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Verfahren zur Herstellung von Vitamin A-aldehyd Aus der Literatur
ist bereits bekannt, daß Versuche, bei denen die Hydroxyverbindungen I und II
allen »geläufigen Umlagerungs- und Dehydratisierungsmethoden« unterworfen wurden,
zu Roh-
produkten mit einer sehr geringen biologischen Vitamin A-Aktivität führten
(0. I sler, Chimia, 3, s. 150 [1949]; Chimia, 4, S. 116 [1950]; vgl. auch Fortschritte
der Chemie organischer Naturstoffe, Bd. 9, Wien, 1952, S. 62). Versuche des Erfinders
zur Überführung der Verbindung II durch Wasserabspaltung in den Vitamin A-methyläther
zeigten eindeutig, daß dabei unter mehrfacher Allylumlagerung der sogenannten Retro-Vitamin
A-methyläther (III)
gebildet wird, der biologisch inaktiv ist. Dieser Befund steht in Übereinstimmung
mit von H. O. H u-5 m a n et al. (Recueil des Travaux Chimiques des Pays-Bas, 71,
S. 911 [1952]) publizierten Erfahrungen, wonach alle Synthesen, die über Zwischenprodukte
führen, welche in Allylstellung auch auch über ein konjugiertes System von Doppelbindungen
hin-
weg zur Doppelbindung des Cyclohexenringes eine OH-Gruppe aufweisen, im wesentlichen
unter Retro-ionylidenumlagerung zu derartigen biologisch unwirksamen Retroverbindungen
fuhren.
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Es wurde nun gefunden, daß man Vitamin A-aldehyd dadurch herstellen
kann, wenn man ein A-Hydroxyacetal der Formel
in der R Alkyl bedeutet, in Form einer 10- bis 200/obigen Lösung in einem organischen
Lösungsmittel von der Art der acyclischen oder cyclischen Äther, aliphatischer Ketone
oder Ester aliphatischer
Carbonsäuren unter Zusatz von etwa 3 bis
5 Volumprozent einer 1 bis 2 n-Chlorwasserstoffsäure, Bromwasserstoffsäure, Schwefelsäure
oder Phosphorsäure 5 bis etwa 10 Minuten lang bei Temperaturen zwischen 60 und 100"C,
vorzugsweise 80 und 90°C, umsetzt.
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Das erhaltene Reaktionsprodukt ist frei von unwirksamem Retro-Vitamin
A-aldehyd, obwohl sich auch in den als Ausgangsmaterialien verwendeten Verbindungen
IV die Hydroxylgruppe über ein System konjugierter Doppelbindungen hinweg in Allylstellung
zur Doppelbindung des Cyclohexen-Ringes befinden. Der besondere Umstand, daß in
IV pHydroxyacetale vorliegen, bedingt bei der Behandlung mit sauren Mitteln, daß
bei der Aufspaltung der Acetalgruppierung einerseits und der Wasserabspaltung andererseits
keine Retroumlagerung eintritt.
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In der USA.-Patentschrift 2 811 561 und in der entsprechenden britischen
Patentschrift 768 974 wird zwar bereits behauptet, man habe das ß-Hydroxyacetal
IV, welches dort als Verbindung IV bezeichnet wird, nach einem dem erfindungsgemäßen
Verfähren entsprechenden Verfahren in Vitamin A-aldehyd übergeführt. Eine genaue
Nacharbeitung der Angaben dieser beiden Patentschriften zeigte jedoch, daß dies
nicht der Fall gewesen sein kann.
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Die Autoren der beiden Patentschriften hatten nämlich die Verbindung
IV gar nicht in Händen.
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Arbeitet man ihre Angabe über die Herstellung dieser Verbindung IV
nach, so zeigt sich, daß nicht Verbindung IV, sondern vielmehr die entsprechende
Retroverbindung entsteht. Da die Autoren nun die Verbindung IV gar nicht in Händen
hatten, konnten sie sie auch nicht in Vitamin A-aldehyd überführen.
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Tatsächlich ist die Darstellung der Verbindung IV dem Erfinder erst
im Jahre 1959 gelungen, und auf diese Herstellung wurde inzwischen das deutsche
Patent 1117 570 erteilt.
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Der Erfinder hatte also die Verbindung IV tatsächlich zum ersten
Mal in der Hand, und das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht erstmals, die Verbindung
IV in Vitamin A-aldehyd zu überführen.
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In der deutschen Patentschrift 1 151 251 wird zwar ein Verfahren
zur Herstellung von Vitamin A-aldehyd, ausgehend von einem A-C2"-Hydroxyacetal der
gleichen Konstitution wie im erfindungsgemäßen Verfahren, beschrieben.
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Dieses B-Czo-Hydroxyacetal wird dort jedoch bevorzugt mit sauren
Agenzien zu einem C20-Retroacetal dehydratisiert, das weiter mit sauren Mitteln
zum angeblichen Vitamin A-aldehyd mit der im Naturprodukt vorhandenen Anordnung
der Doppelbindungen isomerisiert und hydrolysiert wird; dieses Verfahren ist von
dem erfindungsgemäßen Verfahren durchaus verschieden.
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In der deutschen Patentschrift 1 1151 251 wird ferner die Dehydratisierung,
Isomerisierung und Hydrolyse des 8-Czo-Hydroxyacetals mit Säuren in einem Einstufenverfahren
beansprucht und fällt damit scheinbar mit unserem beanspruchten Verfahren zusammen.
Daß jedoch auch dieses Verfahren von dem erfindungsgemäßen Verfahren völlig verschieden
ist und daher auch zu anderen Endprodukten führt, wird wie folgt bewiesen: 1. Die
Entgegenhaltung lehrt die Hydrolyse eines p-C2o-Hydroxyacetals durch 1 stündiges
Erhitzen mit
Säuren. Untersuchungen des Erfinders haben jedoch, wie nach dem Stand
der Technik (vgl. K. E i t e r, E. Truscheit, H. Oediger, Angew. Che., 72 [1960],
besonders S. 949 rechts oben) nicht anders zu erwarten war, gezeigt, daß unter solchen
Hydrolysebedingungen schon bedeutend weniger säureempfindliche Vitamin A-Verbindungen,
wie Vitamin A-acetat (R. H. Beutel. D. F. Hin kley und P. I. Pol-1 a k, J. Am. Soc.,
77. S. 5166 [1955]), schwere Veränderungen unter Retroumlagerung erleiden; noch
mehr ist der beim Sehvorgang wichtige Vitamin A-aldehyd (Retinen) enorm säureempfindlich
und wird unter Retroumlagerung und Bildung schwarzen Teers unter den angegebenen
Bedingungen verändert.
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Das UV-Spektrum zeigt die für Retro-Vitamin A-aldehyd charakteristische
Dreifachabsorption bei 334, 355, 371 ms (E = 34 200, 46 100, 41 700), während das
IR-Spektrum neben einer Bande bei 1658 cm-1, charakteristisch für a, -ungesättigtes
Aldehydcarbonyl, sowie der dazugehörigen C=C-Bande bei 1575 cm 1 eine Hauptabsorption
bei 1725 cm-1 aufweist, die das Vorliegen eines afl-gesättigten Aldehyds, und zwar
des Retro-Vitamin A-aldehyds, beweist.
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2. Im Gegensatz dazu wird bei der erfindungsgemäßen Kurzzeithydrolyse
des p-C2o-Hydroxyacetals, fußend auf der Entdeckung des Erfinders (Angew. Chem.,
72 [1960], S. 951, Mitte, Spalte links und rechts) der gelenkten Dehydratisierung
von Hydroxyverbindungen der Vitamin A-Reihe, das fl-C20-Hydroxyacetal primär an
der Acetalgruppe zum B-Czo-Hydroxyaldehyd verseift, das unter den angegebenen Reaktionsbedingungen
an der aktivierten Methylengruppe ein Proton abgibt, so daß unter Aufrichtung der
neuen Doppelbindung Vitamin A-aldehyd in ausgezeichneter Ausbeute entsteht. Das
UV-Spektrum besitzt nur eine einzige Hauptabsorption bei Ämay 371 mm (e = 39 500),
während im IR-Spektrum die a,fl-ungesättigte C=O-Bande bei 1656 cm-1, die dazugehörige
C=C-Bande bei 1575 cm-1 feststellbar ist.
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Damit sind nicht nur die Unterschiede zwischen dem Verfahren der
Entgegenhaltung und dem erfindungsgemäßen Verfahren klar aufgezeigt, sondem es konnte
bewiesen werden, daß nur nach den erfindungsgemäßen Verfahrensbedingungen einwandfrei
Vitamin A-aldehyd herstellbar ist.
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Für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignete Lösungsmittel
sind acyclische oder alicyclische Ather. wie Äthylenglykoldimethyläther, Dibutyläther,
Diisopropyläther, Dioxan, Tetrahydrofuran, aliphatische Ketone, wie Aceton, Butanon-(2),
Pentanon-(3), Ester niederer aliphatischer Carbonsäuren, wie Athylacetat, Isopropylacetat,
Glykoldiacetat, sowie ferner Dimethylformamid.
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Die für die Reaktion erforderlichen sauren Mittel sind wäßrige Chlorwasserstoffsäure,
Bromwasserstoffsäure, Schwefelsäure oder Phosphorsäure.
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Man benötigt für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens
etwa die 5- bis 10fach Menge an Lösungsmittel, bezogen aufdas eingesetztefl-Hydroxyacetal
(IV), und weiterhin 3 bis 5 Volumprozent an etwa 1- bis 2normaler einer der genannten
anorganischen Säuren, bezogen auf die Lösung; bei Verwendung von Phosphorsäure ist
es vorteilhaft, etwa 70- bis 900/oige Säure in gleicher molarer Menge einzusetzen.
Die Reaktionstemperatur liegt bei 60 bis 100"C, vorzugsweise etwa 80 bis 90"C; die
Dauer
der Reaktion beträgt 5 bis etwa 10 Minuten. Die Isolierung
des Vitamin A-aldehyds (V) erfolgt nach dem Eintragen des Reaktionsgemisches in
Eiswasser in üblicher Weise.
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In einer bevorzugten Durchführungsform wird zunächst das p-Hydroxyacetal
(IV) in der 5- bis 10flachen Menge eines der oben angegebenen Lösungsmittel, vorzugsweise
etwa 8- bis 10fachen Menge Dioxan, gelöst. Nach zweckmäßigem Zusatz eines Antioxydans,
wie a-Tocopherolacetat, Hydrochinon
oder Phenothiazin, wird die Lösung in Inertgasatmosphäre
auf 80 bis 90"C erhitzt; sodann setzt man vorzugsweise 3 Volumprozent 2 n-Chlorwasserstoffsäure
hinzu und beläßt das so bereitete Reaktionsgemisch 5 bis etwa 10 Minuten bei dieser
Temperatur. Die Aufarbeitung erfolgt wie oben angegeben.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird durch das nachstehende Formelschema,
in dem R für Alkylgruppen steht, veranschaulicht:
Beispiel Herstellung von 9-(2',6',6'-Trimethylcyclohexen-( 1 ')-yl)-3,7-dimethyl-nonatetraen-(2,4,6,8)-al-(l),
Vitamin A-aldehyd (V) 57 Gewichtsteile 9 - (2', 6', 6' - Trimethylcyclohexen-(l')-yl)-3,7-dimethyl-3-hydroxy-
1,1 -dimethoxynonatrien-(4,6,8) (IV) werden in 250 Volumteilen Dioxan gelöst, mit
1 Gewichtsteil Phenothiazin versetzt und unter Rühren in einer Inertgasatmosphäre
zum Sieden erhitzt; jetzt läßt man ein Gemisch von 17 Volumteilen 2 n-Chlorwasserstoffsäure
und 50 Volumteilen Dioxan rasch zufließen und hält die Reaktionslösung 5 Minuten
unter Rückfluß.
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Nach dem raschen Abkühlen wird das Reaktionsgemisch mit Äther verdünnt,
die ätherische Lösung mit Natriumhydrogencarbonatlösung und Wasser neutral gewaschen,
über Natriumsulfat getrocknet und unter Stickstoff filtriert; Dann dampft man das
Lösungsmittel vorsichtig ab. Es verbleiben 43 Gewichtsteile des rohen Vitamin A-aldehyds,
die bei der Destillation im Hochvakuum bei 0,001 Torr und 140 bis 160"C 35 Gewichtsteile
des reinen Vitamin A-aldehyds als intensiv orangegelbgelärbtes Öl liefern; einziges
UV-Absorptionsmaximum: imaz 377 mp (£ = 33 000). Das Infrarotabsorptionsspektrum
zeigt charakteristische Banden bei 1572 cm-1
(zur Carbonylgruppe konjugierte C =
C-Bindungen) und 962 cm-l (symmetrisch disubstituierte Analyse:
CH = CH-trans-Äthylenbindung). |
I |
C20H2sO (284). |
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Berechnet .... C 84,450/0, H 9,920/0; gefunden . . C 84,010/0, H
9,500/0.
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Zur weiteren Charakterisierung wurde das Phenylsemicarbazon des Vitamin
A-aldehyds hergestellt: Der oben beschriebene Vitamin A-aldehyd gibt beim Erhitzen
mit Phenylsemicarbazid in alkoholischer Lösung ein orangegelbes Phenylsemicarbazon,
das nach Umkristallisieren aus Äthanol einen Zersetzungspunkt bei 1960 C zeigt.
Im UV-Spektrum liegen die Absorptionsmaxima bei 370, 277 und 233 mt* (E = 62 000,
10 600, 22 000).
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Analyse: C27H350N3 (417,6).
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Berechnet .... C 77,650/0, H 8,440/o; gefunden . . C 77,620/0, H8,61°/o.