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Verfahren zur Gewinnung von' flüchtigen Fettsäuren, insbesondere Essigsäure,
aus Gärflüssigkeiten Die vorliegende Erfindung betrifft die Herstellung von flüchtigen
Fettsäuren, besonders von Essigsäure, aus Zuckerlösungen durch Gärung in Gegenwart
thermophiler Organismen.
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Man hat gefunden, daß eine Zuckerlösung, wie Melassemaische beispielsweise,
mit thermophilen Organismen geimpft, d. h. mit Organismen, die Cellulose unter Bildung
von Fettsäuren vergären, nur geringe Mengen Essigsäure liefert, sofern die Konzentration
der Zuckerlösung nicht außerordentlich gering ist. Bei Konzentrationen, wie sie
normalerweise bei Gärvorgängen Anwendung finden, entstehen nichtflüchtige Säuren,
und nur kleine Mengen von Essigsäure werden gebildet. Nimmt aber die Konzentration
der Zuckerlösung ab, so wächst die Ausbeute an flüchtigen Säuren, hauptsächlich
an Essigsäure, bis bei ganz geringem Zuckergehalt der Maische praktisch die ganze
gebildete Säure flüchtiger Natur ist. Essigsäure aus sehr stark verdünnten Zuckerlösungen
herzustellen, erweist sich als unpraktisch und unwirtschaftlich; erst in Lösungen,
die o,5 bis r,o°ja Zucker enthalten, würde die Bildung nichtflüchtiger Säuren vermieden
.werden, die entstehenden nichtflüchtigen Säuren, die bei einer solchen Gärung entstehen,
besitzen eine zu geringe Konzentration, um wirtschaftliche Ausbeuten zu liefern.
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Gemäß vorliegender Erfindung werden Zuckerlösungen periodisch oder
kontinuierlich einer Kultur thermophiler Organismen in einer verdünnten Zuckerlösung
zugesetzt, und zwar in einer solchen Menge, daß die Zuckerkonzentration niemals
die Grenze überschreitet, oberhalb der eine vermehrte Bildung nichtflüchtiger Säuren
stattfindet.
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Die Wasserstoffionenkonzentration der Gärflüssigkeit wird optimal
für die betreffenden Organismen gewählt, was durch periodische oder kontinuierliche
Zugabe von Alkalien, wie Natriumbicarbonat, Ammoniak, Kalkwasser, Calciumcarbonat,
bewirkt wird.
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Die Gärflüssigkeit wird, wenn notwendig, mit Nährstoffen versetzt,
wenn gewünscht, kann diese Zugabe gleichzeitig mit dem Zusatz der Zuckerlösung erfolgen.
Auf diese Weise kann man eine ausreichende Konzentration an fettsauren Salzen erzielen,
besonders an essigsauren Salzen, aus denen man nach bekannten Methoden die Essigsäure
selbst gewinnen kann.
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Die Gärung kann kontinuierlich ausgeführt werden, und das gegorene
Gut kann in Abständen
oder kontinuierlich entnommen werden.
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Als Zuckerlösungen können dienen: verdünnte Melasselösungen, die aus
der Rohrzucker- oder Rübenzuckerfabrikation stammen, ferner Zuckerlösungen aus roher
Saccharose (Sucrose), Glucoselösungen, Zuckerlösungen, gewonnen aus Zuckerhirse,
Johannisbrot und anderen Pflanzenprodukten, die Zucker enthalten, ferner Zuckerlösungen,
die bei der Hydrolyse von Cellulose oder cellulosehaltigem Material entstehen, wie
beispielsweise bei der Behandlung von Sägespänen mit Säure oder bei der Sulfitbehandlung
von Holz zur Herstellung von Zellstoff, ferner Zuckerlösungen, die bei der Behandlung
von Stärke und stärkehaltigem Material entstehen.
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Beim Arbeiten in großem Maßstabe wäre es nicht ratsam, in einem Gärbottich
eine Maische (wash) herzustellen, die die erforderliche niedrige Zuckerkonzentration
aufweist, und dann Teilmengen abzunehmen und äquivalente Mengen frischer Zuckerlösungen
hinzuzusetzen, die von gleicher niedriger Konzentration sind, denn der geringe Prozentsatz
an flüchtigen Fettsäuren, die in den entnominenen Flüssigkeitsmengen enhalten sind,
und die Kosten, die durch die Konzentration dieser Lösungen entstehen, machen diese
Arbeitsweise höchst unlohnend. Andererseits, wie bereits erwähnt, ist es nicht möglich,
die Gärung in hochkonzentrierten Zuckerlösungen vor sich gehen zu lassen. Beim Arbeiten
nach vorliegender Erfindung läßt man die Gärung in einer großen Flüssigkeitsmenge
von geringer Zuckerkonzentration vor sich gehen und fügt periodisch oder kontinuierlich
relativ geringe Mengen von verhältnismäßig hochkonzentrierten Zuckerlösungen hinzu,
aber in solchen Mengen, daß die Zuckerkonzentration der Ausgangsmenge nicht höher
wird, als dies bei der Gärung unter Vermeidung der Bildung nichtflüchtiger Fettsäuren
wünschenswert ist. Dem Zusatz der Zuckerlösungen entsprechen Entnahmen der Maische.
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Die technischen Wirkungen und Vorteile des Arbeitens nach der Erfindung
werden durch die folgenden Ergebnisse von Vergleichsversuchen veranschaulicht: Eine
gewisse Menge von Rübenmelasse wurde durch Zusatz von Wasser auf eine Stärke von
etwa io °/o, auf Melasse berechnet, verdünnt und wurde bei der üblichen Temperatur
(etwa 6o° C) mittels eines thermophilen Cellulosevergärungsorganismus vergoren.
Die Wasserstoffionenkonzentration wurde in der üblichen Art in geeigneten Grenzen
gehalten. Nach 6 Tagen wurde gefunden, daß die erzeugte Gesamtsäure, auf Essigsäure
berechnet, gleich etwa 58 °(e ausgedrückt durch die Menge des umgewandelten Zuckers
war. Weniger als die Hälfte hiervon (nur 2-8,3o °J,) war aber flüchtige Säure. Dieser
niedrige Prozentsatz flüchtiger Säure beruht, wie bereits erläutert, darauf, daß
die der Gärung unterworfene Lösung zu konzentriert im Zuckergehalt ist.
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Die Vermeidung eines so hohen Prozentsatzes nichtflüchtiger Säure
und die fast vollständige Umwandlung des Zuckers in flüchtige Säure (Essigsäure)
könnte dadurch erzielt werden, daß man die Melasse so weit verdünnt, daß man mit
einer Flüssigkeit von i % (oder noch weniger) Zuckerkonzentration beginnt
und dann die Gärung unter denselben bekannten Bedingungen durchführt. Man würde
aber dabei ein weit größeres Gärgefäß brauchen, und am Ende der Gärung müßte die
entsprechend sehr große Menge der sehr verdünnten Lösung des Salzes der flüchtigen
Säure (Essigsäure) durch Eindampfen konzentriert werden, so daß die Kosten das Verfahren
wirtschaftlich unmöglich machen würden.
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Erfindungsgemäß werden die Kosten einer übermäßigen Eindampfung dadurch
vermieden, daß man wie folgt verfährt: Dieselbe Melassemenge wird verwendet, und
dasselbe Gärgefäß wird benutzt wie beim ersten Versuch, und die Melasse wird auf
dieselbe Stärke verdünnt; sie wird aber in ein Vorratsgefäß gebracht. Dann wird
ein kleiner Teil, z. B. 118, des Inhalts des Vorratsgefäßes in das Gärgefäß überlaufen
gelassen, und es wird Wasser zugesetzt, bis der Zuckergehalt i °/o oder weniger
beträgt. Die Gärung wird dann in derselben bekannten Art eingeleitet, mit dem Resultat,
daß nur oder hauptsächlich flüchtige Säure (Essigsäure) erzeugt wird, die in der
üblichen Art neutralisiert wird. Die Zuckerkonzentration wird natürlich fortschreitend
kleiner als i °/o, wenn der Zucker in Säure umgewandelt wird. Dann wird ein Teil
des Inhalts des Gärgefäßes abgezogen (genug, um für ein zweites Achtel der Lösung
aus dem Vorratsgefäß Raum zu schaffen), und das zweite Achtel der Flüssigkeit aus
dem Vorratsgefäß wird in das Gärgefäß überlaufen gelassen, so daß die Zuckerkonzentration
darin wieder etwa 10/, oder weniger beträgt, worauf die Gärungsbedingungen nötigenfalls
wiederhergestellt werden und die Gärung fortgesetzt wird. Weitere periodische Abzüge
aus dem Gärgefäß und periodische Zuführungen aus dem Vorratsgefäß zum Gärgefäß werden
gemacht, bis das Vorratsgefäß leer ist. Auf diese Weise ist die Gesamtmenge der
Melasse der Vergärung bei etwa 10/, Stärke oder weniger unterworfen worden;
die schließlich einzudampfende Flüssigkeitsmenge ist aber relativ gering, wobei
aber das
darin enthaltene Fettsäuresalz so gut wie ausschließlich
das Salz einer flüchtigen Säure (Essigsäure) ist.