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Verfahren zur Gewinnung von Alkohol aus Sulfitlaugen. Vorliegende
Erfindung bezieht sich auf. die gewerbliche Herstellung von Äthylalkohol aus Sulfitablaugen
und -gewissen verwandten Rohmaterialien, welche Schwefeldioxyd und vergärbare Zuckerarten
enthalten.
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Wenn Hefe zu gekühlter Sulfitlauge zugesetzt wird, dann tritt Gärung
und Hefewachstum ein bei gleichzeitiger Bildung kleiner Mengen von Alkohol; aber
sowohl die Gärung als auch das Hefewachstum hören praktisch nach Verlauf weniger
Stunden auf, die Alkoholausbeute bleibt sehr gering und übersteigt gewöhnlich -
nicht ro Prozent der theoretisch aus dein vorhandenen vergärbaren Zucker erzielbaren
Menge. Etwas größere, aber ebenfalls noch unzulängliche Ausbeuten können erzielt
werden, wenn die Masse ungebundener schwefliger Säure zunächst durch Kochen der
Flüssigkeit oder vermittels Durchblasens von Dampf oder Luft durch ,dieselbe oder
durch gleichwertige Methoden entfernt wird. Zur Erklärung der unter den oben angegebenen
Bedingungen erzielbaren Ausbeuten hat man gewöhnlich angenommen, daß die freie schweflige
Säure, Kalzium- und Magnesiumsulfite und möglicherweise auch gewisse organische
Verbindungen von Sulfitcharakter als spezifische Hefegifte wirken, welche das Hefewachstum
und demgemäß auch die Gärung unterbrechen.
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Vorliegende Erfindung gründet sich auf die Entdeckung, daß die Unterbrechung
des Hefewachstums und der Gärung nicht auf einer spezifischen Giftwirkung der freien
schwefligen Säure oder der Sulfite beruht, sondern auf einem Mangel an Sauerstoff
in der diese Stoffe enthaltenden Lösung. Es hat sich gezeigt, daß es möglich ist,
ein starkes und anhaltendes Wachstum der Hefe und einen ausgezeichneten Gärungseffekt
in Lösungen zu erzielen, welche namhafte Mengen freier schwefliger Säure enthalten,
vorausgesetzt, daß während des ganzen Gärungsprozesses eine hinreichende. Menge
eines geeigneten oxydierenden Stoffes.,. wie z. B. Luft, dargeboten wird. Dadurch
wird es möglich, die kostspielige und mühsame Neutralisierung der Sulfitlauge vor
ihrer Vergärung zu ersparen, welche, soweit dem Er-. finder bekannt ist, stets als
eine wesentliche Vorbedingung für die erfolgreiche Vergärung der Flüssigkeit betrachtet
worden ist.
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Nachstehend wird eine bevorzugte Ausführungsart der Erfindung beschrieben:
Die von den Digestoren kommende heiße Lauge wird gekühlt, vorzugsweise indem man
Luft durch dieselbe hindurchbläst. Dadurch wird ein Teil der freien schwefligen
Säure entfernt, welcher zweckmäßig nach der Säureabteilung der Anlage geleitet wird,
um die schweflige Säure behufs Verwendung in den Digestoren wieder zu gewinnen.
Auf diese Weise wird ein beträchtlicher Teil (vielleicht die Hälfte) der freien
schwefligen Säure entfernt;
und wenn die Rohlauge keinen allzu hohen
Gehalt an Schwefeldioxyd besitzt, dann ist die abgekühlte Flüssigkeit fertig für
die Vergärung. Zür Erzieltrh'g der besten Ergebnisse ist es indessen erforderlich,
daß das freie Schwefeldioxyd bis auf einen, unterhalb einer gewissen Maximalkonzentration
liegenden Betrag herabgemindert wird. Bei sehr stark schwefeldioxydhaltigen Laugen
kann die erforderliche Herabsetving des Schwefeldioxydgehalts durch längeres Blasen
mit Luft oder Dampf, durch Kochen der Lauge vor dem Blasen, durch Aufrechterhalten
einer höheren Temperatur vor dem Blasen oder durch gleichwertige Mittel erzielt
werden. Es wird angestrebt, daß der Gehalt der zu den- Gärbottichen fließenden Lauge
an freier schwefliger Säure nicht mehr als 0,35 g SO, auf den Liter
Flüssigkeit beträgt. Es ist jedoch zu beachten, daß dieses nicht der zulässige absolute
Maximalgehalt ist, da bei dem Verfahren gemäß der Erfindung ein andauernder geringer
Verlust an freier schwefliger Säure während des ganzen Gärungsprozesses eintritt,
so daß die günstigsten Bedingungen für die Vergärung unter Umständen selbst in dem
Falle erreicht werden, daß der Anfangsgehalt der Lauge an schwefliger Säure wesentlich
höher ist, als oben angegeben.
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Die noch etwas schweflige Säure enthaltende, bis auf passende Gärungstemperatur
von etwa 27 bis 28° C abgekühlte Flüssigkeit wird jetzt in die Gärbottiche (zweckmäßig
bedeckte Behälter) befördert, darin durch einen mäßigen Luftstrom umgerührt und
mit Hefe versetzt. Die Durchleitung von Luft durch die Flüssigkeit wird zweckmäßig
während ungefähr der ganzen Gärperiode (gewöhnlich 5obis 6o Stunden) aufrechterhalten,
worauf die Flüssigkeit vorzugsweise in einem kontinuierlichen Destillierapparat
destilliert wird. Um den gebildeten Alkohol von etwa darin gelöstem Schwefeldioxyd
zu befreien, ist es ratsam, ihn während des letzten Teils des Destillationsprozesses
mit einem geeigneten alkalischen Reagens, z. B. kaustischer Soda o. dgl., zu behandeln.
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Während des Gärprozesses wird etwas Alkohol durch den Luf tstrom fortgeführt.
Da die Gärbottiche geschlossen sind, kann dieser entweichende AKohol wiedergewonnen
werden, indem man die entweichenden Gase durch Wasser oder besser durch in Vorbereitung
für den Gärprozeß, aber noch nicht in Gärung befindliche Sulfitlauge, welche daher
wenig oder keinen Alkohol enthält, hindurchleitet. Auf diese Weise wird praktisch
der ganze entweichende Alkohol, evtl. im Laufe der normalen Verfahrensdurchführung,
wiedergewonnen.
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Es ist zwar schon bei gewissen Verfahren zur Herstellung von Hefe
(sogenannter Preßhefe) üblich, große Mengen Luft durch die Gärflüssigkeit hindurchzublasen,
um das Hefewachstum anzuregen. Dabei wächst die Hefe außerordentlich stark, aber
die Alkoholerzeugung ist sehr vermindert, verglichen mit derjenigen bei Gärung ohne
Luftzufuhr. Es ist auch bereits bekannt, daß beim Vergären von Sulfitablaugen eine
Vorbelüftung der neutralisierten Flüssigkeit wünschenswert ist; und es ist auch
schon vorgeschlagen, nertralisierte Flüssigkeiten zu belüften, welche einen Katalysator
zur Oxydation in den Gärbottichen bei der Einleitung des Gärprozesses enthalten.
Aber nach der Kenntnis des Erfinders ist bisher noch nicht erkannt worden, daß eine
erfolgreiche Vergärung durchgeführt werden kann in Gegenwart einer namhaften Menge
freier schwefliger Säure, d. h. in einer nicht oder unvollkommen neutralisierten
Flüssigkeit, indem man während des ganzen Gärprozesses für eine angemessene Sauerstoffzufuhr
für die Hefe Sorge trägt.
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Das vorstehend beschriebene Verfahren ist nicht nur anwendbar auf
Sulfitablaugen, welche freie schweflige Säure enthalten, sondern auch auf die gärfähigen
Sirupe oder Flüssigkeiten, welche bei den bekannten Verfahren zur Erzeugung vergärbarer
Zuckerarten aus Zellulose oder Lignozellulose durch Einwirkung von Schwefeldioxyd
(Classen-Prozeß usw.) oder sauren aufschließendenStoffen, welcheSchwefeldioxyd enthal
en oder bilden, entstehen. Der Ausdruck Sulfitlaugen wird demgemäß hier so benutzt,
daß dadurch auch Produkte mitumfaßt werden, welche durch derartige Aufschließungsverfahren
gewonnen werden.