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Verfahren zur Erzeugung eines für die Viskoseherstellung geeigneten
Zellstoffes aus pentosanreichen Einjahrespflanzen Für die Herstellung von Viskosespinnlösungen
benötigt man einen Zellstoff, der möglichst frei von Cellulosebegleitstoffen, insbesondere
von Stoffen ist, welche die Filtration erschweren. In der Viskosekunstfaserindustrie
hat man lange Zeit nur Linterszellstoff und später nach dem Sulfitverfahren gewonnenen
Fichtenzellstoff benutzen können. Erst in neuester Zeit ist man dazu übergegangen,
nach dem Sulfatverfahren hergestellte Zellstoffe auch in der Viskoseindustrie einzusetzen.
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Es macht vor allem die Verarbeitung pentosanreicher Rohstoffe, wie
Stroh oder anderer Einjahrespflanzen, auf Kunstfaserzellstoff besondere Schwierigkeiten.
Insbesondere erschwert bei Stroh oder anderen pentosanreichen Einjahrespflanzen
deren Kieselsäuregehalt die Vorbehandlung mit Säuren. Auch wird die Lösung der Hemicellulosen
anscheinend durch die Metallionen von Sulfitlösungen ungünstig beeinfluBt.
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Man hat bereits Zuckerrohr mit alkalischen Lösungen auf Zellstoff
verarbeitet und hierbei das Ausgangsmaterial vorher wenige Minuten mit einer verdünnten
Lösung von schwefliger Säure, die, bezogen auf die Menge eingesetzten Zuckerrohrs,
etwa 10/0 S 02 enthält, bei einer Temperatur von 12o bis 13o° und dem dieser
Temperatur entsprechenden Dampfdruck behandelt. Nach einem anderen bekannten Verfahren
wird Zuckerrohr vor der Alkalibehandlung mit einer Lösung, die 2 bis 6 °/o
SO" berechnet auf den eingesetzten
Ausgangsstoff, enthält,
bei einer iio° nicht überschreitenden Temperatur und bei Atmosphärendruck behandelt,
wofür mindestens 3 Stunden erforderlich sind. Ferner ist ein Verfahren zur Herstellung
von Halbzellstoff aus Stroh bekanntgeworden, demzufolge das Stroh zunächst mit Reduktionsmitteln
gebleicht und anschließend i bis 2 Stunden unter Druck bei einer Temperatur nicht
über 1q0° mit einer wäßrigen Lösung von Schwefeldioxyd, die bis zu 6 °/o
SO"
bezogen auf das Strohgewicht, enthält, gekocht wird. Dabei soll die schweflige
Säure etwa zur Hälfte in Form von Sulfit oder Bisulfit vorhanden sein. Eine alkalische
Nachbehandlung erfolgt bei diesem Verfahren nicht. Es ist auch bekannt, Strohhäcksel
zur Vorbehandlung für das Kochen mit Alkalien mit einer 0,5- bis 1,5 °/oigen Salzsäure-
oder Salpetersäurelösung zu erwärmen oder zu kochen.
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Es ist ein Verfahren zur Herstellung eines Zellstoffes von niedriger
Lösungsviskosität bekannt, der in seinen Eigenschaften den aus Lumpen hergestellten
Papierzellstoffen ähnelt. Dieses Verfahren besteht darin, daß Holzschnitzel mit
verdünnter Mineralsäure vorbehandelt und dann nach dem Sulfatverfahren aufgeschlossen
werden. Als für die Säurevorbehandlung geeignet wird neben Schwefelsäure und Salpetersäure
auch schweflige Säure genannt. Der so gewonnene Zellstoff soll auch für die Herstellung
von Cellulosederivaten gut geeignet sein und einen besonders klaren Celluloseacetatlack
liefern. Schließlich wird bei einem bekannten Verfahren Holz vor der alkalischen
Kochung etwa 3 Stunden mit 5 °/oiger S 02 Lösung bei Temperaturen von 107 bis i35°
behandelt, wobei der Druck 5 at nicht überschreiten und die Lösung möglichst noch
Salze, wie Natriumbisulfat, enthalten soll. Eine einfache Übertragung dieser für
den Holzaufschluß bekanntgewordenen Arbeitsweisen auf die Gewinnung von hochwertigem
Zellstoff aus pentosanreichen Einjahrespflanzen führt jedoch nicht zum Ziele. Es
ist vielmehr notwendig, die Arbeitsbedingungen der Vorbehandlung wesentlich zu verändern,
wenn man aus Stroh einen hochwertigen Zellstoff in befriedigender Ausbeute gewinnen
will, der zur Herstellung von spinnbaren Viskoselösungen geeignet ist.
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Es wurde gefunden, daß man durch eine Vorbehandlung mit einer wäßrigen
Lösung von Schwefeldioxyd unter Druck aus pentosanreichen Einjahrespflanzen, insbesondere
Stroh, und anschließenden Sulfataufschluß des noch feuchten, säurevorbehandelten
Rohstoffes einen Zellstoff erhalten kann, der vorzüglich filtrierbare Viskoselösungen
liefert. Die Säurevorbehandlung des Rohstoffes wird erfindungsgemäß mit 3- bis 5
°/oiger wäßriger S 02 Lösung bei einer Temperatur von etwa 14o° und entsprechendem
Druck etwa 3o bis 40 Minuten lang vorgenommen, wobei das Schwefeldioxyd in Gasform
zugeführt wird.
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Gegenüber der Säurevorbehandlung mit verdünnter Schwefelsäure bei
Temperaturen von über ioo° bietet dieses Verfahren den Vorteil, daß die Säurevorbehandlung
in etwa 3o bis qo Minuten beendet werden kann, während bei der Vorhydrolyse mit
Schwefelsäure etwa 3 Stunden Säurebehandlung erforderlich sind. Die in der vorangegebenen
Kombination von Verfahrensschritten bestehende Arbeitsweise nach der Erfindung ermöglicht
die Herstellung von hochwertigem Spinnzellstoff aus pentosanreichen Pflanzen, insbesondere
Stroh, im großtechnischen Betrieb, ein Problem, das zufriedenstellend bisher noch
nicht gelöst war. Verglichen mit der Vorbehandlung von Einjahrespflanzen mit schwefliger
Säure bei gleichzeitiger Anwesenheit von Salzen gestattet das erfindungsgemäße Verfahren,
die Vorhydrolyse in der äußerst geringen Zeit von 3o bis q0 Minuten durchzuführen,
ein Erfolg, wie er bisher auch bei anderen Rohstoffen, z. B. bei Hölzern, nicht
erreicht werden konnte. Diese kurze Behandlungsdauer ist vor allem auf die im Vergleich
zu den Salzen der schwefligen Säure größere Diffusionsgeschwindigkeit von gasförmigem
Schwefeldioxyd zurückzuführen.
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Zur Durchführung der S 02-Vorbehandlung wird der Zellstoffkocher mit
Stroh oder einer anderen pentosanreichen, cellulosehaltigen Einjahrespflanze und
Wasser vollständig gefüllt. Danach wird S 02 eingegast und gleichzeitig mehr oder
weniger Flüssigkeit aus dem Kocher abgezogen. Die abgezogene Flüssigkeit kann beim
Einfüllen eines neuen Kochers benutzt werden. Man kann auch so vorgehen, daß man
den das cellulosehaltige Rohmaterial und die erforderliche Wassermenge enthaltenden
Kocher auf Temperaturen über ioo° erhitzt und sodann so lange abgast, bis die Luft
praktisch entfernt ist. Danach wird mit der entsprechenden Menge S 02 begast. Diese
Arbeitsweisen haben den Vorteil, daß das SO, leicht wieder zu verwenden ist,
da es nicht mit Luft gemischt wird. Ein wesentlicher Verlust an SO, tritt
bei dem Verfahren nicht ein, weil man die für die Säurevorbehandlung verwendete
schweflige Säure nach der Säurehydrolyse durch Abgasen zu mindestens etwa 8o °/o
wiedergewinnt.
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Nach der Säurevorbehandlung wird das vorbehandelte Gut säurefrei gewaschen.
Die alkalische Kochung wird in der Regel mit einem Alkaliverhältnis von etwa o,2
und einem Laugenverhältnis von i : 3 bis i : q. vorgenommen. Durch die Säurevorhydrolyse
werden etwa 5o % des Lignins herausgelöst. Durch diese Herauslösung des Lignins
werden hydrolysierbare Celluloseanteile freigelegt, die im Verlauf der Hydrolyse
in Zucker übergeführt werden. Die bei der S 02 Vorhydrolyse herausgelöste Menge
an hydrolysierbaren Celluloseanteilen ist größer als die bei der Säurevorbehandlung
mit Schwefelsäure. Das Hydrolysat enthält hier 2o bis 25 °/o mehr an Zucker.
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Die Vorbehandlung mit schwefliger Säure ist gegenüber der Vorbehandlung
mit Schwefelsäure auch insofern günstiger, als man ein sehr weiches, hellgefärbtes
Hydrolyseprodukt gewinnt. Ferner ist es möglich, den restlichen Xylangehalt wesentlich
unter den mit anderen Mineralsäuren erzielbaren Wert zu senken, ohne daß eine Minderung
der Zellstoffgüte eintritt. Infolgedessen liegt auch die Filterleistung beim Filtrieren
von Viskoselösungen, die bei der Zellstoffgewinnung unter Anwendung der Vorhydrolyse
nach der Erfindung erhalten wurden, über der von Zellstoffen, die unter Vorhydrolyse
der. Ausgangsstoffe mit Schwefelsäure erhalten wurden.
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Die technischen Vorteile der S 02 Vorhydrolyse gegenüber der Vorhydrolyse
mit anderen Mineralsäuren, wie Schwefelsäure, wirken sich bei dem anschließenden
alkalischen Aufschluß etwa wie folgt aus
Durch die erhöhte Verzuckerung
bei der Vorhydrolyse und die teilweise Herauslösung der Ligninanteile tritt eine
Alkaliersparnis von etwa 15 0/, ein. Die bei der Vorhydrolyse anfallenden Hydrolysate
können in an sich bekannter Weise durch Ausfällung von Lignin verarbeitet werden.
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Eine wesentliche Verminderung der organischen Substanz in der Schwarzlauge
im Verhältnis zur anorganischen Substanz ist nicht vorhanden, so daß die Aufarbeitung
gegenüber anderen Vorbehandlungen nicht erschwert ist.
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Der Zellstoff benötigt ferner zur Bleiche weniger Chlor und ist speziell
bei Stroh von höherem Weißgehalt als der nach anderen Säurevorbehandlungsverfahren
hergestellte.
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Die Vorhydrolyse ergibt je nach Arbeitsbedingungen eine Ausbeute von
5o bis 550/, und die alkalische Kochung eine Ausbeute von 51 bis 47 0/0.
Hiernach ergibt sich für den fertiggebleichten Zellstoff unter Berücksichtigung
eines Bleichverlustes von 1,80/, eine Ausbeute von 2404 Zellstoff, bezogen auf Ausgangsmaterial.
Beispiel looo kg absolut trocknes, gehäckseltes Stroh, entsprechend 12oo kg lufttrocknem
Stroh, werden mit 5ooo bis gooo 1 einer 5 0/,igen wäßrigen S OZ Lösung in einem
säurefesten, geschlossenen Gefäß möglichst rasch auf 14o° erhitzt, wobei der Druck
in dem Gefäß auf 8,5 at steigt. Man hält etwa 40 Minuten lang auf dieser Temperatur,
worauf der Druck aufgehoben wird. Das abgeblasene Schwefeldioxyd wird zu neuer Kochung
verwandt. Das Stroh wird mit Wasser ausgewaschen und auf etwa 6o 0/, Wassergehalt
entwässert. Man erhält eine etwa 55o kg absolut trocknem Material entsprechende
Menge von vorhydrolysiertem Stroh. Das abgepreßte feuchte Stroh wird, ohne daß eine
weitere Zerkleinerung zu erfolgen braucht, im Sulfatverfahren mit einer Lauge aufgeschlossen,
die 2o 0/, wirksames Alkali (als NaOH berechnet), enthält. Die angewendete Kochlauge
enthält beispielsweise 8o0/, des wirksamen Alkalis als Na OH und 2o0/, als Na, S
und vom Gesamtanteil der anorganischen Substanz 150/, als Na, C03 und 3 bis 40/,
als Na, S04. Das Kochen erfolgt mit einem Laugenverhältnis von 1 : 3 bis 1 : 5 bei
einer Höchsttemperatur von 16o bis 17o°. Der Stoff wird normal gebleicht, wie bei
Strohspinnstoff üblich. Auf looo kg Stroh werden etwa 16 kg aktives Chlor verwendet.
Die Analyse des Zellstoffes ergab folgende Daten Alpha-Gehalt ...................
95,504
Holzgummi .................... 1,5 % Asche .........................
o,15 0/0 Die Ausbeute beträgt 240 kg Zellstoff.