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Verfahren zur Bindung synthetischer Salpetersäure durch Salze. Zur
Zeit besteht ein großer Mangel an Schwefel, und man ist daher dazu übergegangen,
Sulfate auf Schwefel und Schwefelverbindungen aufzuarbeiten.. Insbesondere wurden
Anlagen geschaffen, um aus Gips . oder Anhydrit Schwefel bzw. schweflige Säure und
Schwefelsäure zu erzeugen. Andererseits fallen bei der Herstellung' der Salpetersäure
aus künstlichen Chilisalpeter, den man durch Einwirkung von Stickoxyden oder synthetischer
Salpetersäure auf Alkali bzw. Alkalikarbonat herstellt, große Mengen von Alkalisulfat
ab. Dieser Prozeß erfordert also große Mengen der an sich so knappen Soda und liefert
dafür nur das geringwertige Natriumsulfat oder Natriumbisulfat, die geradezu Abfallprodukte
darstellen, zurück.
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Behebung dieser beiden
wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sie vereint nämlich Schwefelgewinnung und die
Verwertung des bei der Salpetersäureherstellung abfallenden -Sulfats. Die Neuerung
besteht in der auf diesen Fall zugeschnittenen Form darin, daß das N atriumsulfat
durch Erhitzen mit Kohle zu Natriumsulfid reduziert wird und dieses Natriumsulfid
zur Bindung der Salpetersäure dient. Sie gilt aber nicht nur für diesen Fall, sondern
allgemein für Alkalisulfide, auch Ammoniumsulfid und Erdalkalisulfide.
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Im ganzen ist die Neuerung demgemäß dadurch charakterisiert, daß die
Bindung der synthetisch hergestellten Salpetersäure durch Alkali- oder Erdalkalisulfid
bewirkt wird. Die durch Oxydation nach einem der neuen Verfahren aus Luft und Ammoniak
gewonnene flüssige Salpetersäure läßt man im Sinne der vorliegenden Erfindung auf
die Sulfide der Alkalien oder Erdalkalien einwirken. Dabei entsteht dann einerseits
der erwünschte Salpeter, aus dem weiterhin reine Salpetersäure gewonnen werden kann,
anderseits Schwefelwasserstoff. Und dieser Schwefelwasserstoff wird nun zu Schwefel
oder Schwefeloxyden verbrannt, aus denen in bekannter Weise Schwefelsäure zu erzeugen
ist. Die Schwefelsäure steht dann wieder zur Zersetzung salpetersaurer Salze zur
Verfügung. Es wird also die Schwefelsäure, die der Salpetersäureprozeß verbraucht,
zurückgewonnen. Außerdem wird durch die Einführung der Sulfide in diesen Prozeß
die dafür bisher benötigte Soda vollkommen erspart.
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Zur Bindung der Stickoxyde und verdünnter Salpetersäure, wie solche
die rohe synthetische Salpetersäure darstellt, sind außer der Soda zwar auch schon
zahlreiche andere Basen und Salze empfohlen worden, alle diese Verfahren verwenden
jedoch ausschließlich Oxydbasen und Salze von solchen, wie beispielsweise Oxyde,
Hydroxyde und Karbonate der Alkali- und Alkalierdmetalle sowie des Magnesiums, Oxyde
und basische Nitrate des Eisens, Aluminiums und Chroms, Oxyde des Zinks, « Kupfers,
Bleis und der seltenen Erden. Sulfide, insbesondere Alkali- und Erdalkalisulfide,
hat man für diesen Zweck bisher noch nicht benutzt.
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Wenn auch von den wasserfreien normalen Sulfiden der Schwermetalle
bekannt war,
daß sie durch wässerige Säuren, auch verdünnte Salpetersäure,
in Schwefelwasserstoff und Salz zersetzt werden, so wird der Chemiker doch anderseits
sowohl während seiner ganzen Ausbildung wie auch späterhin im Beruf durch die Erfahrung
und zahllose Angaben der Hand- und Lehrbücher sowie der Zeitschriftenliteratur immer
wieder darauf hingewiesen, daß die Salpetersäure als ein starkes Oxydationsmittel,
die Sulfide dagegen, insbesondere die kristallwasserhaltigen Alkali-und Erdalkalisulfide
oder deren Lösungen, ebenso wie der Schwefelwasserstoff selbst als leicht oxydierbare
Stoffe zu betrachten sind. Es konnte unter diesen Umständen nur angenommen werden,
daß eine chemische Umsetzung unter den genannten Stoffen nicht ohne groeen Verlust
von Säure und Schwefel vor sich gehen könnte, so daß die Sulfide für ein technisches
Verfahren zur Bindung von Salpetersäure anscheinend nicht in Betracht kamen.
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Um so verblüffender war die bei eingehenden Versuchen des Erfinders
sich herausstellende Tatsache, daß bei Einwirkung von Salpetersäure auf Sulfide
unter technischen Verhältnissen keine Oxydation des Schwefels stattfindet. Es setzen
sich vielmehr Salpetersäure und Sulfid, wenn die Mengenverhältnisse entsprechend
gewählt sind, nahezu quantitativ um. Ein solcher Erfolg war gar nicht vorauszusehen;
im Gegenteil, es mußte, wie schon angedeutet, nach allen bekannten damit gerechnet
werden, daß durch die Oxydationswirkung der Salpetersäure auch gleichzeitig in erheblichem
Maße Sulfid oxydiert und Sulfat gebildet werden würde. Das hätte einen Verlust von
Sulfid und Schwefel bedeutet und die ganze Reaktion umwirtschaftlich gemacht.
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Daß man im vorliegenden Falle zur Durchführung eines chemisch-technischen
Verfahrens sich eines starken Reduktionsmittels und eines ebenbürtig starken Oxydationsmittels
bedienen kann, ohne daß es während des Verlaufes der Reaktion weder zu einer für
praktische Zwecke störenden Reduktion noch Oxydation kommt, diese überraschende
Feststellung läßt die Erfindung selbst ohne Rücksicht auf ihre außerordentliche
technische Bedeutung als äußerst eigenartig erscheinen. Die Ausführung des Verfahrens
geschieht in der Weise, daß man ,die synthetische Salpetersäure, die erfahrungsgemäß
etwa 55 Prozent N03H enthält, auf eine schwache Lösung der Sulfide einwirken läßt.
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Zweckmäßig wird in niederer Temperatur oder in der Kälte gearbeitet
und dabei gerührt, um das Schwefelwasserstoffgas schnell zu entwickeln. Damit dieses
überhaupt so schnell als möglich, im Entstehungsmoment, weggeführt wird, soll in
den Behandlungsgefäßen, in denen die Bindung der Salpetersäure erfolgt, ein Unterdruck
- Vakuum -aufrechterhalten werden.
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Für die Bindung der Salpetersäure nach dem neuen Verfahren kommt jegliches
Alkalisulfid, z. B. Natriumsulfid, Kaliumsulfid, Ammoniuinsulfid oder Erdalkalisulfid,
in Frage. Praktisch die größte Bedeutung haben Natriumsulfid, Ammoniumsulfid und
Kalziumsulfid. Anstatt des letzteren kann aber ebensogut auch Bariumsulfid genommen
werden.
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Für alle Formen gemeinsam gilt die dadurch erreichte Ausschaltung
der wichtigen Soda aus der Salpetersäuregewinnung und die Rückgewinnung der zur
Zersetzung des Salpeters benötigten Schwefelsäure. Am glattesten verlaufen die Vorgänge
beim Natriumsulfid und Natriumsulfat.