Seit Anfang des Jahres 1986 ist bekannt, daß Branntweine, insbe
sondere Steinobstbranntweine relativ hohe Konzentrationen der
chemischen Verbindung Carbaminsäureethylester (Urethan, Ethyl
carbamat) enthalten können. In Steinobstbranntweinen wurden
dabei bis zu mehr als 10 mg Ethylcarbamat (im folgenden als
EC abgekürzt) pro Liter nachgewiesen.
Nachdem EC als multivalentes genotoxisches Kanzerogen einzu
stufen ist, wurde vom Bundesgesundheitsamt ein vorläufiger
oberer Grenzwert von 0,4 mg EC/l Obstbranntwein als erforder
lich erachtet, jedoch mit dem Ziel, ihn soweit wie möglich
weiter zu senken. In der Zeitschrift: Die Kleinbrennerei,
1986, Seiten 57/58 wird auf einen entsprechenden Grenzwert in
Canada verwiesen und erwähnt, daß noch nicht im einzelnen be
kannt ist, wie die Bildung von EC reduziert werden kann. In
der Zeitschrift alkohol-industrie, 1986, Seiten 347-354
werden spekulativ unterschiedliche Bildungswege von EC disku
tiert, ohne jedoch sichere Aussagen machen zu können.
Aufgrund von Untersuchungsergebnissen vieler authentischer Proben
(Maischen, Destillaten) ist sicher, daß EC auf natürliche Weise
im Laufe der Branntweinherstellung entstehen kann. Reaktionswege
und Reaktionspartner, die zur EC-Bildung führen, waren jedoch
bislang nicht bekannt.
Die ersten Versuche zur Reduzierung des EC-Gehaltes von Stein
obstbranntweinen beschränkte sich in erster Linie auf mögliche
destillative Abtrennungen. EC geht bei der Destillation erst
im Nachlauf in das Destillat über, so daß eine destillative
Abtrennung von EC zunächst als erfolgversprechend erschien.
Mitte des Jahres 1986 wurde jedoch ein neuer und völlig uner
klärbarer Effekt festgestellt.
Steinobstbranntweine, die in Herstellertanks kühl und dunkel
gelagert werden, haben generell geringe EC-Gehalte. Sobald die
se Destillate jedoch dem Licht ausgesetzt werden, kann immer
mit einem Anstieg des Gehaltes von EC um ein Vielfaches ge
rechnet werden.
Nach dieser Feststellung, die aufgrund eigener Untersuchungen
bestätigt werden können, waren die bisherigen Versuche der
destillativen Abtrennung nur ein Teilaspekt der Problemlösung;
durch die bekannten Destillationstechniken kann nur bereits
gebildetes EC, nicht aber die für die lichtinduzierte EC-Bildung
verantwortlichen Vorstufen abgetrennt werden. Andererseits
zeigten Untersuchungen auch, daß einige Destillate im Licht kein
Ethylcarbamat bilden. Es schien somit offensichtlich nur dann
eine Lösung erreichbar, wenn die Ursachen der EC-Bildung, insbe
sondere der lichtinduzierten Bildung aufgeklärt und beseitigt
werden können. Bislang gab es weder gesicherte Erkenntnisse
über die Vorstufen bzw. Bildungsmechanismen von Ethylcarbamat
noch ein zuverlässiges Verfahren zur Herstellung von Obstbrannt
weinen bzw. Spirituosen, die im Licht bzw. nach Lichteinwirkung
sowie bei längerer Lagerung nach Lichteinwirkung allenfalls
technisch nicht vermeidbare EC-Gehalte aufweisen.
Dem erfindungsgemäßen Verfahren lag somit die Aufgabe zugrunde,
ein für jede Brennerei anwendbares, einfaches, sicheres und
kostengünstiges Verfahren zur Verhinderung der Bildung von
Ethylcarbamat in alkoholischen Destillaten zu entwickeln, so
daß diese auch nach Lichteinwirkung allenfalls technisch
unvermeidbare EC-Gehalte aufweisen, d. h. daß in der auf
Trinkstärke (40 - 50% vol) eingestellten Spirituose der EC-Gehalt
deutlich unter dem vom BGA empfohlenen Grenzwert von
0,4 mg/l liegt.
Die Aufgabe wird durch das Verfahren gemäß Anspruch 1
gelöst. Weitere Ausführungsformen ergeben sich aus den
Unteransprüchen.
Ursachen und Mechanismen der EC-Bildung
Zu den Ursachen (Vorstufen) und Reaktionsmechanismen der EC-Bildung
in Branntweinen, insbesondere der lichtinduzierten
Bildung, gab es bislang keine eindeutigen Erklärungen.
Die von Ough in J. Agric. Food Chemistry 24 (1976) 323 beschrie
bene Vorstufe Carbamylphosphat entsteht im Stoffwechsel der
Hefe, so daß bei allen Lebensmitteln, bei deren Herstellung eine
alkoholische Gärung stattgefunden hat (z. B. Wein, Brot), durch
Veresterung des Carbamylphosphates mit Ethanol wenige ppb EC
entstehen. In Obstmaischen wurden dagegen insbesondere bei
längerer Lagerung bereits höhere EC-Gehalte festgestellt, die
dann durch die Destillation im Branntwein angereichert werden
können. Die auch in Weinbränden, Whiskey oder Kernobstbrannt
wein nachgewiesenen EC-Gehalte von bis zu 0,8 mg/l sind somit
zu einem bestimmten Teil auf Carbamylphosphat zurückzuführen.
Bei den extrem hohen EC-Gehalten in Steinobstbranntweinen
(mehrere mg/l) wurde vermutet, daß Blausäure
bzw. Cyanid (bildet sich enzymatisch aus Amygdalin in Frucht
fleisch und Steinen) an der EC-Bildung beteiligt ist.
Wie die Untersuchungen an authentischen Destillaten und Modell
versuchen zeigen, ist Cyanid (CN⁻) auch als entscheidende Vor
stufe für die lichtinduzierte EC-Bildung anzusehen; Cyanid
kann sich jedoch nicht direkt mit Alkohol unter Lichtenergie
zu EC umsetzen. Versuche mit alkoholischen Lösungen zeigen, daß
diese Reaktion nur in Anwesenheit von Benzaldehyd und/oder
Kupferionen möglich ist (Versuche 1). Insofern ist davon aus
zugehen, daß eine EC-Bildung über die Oxidation des Cyanids
zu Cyanat möglich ist. Dabei setzt sich Cyanat bereits bei
Zimmertemperatur (im Dunkeln) fast vollständig in Ethyl
carbamat um.
Folgende Reaktionen können in alkoholischen Destillaten auftreten:
- a) Lichtinduzierte Reaktion von Cyanid mit Kupferionen, die bei
bestimmten Brenngeräten ins Destillat gelangen können:
- b) Lichtinduzierte Reaktion von Cyanid mit dem Benzaldehyd, der
gleichermaßen wie Cyanid aus dem Amygdalin im Steinobst abge
spalten wird.
- c) Lichtinduzierte Reaktion von Cyanid unter gleichzeitiger
Beteiligung von Benzaldehyd und Kupferionen.
- d) Benzylcyanid, das in Steinobstdestillaten ebenfalls nachge
wiesen wurde,ist wie Modellversuche zeigten auch bei niedrigen
pH-Werten stabil, d. h. es spaltet kein Cyanid ab, aus dem EC
entstehen kann.
Definition
Die im erfindungsgemäßen Verfahren bzw. in der Beschreibung
als "Cyanid" bezeichnete Verbindung wird definiert als
Cyanwasserstoff (Blausäure) bzw. als Cyanidanion, die sich enzy
metisch oder säurekatalysiert (aufgrund der in Maischen bzw.
Destillaten vorhandenen Wasserstoffionen) leicht aus cyanhaltigen
Inhaltsstoffen (z. B. Glykoside wie Amygdalin, organisch gebunde
nes Cyanid) abgespalten haben.
Sowohl Blausäure (Cyanid) als auch Benzaldehyd können weder
im Gleichstrom- noch im Gegenstromdestillationsverfahren
destillativ abgetrennt werden. Fig. 1 zeigt den Konzentrations
verlauf des Cyanid bei der Gegenstromdestillation einer
Zwetschgenmaische; dabei wird deutlich, daß die Cyanidkon
zentration erst im Nachlauf allmählich abnimmt.
Es ist somit bei Steinobstdestillaten (Vor- , Mittel- und
Nachlauf) immer mit einem bestimmten Anteil an Cyanid zu
rechnen, aus dem später Ethylcarbamat gebildet werden kann.
Die Ursachen der Unterschiede bei den in das Destillat
übergehenden Cyanidmengen sind noch nicht genau bekannt.
Neben dem Anteil beschädigter Steine spielen Reifegrad der
Früchte, Maischebehandlung sowie Maischelagerung, als auch
die Gärungsführung eine wesentliche Rolle.
Die Cyanidgehalte authentischer Steinobstdestillate schwanken
zwischen 1 und 40 mg/l, die Benzaldehydgehalte zwischen 5 und
30 mg/l, während hohe Kupferkonzentrationen (< 1 mg/l) meist
nur in den Destillaten vorkommen, die mit Brenngeräten herge
stellt werden, bei denen auch der Kühler aus Kupfer besteht.
Die Cyanidgehalte der Maischen liegen meist nur zwischen
0,5 und 2 mg/l, so daß die hohen Cyanid-Konzentrationen im
Destillat sowohl durch eine destillative Anreicherung als
auch durch eine durch die Hitze während des Destillations
prozesses verstärkte Freisetzung von Cyanid aus beschädig
ten Steinen bedingt sind.
Sehr hohe Cyanidkonzentrationen, insbesondere bei erhöhtem
Anteil beschädigter Steine in der Maische, führen zu einem
Branntweinfehler, dem "Steingeschmack", der das Sortenbukett
überdeckt. Um diesen "Steingeschmack" zu beheben, ist in
"Obstbrennerei heute, Verlag Heller Chemie 1972 die Möglich
keit der Abtrennung von Blausäure durch einen nicht
stöchiometrischen Zusatz von Silbernitrat beschrieben, eine
vollständige Abtrennung des gesamten Cyanids ist dabei weder
beabsichtigt noch gewährleistet. Ein entsprechendes Vorgehen
wird in der Monographie von Pieper "Technologie der Obstbrennerei",
Verlag Eugen Ulmer Stuttgart (1977), Seite 334, empfohlen. Zur Ver
minderung des Bittermandelaromas werden pro Hektoliter Destillat 10 g
Silbernitrat zugesetzt. Dabei wird Blausäure als unlösliches Silber
cyanid ausgefällt. Benzaldehyd (Bittermandelöl) kann mit schwefliger
Säure unwirksam gemacht werden.
Man muß davon ausgehen, daß bereits bei einer Cyanidkonzen
tration von 1 mg/l theoretisch mehr als 3 mg EC/l gebildet
werden können. In der Praxis kommt es jedoch nicht generell
zu einer stöchiometrischen Umsetzung, da die EC-Bildung von
vielen Faktoren wie Benzaldehydgehalt, Kupferionenkonzen
tration, Bestrahlungsenergie und -zeit, Dicke und Farbe
des Flaschenglases abhängt.
Untersuchungen an authentischen Steinobstdestillaten zeigen z. B.,
daß bei Cyanidkonzentrationen von weniger als 2 mg/l nicht in
jedem Falle EC durch UV-Lichteinwirkung gebildet wird. Die EC-Bildung
hängt auch ab vom Benzaldehydgehalt des Destillates,
der in der Regel bei niedrigen Cyanidgehalten ebenfalls ernied
rigt ist (<20 mg/l). Die EC-Bildung über die Oxidation von
Cyanid zu Cyanat durch Benzoylradikale läuft dann nicht bzw.
nur in geringerem Ausmaß ab. Enthält das Destillat bei einem
Cyanidgehalt von 1 mg/l jedoch z. B. 40 mg Benzaldehyd/l, so muß
mit einer EC-Bildung von bis zu 1 mg/l gerechnet werden. Aufgrund
der natürlichen Schwankungen des Benzaldehydgehaltes läßt sich
durch den festgestellten Cyanidgehalt keine eindeutige Aussage
darüber machen, ob und wieviel EC gebildet werden kann. Insofern
ist vorzugsweise bei Konzentrationen von weniger als 3 mg Cyanid
pro Liter hochprozentigem Destillat in einer Probe zu prüfen, ob
und in welchem Ausmaß EC gebildet wird.
Aufgrund der festgestellten Bildungsmechanismen von Ethylcarbamat
in alkoholischen Destillaten steht eine möglichst vollständige
Abtrennung von Cyanid während des Herstellungsprozesses von
Obstbranntweinen und Spirituosen im Mittelpunkt des erfindungs
gemäßen Verfahrens.
Die Abtrennung bzw. Bindung von Cyanid in der Maische bzw. während
der Destillation ist aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht
zu gewährleisten bzw. nicht möglich.
Insofern muß das Cyanid aus den alkoholischen Destillaten abgetrennt
werden, indem den Destillaten Elektrolyte zugesetzt wurden, die
Cyanid chemisch binden und mit diesen abgetrennt werden können.
Aufgrund der durchgeführten Versuche bieten sich an
eine chemische Fällung des Cyanids als schwerlösliche
Cyanidverbindung (Salz).
Eine Reduzierung der Cyanidkonzentration alkoholischer Destillate
auf Werte unter 0,1 mg/l ist erreichen, so
daß sich in den auf Trinkstärke eingestellten Spirituosen auch
nach Lichteinwirkung Ethylcarbamat allenfalls in Mengen bilden
kann, die deutlich unter dem vom BGB empfohlenen Grenzwert von
0,4 mg/l liegen.
Evtl. bereits in der Maische gebildetes bzw. in Rauhbränden
vorhandenes Ethylcarbamat (z. B. aus Carbamylphosphat) kann nur
durch rechtzeitiges separates Auffangen des Nachlaufes (ab
60% vol) abgetrennt werden. Zur Verhinderung der Ethylcarbamat
bildung frisch hergestellter Destillate ist es weiterhin unbe
dingt erforderlich, diese bis zur Abtrennung des Cyanid dunkel
zu lagern. Destillate, bei denen nicht sichergestellt ist, ob sie
unter entsprechender Nachlaufabtrennung hergestellt worden sind
und ständig dunkel gelagert waren, müssen, sofern sich an das
erfindungsgemäße Verfahren keine nochmalige Destillation an
schließt, hinsichtlich ihres EC-Gehaltes untersucht werden.
Zur vollständigen Bindung bzw. Abtrennung des Cyanids muß die
Cyanidkonzentration im alkoholischen Destillat möglichst exakt
bestimmt werden.
Das Prinzip der quantitativen Cyanidbestimmung beruht auf der
Reaktion des im schwach sauren Destillat vorliegenden Cyanids
(bzw. Cyanwasserstoffes) mit Chloramin T, wobei das aktive
Chlor zu Chlorcyan umgesetzt wird. Chlorcyan reagiert mit
Pyridin zu Glutacondialdehyd, der mit Barbitursäure zu einem
rotvioletten Polymethinfarbstoff kondensiert, dessen Konzen
tration ein Maß für die Cyanidkonzentration ist. Für die Be
stimmung in der Brennerei kann auch ein handelsüblicher Schnell
test (Farbvergleichstest) mit Konzentrationsbereichen bzw. Nach
weisempfindlichkeiten von 0,01 mg/l verwendet werden.
Für die Bestimmung des Cyanidgehaltes alkoholischer Destillate ist
für das o.g. Analysenprinzip eine Verdünnung der Probe mit destillier
tem Wasser auf einen Alkoholgehalt von mindestens 15% erforderlich.
Da die Cyanidbestimmung möglichst exakt durchgeführt werden muß, sind
für einen optimalen photometrischen oder colorimetrischen Vergleich
teilweise mehrere Ansätze bzw. Verdünnungen erforderlich, da die
Cyanidgehalte zwischen 1 und 40 mg/l schwanken können.
Bei einer Ausführung der Erfindung wurden zur
Abtrennung des Cyanids in alkoholischen Destillaten durch Fällung
als schwerlösliche Cyanidverbindung Silbersalze verwendet.
Silberionen bilden mit Cyanidionen im schwach saurem bis neutralem
Milieu alkoholischer Destillate schwerlösliches Silbercyanid mit
einer Löslichkeit von 0,19 mg/l (entsprechend 0,04 mg Cyanid,
bezogen auf Wasser). Zur Fällung wurden die löslichen Silbersalze
Silbernitrat und Silbersulfat eingesetzt, die Verwendung löslichen
Silberphosphates ist ebenfalls möglich. Schwer lösliche Silbersalze
(z. B. Silberchlorid, Silbercarbonat) sind, wie Modellversuche zeigten,
nicht geeignet. Die Abtrennung von Cyanid mit Eisen (II)- und Eisen(III)-
Salzen über die Bildung des sehr stabilen Hexacyanoferrat(II)-Kom
plexes als schwerlösliches Eisen (III)-hexacyanoferrat ("Berliner
Blau") ist theoretisch auch möglich, erwies sich in Modellversuchen
jedoch als weniger geeignet, da die Bildung des Hexacyanoferrat
komplexes pH-Werte von größer als 7 erfordert.
Das Silbersalz kann zur Fällung des Cyanids sowohl als Festsubstanz
als auch als wäßrige Lösung dem Destillat zugesetzt werden.
Um einen gut geflockten Silbercyanidniederschlag zu erhalten, ist
der Zusatz in Form einer wäßrigen Lösung vorzuziehen. Während Silber
nitrat sehr leicht löslich ist, beträgt die Löslichkeit von Silber
sulfat nur maximal 8 g/l Wasser. Durch Zusatz als wäßrige Lösung kann
das Silbersalz langsam und unter starkem Rühren im Destillat gleich
mäßig verteilt werden, so daß lokale Übersättigungen vermieden
werden. Bei Zusatz von festem Silbersalz wäre ein wesentlich längeres
und auch intensiveres Rühren erforderlich. Zur Bildung eines gut
geflockten und abtrennbaren Niederschlages sind folgende weitere
Punkte zu beachten:
möglichst niedrige Temperatur des Destillates
keine Verdünnung
Standzeit von mindestens 24, besser 48 Stunden
nach der Fällung
kein direkter Lichtzutritt während und nach
der Fällung
Auf der Grundlage der im Destillat ermittelten Cyanidkonzentrationen
und des bekannten Destillatvolumens wird die zur Cyanid-Fällung
erforderliche Silbersalzmenge berechnet. Zur möglichst vollständigen
Fällung und optimalen Flockung des Silbercyanids ist aufgrund einer
intermediären Komplexbildung des Silbers als Ag (CN)₂⁻ der Zusatz
eines geringen Silberionenüberschusses erforderlich, der in der
Literatur mit 0,7% angegeben ist.
Bei der Berechnung des erforderlichen Silberzusatzes ist auch der
mögliche Meßfehler der Cyanidbestimmung zu berücksichtigen. Dieser
Fehler kann bei den handelsüblichen Cyanid-Schnelltests (Farbver
gleichstests) bis zu 20% erreichen, wohingegen eine photometri
sche Bestimmung zwar aufwendiger aber wesentlich genauer ist.
Zur Fällung des Cyanid als Silbercyanid gelten folgende stöchio
metrische Beziehungen: Für die Fällung von 1 mg Cyanid benötigt man
6,54 mg Silbernitrat oder 6,0 mg Silbersulfat sowie einen dem
Analysenfehler der Cyanidbestimmung entsprechenden Überschuß, so daß
sich die zur Fällung des Cyanids in einem alkoholischen Destillat
benötigte Silbersalzmenge s nach folgender Formel berechnet:
s = V · f₁ · (c + c · r)
wobei
s = Silbersalzzusatz in mg
V = Destillationsvolumen (1)
f₁ = stöchiometrischer Faktor zur Fällung
als AgCN
6,54 für Silbernitrat
6,0 für Silbersulfat
c = Cyanidgehalt mg/l
r = Faktor des möglichen Meßfehlers der
Cyanidbestimmung, z. B.: 0,2 für ± 20% Fehler
Sofern das Destillat nach der Fällung und Abtrennung (Filtration)
des Silbercyanids nochmals destilliert wird, werden die über
schüssigen Silberionen und die freigesetzten Anionen des Silber
salzes (Nitrat, Sulfat) durch diese Destillation abgetrennt.
Sofern nach der Fällung und Filtration eine nochmalige Destillation
nicht beabsichtigt ist, empfiehlt es sich, insbesondere bei hohen
Cyanidgehalten zur Fällung statt Silbernitrat Silbersulfat einzu
setzen, da sonst zu hohe Nitratmengen im Destillat zurückbleiben.
Legt man als Grenzwert für Nitrat einen Gehalt von 50 mg/l fest
(entsprechend der Trinkwasser-Verordnung), so bedeutet dies,
daß ab einer Cyanidkonzentration von 20 mg/l trinkfertigen
Destillates (hier werden 53 mg Nitrat bei der Fällung mit Silber
nitrat freigesetzt) vorzugsweise Silbersulfat zu verwenden ist.
Der Silberionenüberschuß muß zudem durch einen stöchiometrisch
entsprechenden Zusatz von Chloridionen als Silberchlorid
(Löslichkeitsprodukt in Wasser: 10-10) gefällt und abgetrennt
werden. Der zu berücksichtigende Silberionenüberschuß bzw. der
sich daraus berechnende Chloridzusatz hängt auch von der Genau
igkeit der Cyanidbestimmung ab.
Zur Fällung eines Silbernitrat- oder Silbersulfatüberschusses
von 1 mg/l als Silberchlorid benötigt man 0,4 mg Natrium- oder
0,5 mg Kaliumchlorid. Der zur Entfernung des Silberionenüber
schusses bzw. zur Fällung als Silberchlorid benötigte Chlorid
zusatz z berechnet sich somit nach der Formel:
z = c · 2 r · V · f₁ · f₂
z = Chloridzusatz (mg)
wobei c = Cyanidkonzentration mg/l
r = Faktor des möglichen Meßfehlers der
Cyanidbestimmung, z. B. 0,2 für ± 20% Fehler
V = Destillatvolumen (1)
f₁ = stöchiometrische Faktoren des Silbersalzes
zur Cyanidfällung (s. o.)
f₂ = stöchiometrische Faktoren des Chloridsalzes
zur Silberfällung
0,4 für Natriumchlorid
0,5 für Kaliumchlorid
Der Zusatz des Chlorids zur Fällung des Silberionenüberschusses
kann vor oder nach der Silbercyanidfällung erfolgen, da das
Löslichkeitsprodukt von Silbercyanid kleiner als das von Silber
chlorid ist. Durch Zusatz vor der Cyanidfällung wird durch den Mit
fällungseffekt eine bessere Flockung der beiden Silberniederschläge
bewirkt.
Untersuchungen zur Abtrennung des Silberionenüberschusses mit Oxal
säure als Silberoxalat wurden ebenfalls durchgeführt und waren eben
so positiv. Durch Fällung der überschüssigen Silberionen mit
Chloridionen oder Oxalsäure wird somit die Silberionenkonzentration
im Destillat unter den für Trinkwasser zulässigen Höchstwert von
0,1 mg/l gesenkt.
Etwa 1 Stunde nach der Fällung wird in einer filtrierten Probe
des Destillates mittels eines geeigneten Schnelltests nochmals
eine Cyanidgehaltsbestimmung durchgeführt, wobei eine Konzen
tration von 0,2 mg/l nicht überschritten werden sollte.
Nach dem Zusatz der Chlorid- und Silbersalzlösungen (unter ständigem
Rühren) werden die Destillate für mindestens 24 h dunkel und kühl
gelagert. Die Hauptmenge der Silberniederschläge setzt sich dabei
ab, dennoch ist eine Filtration des überstehenden Destillates
unerläßlich, insbesondere um noch vorhandene Kolloide abzutrennen.
Die Filter bzw. Filterschichten sollten eine möglichst gute
Filtrationswirkung aufweisen; geeignet sind in jedem Falle han
delsübliche Filter für Feinsttrub. Es empfiehlt sich weiter,
die ersten Liter Filtrat separat aufzufangen und nochmals zu
filtrieren. Sofern das überstehende Destillat vorsichtig ab
gezogen wird, kann die Hauptmenge des Silberniederschlages im
Bodensatz separat durch Filter (vorzugsweise Trichter- oder
Zylinderfilter) abgetrennt und zum Zwecke der Wiederaufbe
reitung gesammelt werden.
Die filtrierten Destillate enthalten schließlich allenfalls
technisch nicht vermeidbare Gehalte an Cyanid- und Silberionen
((0,1 mg/l).
Zu den Destillaten, die im Rahmen des Herstellungsprozesses von
Branntweinen nochmals destilliert werden, zählen die durch
Gleichstromdestillation gewonnenen Rauhbrände, Vor- und Nach
läufe, die durch Gleich- oder Gegenstromdestillation gewonnen
wurden sowie Destillate und Branntweine, die aufgrund zu später
Abtrennung von Nachlauf oder aufgrund von Lichteinwirkung be
reits zu hohe Ethylcarbamatgehalte aufweisen. Sofern diese
Destillate Cyanid enthalten, muß dieses entsprechend dem er
findungsgemäßen Verfahren vor oder nach der erneuten Destillation
abgetrennt werden. Erfolgt die Cyanidabtrennung vor der erneuten
Destillation, so muß der Silberionenüberschuß nicht durch Fällung
entfernt werden.
Feinbrände bzw. Mittelläufe von Destillationen, die im Gleichstrom-
oder Gegenstromverfahren hergestellt werden, bilden in der Regel
kein EC, sofern sie nach der Destillation nicht dem Licht ausge
setzt bzw. zu lange gelagert werden. Wird bei sachgemäßer
Destillation, insbesondere schonender Destillationsführung
(Destillationsgeschwindigkeit max. 5 l pro Stunde) der Nach
lauf rechtzeitig separat aufgefangen, so enthalten die Destillate
in der Regel nur technisch unvermeidbare EC-Gehalte (< 0,1 mg/l),
die hauptsächlich durch verestertes Carbamylphosphat bedingt sind.
Bei der Gleichstromdestillation ist der Nachlauf des Feinbrandes
bei spätestens 65 - 60% vol Alkohol abzutrennen, während bei der
Gegenstromdestillation erst ab einem Alkoholgehalt von 60% vol
nennenswerte Ethylcarbamatmengen aus der Maische in das
Destillat übergehen.
Destillate, die somit entsprechend den genannten Empfehlungen
hergestellt sind, müssen nicht nochmals destilliert werden,
nachdem das Cyanid und die überschüssigen Silberionen ent
sprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren abgetrennt worden
sind.
Die zur Fällung des Cyanid in alkoholischen Destillaten be
nötigten Silbersalzmengen können vor allem bei hohen Cyanid
gehalten zu nicht unerheblichen Kosten führen. Die Sammlung
der Silberniederschläge zum Zwecke der Wiederaufbereitung
ist somit für die Rentabilität des Verfahrens von Bedeutung.
Versuch 1
Bildung von Ethylcarbamat in Licht
Bestrahlungsquelle UVA-Solarium mit 4 Röhren
Strahlungsabstand 20 cm
Bestrahlungsdauer mindestens 72 Stunden
Probengefäße für Fläschchen aus kaliumarmem Glas
Bestrahlung mit einer UV-Transmission von 89%
a) Bildung aus Cyanid und Kupferionen in 40%igem Ethanol
In Obstbranntweinen wurden teilweise relativ hohe Kupferionengehalte
(bis zu 16 mg/l) festgestellt; sie sind auf die Herstellung mit Brenn
geräten zurückzuführen, die meist bis zur Vorlage aus Kupfer bestehen.
Insofern wurde der Einfluß von Kupferionen auf die lichtinduzierte
EC-Bildung aus Cyanid untersucht.
EC-Gehalte von Modell-Lösungen (40% vol Ethanol) mit verschiedenen
Konzentrationen an Kupferionen und Cyanid, vor und nach UV-Bestrahlung
b) Bildung aus Cyanid und Benzaldehyd in 40%igem Ethanol
Aufgrund der Tatsache, daß der aus dem steinobsttypischen Glykosid
Amygdalin in gleicher Weise wie das Cyanid freigesetzte Benzaldehyd
lichtempfindlich ist und Benzoylradikale im Licht bildet, wurde
auch diesbezüglich der Einfluß auf die EC-Bildung untersucht.
EC-Gehalte von Modell-Lösungen (40% vol Ethanol) mit verschiedenen
Konzentrationen an Benzaldehyd und Cyanid, vor und nach UV-Bestrahlung
c) EC-Bildung bei gleichzeitiger Anwesenheit von Cyanid, Benzaldehyd
und Kupferionen in 40%igem Ethanol
d) Ethylcarbamatbildung in authentischen Destillaten
Material: Destillate von Zwetschgenmaischen gebrannt
im Gegenstromdestillationsverfahren
Beispiel 1 im technischen Maßstab zur Herstellung
von Steinobstbranntwein
Ausgangsmaterial
Hochprozentige Destillate von Mirabellen- und
Zwetschgenmaischen, 2-fach destilliert im Gleichstromdestillations
verfahren (Rauh-/Feinbrandverfahren) und 4 Monate in 50 l Glas
ballons (Grünglas) ohne direkten Zutritt von UV-Licht gelagert.
a) Fällung und Abtrennung des Cyanids
Zugabe der in der o. Tabelle angegebenen Silbernitratmengen,
gelöst in jeweils 100 ml dest. Wasser, Rühren (mittels Durch
blasen von Luft mit einem Schlauch), Überprüfung des Cyanid
gehaltes in einer Probe nach Filtration (CN⁻-Gehalt < 0,1 mg/l),
Filtration des Silbercyanids nach 2 h durch einen handelsüblichen
Faltenfilter für Branntweinfiltration (Durchmesser 50 cm).
b) Herstellung eines Reinigungsbrandes im Gleichstromverfahren nach
der Filtration und Abtrennung von Nachlauf ab einem Alkoholge
halt von 60%vol. in der Vorlage
Ethylcarbamatgehalte (mg/l) der Fraktionen des Mirabellenreinigungs
brandes:
Fraktion 1 (5 l): < 0,1
Fraktion 2 (15 l): 0,15
Fraktion 3 (30 l): 0,1
Fraktion 4 (45 l): 0,4
Fraktion 5 (55 l): 1,8; Alkoholgehalt 55%
Nachlauf: 2,2
Rückstand in Brenn
blase: 4,6
Beispiel 2
a) Ausgangsmaterial
3600 l Zwetschgenmaische aus fränkischen Hauszwetschgen der Ernte
1986, Zwetschgen gemahlen jedoch ohne erkennbaren Anteil be
schädigter Steine, Vergärung mit Reinzuchthefe; Alkoholgehalt:
6,5%vol; flüchtige Säure 1,0 g/l; Cyanidgehalt 1,4 mg/l
(freies Cyanid).
b) Destillationsbedingungen
Destillation von jeweils 120 l Maische im Gegenstromverfahren
(3 Böden, Dephlegmator); insgesamt 30 Brände unter Zusatz von
je 1 kg kohlensaurem Kalk. Destillationsgeschwindigkeit 1 l in
6 Minuten, Nachlaufabtrennung ab 65%vol in der Vorlage.
c) Fällung des Cyanids mit Silbernitrat und Abtrennung
Je 140 l Destillat, auf einen Alkoholgehalt von 55%vol. einge
stellt, wurden unter Rühren (elektrischer Rührer) je 20 g
Silbernitrat in 100 ml dest. Wasser zugesetzt. Nach 12 h hatte
sich der Silbercyanidniederschlag abgesetzt. Das überstehende
Destillat wurde abgezogen (mit Pumpe) und durch 4 Filterschichten
filtriert. Die Hauptmenge des Niederschlages im Bodensatz wurde
in einem separaten Faltenfilter gesammelt. Das Filtrat wurde
erneut destilliert, um den Überschuß an Silberionen und
Nitrationen abzutrennen.
Befunde nach Destillation
Cyanidgehalt nach Fällung bzw. Destillation: < 0,05 mg/l
EC-Gehalt nach 72 h UV-Bestrahlung: < 0,1 mg/l
(Alkoholgehalt 75%vol.)
Beispiel 3
Destillation von Mirabellenmaische durch Gleichstromdestillation,
d. h. im Rauhbrand /Feinbrand-Verfahren
a) Ausgangsmaterial
1670 l Mirabellenmaische fränkischer Mirabellen der Ernte 1986,
nicht gemahlen, ohne Zusatz von Reinzuchthefe.
b) Rauhbrandgewinnung
Destillation von je 120 l Maische, Nachlauf wurde bis 16%vol.
abgetrennt; insgesamt resultierten 14 Rauhbrände (Alkoholge
halt ca. 35%vol.)
durchschn. Cyanidgehalt der Rauhbrände: 25 mg/l
durchschn. EC-Gehalt < 0,2 mg/l.
c) Fällung des Cyanids im Rauhbrand und Abtrennung
Aufgrund der stöchiometrischen Berechnungen wurden zu je 50 l
Rauhbrand 9,3 g Silbernitrat (gelöst in 100 ml dest. Wasser)
unter Durchblasen von Luft (Rühreffekt) zugesetzt. Der Nieder
schlag wurde durch einen Faltenfilter abfiltriert und die
Filtration zur Feinbranddestillation eingesetzt.
Feinbrandgewinnung
Je 2,5 Rauhbrände wurden im Gleichstromverfahren unter Abtrennung
von Vorlauf (0,5 l) Mittellauf und Nachlauf (ab 60% vol) destilliert.
Die Destillationsgeschwindigkeit betrug 6-7 min. pro Liter.
durchschn. Cyanidgehalt der Feinbrände: < 0,05 mg/l
durchschn. EC-Gehalte der Feinbrände vor UV: 0,2 mg/l
durchschn. EC-Gehalte der Feinbrände (7,5%vol)
nach 72 h UV-Bestrahlung: 0,40 mg/l
durchschn. EC-Gehalt der auf Trinkstärke
(45%vol) eingestellten Destillate
nach 72 h UV-Bestrahlung: 0,3 mg/l
Beispiel 4
Abtrennung des Cyanid in alkoholischen Destillaten als Silber
cyanid mit gleichzeitiger Fällung und Abtrennung des Silber
ionenüberschusses als Silberchlorid (Modellversuche)
Material
Mirabellen- und Zwetschgendestillate mit Alkoholgehalten von
42% vol, Ansätze von je 100 ml
Versuchsdurchführung
Bestimmung des Cyanidgehaltes mit Farbvergleichstest (Schnell
methode), möglicher Meßfehler ± 20%.
Berechnung der erforderlichen Silbersulfat- und Natriumchlorid
mengen und Einwaage und Herstellung der Lösungen.
Fällung im gekühlten Destillat unter Rühren und Lichtausschluß
durch langsamen Zusatz der Natriumchloridlösung und anschlie
ßend der Silbersulfatlösung.
24 Stunden Lagerung, kühl und dunkel , zweifache Filtration durch
doppelte Rundfilter und Abtrennung von Vorlauf.
Cyanidbestimmung und Bestimmung des Silbergehaltes (Atomabsorptions
spektroskopie) im Filtrat
Beispiel 5
Modellversuche zur Abtrennung von Cyanid in alkoholischen
Destillaten durch Anionenaustauscher
Material
Zwetschgen- und Mirabellendestillate 40% vol
Anionenaustauscher
Polyethylenimin-imprägniertes Cellulosepulver, Austauscher
kapazität: 1 meq/g.
a) Abtrennung des Cyanid durch Zusatz verschiedener Mengen
Anionenaustauscher zu 100 ml Destillat und Filtration
nach 24 h
b) Abtrennung des Cyanid im Durchfluß
verfahren durch Elution
in einer mit Anionenaustauscher gefüllten Säule
Säule
35 g Anionenaustauscher in angesäuertem, 50%igen Alkohol
aufgeschlämmt.
Säulendurchmesser 3 cm
Säulenhöhe 20 cm
Elution von 300 ml Mirabellenwasser (40% vol, Cyanidgehalt:
20 mg/l) in 3 Fraktionen von je 100 ml, wobei die ersten
100 ml als Vorlauf verworfen wurden.
Fraktion 2: Cyanidgehalt 0,7 mg/l
Fraktion 3: Cyanidgehalt 0,4 mg/l
Die gaschromatographischen Analysen vor und nach der Austauscher
behandlung ergaben keine signifikanten Unterschiede, im Aroma
wurden ebenfalls keine Veränderungen festgestellt.