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Verfahren zur Gewinnung von Pflanzenfasern für Spinnereizwecke. B
ekanntlich wird bei der Gewinnung von Textilfasern aus dem Baste mancher Pflanzen,
z. B. Nessel, Ginster, Typha, Ramie, Hopfen u. a., unter Umständen auch Flachs und
Hanf, wenn es bei letzteren auf eine Auflösung der Faserbündel ankommt, die chemische
Einwirkung verschiedener Stoffe, insbesondere Alkalien, benutzt. Dadurch soll eine
ganze Reihe von Stoffen, die im Bau der Pflanzen die Rolle von Kleb-oder Kittmittel
spielen, aber auch andere Körper, wie Pektine, Farbstoffe, Harze usw., gelöst oder
in einen solchen Zustand übergeführt werden, daß sie durch Waschen mit Wasser entfernbar
sind.
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Bei dieser Behandlung treten aber mancherlei Schwierigkeiten auf;
so kommt es z. B. vor, daß die Klebstoffe zwar scheinbar aufgeweicht sind, aber
später nach dem Trocknen- des ausgewaschenen Materials doch noch verklebend wirken.
Ferner treten verschiedenerlei Umvvandlungs-, Zersetzungs- oder Zwischenprodukte
auf, die sich schwer entfernen lassen.
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Dies gilt auch beispielsweise für ein früher vorgeschlagenes Verfahren,
nach welchem eine Umwandlung von roher Ramie- oder anderer Faser in verspinnbare
Faser erreicht werden soll, indem die rohen Pflanzenfasern zuerst in einem bis zum
Sieden erhitzten alkalischen Bade behandelt, abgeschleudert und mit einem Gemenge
von Alkalien, stärke- oder mehlartigen indifferenten Stoffen, wie Schwefel, Tonerde,
Kalk, Kieselerde, in Berührung gebracht werden; durch letztere Maßnahme soll die
durch das heiße alkalische Bad verbreitete, weich und klebrig gemachte Umhüllungsmasse
mit einem feinen Pulver imprägniert werden, so daß nach dem Trocknen durch Reiben
oder Walzen usw. die Verunreinigungen, die umgewandelte äußere Faserhaut und die
die eigentliche Faser einhüllende zähe Masse in pulverförmigem Zustande entfernt
werden können: Aber abgesehen von den umständlichen Vor- und Nacharbeiten hat dieses
Verfahren den Übelstand, daß die mineralischen Stoffe, die mit mehl- oder stärkeartigen
Stoffen gemischt angewandt werden, nur eine -verhältnismäßig recht schwache mechanische
Wirkung (Reibung) auf die äußeren Schichten der Fasern ausüben können, ferner daß
die kleisterartige Masse die Fasern verschmiert und nur sehr schwierig von ihnen
zu entfernen-ist.
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Diesen Schwierigkeiten kann man durch das den Gegenstand der Erfindung
bildende Verfahren abhelfen, bei dem die an sich bekannte Einwirkung des Wasserglases
auf Faserpflanzen benutzt wird. Jedoch wird durch Zusatz von Kochsalz, Glaubersalz,
Ammoniumchlorid oder ähnlichen Salzen oder Elektrolyten in bekannter Weise, vorzugsweise
unter gleichzeitigem Erwärmen (gegebenenfalls bis zum Kochen), eine Ausscheidung
von Kieselsäure hervorgerufen. Diese, die hierbei aus der Solform in eine hoch adsorptionsfähige
Gelform übergeht, reißt viele Stoffe an und mit sich, die vorher die Fasern verklebten
oder nach innen oder außen überdeckten.
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Die Wirkung dieses aus der eingedrungenen Wasserglaslösung innerhalb
aller Zwischenschichten der Pflanzenteile entstehenden, fein verteilten Kieselsäuregels
ist eine ganz andere als die.einer amorphen Kieselerde, die äußerlich
angewandt
wird im Gemisch mit stärkeartigen usw. Stoffen, wie bei dem oben erwähnten bekannten
Verfahren.
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Das Verfahren geht im alkalisch bleibenden Bade vor sich, wobei durch-"die
schlüpfrige, laugenartige-Flüssigkeit die Reinigung gefördert wird, so daß der Dreiverband
Epidermis, Bast, Holz gelockert und der innere Zusammenhang des Bastes aufgehoben
wird. Auch rein mechanisch wirkt die Fällung der Kieselsäure sehr fördernd, indem
die Epidermis von der Bastschicht, die Bastschicht vom Holze, die Bast-. fasern
voneinander gewissermaßen abgeschoben oder abgedrängt und gleichzeitig Gewebeschichten,
insbesondere die Oberhaut, zerteilt oder gesprengt werden.
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Der praktische Erfolg, der durch diese Anwendung von Wasserglas und
einem Kieselsäure abscheidenden Salze (Elektrolyten) bei der Gewinnung der Fasern
aus dem Baste vieler Pflanzen erreicht wird, ist geradezu überraschend. Durch Waschen
in bekannter Art läßt sich die Kieselsäure zugleich mit den aufgelösten oder ausgeschiedenen
pflanzlichen Unreinigkeiten entfernen.
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Bemerkt sei noch, daß man die Menge der Kieselsäureausscheidung dem
Einzelfalle anpassen kann bei gleichbleibendem Wasserglasgehalte, indem man den
Salzzusatz entsprechend regelt. Die Verschiedenartigkeit der Ausführungsmöglichkeiten
bei dem Verfahren ist überhaupt groß. Man kann beispielsweise in einer Lauge, die
z Prozent technische WasserglaslÖsung (etwa 40 ' B6) 'und z Prozent (mit
Glaubersalz denaturiertes) Kochsalz enthält; Stengel kochen, ohne Abscheidung zu
erhalten. Nach dem Kochen läßt man noch längere Zeit bei abnehmender Temperatur
einwirken, darauf gibt man noch ein oder mehrere Prozente Kochsalz hinzu und _ kann
bei erneutem Erhitzen dem Kochsalzzusatze entsprechende Mengen Kieselsäure abscheiden.
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Es kann aber auch erwünscht sein, die sich abscheidende Kieselsäure,
nachdem sie ihre reinigende und trennende Wirkung ausgeübt hat, nicht mechanisch
gleichzeitig mit den pflanzlichen Unreinigkeiten durch Spülen zu entfernen, sondern
sie wieder zu lösen, was z. B. durch Sehandeln mit Natronlauge oder verdünnter Flußsäurelösung
erreicht werden kann. So läßt sich unter Umständen schon vom Holz befreites, aber
noch unreines oder nicht hinreichend aufgeschlossenes Fasermaterial mit Erfolg behandeln.
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Der die Ausscheidung der Kieselsäure bewirkende Stoff (Elektrolyt)
kann je nach den vorliegenden Bedingungen in fester Form oder in Lösung zugegeben
werden.
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Durch die Behandlung nach dem beschriebenen Verfahren werden die Fasern
nicht angegriffen und ihre guten Eigenschaften unberührt gelassen.
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Selbstredend kann noch mit Rücksicht auf die Eigenart der Faserpflanze
eine bekannte mechanische, chemische oder biologische Vor- oder Nachbehandlung stattfinden.