bakterienart gibt, die gleichzeitig Milchsäure und Essigsäure bildet.
Es kann nun mit dieser unter Zusatz von Hefe ein Sauerteig bereitet werden, der
alle Eigenschaften eines guten Sauerteigs aufweist und Brot zu erzeugen gestattet,
das in Geschmack und Aussehen gutem Sauerteigbrot entspricht.
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Eine Sterilisierung des Mehlauszuges auf kaltem Wege gelingt durch
Filtration der Mehlauszüge mittels Porzellan- oder Kieselgurfilter oder durch Filtration
durch Asbestfilter, ferner durch Anwendung von ultraviolettem Licht oder Zusatz
solcher chemischer Steriiisierungsmittel, die sich wieder entfernen oder in unschädliche
Stoffe umwandeln lassen.
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Statt Mehl kann auch Kleie zur Herstellung der Auszüge benutzt werden.
Ausführungsbeispiel. Schrot oder Mehl werden mit Wasser einige Stunden digeriext,
die Lösung durch Papierfilter vom Ungelösten getrennt und das klare Filtrat mehrfach
durch Berkefeldkerzen filtriert. Die Keimfreiheit wird durch tagelanges Bebrüten
des Filtrats im Brutschrank geprüft. Durch Vermischen gleicher Teile sterilen Filtrates
mit verflüssigter und auf etwa 4.o° abgekühlter klarer 2oprozentiger Gelatinelösung
erhält man einen erstarrenden Nährboden, mit dessen Hilfe sich die Sauerteigbakterien
nach den in der bakteriologischen Technik üblichen Methoden isolieren lassen. Sie
liefern, wenn sie mit Hefe zusammen einem Mehlteig zugemischt werden, einen Sauerteig,
der stets gleichmäßige Backresultate gibt.