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Verfahren und Ofen zur Erzeugung von druckfestem Vollkoks aus Ligniten
u. dgl. Die Erkenntnis, daß Menge und Güte des Teers durch zu hohe Destillationstemperaturen
ungünstig beeinflußt werden, hat in den letzten Jahren zür Entwicklung verschiedener
Verfahren der sogenannten.Tieftamperaturdestillation von Brennstoffen geführt. Nach
diesen Verfahren wird bei Höchsttemperaturen von 450 bis 500"C außer Teer eine Art
Halbkoks gewonnen, der infolge seines verhältnismäßig hohen Gehalts an flüchtigen
Bestandteilen (1q. bis 2o °/o) und infolge seiner geringen Festigkeit für zahlreiche
industrielle Zwecke selbst dann ungeeignet ist, wenn er großstückig anfällt. So
kommt Halbkoks z. B. nicht in Betracht für metallurgische, insbesondere Reduktionszwecke,
als Holzkohlenersatz und für die Calciumcarbidindustrie, die einen Koks mit höchstens
q. bis 5 % flüchtigen Bestandteilen verlangt.
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Große und wichtige Verbreuchsgebiete bleiben also dem Vollkoks vorbehalten,
und es ist durchaus unberechtigt, daß seine Erzeugung zugunsten des Halbkokses ganz
in den Hintergrund gedrängt wurde. Erklärt wird diese Tatsache zum Teil durch die
ungenügenden Ergebnisse von Versuchen, Vollkoks aus Ligniten u. dgl. einfach durch
Erhitzung auf die zur Vollverkokung erforderliche Temperatur von 750 bis
i ooo° C herzustellen.
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Die Frage der Ölgewinnung aus Kohle ist heute und für absehbare Zeit
so wichtig, daß es einen wirtschaftlichen Rückschritt bedeuten würde, Vollkoks unter
Mißachtung der für die Teergewinnung geltenden Grundsätze der Tieftemperaturdestillation
zu erzeugen. Die gewöhnliche Verkokung bei Temperaturen von 75o bis i ooo° C scheidet
also schon mit Rücksicht auf eine wirtschaftliche Teergewinnung aus.
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Man hat zwar auch versucht, Vollkoks aus Lign,iten usw. in der Weise
herzustellen, daß die Destillation in zwei Stufen vorgenommen wird, wobei fast der
gesamte Teer in der ersten Stufe als sogenannter Tieftemperaturteer anfällt. -Die
Güte des hierbei gewonnenen Kokses, namentlich seine Druckfestigkeit, ist jedoch
nicht wesentlich verschieden von der Güte des Kokses, wie er durch Destillation
in einem Zuge erhalten wird.
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Bei den Versuchen, die Güte des Kokses, insbesondere seine Druckfestigkeit,
zu verbessern, wurde nun gefunden, daß die Schnelligkeit der Temperatursteigerung
beim übergang von der ersten zur zweiten Destillationsstufe die Beschaffenheit des
Kokses erheblich beeinflußt. Je rascher, sprunghafter die Temperatur nach oder kurz
vor Vollendung der Tieftemperaturdestillation erhöht wird, desto fester wird .der
Koks. Vermutlich ;ist dies darauf zurückzuführen, daß die noch im Halbkoks vorhandenen
Bitumenreste infolge der raschen Erhitzung mit verkoken, wodurch das Gefüge des
Kokses sozusagen verkittet wird.
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Demgemäß besteht der Grundgedanke des vorliegenden Verfahrens darin,
daß das erforderlichenfalls vorgetrocknete, den Destillationsofen im Gegenstrom
durchwandernde Gut nach oder kurz vor Vollendung der Tieftemperaturdestillation
bei
etwa q.50° C, zwecks Vollverkokung in einer zweiten Destillatiorisstufe sprunghaft
auf etwa 75o bis i ooo° C erhitzt wird.
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Eine plötzliche Temperatursteigerung während .des fortlaufenden Destillationsvorganges
ist im Sinne der vorliegenden Erfindung praktisch nur dann möglich, wenn die Beheizungdes
Destillationsgutes wenigstens in der zweiten Stufe auf direktem Wege, d. h. mittels
Spülgas erfolgt. Bei indirekter Beh:eizung wäre die Geschwindigkeit der Wärmeübertragung
viel zu gering; selbst hocherhitzte Ofenwände würden nur einen ganz allmählichen
Temperaturanstieg im Kern des Destillationsgutes bewirken. .
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Bei dem vorliegenden Verfahren wird ein den Ofen durchwanderndes Kohlenstück
von Gasen umspült, deren Temperaturen aus der in Fig. i der Zeichnung dargestellten
Kurve ersichtlich sind. Das in den Ofen eintretende Kohlenstück findet Gase mit
wenig über ioo° C vor, so daß die Kohle im Abschnitt J.a langsam erwärmt und milde
getrocknet wird. Gefüge und natürliche Festigkeit der Kohle werden dadurch weitgehend
geschont. Der folgende Abschnitt Ib kann als Kohlensäureperiode bezeichnet werden,
weil bei den hier herrschenden Temperaturen bis gegen 300° C die Kohlensäure im
De@stillationsgas stark überwiegt. Nun beginnt bei weiterer Temperatursteigerung
die bekannte exothermische Reaktion, däe sich . durch eine Wölbung der Temperaturkurve
nach oben im Abschnitt Ie ausdrückt. Abschnitt Id bildet den Schluß der Tieftemperaturdestillation.
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Während des nun folgenden raschen Temperaturanstieges im Abschnitt
IIa findet das restliche Bitumen keine Zeit mehr, sich zu verflüchtigen, so daß
es den Verkokungsprozeß mitmacht. Abschnitt IIb bedeutet das Ende der Vollverkokung.
Die rasche Temperaturerhöhung bewirkt nicht nur eine Verfestigung des Kokses, sondern
auch eine Abkürzung des Verkokungsvorganges, d. h. eine Erhöhung der Ofenleistung.
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Die Zweiteilung des gesamten Destillationsrorganges in ein und demselben
Ofenraum wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, daß das mit etwa 75o bis i ooo°
C in den Ofen eintretende inerte Spülgas nach Durchströmen der Verkokungszone durch
Mischung mit eingeführtem inerten Kaltgas auf eine Temperatur von etwa q.50° C oder
tiefer abgetönt wird. Die im Gegenstrom durch den Ofen wandernde Kohle wird also
in der ersten Stufe einer normalen Tieftemperaturdestillation unterworfen und erst
in der zweiten Stufe durch plötzliche Temperatursteigerung vollverkokt. Das Spülgas
nimmt während seines Durchgangs durch den Ofen die aus dem Destillationsgut sich
entwickelnden Gase und Dämpfe auf, welch letztere in einem Teerscheider verdichtet
werden.
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Der Begriff Kaltgas im Sinne der vorliegenden Anwendung ist naturgemäß
relativ aufzufassen.' Zweckmäßig wird als Kaltgas ein Teil des aus dem Teerscheider
kommenden Gases verwendet und zu diesem Zwecke dem Ofen im Kreislauf 'wieder zugeführt.
Ebensogutkann die Abtönung der heißen Spülgase nach Durchströmender Verkokungszone
auch durch Mischung mit eingeblasenem Wasserdampf erfolgen, der in solchen Mengen
anzuwenden ist, daß derbeabsichtigteTemperatursprung eintritt. Steht kein billiger
Wasserdampf (Abdampf) zur Verfügung, so führt auch das Einsprühen von entsprechenden
Wassermengen zum Ziel.
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Nach einem zweiten Ausführungsbeispiel wird der beabsichtigte Zweck
des Verfahrens dadurch erreicht, daß das heiße Spülgas nach Durchströmen der Verkokungszone
aus dem Destillationsgut herausgezogen und in Heizkanälen der Ofenwand weitergeleitet
wird. In diesem Falle erfolgt also die Beheizung des Gutes in der ersten Destillationsstufe
indirekt und nur in der zweiten Stufe direkt mittels Spülgases.
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Der nach dem vorliegenden Verfahren hergestellte Koks hat sehr gute
Eigenschaften: Er ist fest, klingend, von schöner silbergrauer Farbe und nur wenig
hygroskopisch. Der Anfall an feinkörnigem Koks .ist in der Regel nicht bedeutend.
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Zur Ausführung des vorliegenden Verfahrens ist das Kammerofensystem
besonders vorteilhaft; es gestattet eine gleichmäßige Gasführung inifolge der verhältnismäßig
kleinen Einzelquerschnitte sowie leichte Regelung und Beh errschung der ganzen Vorgänge
im Gegensatz zu den bekannten Großraumöfen, die häufig nur ganz ungleichmäßig garen
Koks erzeugen. Die Unterteilung in Einzelkammern ermöglicht gleichwohl große Durchsatzleistungen,
indem die Kammeröfen (ähnlich wie die bekanntem Verkokungsöfen für Steinkohle) batterieweise
aneinand ergebaut werden.
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In Fig. 2, 3 und q. sind zwei Ausführungsformen von Kammeröfen gemäß
vorliegender Erfindung dargestellt.
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Fit. 2 bedeutet einen waagerechten Schnitt nach Linie A-B,
Fig. 3 einen senkrechten Schnitt nach Linie C-D durch einen ausschließlich mit Spülgas
beheizten Ofen, #velci`er fö@gendermäßen `befräben wind: Das stückige Rohgut kommt
mit einer gewissen Restfeuchtigkeit aus den Bodenöffnungen i des auf der Zeichnung
teilweise sichfbaren Vortrockners 2 und gleitet über .die dachförmigen Köpfe der
Kammerwände 3 in die
Ofenkammern, die in der dargestellten Ausführungsform
aus einem oberen, engeren Teil 4 und einem unteren, weiteren Teil: 5 bestehen. In
der zurückspringenden Ecke 6 münden die düsenartigen Öffnungen 7 zum Einblasen des
Kaltgases aus dem Kanal 8 in die Ofenkammer. Das heiße Spülgas tritt aus dem Kanal
9 durch den Schrägrost io in den Ofen, durchstreicht das in der Verkokungszone 5
befindliche Gut, mischt sich bei 6 mit dem Kaltgas und verläßt den Ofen nach Durchstreichen
des in der TieftemperaturdestillationszOne 4 befindlichen Gutes durch die Abzugsöffnung
i i.
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Um eine gleichmäßige Gasverteilung über den ganzen Querschnitt der
Ofenkammer zu erreichen, muß dafür Sorge getragen werden, daß das Gas an jeder Stelle
ein und derselben . Ouerschnittsebene ungefähr den gleichen Widerstand vorfindet.
Voraussetzung hierfür ist ungefähr gleiche Weglänge für sämtliche Gasfäden. Dies
wird im vorliegenden Falle durch eine derartige Anordnung der Füllöffnungen i erreicht,
daß sich die Böschungsebene des im Ofen ruhenden Gutes ungefähr parallel einstellt
zu dem als Kammerboden dienenden Schrägrost io.
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Der fertige Koks wird auf beliebige Weise gekühlt und sodann fortlaufend
oder in Zwischenräumen ausgetragen. In der beiliegenden Zeichnung ist ein indirekt
wirkender Wasserkühler 12 und ein auf dem Tisch 13 hin und her gehender Abstreicher
14 dargestellt.
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Etwas verschieden hiervon ist die in Fig. 4 veranschaulichte zweite
Ausführungsform@`iec es Ofens, die eine gemischte Beheizungsart vorsieht. Das heiße
Spülgas lgas strömt durch den Schrägrost 15 in "dee-n -Üferi und entweicht, nachdem
es die Verkokungszone 16 durchzogen hat, durch die Öffnungen i7 in die , Heizkanäle
18 der Kammerwände io.,welche die seitliche Begrenzung der Tieftemperaturdestillation:szone
2o bilden. Bei diesem Ofen wird also « der beabsichtigte Temperatursprung durch
den Übergang von der direkten zur indirekten Beheizung hervorgebracht. Die Destillationsgase
werden in diesem Falle, zweckmäßig vom Spülgas getrennt, durch die Öffnung 2:1 abgezogen.
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Es ist zweckmäßig, die Ofenkammern paarweise zu einer Doppelkammer
.mit gemeinsamer Austragsvorrichtung zusammenzufassen, wie in Fig.3 dargestellt.
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Wenn eine Ofenbatterie zweireihig ausge= führt wird, wie aus Fig.2
ersichtlich, so ist es vorteilhaft, die Gaszuleitungskanäle 2-, zwecks besseren
Wärmeschutzes zwischen den beiden Kammerreihen anzuordnen.
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Das vorstehend beschriebene Verfahren eignet sich zur Verkokung von
stückigen . Brennstoffen aller Art, insbesondere von Ligniten, Torf und Holz. Verfahren
und Ofen sind denkbar einfach. Infolge der zur Anwendung kommenden Temperaturen
ermöglicht da:s Verfahren nebenbei die Gewinnung von Ammoniak aus stickstoffreichen
Rohstoffen, da die Stickstoffausbeute bekanntlich bei etwa 85o° C am günstigsten
verläuft. Die Öfen können, abgesehen von den außen angeordneten Hilfsvorrichtungen,
ganz aus Steinmaterial hergestellt werden. Infolge der verhältnismäßig geringen
Anlagekosten für die Öfen ist das Verfahren auch da wirtschaftlich, wo infolge hoher
Gestehungskosten für den Rohstoff nur geringe Abschreibungen auf Anlagen zulässig
sind.