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Verfahren zur Gewinnung von Vanillin aus Lignin bzw. Ligninderivaten
oder ligninhaltigem Material Es ist bekannt, aus Ligninsulfosäure, dem Hauptbestandteil
der Sulfitzellstoffablauge, Vanillin zu gewinnen. Man verfährt dabei z. B. in der
Weise, dafi die durch reichlichen Zusatz von Kalk (V. G r a f e, Monatshefte Chemie,
a5, S. IooI [19041) oder Ätzkali (M. H ö n i g und W. R u -z i c z k a; Angew. Chemie,
44, S.845 [193I ] ; G. H. Tomlinson und H. Hibbert, J. Amer. chem. SOC., 58, S.
348 [1936]; vgl. auch G. H. Tom-1 i n s o n und H. H i b b e r t, USA.-Patentschrift
2o69185) stark alkalisch gemachte Sulfitablauge längere Zeit auf 16o bis 18o° erhitzt
und das gebildete Vanillin durch Extraktion mit einem geeigneten organischen Lösungsmittel
(z. B. Benzol) isoliert wird. Die Ausbeute an Vanillin ist bei dieser Arbeitsweise
sehr gering und beträgt z. B. bei Anwendung von Ätzalkalien nur 3,5 bis 40/0; im
günstigsten Falle, wenn besonders schwefelreiche Fraktionen der Ligninsulfosäure
untersucht werden (vgl. E. Hägglund und L. C. Bratt, Svensk Pappers-Tids, 39, S.
347 [1g36], sowie E. Hägglund und O. Alvfel,d, ebenda, 4o, S. 236 [I937]), etwa
6% des angewendeten Lignins. Praktisch werden aus 1 1 weichgekochter, unverdünnter.
Sulfitablauge,-
die einen Ligningehalt von. etwa 5o bis 6o g besitzt, i bis 2,4 g Vanillin erhalten
(vgl. E. H ä g g 1 u n d , »Holzchemie«; 1939 S.165; »Holz als Roh- und Werkstoff«,
1939 S. 2o, rechte Spalte). Andere angeblich wesentlich. höhere Ausbeuten, die vereinzelt
in der älteren Literatur zu finden sind, haben sich nachträglich als grobe Irrtümer
(vgl. die Behauptung K. Kürschners, J. prakt. Chem., 118, S. 238 [19a8]) erwiesen,
die vor allem auf unbrauchbare Vanillinbestimmungsmethoden, z. B. kolorimetrische
Bestimmungsweise, zurückzuführen sind.
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Bemerkenswert ist auch, daß man als Ligninrohmaterial für die Vanillingewinnung
bisher nur Sulfitzellstoffablaugen, also Ligninsulfosäure, verwendet hat, während
es nicht gelang, aus anderen Ligninsubstanzen (z. B. aus dem Lignin von Holzverzuckerungsrückständen
oder aus dem mittels Kupferoxydammoniaks aus Holz isolierten Lignin oder direkt
aus Holz bzw. Verholztem Pflanzenmaterial oder endlich aus Derivaten des Lignins)
Vanillin bzw. Vanillinderivate in wirtschaftlich genügender Ausbeute zu gewinnen.
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Bei der Einwirkung von Ätzalkalien auf die Sulfitablauge (andere Ligninrohmaterialien,
wie Holz oder isoliertes Lignin, geben unter diesen Bedingungen Vanillin nur in
Spuren) bei Temperaturen zwischen, ioo und i8o° im Autoklav (Hönig-Ruziczka; Tomlinson-Hibbert)
wird das Vanillin durch die spaltende Wirkung heißen Alkalis erzeugt. Versuche,
Vanillin durch einen Oxydationsvorgang entstehen zu lassen, wie sie K. Kürschner
(J. prakt. Chem., 1i8, S.238[19381) vornahm; führen im Gegensatz zu den Behauptungen
des Autors zu außerordentlich schlechten Vanillinausbeuten, etwa 1% bezogen auf
den Ligningehalt der Ablauge (später wurde diese Behauptung von K. K ü r s c h n
e r selbst zurückgenommen, s. K. Kürschner und W. Schramek, technol. Chem.-Zellstoff
Fabr., 28, S.66 [1931]; vgl. auch E. .H ä g g 1. u n d , »Holzchemie«, 1939, S.
165, sowie M. Hönig und W. Ruziczka,_Z. angew. Chem., 44, S. 845 [19311).
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Der Grund für diese Mißerfolge wurde nach eingehenden Versuchen darin
erkannt, daß die bisher angewendeten Oxydationsverfahren infolge des gewählten Oxydationsmittels
oder der unzweckmäßigen Arbeitsbedingungen (Temperatur, Dauer der Einwirkung usw.)
entweder nicht ausreichten, um das Ligningerüst anzugreifen oder in ihrer Wirkung
zu energisch waren,- so, daß die zunächst gebildeten Abbauprodukte (Phenole, Oxysäuren,
Oxyaldehyde usw.) weiterer Zerstörung anheimfielen.
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Es wurde gefunden, daß man unter geeigneten Arbeitsbedingungen beträchtlich
höhere Vanillinausbeuten, bis über das Doppelte und Dreifache der bisherigen, erzielen
kann, zudem in einfacherer und billigerer Weise, und zwar nicht allein bei Sulfitablauge
als Ligninrohmaterial, wie das bei allen bisherigen Verfahren der Fall ist. Vielmehr
können gemäß der Erfindung auch aus Holz sowie aus isolierten technischen Ligninen
(wie dem beim Scholler-Tornesch-Verfahren anfallende Lignin) Vanillinausbeuten bis
zu io und i2o/o (auf die Ligninkomponente bezogen) erhalten werden.
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Die hierfür geeigneten Arbeitsbedingungen bilden-die Grudlage des
neuen Verfahrens gemäß der Erfindung, welche darin besteht, daß das Ligninrohmaterial
in Gegenwart von Alkali (Kalk, Ätzkali) mit Sauerstoff bzw. Luft und Sauerstoff
übertragenden Verbindungen erhitzt wird und die Erhitzung in dem Temperaturbereich
zwischen 107 und 14o° und gegebenenfalls unter Druck erfolgt: Diese muß natürlich
zeitlich um so länger ausgedehnt werden, je gelinder die Reaktionsbedingungen im
Reaktionsgemisch sind.
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Bei dieser Behandlungsweise gehen überraschenderweise auch die in
Alkali nicht löslichen Ligninrohmaterialien in Lösung (bzw: die sie enthaltende
Ligninkomponente wird herausgelöst [Holz]) und werden durch weitere Oxydation zu
Vanillin abgebaut. Das Erhitzen der Reaktionsmasse kann je nach "den sonstigen Bedingungen
durch Kochen unter Rückfluß oder im geschlossenen System unter Druck erfolgen. Der
zur Oxydation dienende Sauerstoff kann entweder in feiner Verteilung durch die Reaktionslösung
bzw. Suspension hindurchgeleitet werden, oder er kann, wenn im Autoklav gearbeitet
.wird, unter Druck zur Anwendung gelangen. Dabei ist es in jedem Falle notwendig,
Reaktionstemperaturen, Reaktionsdauer und Sauerstoffmenge (wenn unter Druck gearbeitet
wird, auch den anzuwendenden Sauerstoffpartialdruck) richtig aufeinander abzustimmen,
besonders im Hinblick auf das zur Anwendung gelangende Ligninrohmaterial, den zur
Reaktion verwendeten Katalysator und dessen Aktivität.
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So müssen, wenn die Reaktion bei niedriger Temperatur, durch Kochen
unter Rückfluß (etwa io7°), -durchgeführt wird, eine entsprechend lange Erhitzunggsdauer,
ein energisch wirkender Katalysator (z. B. Köbalthydroxyd oder metallisches Palladium)
und Sauerstoff in möglichst feiner Verteilung gewählt werden, bei hoher Temperatur
(z. B. 14o°) dagegen ist kurzfristige Einwirkung mit . geringem während der Reaktion
aufrechtzuerhaltendem Sauerstoffpartialdruck und ein weniger aktiver Katalysator,
wie z. B. Kupfer oder Kupferoxyd, erforderlich (vgl. Beispiel 2).
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Als katalytisch wirkende, Sauerstoff übertragende Stoffe haben sich
vor allem die verschiedenen für solche Reaktionen bekannten anorganischen Sauerstoffverbindungen
bzw. Salze, insbesondere die in alkalischem Medium verhältnismäßig leicht reduzierbaren
Verbindungen (z. B. Nickeloxyd, Kobaltoxyd, Kupferoxyd, Mangandioxyd, Manganomanganit),
sowie Adsorptionskörper,wie z. B. aktive Kohle, als brauchbar erwiesen.
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Die im Einzelfall zu wählenden Bedingungen sowie die Auswahl des Sauerstoffüberträgers
usw. hängen in erster Linie von der Art und der äußeren Beschaffenheit des Rollmaterials
ab und können leicht von Fall zu Fall an Hand einiger Vorversuche ermittelt .werden.
So hat es sich beispielsweise in gewissen Fällen auch als vorteilhaft erwiesen,
das
Ligninrohmaterial zunächst einer Vorkochung mit Alkali (Kalk, Ätzkali bzw. Ätznatron)
und dann erst der Erhitzung mit Sauerstoff und Sauerstoff übertragenden bzw. dehydrierend
wirkenden Stoffen in Gegenwart von Alkali zu unterwerfen.
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Die Aufarbeitung der Reaktionsgemische und die Isolierung des Vanillins
wird in an sich bekannter, im übrigen auch aus den nachstehenden Beispielen ersichtlicher
Weise durchgeführt.
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Ein großer Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß die für die Ligninoxydation
verwendeten Sauerstoff übertragenden Stoffe leicht wiedergewonnen und bei nachfolgenden
Partien stets von neuem verwendet werden können. Beispiel i 2 kg Holzmehl werden
in einem Rührautoklav in 2o 1 io%iger Kalilauge aufgeschlämmt und mit i oo g Aktivkohle
(M e r ck) gut durchgemischt. Darauf wird Sauerstoff eingepreßt und die Mischung
unter Rühren etwa 2 Stunden auf 12o° C erhitzt. Nach dem Erkalten wird die Lösung
vom Ungelösten abgetrennt und mit Kohlensäure bis zur Umwandlung des Ätzkalis in
Bikarbonat behandelt. Sodann wird aus der Lösung durch Extraktion mit Benzol oder
Äther das Vanillin isoliert. Man erhält 5o g reines Vanillin (nach H a n u s bestimmt),
entsprechend einer Ausbeute von io o/o, bezogen auf den Ligningehalt des Holzes.
Beispiel e 41 vergorener Sulfitzellstoffablauge (Abdampfungsrückstand pro Liter
81,42 g, Methoxylgehalt des Abdampfungsrückstandes 6,27%; somit enthält 1 1 dieser
Ablauge 33 g Lignin) werden mit 480 g Natriumhydroxyd versetzt. Sodann werden 5o
g Kupferoxyd zugegeben, worauf man im Rührautoklav auf 14o° erhitzt. Bei dieser
Temperatur wird Sauerstoff aufgepreßt, so daß der Gesamtdruck 5 atü beträgt. Der
bald einsetzende Sauerstoffverbrauch - am Druckabfall erkennbar -wird während der
nun folgenden einstündigen Erhitzungsdauer durch Zugabe neuen Sauerstoffes ausgeglichen.
Nach Abkühlen wird die alkalische Lösung mit Kohlensäure saturiert und mit Äther
extrahiert. Nach Verdampfen desselben verbleibt kristallisierendes Rohvanillin,
das nach der Bestimmung von H a n u s (Z. Unters. Lebensmittel, io, S. 586 [19051)
12 g reines Vanillin enthält, d. h. je Liter Ablauge werden 3 g reines Vanillin
erhalten = 9, i % des angewendeten Lignins. Die Reinigung des Rohvanillins erfolgt
in der üblichen Weise durch Umkristallisieren usw.