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Verfahren zur Gewinnung von Klebstoff aus Rübenschnitzeln. Es ist
bekannt, daß die Rübenpreßlinge bedeutende Mengen von Pektinstofen enthalten, welche
durch Kochen mit Wasser oder noch besser mit Säuren oder Alkalien extrahiert werden
können. Es wurde auch bereits eine gewisse Ähnlichkeit von Gummiarabicum mit den
der in Preßlingen enthaltenen Pektinsubstanzen festgestellt. Schließlich fehlte
es nicht an Versuchen, aus Rübenpreßlingen ein zum praktischen Gebrauch geeignetes
Klebmittel herzustellen. .
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Es hat sich nun gezeigt, daß i. der Herstellung eines guten Klebstoffe
aus Rübenpreßlingen die Bedingung zugrunde liegt, daß die Pektinstoffe möglichst
unverändert bleiben; z. bei Erwärmung mit Wasser, Säuren oder Alkalien diese Stoffe
Änderungen erleiden, welche ihre Klebeigenschaften herabsetzen; 3. diese Veränderungen
bei sonst gleichen Bedingungen bei höheren Temperaturen rascher vor sich gehen,
insbesondere bei Temperaturen über ioo° (Verkochen unter gesteigertem Druck) und
bei längerem Kochen noch weiter fortschreiten, besonders rasch aber beim Kochen
mit Alkalien erfolgen, während dies beim Verkochen mit Wasser oder verdünnten Säuren
bedeutend langsamer geschieht und q.. beim Kochen mit organischen Salzen. starker
Basen rascher erfolgen als beim Kochen mit Wasser oder verdünnten Säurelösungen.
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Diese Tatsachen sind dadurch zu erklären, daß die primären Pektinstoffe
als zusammengesetzte,eine Anzahl von Gruppen COOH einschließende Kohlenhydrate aufzufassen
sind, welche im Ausgangsprodukt mit den Gruppen
- COOH in Form von Estern oder Anhydriden verbunden sind. Beim Kochen mit Alkalien
werden die Eitergruppen unter Einwirkung von OH-Gruxpen leicht hydrolysiert, und
zwar unter Zerspaltung des ursprünglichen Moleküls in eine Anzahl weniger komplizierter
Moleküle mit schwächeren Kolloideigenschaften und folglich von niedrigerem Klebewert.
In Anwesenheit von verdünnten Säuren oder Wasser erfolgt diese Hydrolyse viel langsamer,
in Anwesenheit von stark basischen Salzen der organischen Säuren verläuft sie dagegen
infolge der Verdichtung der OH-Ionen wiederum rascher. Durch andauerndes Kochen
mit stärker konzentrierten Säuren kann die Hydrolyse; welche in diesem Falle vorwiegend
die gewöhnlichen Kohlenhydrateverbindungen angreift, ebenfalls sehr weit fortschreiten,
und zwar bis zur Entstehung von Zuckern und Säuren.
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Das den Gegenstand der vorliegenden Erfindung bildende Verfahren zur
Herstellung von Klebstoffen aus Rübenpreßlingen ergibt sich aus den oben geschilderten
wissenschaftlichen Untersuchungen und besteht seinem Wesen nach darin, daß man Pektinstoffe
und gleichzeitig ein gewisses Quantum von Eiweißstoffen durch Kochen der Rübenpreßlinge
mit verdünnter starker Mineral- (z. B. Schwefel-oder Salz-) Säure extrahiert, deren
Menge so zu bemessen ist, daß die Säure zur Umsetzung der in den Rübenpreßlingen
befindlichen Mengen von Salzen organischer Säuren
gemäß der Gleichung
CaR, ;- 2 HCI= CaCl2 -f- 2 RH ausreicht. Auf diese Weise erhält man aus nachteilig
auf Pektinstoffe einwirkenden Salzen organischer Säuren unschädliche Salze einer
Mineralsäure und organische ,Säuren.
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Der Zusatz an Mineralsäuren wird derart abgegrenzt, daß die Reaktion
in der Lösung bis zum ersten Auftreten der freien Mineralsäure verläuft, was sich
in einfachster Weise mittels entsprechender Indikatoren, z. B. Congopapier, feststellen
läßt.
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Bei der praktischen Durchführung des Verfahrens verwendet man zwecks
Beschleunigung der Extraktion einen kleinen, z. B. 2o- bis 4oprozentigen, Übersehuß
an Säure über das normale Quantum gemäß obiger Gleichung. Wie fahrikmäßige Versuche
ergeben haben, verkürzt sich dadurch die Dauer der Extraktion von 4 bis 6 Stunden
auf etwa eine Stunde. Besitzt das verwendete Wasser beträchtlichere Härte, so ist
außerdem noch etwas mehr Säure zur Zersetzung der im Wasser enthaltenen Kalzium-
und Magnesiumkarbonate bzw. Bikarbonate erforderlich.
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Ferner werden auf Grund einer Reihe von Versuchen die Temperatur und
die Dauer der Erwärmung in der Weise ermittelt, daß man möglichst den ganzen Gehalt
von Klebstoffen herausgewinnt, ohne indessen durch übermäßiges Kochen die Klebeigenschaften
des Produktes zu beeinträchtigen. Ein weiteres Merkmal des Verfahrens gemäß der
Erfindung, welches ebenfalls aus den eingangs angeführten allgemeinen Erörterungen
herzuleiten ist, besteht darin, daß die durch Kochen von Rübenpreßlingen mit Mineralsäuren
gewonnene Leimlösung einer Verdikkung ohne vorheriges Neutralisieren unterworfen
wird. Würde dagegen von vornherein ein gewisser überschuß an freier Mineralsäure
in die Lösung eingeführt, so wäre die erwähnte Verdickung nach Neutralisierung mittels
Soda lediglich der freien Mineralsäure, nicht aber gleichzeitig auch der ungebundenen
organischen Säuren vorzunehmen, welche während der ganzen Verdickungs- und Trocknungsperiode
im freien Zustande verbleiben sollen. Nur unter diesen Bedingungen kann man Leim
von hoher Klebfähigkeit ungeachtet der längeren Dauer der Erwärmung erhalten. Eine
zu weit fortgeschrittene, die Verbindung organischer Säuren herbeiführende Neutralisation
vor der Verdickung liefert ein minderwertiges Leimprodukt, wie durch exakte Bestimmung'
der Klebrigkeit des gewonnenen Leimes festgestellt wurde. Nach Neutralisierung lediglich
des Überschusses an Mineralsäure unter Benutzung von Congopapier bleibt die Viskosität
einer 4prozentigen Leimlösung, die anwärmung auf 98 bis 99° C beinahe unverfänglich
4 betrug, nach vierstündiger Erändert, während sie nach Neutralisierung auch freier
organischer Säuren unter Verwendung von Lackmus als Indikator und vierstündigem
Kochen auf 2 bis 2,2 jmd nach Neutralisierung mit Phenolophthalein als Indikator
sogar auf 1,5 bis 1,6 sinkt. Beim Gebrauch des fertigen Leimes können die organischen
Säuren gegebenenfalls vor Benutzung des Produktes neutralisiert werden, was sich
indessen in den meisten Fällen erübrigen wird. Ausführungsbeispiel: 2 ,kg
trockene Rübenpreßlinge werden mit 201 Heißwasser unter beständiger Umrührang so
lange behandelt, bis sie genügend Wasser aufgenommen haben. Hierauf setzt man unter
fortlaufendem Rühren so viel verdünnte (z. B. i oprozentige) Schwefelsäure hinzu,
bis das Gemisch eine sauere (mit Bezug auf Mineralsäure) Reaktion aufweist, was
mittels eines Indikators, wie z. B. Congorot, erkannt werden kann. Nun wird das.
Gemisch im Laufe von 3 bis 4 Stunden auf dem Wasserbade gekocht, durch Leinwand
filtriert, der Satz abgepreßt, eine kurze Zeit mit Wasser ;gekocht, wiederum abgepreßt
usw. Die vermengten Leinlösungen werden, ohne die darin enthaltenen organischen
Säuren zu neutralisieren, in einem flachen Verdampfer auf dem Wasserbad zu einem
dicken Sirup eingedichtet, welcher schließlich in dünnen Schichten getrocknet wird.
Man gewinnt etwa i kg, also 50 Prozent auf Gewicht der Rübenpreßlinge, von
Trockenleim in Gestalt von durchsichtigen, elastischen, glänzenden Plättchen.
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In ähnlicher Weise lassen sich auch frische Rübenpreßlinge unmittelbar
nach der Diffusion auf Klebstoff verarbeiten.
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Die Klebekraft des nach dem oben beschriebenen Verfahren angefertigten
Leimes über- i trifft die der besten Gummiarabicumsor;en.
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Dieser Leim ist überall da verwendbar, wo man sich bisher des Gummiarabicums
bediente: wegen seiner Wohlfeilheit kommen aber auch noch verschiedene andere Verwen-i
dungsgeb.iete in Frage.
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Erforderlichenfalls können die Leimlösungen noch den bei der Fabrikation
anderer Klebstoffe üblichen. Klärungs- und Entfärbungsmethoden unterworfen werden,
um ein Produkt von höherem Wert zu erzeugen.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung wurde im fabrikmäßigen Umfange erprobt,
wobei es sich ergab, daß es den alten bekannten Methoden gegenüber wesentliche Vorteile
aufweist und folglich einen neuen technischen. und wirtschaftlichen Fortschritt
bietet.
i. Das Verfahren gemäß der Erfindung ist bedeutend billiger,
da es sich der billigeren Mineralsäuren, z. B. Schwefelsäure (etwa Kammer- oder
Abfallsäure) oder roher Salzsäure, an Stelle der teuren organischen Säuren bedient.
Auf ioo kg verarbeiteter Rübenpreßlinge beträgt der Säureaufwand 2 bis 2#5 k' 94prozentiger
H2S04 oder 5,5 bis kg 25prozentiger Salzsäure.
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2. Die Dauer des Erwärmens mit verdünnter Mineralsäure gemäß dem vorliegenden
Verfahren beträgt 4 bis 5 Stunden, welche sich bei Benutzung eines kleinen (2o bis
30 Prozent) Säureüberschusses bei 95 bis ioo° auf eine Stunde reduzieren-, während
die Erhitzungsdauer nach den bekannten Verfahren bis zu 4o Stunden beträgt. Das
neue Verfahren erlaubt, angesichts der raschen Auflösung des Leimes eine systematische
Auslaugung in einer Diffusionsbatterie vorzunehmen und mithin aus rohen Preßlingen
unmittelbar eine dicke (12 bis 15 Prozent oder darüber) Lösung zu erhalten, was
-wiederum die Eindickung, die zweckmäßig in einem Vakuumapparat vorgenommen wird,
in wirksamer Weise erleichtert und Brennstoffersparnis bedeutet.
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3. Der gemäß dem den Gegenstand der Erfindung bildenden Verfahren
gewonnene Leim weist eine sehr hohe Viskosität und Klebfähigkeit auf.
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Die in einem Viskosimeter vorgenommene Versuchereihe hat folgende
Werte ergeben: für den nach dem vorliegenden Verfahren hergestellten Leim beträgt
n=3,5 bis 4,0 gegenüber n= 1,8 bis 2,4 für Gummiarabicum und 1,2 bis 1,3 für Dextrin.
Englers Viskosimeter ergibt bei 30° C für eine 15-prozentige Lösung für nach dem
Verfahren gemäß der Erfindung hergestellten Leim n=3,5 bis 4, Knochenleim 1,5 bis
1, 8, Hautleim 2,5 bis 2,3. Der, wie vorstehend beschrieben, erhaltene Leim
besitzt eine hohe Klebfähigkeit in bezug auf Papier (er eignet sich zur Verwendung
in der Buchbinderei, bei Kanzleiarbeiten, für Briefumschläge, für Postwertzeichen,
zum Kleben von Tapeten usw.) und findet auch Verwendung als Appreturmittel für Baumwolle
und Wollenstoffe, zum Schlichten insbesondere von Wollgarn als Verdikkungsmittel
in der Färberei, zum Drucken von. Textilstoffen, zur Fabrikation von Zündhölzern
usw. Schließlich eignet er sich vorzüglich als Tischlerleim. Die Zugfestigkeit beträgt
dabei io kg auf Quadratzentimeter.