-
Herstellung von Alkalinitraten aus Alkalichloriden und Salpetersäure
Die technische Gewinnung von Alkalinitraten durch Umsetzung von Alkalichloriden
mit Salpetersäure bereitet beträchtliche Schwierigkeiten, insbesondere weil dabei
leicht erhebliche Verluste an Salpetersäure in Form von Salpetersäuredämpfen oder
vo-n Nitrosylchlori,d auftreten. Es sind schon mannigfache Vorschläge zur Behebung
dieser Schwierigkeiten gemacht worden. Beispielsweise soll man nach einem älteren
Verfahren verdünnte, weniger als 35 % H N 0s enthaltende Salpetersäure anwenden
oder die Reaktion bei einer 8o° nicht übersteigenden Temperatur durchführen. Es
ist hierbei vorgeschlagen worden, die Destillation der Salzsäure unter vermindertem
Druck und /oder unter Durchleiten von Sauerstoff oder Luft auszuführen. Dabei gelingt
es aber nicht, die ° Salzsäure von der Salpetersäure zu trennen, da gleichzeitig
mit der Salzsäure auch Salpetersäure abgetrieben wird. Bei Anwendung einer fraktionierten
Destillation kann man ° zwar die Menge Salpetersäure, die mit der Salzsäure abdestilliert,
verringern, vermeiden läßt sich aber nicht, auch nicht bei einer Vakuumdestillation,
die Nebenreaktion zwischen Salzsäure und Salpetersäure unter Bildung von Nitrosylchlorid
und Chlor. Die bekannten Arbeitsweisen erfordern durchweg metallische, die Wärme
einer äußeren Heizquelle übertragende Gefäße, für die zur Durchführung des Verfahrens
in technischem Maßstab ein entsprechendes Baumaterial, das dem gleichzeitigen Angriff
von Salzsäure und Salpetersäure standhält, nicht zur Verfügung steht.
-
Nach einem neueren Verfahren läßt man auf das Alkalichlorid in stückiger
oder körniger Form oder auch in Form wäßriger, in dünnen Schichten ausgebreiteter
Lösung wäßrige Salpetersäure in Dampfform bei Temperaturen von etwa iio bis i3o°
einwirken. Da die Salpetersäure bei diesen Temperaturen mit dem Alkalichlorid statt
oder neben der Bildung von Salzsäure auch Nebenreaktionen eingeht, wobei Nitrosylchlorid
und Chlor gebildet werden und dadurch Stickstoffverluste entstehen, ist vorgesehen,
die Salpetersäure in Verdünnung mit sehr viel Wasserdampf zur Einwirkung zu bringen;
so werden z. B. auf i Teil Salpetersäure i3 Teile und noch zweit größere Mengen,
beispielsweise q.5 Teile Wasserdampf dem Reaktionsgefäß zugeführt. Wenn auch ein
Teil des Wasserdampfes'nach Abscheidung der Salzsäure der Vorrichtung wieder zugeführt
werden kann, so sind doch zur Handhabung dieser großen Wasserdampfmengen innerhalb
des ganzen Systems unerwünscht große Apparateteile erforderlich, so daß die Wirtschaftlichkeit
des Verfahrens schon aus diesem Grunde stark beeinträchtigt ist. Es kommt hinzu,
daß das
Verfahren nur in sehr engen Temperaturgrenzen durchführbar
ist. Die Temperatur des Salpetersäure-Wasserdampf-Gernisches soll nicht unter i
o8° liegen, da sonst zu viel Kochsalz gelöst wird, der Umsetzung mit Salpet6rsäure
entgeht und den fertigen \ atronsalpeter verunreinigt. Steigert sich aber die Temperatur
etwa um nur io°, so beginnt schon die Ausscheidung von \atronsalpeter aus der gesättigten
Lösung. d. h. der gebildete Natronsalpeter beginnt die Kochsalzkristalle zu umkleiden,
verhindert dadurch die weitere Reaktion der Salpetersäure mit dem Kochsalz und verstopft
ferner die noch vorhandenen Zwischenräume im Reaktionsturm, so daß man gezwungen
ist. den Reaktionsturm auszuräumen und neu zu füllen. Beim Arbeiten mit Steinsalz.
das allein für die großtechnische Durchführung der Reaktion von Vorteil wäre, reichert
sich die Gangart im Steinsalz am unteren Turmende an und ruft zusammen mit dem \atronsalpeter
und dem \atrittmchlorid derart starke Verkrustungen im unteren Turmteil hervor,
daß schließlich jeglicher Durchgang des Salpetersäure-Wasserdarnpf-Gemisches verhindert
wird. Es ist also praktisch unmöglich, mit einem Salpetersäure-Wasserdarnpf-Gemisch.
das auf etwa 12o- erhitzt ist, aus Kochsalz oder Steinsalz Natronsalpeter in kontinuierlicher
Arbeitsweise herzustellen.
-
Es wurde nun gefunden., daß sich die Gewinnung der Alkalinitrate durch
Umsetzung von Alkalichloriden mit Salpetersäure glatt durchführen läßt, wenn man
die Chloride finit wäßriger Salpetersäure vermischt bzw. ganz oder teilweise darin
löst und die Salzsäure und gegebenenfalls Salpetersäure aus dein flüssigen Reaktionsgemisch
durch Destillation mit überhitztem Wasserdampf unter vermindertem Druck austreibt.
Vorteilhaft kamt man z. B. den Wasserdampf sogar auf .oo" überhitzen-, das Vakuum
wird dabei auf 3oinmHg gehalten, so daß die Durchschnittstemperatur im flüssigen
Reaktionsgemisch etwa .45 bis ;o= beträgt. Die Durchführbarkeit des Verfahrens ist
aber nicht an die Einhaltung gerade dieser Werte gebunden. Das gleichzeitige Einleiten
von überhitztem Wasserdampf und Arbeiten unter vermindertem Druck hat zur Folge,
daß die Salzsäure rasch aus dein Reaktionsgemisch weggeführt wird, wobei trotz der
hohen Temperatur des zugeleiteten Wasserdampfes die Bildung von Nitrosylchlorid
weitgehend vermieden wird. Stickstoffverluste treten nicht auf, vielmehr wird ein
nahezu quantitativer Umsatz des Alkalichlorids zum Nitrat erzielt. Die Gewinnung
der Alkalinitrate ausAlkalichloriden und Salpetersäure ist damit technisch und wirtschaftlich
wesentlich verbwert worden. Besondere Vorteile der neuen Arbeitsweise gegenüber
dem früheren Vorschlag liegen auch darin, daß der Wärmeaufwand für das Verdampfen
der Salpetersäure wegfällt, wesentlich weniger Wasserdampf benötigt wird, keine
Verstopfungen durch Ausscheidung von festem Alkalisalpeter entstehen und infolgedessen
eine kontinuierliche Arbeitsweise ohne Schwierigkeit durchgeführt werden kann. Bei
einer Temperatur des Wasserdampfes von 40o° beträgt das Verhältnis Wasserdampf zu
Salpetersäure beispielsweise nur q. : i. Infolge der direkten Wärmezufuhr durch
den Wasserdampf ist man nicht auf metallische, die Wärme einer äußeren Heizquelle
übertragende Gefäßwandungen angewiesen, sondern man kann säurefest ausgeinauerte
Gefäße verwenden, wodurch die eingangs erwähnten Materialschwierigkeiten wegfallen.
Da man bei diesem Verfahren keinen mit festem Alkalichlorid beschickten Turm benötigt,
fallen auch alle Schwierigkeiten, die das Arbeiten mit einem solchen Turm mit sich
bringt, insbesondere die Verstopfungsgefahr durch Verschlammung des Turmes, weg.
-
Man kann Salpetersäure von beliebiger Konzentration anwenden. Beispielsweise
läßt sich die Säure, wie sie in den modernen Satpetersäureanlagen unmittelbar erhältlich
ist, etwa eine 5o°!oige Salpetersäure. ohne weiteres benutzen.
-
Das aus der Reaktionsmasse austretende Salzsäure-Wasserdampf-Geinisch
wird zur Rückgewinnung von zunächst mitdestillierten Anteilen Salpetersäure zweckmäßig
durch eine Rektifikationskolonne geleitet. In die Rektifikationskolonne kann zur
Begünstigung der Kondensation der Salpetersäure Wasser oder eine Lösung der Reaktionsteilnehmer
eingespritzt «erden: der Ablauf der Kolonne kann entweder ins Reaktionsgefäß zurückgeleitet
oder für sich aufgefangen werden. Da: aus der Rektifikationskolonne austretende
Wasserdainpf-Salzsäure-Gemisch kann stufenweise kondensiert werden, wobei man eine
verhältnismäßig starke Salzsäure gewinnt; den nichtkondensierten Anteil, der in
der Hauptsache aus reinem `'Wasserdampf besteht, kann man in das Destillationsgefäß
zurückführen und so von treuem zur Austreibung, von Salzsäure benutzen.
-
Im Reaktionsgefäß bleibt eine Alkalinitratlösung zurück, die nur noch
wenig freie Säure und gegebenenfalls bereits ausgeschiedenes festes Alkalinitrat
enthält: sie kann in üblicher `''eise aufgearbeitet «-erden.
-
Das neue Verfahren gestattet, die Umsetzung des Alkalisalzes und die
Aufarbeitung der Mutterlauge in einem Arbeitsgang durchzuführen; nach früheren Verfahren
mußte
man dagegen die Gewinnung von Alkalinitrat ausl Alkalichlorid und Salpetersäure
in mehrere Arbeitsgänge teilen, nämlich in die Umsetzung zu Alkalinitrat und Abscheidung
:des gewonnenen Nitrats und in die anschließende Aufarbeitung der noch die Salzsäure
enthaltenden Mutterlauge. Beispiel i In einem mit säurefesten Platten ausgemauerten
Vakuumgefäß mit aufgesetzter Rektifikationskolonne werden i65 Teile Natriumchlorid
mit 5oo Teilen einer 46o/oigen Salpetersäure zusammengebracht. In die flüssige Masse
werden unter Aufrechterhaltung eines absoluten Druckes von etwa 30 mm Hg
872 Teile Wasserdampf von 400° eingeblasen. Die Temperatur im Reaktionsgefäß beträgt
etwa 45 bis 5o°. Das aus dem Reaktionsgefäß entweichende Wasserdampf-Salzsäure-Salpetersäure-Gemisch
wird in der Kolonne rektifiziert, so daß der größte Teil der mitgerissenen Salpetersäure
in das Reaktionsgefäß zurückfließt und nur kleine Anteile in dem am Kopf der Kolonne
abziehenden Wasserdampf-Salzsäure-Gemisch verbleiben. Die abziehenden Dämpfe werden
in einem Kühler niedergeschlagen.
-
Der nach Beendigung der Destillation im Reaktionsgefäß verbleibende
Salzbrei enthält 227 Teile Natriumnitrat, 45 Teile freie Salpetersäure und 8,5 Teile
Natriumchlorid. Es sind somit 94,85 °/o des Natriumchlorids in Natriumnitrat umgesetzt.
Die Salpetersäureausbeute beträgt unter Berücksichtigung der noch vorhandenen freien
Säure 92,7 %. Nach Abtrennung des Salpeters durch Filtration oder Ausschleudern
wird die Mutterlauge einem neuen Ansatz zugegeben; man ermäßigt daher bei den folgenden
Umsetzungen die I'Ienge des Natriumchlorids auf 156,5 Teile und die Menge der 46o/oigen
Salpetersäure auf 402 Teile. Beispiel In ähnlicher Weise lassen sich auch mit großem
Vorteil Lösungen aufarbeiten, welche durch Umgetzung von Ammonchlorid mit Salpetersäure
erhalten werden.
-
In eine Mischung aus i So Teilen Ammonchlorid und 595 Teilen einer
36o/oigen Salpetersäure werden unter einem Druck von etwa 20 mm H- io3o Teile Wasserdampf
von 4oo° eingeblasen; die Temperatur im Reaktionsgefäß beträgt dabei etwa 45 bis
5o°. Man arbeitet in der im Beispiel i angegebenen Apparatur und rektifiziert so
das aus dem Reaktionsgefäß entweichende Wasserdampf-Salzsäure-Salpetersäure-Gemisch.
-
Der im Reaktionsgefäß verbleibende Salzbrei enthält 2o2 Teile Ammonnitrat,
34 Teile freie Salpetersäure und 7,5 Teile Ammonchlorid. 95 0f, des Ammonchlorids
sind in Ammonnitrat umgesetzt worden. Die Salpetersäureausbeute beträgt 9o 11o.
Das Ammonnitrat wird durch Filtrieren oder Zentrifugieren von der Mutterlauge getrennt
und diese für einen neuen Ansatz verwendet; bei den folgenden Umsetzungen wird die
Menge des Ammonchlorids auf I:;.2,5 Teile und die Menge der 36o/oigen Salpetersäure
auf 515 Teile ermäßigt.
-
Es ist nicht notwendig, das umzusetzende Ammonchlorid in der Salpetersäure
bzw. der wiederzuverwendenden Mutterlauge vollständig zu lösen. Die erforderliche
Salpetersäure, 'ei es in äquivalenter Menge oder in geringem Überschuß, kann man
kontinuierlich oder zeitweise während der Reaktionszeit, gegebenenfalls im Verlauf
mehrerer Stunden, zufließen lassen. Die ausgetriebene Salzsäure läßt sich entweder
unmittelbar in dampfförmigem Zustand oder nach Kondensation z. B. zum Aufschluß
von Phosphaten verwenden.