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Verfahren zur Anfertigung dünner Drähte oder Bänder aus elektrisch
leitfähigem Werkstoff Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur
Herstellung dünner Drähte oder Bänder aus elektrisch leitfähigemWerkstoffoderaus
solchen Drähten oder Bändern zusammengebauter Körper durch Ätzung des Werkstoffs
in einem Gas oder Dampf unter geringem Druck. Dieses Gas oder dieser Dampf wird
nachstehend als das Ätzgas bezeichnet.
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Durch mechanische Behandlungen (Ziehen) können Drähte aus elektrisch
leitfähigem Werkstoff, z. B. aus Wolfram, mit einer Stärke von annähernd 7E1 hergestellt
werden. Noch dünnere Drähte sind möglich, wenn die gezogenen Drähte dem sogenannten
Kathodenzerstäubungsverfahren unterworfen werden, bei dem der Draht einem Bombardement
durch Ionen ausgesetzt wird. Die Ausübung des letzteren Verfahrens bereitet in der
Praxis jedoch Schwierigkeiten.
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Es ist weiter bekannt, daß sehr dünne Platindrähte mittels des sogenannten
Wollastone-Verfahrens hergestellt werden können, bei dem ein Platindraht mit einem
Silbermantel überzogen und darauf gemeinsam mit dem Mantel ausgewalzt wird, worauf
schließlich der Mantel auf chemischem Wege beseitigt wird. Ein Nachteil dieses Verfahrens
ist der, daß der hergestellte Draht sehr schwer hantierbar ist. Es ist deshalb ein
Verfahren vorzuziehen, bei dem der Drahtdurchmesser in montiertem Zustand verringert
werden kann.
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Letzteres ist nun möglich, wenn der Draht geätzt
wird.
Es ist bekannt, einen Wolframdraht von 5,u oder weniger auf kurze Zeit der Einwirkung
einer sehr schnell wirkenden Ätzflüssigkeit zu unterwerfen (Patentschrift432876).
Auf diese Weise kann der Drahtdurchmesser bis auf annähernd 5,u herabgesetzt werden,
aber eine weitere Verringerung des Durchmessers ist nicht möglich, weil während
des Ätzvorganges auf den Draht sehr große Kräfte ausgeübt werden. Diese Kräfte werden
vermieden, wenn der Ätzvorgang in einem Gas oder Dampf unter geringem Druck erfolgt.
Es ist bekannt, einen Wolframdraht inPhosphordampfmitgeringerSpannung durch Hindurchleiten
eines elektrischen Stroms auf hellrote Glühhitze zu bringen, wodurch die Wolf ramatome
an der Drahtoberfläche sich mit dem Phosphor verbinden, so daß der Drahtdurchmesser
verringert wird (Patenschrift 201 461).
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Die Erfindung bezweckt eine Verbesserung des letzteren Verfahrens,
da die Praxis ergeben hat, daß der Drahtdurchmesser bei der Ausübung dieses Verfahrens
nicht weiter als bis auf annähernd 5 u verringert werden kann. Bei weiterer Fortsetzung
des Ätzvorganges reißt der Draht.
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Die Erfindung schafft nun ein Mittel zur Erzeugung eines kleineren
Drahtdürchmessers als 5m und beruht auf der Erkenntnis, daß das Reißen des
Drahtes beim bekannten Ätzverfahren in Gas oder Dampf unter geringem Druck durch
folgende Erscheinung bewirkt wird.
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Wenn durch zufällige Umstände der Draht an einer gewissen Stelle etwas
stärker abgeätzt wird als im übrigen Teil, nimmt an dieser Stelle der Widerstand
zu, wodurch die Temperatur steigt. Diese Temperatursteigerung bedingt bei der verhältnismäßig
niedrigen Temperatur, die bisher beim Verfahren angewendet wurde, eine Beschleunigung
der Ätzreaktion, so daß der Draht an der betreffenden Stelle noch dünner wird, die
Temperatur wieder weitersteigt usw., bis der Draht reißt.
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Die Erfindung nutzt nun die Erkenntnis aus, daß es einen Bereich hoher
Temperaturen gibt, bei dem diese Erscheinung nicht auftritt, und zwar weil in diesem
Bereich der Temperaturkoeffizient der Ätzreaktion negativ ist, so daß der Ätzvorgang
bei einer Steigerung der Temperatur weniger schnell verläuft.
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Gemäß der Erfindung wird der Ätzvorgang deshalb bei einer Temperatur
vorgenommen, bei welcher der Temperaturkoeffizient der Ätzreaktion den Nullwert
hat oder negativ ist.
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Das Auftreten eines negativen Temperaturkoeffizienten der Ätzreaktion
läßt sich wahrscheinlich damit erklären, daß die Zusammenstöße der Ätzgasmoleküle
mit dem zu ätzenden Draht bei höheren Temperaturen stets mehr den Charakter eines
vollkommen elastischen Zusammenstoßes annehmen, so daß die Ätzgasmoleküle nur während
sehr kurzer Zeit Gelegenheit haben, eine Verbindung mit den Drahtatomen einzugehen.
Die Temperatur, bei welcher der Temperaturkoeffizient Null wird, liegt in der Praxis
z. B. bei annähernd i5oo° C. Das Verfahren nach der Erfindung wird daher vorzugsweise
bei Drähten oder Bändern angewendet, die aus einem Werkstoff mit hohem Schmelzpunkt
hergestellt sind.
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Zur Sicherung einer gleichmäßigen Abätzung des Drahts, ist es erwünscht,
daß auf jede Stelle des zu ätzenden Drahts je Zeiteinheit durchschnittlich ebensoviel
Moleküle des Ätzgases auftreffen. Dies kann dadurch erreicht werden, daß dafür gesorgt
wird, daß nur geringe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes zwischen einem aus
der Oberfläche vorschwindenden Molekül der aus dem Drahtmaterial und dem Ätzgas
gebildeten Verbindung und einem Ätzgasmolekül besteht, ein Zusammenstoß, der das
Auftreffen des Ätzgasmoleküls auf die Drahtoberfläche verhindern könnte. Vorzugsweise
wird zu diesem Zweck der Druck des Ätzgases so niedrig gehalten, daß die freie Weglänge
der Ätzgasmoleküle wenigstens das Zehnfache der Abmessungen des zu ätzenden Körpers
beträgt. In der Praxis wird der Druck des Ätzgases zu diesem Zweck kleiner als io
u bemessen.
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Zur Vermeidung von Zusammenstößen zwischen den Molekülen der an der
Drahtoberfläche gebildeten Verbindung und den Ätzgasmolekülen ist es weiter erwünscht,
daß die freie NN'egläiige der Ätzgasmoleküle groß ist im Verhältnis zu den Ausmaßen
des Gefäßes, in dem der Ätzvorgang vorgenommen wird. Dieses Gefäß darf jedoch nicht
so eng bemessen werden, daß Kapillarwirkungen in ihm auftreten können. Es muß daher
eine solche Gestalt haben, daß überall im Gefäß der gleiche Druck herrscht.
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Es ist zu bemerken, daß bereits bei den Langmuirschen Untersuchungen
(s. z. B. »Journal of the American Chemical Society« 27, 1915/1139) die Reaktion
zwischen einem glühenden Metall und einem Gas unter den vorstehend erwähnten Bedingungen
beschrieben ist. Der Druck des Ätzgases ist während des Ätzvorganges vorzugsweise
gleichbleibend zu halten. Wenn das Gefäß, in dem das Ver= fahren vor sich geht,
nicht so groß ist, daß diese Bedingung selbsttätig erfüllt ist, muß daher während
des Ätzvorganges Gas zugeführt werden. Dies kann z. B. in der Weise erfolgen, daß
das Gefäß mit einem zweiten Gefäß verbunden wird, in dem ein Stoff enthalten ist,
der in der Hitze das Ätzgas abgibt. Wenn für den Ätzvorgang Sauerstoff verwendet
wird, kann z. B. im zweiten Gefäß Kaliumchlorat vorgesehen sein. Durch Regelung
der Erhitzung dieses Kaliumchlorats kann der Druck sehr gut konstant gehalten werden.
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Bei der Ätzung von aus Wolfram oder Molybdän hergestellten Drähten
oder Bändern kann Sauerstoff oder Wasserdampf als Ätzgas verwendet werden. Beim
Ätzen von NN'olframdrähten muß dafür gesorgt werden, daß das Ätzgas keinen Kohlenstoff
enthält, weil infolge des Vorhandenseins des Kohlenstoffs der Widerstand je Zentimeter
Länge des Wolframs stark zunehmen würde.
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Beim Ätzen von Platindrähten kann als Ätzgas Chlor verwendet werden,
während Kohledrähte vorzugsweise in Sauerstoff geätzt werden.
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Es kann wahrgenommen werden, daß die Enden des zu ätzenden Drahts
im allgemeinen stärker der
Abkühlung unterworfen sind als die Mitte.
Wenn die :'fitte des Drahts die erforderliche Temperatur hat, bei welcher der Temperaturkoeffizient
der Ätzreaktion negativ ist, kann die Temperatur der Enden um so viel niedriger
sein, daß der Temperaturkoeffizient an der dortigen Stelle positiv ist, so daß der
Draht in der Nähe der Enden reißt. Beim Ätzen von Metalldrähten, z. B. Wolfram-
oder Molybdändrähten, tritt diese Erscheinung nicht auf, weil diese Werkstoffe gute
`'Wärmeleiter sind und die Abkühlung an den Enden somit nicht besonders stark ist.
Beim Ätzen von Kohledrähten wird jedoch, weil Kohlenstoff ein schlechter `'Wärmeleiter
ist, in der Regel doch Bruch an den Enden auftreten. Die Herstellung eines besonders
dünnen Kohledrahts erfolgt deshalb vorzugsweise in einigen Stufen. Es wird dabei
von einem Draht ausgegangen, der eine größere Länge als die erforderliche hat; dieser
Draht wird zunächst abgeätzt, bis an den Enden Bruch auftritt. Darauf wird der mittlere
Teil erneut montiert und abermals dem Ätzverfahren unterworfen. Erforderlichenfalls
kann noch ein dritter Ätzvorgang durchgeführt werden.
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Bei der Herstellung dünner Drähte aus Wolfram oder Nlolvl>dän, wobei
die vorerwähnte Erscheinung nicht auftritt, ist der zu erreichende Durchmesser durch
die Abmessungen der Kristalle bedingt. Denn es ist gefunden worden, daß bei zu langer
Fortsetzung; des Ätzvorganges der Draht an der Haftstelle zweier Kristalle reißt.
Zur Herstellung besonders dünner Drähte können nun zwei verschiedene Verfahren durchgeführt
werden. Zunächst kann von einem Draht ausgegangen werden, der nur aus einem einzigen
Kristall besteht. Dazu wird der Draht einer Vorbehandlung unterworfen, bei welcher
der Draht zunächst auf längere Zeit bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungsteml>eratur,
z. 13. bei i8oo° C, ausgeglüht wird, worauf die Temperatur langsam bis zur Rekristallisierungstemperatur
gesteigert wird.
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Es kann jedoch auch eine weitgehend feine Kristallstruktur angestrebt
werden; in diesem Fall sind die Haftstellen stets von anderen Kristallen überbrückt.
Zu diesem Zweck muß eine Vorbehandlung angewendet werden, bei welcher der Draht
schnell auf die Rekristallisierungstemperatur (rund 200° C) gebracht wird.
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Ein wesentlicher Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, daß der
Ätzvorgang in montierter Lage vorgenommen werden kann. Bei der Herstellung von Glühlampen
o. dgl. kann die Ätzung sogar in dem Kolben stattfinden, in dem der Draht später
verwendet wird.
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Die Erhitzung des Drahts auf die erforderliche Temperatur erfolgt
vorzugsweise, indem ein elektrischer Strom durch den Draht hindurchgeführt wird.
Dabei kann die Spannung vorteilhaft gleichbleibend gehalten werden, z. B. durch
Verwendung eines großen Vorschaltwiderstands, wobei der den Draht durchfließende
Strom ein Anzeichen des erreichten Durchmessers gibt. Die Heizung ist auch durch
Anordnung des Drahts in einem Hochfreduenzfeld möglich. Das neue Verfahren läuft
sehr schnell ab. In der Regel hat der Draht innerhalb einiger Minuten den erforderlichen
Durchmesser erreicht. Die Dauer des Vorganges nimmt jedoch in dem Maße zu, in dem
der Druck des Ätzgases niedriger gehalten wird.
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Abgesehen von Drähten oder Bändern, können auch aus Drähten oder Bändern
zusammengebaute Körper, z. B. Gitter für Elektronenröhren, -mittels des Verfahrens
nach der Erfindung hergestellt werden. Die Gitter werden in diesem Fall zunächst
aus verhältnismäßig starken Drähten gewickelt und dann als Ganzes dem Ätzverfahren
unterworfen. Es sind ferner Glühlampen bekannt, bei denen als _ Glühkörper ein durch
Weben oder Flechten einer Anzahl dünner Drähte hergestellter Leiter verwendet wird.
Solche Glühfäden können auch aus verhältnismäßig starken Drähten hergestellt und
dann als Ganzes durch das neue Verfahren geätzt werden, bis die Drähte den erforderlichen
geringen Durchmesser haben. Die erwähnten Gitter und Glühkörper können in montierter
Lage in dem Kolben geätzt werden, in dem sie später verwendet werden.
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Durch Ausübung des Verfahrens nach der Erfindung hergestellte Drähte
oder Bänder können weiter als Glühfäden in kleinen Glühlampen und als Aufhängedrähte
in Torsionsmaßgeräten verwendet werden. Eine sehr nützliche Anwendung der Erfindung
ist auch bei der Herstellung eines Thermokreuzes möglich. In diesem Fall kann z.
B. ein durch das Wollastone-Verfahren hergestellter Platindraht mit einem verhältnismäßig
starken Wolframdraht verschweißt werden, worauf der Wolframdraht in dem Kolben,
in dem das Thermokreuz später verwendet wird, in einer Sauerstoffatmosphäre geheizt
wird, bis der erforderliche geringe Durchmesser erreicht ist. Es ist auch möglich,
ein Thermokreuz herzustellen, in dem beide Drähte nach dem neuen Verfahren hergestellt
worden sind.
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Bei der praktischen Anwendung der Erfindung hat es sich als möglich
erwiesen, einen gezogenen Wolframdraht mit einem Durchmesser von annähernd io f<
durch Erhitzung in einer Sauerstoffatmosphäre von io Bar bis auf 3,u, und weniger,
z. B. bis auf 1,3 p, herunterzubringen, wobei die ursprünglich vorhandenen
Schwankungen des Drahtdurchmessers nach der Abätzung völlig behoben sind.