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Verfahren zur extraktiven Kristallisation von Kohlenwasserstoffölen
Es sind bereits verschiedene Verfahren zur selektiven Raffination von Kohlenwasserstoffölfraktionen,
insbesondere Erdölfraktionen, durch extraktive Kristallisation mit einer Harnstofflösung
vorgeschlagen worden. So hat z. B. B e n g e n in seiner deutschen Patentschrift
869 070 mitgeteilt, daß Harnstoff in gelöster Form mit normalen aliphatischen Kohlenwasserstoffen
mit mehr als 5 Kohlenstoffatomen kristalline Komplexe bildet. Auf Grund dieser Beobachtung
sind in mehreren Anwendungsanmeldungen verschiedene Verfahren beschrieben worden,
um mit einer Harnstofflösung Kohlenwasserstofffraktionen in zwei Fraktionen zu trennen,
nämlich in eine Fraktion, die aliphatische Kohlenwasserstoffe mit gerader Kette
enthält, Extrakt genannt, und eine Fraktion, die keine aliphatischen Kohlenwasserstoffe
mit gerader Kette enthält, Raffination genannt.
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Unter den Bestandteilen der Benzine und Naphthas haben die aliphatischen
Kohlenwasserstoffe mit gerader Kette, die mehr als 5 Kohlenstoffatome pro Molekel
enthalten, eine schlechte Oktanzahl, während die verzweigtkettigen aliphatischen
Kohlenwasserstoffe eine gute Oktanzahl haben.
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Zur Verbesserung der Verbrennungseigenschaften der Benzine hat man
vorgeschlagen, sie durch Behandlung mit einer Harnstofflösung von den aliphatischen
Fraktionen mit gerader Kette zu befreien. Die Reaktion zwischen der Harnstofflösung
und den aliphatischen Kohlenstoffverbindungen mit gerader Kette kann unter den verschiedensten
Bedingungen stattfinden, am besten scheint sie allerdings abzulaufen, wenn gemäß
Patent 952 122 die zu behandelnde Kohlenwasserstoffölfraktion mit einer gesättigten
Lösung von Harnstoff in einem ternären Lösungsmittelgemisch in eine Emulsion umgewandelt
wird.
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Im Patent 952 122 ist ausgeführt, daß es vorteilhaft ist, mit durch
Abkühlung einer gesättigten Harnstofflösung frisch ausgefallenen Kristallen sehr
geringer Größe, sogenannten ">entstehenden« Harnstoffkristallen zu arbeiten. Diese
Kristalle reagieren sehr leicht mit den aliphatischen Kohlenwasserstoffen mit gerader
Kette, die in dem zu behandelnden Kohlenwasserstoffgemisch enthalten sind.
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Bei der industriellen Durchführung dieses Verfahrens hat sich nun
herausgestellt, daß sich beim Durchleiten der übersättigten Harnstofflösung durch
das Rohrnetz und beim Abkühlen lange Nadeln von Harnstoff bilden können, die sich
unter Bildung eines scheinbar sehr großen Volumens verfilzen und damit die Rohrleitungen
verstopfen können.
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Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß, wenn dem Harnstoff der
Harnstofflösung eine geringe :Menge von 0,2 bis 5 °/o oder auch mehr an Biuret,
bezogen auf Harnstoff, zugesetzt wird, die durch Abkühlung bewirkte Kristallisation
des Harnstoffes aus der übersättigten Harnstofflösung durch eine Kristallisationsverzögerung
verlangsamt wird. Die Gefahr der Verstopfung der Rohrleitungen wird damit herabgemindert.
Weiterhin bilden sich in Gegenwart der angegebenen Mengen Biuret nur sehr kurze
Nadeln von Harnstoffkristallen, die nur wenige zehntel Millimeter lang sind und
sich nicht verfilzen. Das scheinbare Volumen der Harnstoffkristalle ist nur etwa
1/1o der in Abwesenheit von Biuret erhaltenen.
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Die sich in Gegenwart von Biuret in der Lösung bildenden, sehr kleinen
Kristalle sind besonders geeignet, mit den normalen aliphatischen Kohlenwasserstoffen
zu reagieren.
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Ein anderer durch den Biuretzusatz zur Harnstofflösung bedingter Vorteil
besteht darin, daß die Bildung der Emulsion zwischen der gesättigten Harnstofflösung,
in der die entstehenden Harnstoffkristalle suspendiert sind, und der Kohlenwasserstoffphase
augenblicklich erfolgt, da die sehr kleinen Kristalle eine große Kontaktoberfläche
mit der Kohlenwasserstoffphase haben.
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Wie Versuche ergeben haben, genügt es bereits, ein einziges Körnchen
Biuret in einigen ccm Wasser aufzulösen und diese Lösung einem 5 Liter der gerührten
Mischung aus Kohlenwasserstoffen und Harnstoffen enthaltenden Ballon zu Beginn der
Reaktion zuzusetzen, um sofort die Bildung einer weißen, sehr feinteiligen Emulsion
zu bewirken.
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`'Wird gemäß der Erfindung eine Harnstofflösung mit 0,2 bis
501, oder mehr Biuret, bezogen auf Harnstoff, verwendet, so brauchen die
Rohrleitungen zur Vermeidung
unzeitiger Kristallisation durch Abkühlung
des Harnstoffes nicht erhitzt zu werden, die Reaktion zwischen dem Harnstoff und
den aliphatischen Kohlenwasserstoffen mit gerader Kette wird erleichtert und, sofern
nach dem Emulsionsverfahren gearbeitet wird, wird die Bildungsgeschwindigkeit der
Emulsion erhöht.
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Nach Patent 952122 wird ein ternäres Lösungsmittelgemisch, bestehend
aus Wasser-Alkohol- (oder Keton-) Polyol (oder Aminoalkohol) verwendet und die Reaktion
in einer Emulsion durchgeführt; das Biuret hat aber, wie gefunden wurde, die Eigenschaft,
die Kristallisation des Harnstoffs auch in anderen Lösungsmitteln, als sie im Patent
952122 beschrieben sind, zu verzögern. Das Biuret verzögert die Kristallisation
des Harnstoffs aus Lösungen in Wasser, Wasser-Alkohol-Gemischen, Wasser-Keton-Gemischen
und ähnlichen Lösungsmitteln für Harnstoff, wie sie bei den verschiedenen bekannten
Verfahren zur extraktiven Kristallisation mit einer Harnstofflösung benutzt werden.
In allen diesen Fällen erhöht der Biuretzusatz die Reaktionsgeschwindigkeit, macht
sie vollkommener und erleichtert die industrielle Durchführung des Verfahrens, indem
das Risiko der unzeitgemäßen Kristallisation der gesättigten Harnstofflösung bei
der Zirkulation in den Rohrleitungen vermieden wird.
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Zirkulieren gemäß der Erfindung Harnstofflösungen mit 0,2 bis 5°/0
oder mehr Biuret, mit Bezug auf Harnstoff, in den Rohrleitungen, so wird dieses
Risiko vermieden, denn, wenn an einigen Punkten der Rohrleitungen die Harnstofflösung
keine genügend hohe Temperatur mehr hat, um allen Harnstoff in Lösung zu halten,
so bilden sich sehr kleine Kristalle, die nicht wachsen und sich nicht agglomerieren,
so daß jede Verstopfung der Rohrleitungen vermieden wird. Daraus ergibt sich folgender
technischer Vorteil: die warmgesättigte Harnstofflösungen führenden Rohrleitungen
brauchen nicht mehr mit Dampf wieder erhitzt zu werden, es genügt vielmehr ein einfacher
Wärmeschutz.
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Harnstoff technischer Qualität enthält als wesentlichste Verunreinigung
Biuret,@aber in einer Menge, die im allgemeinen unter 0,2°/0 liegt und nicht ausreicht,
um eine merkliche Verkleinerung der ausfallenden Kristalle herbeizuführen. Zur Erzielung
der obenerwähnten Vorteile müssen, wie bereits erwähnt wurde, mehr als 0,2°/o Biuret,
mit Bezug auf Harnstoff, angewendet werden.
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Bei der industriellen Durchführung des Verfahrens wird man der Harnstofflösung
das Biuret nicht in reiner Form zusetzen, da Biuret kein industrielles Produkt ist.
Die einfachste Weise, um die Eigenschaften der Harnstofflösung zu verbessern und
die ein charakteristisches Merkmal der Erfindung ist, besteht darin, in dem gesamten
Harnstoff oder vorzugsweise in einem Teil des benötigten Harnstoffs eine genügende
Menge Biuret durch Erhitzen dieses Teiles auf 140 bis 170° zu erzeugen. Es ist bekannt,
daß bei dieser Temperatur zwei Moleküle Harnstoff unter Freisetzung von Ammoniak
ein Molekül Biuret gemäß folgender Formel ergeben:
2NH2.CO-NH2 -> NH2-CO-NH-CO-NH2 -f- NH3 |
Wird die Erhitzung des Harnstoffs verlängert oder wird bei höherer Temperatur gearbeitet,
so bilden sich neben dem Biuret andere Zersetzungsprodukte des Harnstoffes, vorzugsweise
Cyanursäure, gemäß der folgenden Formel:
Diese Zersetzungsprodukte des Harnstoffes haben für sich oder in Kombination, in
gleicher Weise wie reines Biuret, eine verzögernde Wirkung auf die Kristallisation
des Harnstoffes in Lösung.
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Auf diese Weise hat man eine industriell anwendbare, wirtschaftliche
Methode an der Hand, um Kristallisationsverzögerer für den Harnstoff gemäß der Erfindung
herzustellen, die die Bildung langer Kristalle in den zur extraktiven Kristallisation
verwendeten Harnstofflösungen verhindern.
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Nachstehend werden zwei Ausführungsbeispiele im Laboratoriumsmaßstab,
die aber in keiner Weise beschränkend sind, angegeben.
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Die angewendete Arbeitsweise und das benutzte ternäre Lösungsmittelgemisch
sind von der Art, wie sie im Patent 952122 beschrieben sind. In den Beispielen sind
die Teilangaben immer Gewichtsteile, und die verwendeten chemischen Produkte sind
von technischer Reinheit.
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Beispiel 1 Behandlung eines Benzins mit einer Biuret enthaltenden
Harnstofflösung Es wird eine Biuret enthaltende Harnstofflösung in einem ternären
Lösungsmittelgemisch aus Glykol-Methanol-Wasser folgender Zusammensetzung hergestellt
Harnstoff mit 10/,) Biuret ..... 40,5 Gewichtsteile |
Glykol ...................... 15,2 " |
Methanol (96°/oig) ............ 34,3 " |
Wasser ...................... 10,0 " |
100,0 Gewichtsteile |
Der Harnstoff mit
10/, Biuret wird durch Mischung von 3 Teilen technischem
Harnstoff mit 1 Teil Harnstoff mit 4°/o Biuret hergestellt.
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Der Harnstoff mit 4 °/o Biuret wurde vorher durch längeres Erhitzen
von technisch reinem Harnstoff auf 145° erzeugt. Die Sättigungstemperatur für diese
Lösung des Harnstoffs liegt bei 38°.
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Es werden 100 Teile eines durch direkte Destillation von rohem Kuwaitöl
erhaltenen Benzins mit den Destillationsgrenzen von 90 bis 140° mit 300 Teilen der
Biuret enthaltenden Harnstofflösung bei 38° vermischt und unter kräftigem Rühren
auf eine Temperatur von 13° abgekühlt, bei der das Rühren fortgesetzt wird. Die
gebildete Emulsion ist sehr feinteilig und ebenso flüssig, als wenn kein Biuret
verwendet wird. Das Fortschreiten der Reaktion wird durch Entnahme von Proben verfolgt,
die zentrifugiert werden, um die nicht in Reaktion getretene Kohlenwasserstoffphase
abzutrennen, an der die Dichte bestimmt wird. Nach einstündigem Rühren hört die
Dichte auf zu steigen, wodurch das Ende der Reaktion angezeigt wird. Die Emulsion
wird gemäß den Anweisungen des Patents 952 122 gebrochen. Es werden 20 Teile wäßriges
Methanol zugegeben, die durch Destillation von 54 Teilen der Harnstoffausgangslösung
erhalten werden. Der 34 Teile betragende warme Rückstand wird aufbewahrt.
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Dank der Gegenwart des Biurets, das nur die Bildung von Harnstoffkristallen
sehr kleiner Dimensionen zuläßt, läßt sich die Emulsion leicht brechen, und das
Raffinat scheidet sich an der Oberfläche ab. Die mit wäßrigem Methanol verdünnte
Harnstofösung, die den Komplex in Suspension enthält, wird zur Zerstörung des Komplexes
auf 40° erwärmt. Die aufschwimmende Extraktphase wird durch Dekantation abgetrennt.
Die Harnstoffausgangslösung wird schließlich dadurch wiederhergestellt, daß zu der
regenerierten Harnstofflösung die 34 Teile des von der vorhergehenden Hilfsdestillation
verbliebenen
Rückstands hinzugefügt werden. Schließlich werden 54 Teile der regenerierten Harnstofflösung
durch eine weitere Destillation abgetrennt, und der Arbeitskreislauf kann wiederum
beginnen.
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Die erhaltenen Ergebnisse sind in der nachstehenden Tabelle niedergelegt.
Oktanzahl |
Dichte (Motormethode) |
bei 15° ohne + 0140/0 |
Zusatz Blei- |
tetraäthyl |
1 |
Direkt destilliertes |
Benzin ............ 727,6 40,9 56,4 |
Raffinat ............. 731,8 46,3 61,6 |
Extrakt ............. 709,5 |
Die Ausbeute beträgt 85°/o Raffinat. Beispiel 2 Behandlung eines Motortreibmittels
mit einer Biuret enthaltenden Harnstofflösung Es wird die gleiche
11 ;'o
Biuret enthaltende Lösung wie im Beispiel 1 verwendet.
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Das Ausgangsöl ist eine Fraktion einer Direktdestillation von rohem
Kuwaitöl mit den Destillationsgrenzen von 140 bis 320° und einem Stockpunkt von
-20°.
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100 Teile dieser Kohlenwasserstofffraktion werden mit 600 Teilen der
Harnstofflösung des Beispiels 1 bei einer Temperatur von 38° zusammengebracht. Unter
kräftigem Rühren wird die Mischung abgekühlt, bis die Temperatur auf 20° gesunken
ist, und das Rühren bei dieser Temperatur fortgesetzt. Der Komplex bildet sich in
dem Augenblick, in dem die Masse sich in eine feine und flüssige Emulsion umwandelt.
Durch Dichtemessungen des behandelten Raffinates an entnommenen Proben, die zentrifugiert
werden, wird der Reaktionsablauf kontrolliert. Wenn die Dichte nach etwa 1 Stunde
ihr Maximum erreicht hat, wird das Rühren beendet und die Emulsion durch Zusatz
von 40 Teilen wäßrigen Methanols gebrochen, das von der vorherigen Destillation
von 108 Teilen der Harnstoffausgangslösung gewonnen worden ist. Die 68 Teile des
warmen Rückstandes werden aufbewahrt.
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Wenn die Emulsion gebrochen ist, wird die Raffinatphase durch Dekantation
entfernt. Die mit wäßrigem Methanol verdünnte Harnstofflösung, die in Suspension
den Komplex enthält, wird zur Zerstörung dieses Komplexes auf 40° erwärmt. Der aufschwimmende
Extrakt wird durch Dekantation abgetrennt. Die Harnstoffausgangslösung wird schließlich
dadurch wiederhergestellt, daß der regenerierten Harnstofflösung 68 Teile des von
der vorhergehenden Hilfsdestillation stammenden warmen Rückstandes zugegeben werden.
Schließlich werden durch eine weitere Destillation 168 Teile von der Harnstofflösung
abgetrennt, die auf diese Weise wiederhergestellt wird, und der Arbeitskreislauf
kann von neuem beginnen.
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Die erhaltenen Ergebnisse sind aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.
Dichte bei Stockpunkt |
20 |
Rohes Destillat . . . . . . . . . . . . 802,6 -20- |
(Ausgangsöl) |
Raffinat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820,6 unter -60° |
Es werden 78°/o eines Raffinates erhalten, das aus einem Motortreibstoff besteht,
dessen Kältebeständigkeit den Anforderungen für den Überseeflug entspricht.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung läßt sich in verschiedener Hinsicht
abändern, vervollkommnen oder durch zusätzliche Maßnahmen den jeweiligen Ausführungsbedingungen
anpassen.