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Hydrolysenbeständige Keratinfasern
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Die animalischen Proteinfasern, die aus OG undi3-Keratin aufgebaut
sind wie z. B. Wolle oder Geflügelfedern, zeigen in bekleidungsphysiologischer Hinsicht
ausgezeichnete Eigenschaften. Ihr einziger schwerer wiegender Mangel ist ihre geringe
Hydrolysenbeständigkeit gegen Wasser bei höheren Temperaturen und gegenüber OH-Ionen.
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Dabei ist es eine von den Hygienikern immer erhobene Forderung, daß
Kleidungsstücke, Wolldecken und Federbetten möglichst bei Temperaturen über 60°C
bis zur Kochtemperatur gewaschen werden sollten.
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Die Heißwäsche ist besonders wichtig für Kliniken, Sanatorien und
Hotels, für die Reinigung von Wolldecken und Federbetten, aber auch für Winterschutzausrüstungen
und Schlafsäcke, um sicher alle vegetativen und pathogenen Keime abzutöten und eine
einwandfreie Sauberkeit zu gewährleisten.
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Das Keratinmolekül ist zwar im sauren Bereich recht stabil und Wolle
und Federn können in verdünnt sauren Lösungen ohne Schädigung gekocht werden. Die
Diaminocarbonsäuren der Proteinfasern nehmen von einem bestimmten pH-Wert an Wasserstoffionen
auf und die Salzbindungen in den Molekülen werden in steigendem Ausmaß gelöst, ohne
daß es aber zu einer Sprengung der Keratinkristallite kommt. Als Ausweg ist deshalb
die saure Heißwäsche von Wolle und Federn beim isoelektrischen Punkt von 4-5 von
Elöd vorgeschlagen und schon in den dreißiger Jahren postuliert worden. Die saure
Heißwäsche gibt bei Proteinfasern keine nachweisbare Schädigung; obwohl sie schon
seit beinahe 40 Jahren bekannt ist, erlangte sie aber nie praktische Bedeutung.
Einmal werden die teuren Waschmaschinen durch die sauren Flotten angegriffen und
dann lassen sich Blut- und Eiweißanschmutzungen nur durch eine alkalische Wäsche
sauber entfernen.
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Ganz anders verhalten sich Keratinfasern bei der Einwirkung von heißem,
besonders kochendem Wasser. Die Cystinbindungen werden gespalten und
bei
längerer Einwirkung tritt eine irreversible Schädigung ein.
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Diese wird noch nachhaltiger bei geringen OH-Ionenkonzentrationen,
die zur Hydrolyse der Peptidbindungen führen. Bei wachsender OH-lonenkonzentration
erfolgt die Sprengung der Salzbindungen und der Cystinbrücken und die Zerstörung
des Keratinmoleküls tritt ein.
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Es wurden eine Reihe von Verfahren vorgeschlagen, um die Stabilität
von Keratinfasern gegenüber den Beanspruchungen von Wäschen bei höheren Temperaturen
zu steigern. Die im Keratinmolekül vorhandenen normalen Querverbindungen sind gegenüber
heißem Wasser und Alkalien unbeständig, die Salzbindeglieder werden gesprengt, Wasserstoffbrücken
aufgehoben und die Cystinbindung gelöst. Um Wolle beispielsweise alkaliresistent
zu machen, werden alkalibeständige Querverbindungen in das Keratinmolekül eingebaut.
Dies kann durch Reduktion der Cystinbrücken zu Thiolgruppen z. B. mit Cathioglykolat
und anschließende Vernetzung mit bifunktionellen Körpern wie Alkylendihalogeniden
durchgeführt werden. Auch andere Dihalogenverbindungen, Dichlormethyläther, Di äthyl
enharnstoffe und Diisocyanate eignen sich zur Vernetzung der Thiolgruppen. Ferner
wurden Dicarbonsäureester, besonders Sebacinsäureester neben Formaldehyd, Glyoxal
und Glutaraldehyd vorgeschlagen.
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Die Quervernetzungsverfahren konnten sich bisher in der Technik nur
wenig durchsetzen, da die Keratinfaser dabei erheblich an Geschmeidigkeit verliert.
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Es ist auch bekannt, Schutzgruppen in die Aminosäuresequenzen der
Proteine einzuführen und als besonders günstig hat sich der Phtaloylrest erwiesen,
der beim Erhitzen der Aminosäuren mit Phtalsäureanhydrid zur Blockierung geeignet
ist. Die Umsetzung von Keratinsubstanzen mit Phtalsäureanhydrid und halogenierten
Phtalsäureanhydriden bewirkt keinen genügenden Schutz gegen die Hydrolyse der Proteinfasern
beim
Kochen mit Wasser allein oder bei Gegenwart von Oh-Ionen. Die Schutzwirkung von
Phtaloyl- oder Halogenphtaloylgruppen reicht nicht aus, sondern nach dem Kochen
derart geschützter Woll- und Federkeratine werden bei Anfärbung mit diazotierter
Sulfanilsäure nach Pauly starke Schädigungen durch Farbtöne von Orange bis Dunkelrot
sichtbar. Die Schädigung läßt sich auch quantitativ durch Bestimmung der Alkalilöslichkeit
oder durch Diazotat-Titration ermitteln (Färberei- und textilchemische Untersuchungen
von Agster (1967) S. 385).
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Es wurde nun gefunden, daß kochfeste hydrolysenbeständige Keratinfasern
dadurch gewonnen werden, daß sie mit Lösungen von halogenierten Phtalsäuren bzw.
Phtalsäureanhydriden und Lösungen von Salzen des Aluminiums oder Zirkons vorzugsweise
mit niederen organischen Säuren imprägniert und anschließend bei höheren Temperaturen
getrocknet werden. So behandelte Keratinfasern oder -Federn können mit Wasser auch
bei Gegenwart von Hydroxylionen beim pH 8-9 ohne Schädigung längere Zeit gekocht
werden. Es war überraschend, daß weder mit dem Al- oder Zr-Salzlösungen noch mit
den Lösungen der halogenierten Phtalsäuren allein hydrolysenbeständige Proteine
erhalten werden. Nur durch die Kombination der Behandlung mit den beiden Verbindungen
wird die Stabilität gegen heißes Wasser und Hydroxylionen erzielt.
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Das Verfahren wird beispielsweise in der Weise durchgeführt, daß Tetrachlor-
oder Tetrabromphtalsäureanhydrid gelöst werden. In diese Lösungen werden Aluminiumformiat-,
Aluminium- oder Zirkonacetatlösungen gegeben und mit den so hergestellten Mischungen
nun schleuderfeuchte gewaschene oder gefärbte Wolle oder Bettfedern imprägniert.
Die überschüssigen Imprägnierlösungen werden dann abgequetscht und die Keratinfasern
mit Heißluft oder Infrarotstrahlung vont 760 nm bei 80-900C getrocknet.
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Beispiel 1: 31 kg gewaschenes und gebleichtes Strickgarn aus Wolle
wird in schleuderfeuchtem Zustand mit einer Lösung imprägniert, die in folgender
Weise hergestellt wurde: 1250 kg Tetrabromphtalsäureanhydrid wird in 1, 250 kg Dimethylsulfoxid
heiß gelöst und 35 750 kg Methanol zugesetzt. Es wird unter Rückfluß so lange erhitzt,
bis eine klare Lösung entstanden ist, die nun auf 20 0C abgekühlt wird. In diese
Lösung wird eine kalte Lösung aus 0, 6 kg Aldiformiat, 0, 3 kg Ameisensäure und
2, 850 kg Wasser langsam eingerührt. Mit der so erhaltenen Mischung wird das Wollgarn
imprägniert und der Überschuß an Lmprägnierlösung abgequetscht auf ein Naßgewicht
von 53 kg. Es wird anschließend im Heißlufttrockenschrank bei 80-85 0C getrocknet
auf ein Trockengewicht von 34, 7 kg.
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Die so behandelte Wolle kann 1 Stundelang mit einer Lösung von 2 g
Feinwaschmittel/l bei pH 8, 2 gekocht werden5 ohne daß eine Schädigung festgestellt
werden kann. Gegenüber der Ausgangsware war eine Schrumpfung von 3, 3% eingetreten.
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Beispiel .2: 31 kg gewaschenes und gebleichtes Strickgarn aus Wolle
wird in schleuderfeuchtem Zustand mit einer Lösung imprägniert, die folgendermaßen
zusammengesetzt ist: 50 Teile Tetrachlorphtalsäureanhydrid 50 Teile n-Butanol 100
Teile Methanol 28 Teile Aluminium-diformiat 12 Teile Ameisensäure 85%ig 80 Teile
Wasser Nach dem Abschleuderslund einem Trockenprozeß bei 800C hat das Garn eine
Gewichtszunahme von 10%.
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Es kann 1 Stunde lang bei 600C mit einer Lösung von 3 g Feinwaschmittel/l
gewaschen werden, ohne daß eine Schädigung eintritt. Die Schrumpfung nach einer
solchen Behandlung beträgt 6%.
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Beispiel 3: 10 kg gewaschene und schleuderfeuchte Gänsedaunen werden
in einer geeigneten Mischeinrichtung mit 3, 5 kg einer Lösung aus 1, 430 kg Tetrabromphtalsäureanhydrid
1, 430 kg Dimethylsulfoxid 2, 860 kg Methanol 1, 000 kg Al-diformiat 0, 450 kg Ameisensäure
85 Soig 2, 860 kg Wasser besprüht und so lange gemischt, bis eine gleichmäßige Verteilung
der aufgedüsten lmprägnierlösung eingetreten ist. Dann werden mit Infrarotstrahlung
die Federn getrocknet, wobei eine Temperatur von 900C nicht überschritten wird.
Nach 30 Minuten werden die Federn abgefüllt und abgekühlt. Sie können mit einem
Waschmittel, das bei einem Zusatz von 2 g/l in der Waschflotte einen pH-Wert von
8, 3 ergibt, 1 Stunde lang gekocht werden, ohne daß eine Schädigung der Federn mit
der Pauly-Reaktion nachzuweis en ist.
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Beispiel 4: 10 kg gewaschene und geschleuderte Entenhalbdaunen werden
in einem Mischer mit 4 kg einer Lösung besprüht, die folgende Zusammensetzung hat:
0, 570 kg Tetrachlorphtalsäureanhydrid 0, 57 kg Butanol 1, 140 kg Methanol 0, 400
kg Aluminiumdiformiat 0. 170 kg Ameisensäure 85%ig 1, 150 kg Wasser
Nach
kräftigem Vermischen der Federn wird mit Heißluft getrocknet, wobei eine Temperatur
von 900C nicht tberschritten wird.
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Die abgekühlten Federn können mit Feinwaschmitteln bei einem pH von
8 ohne jede Schädigung der Federn gekocht werden. Die Diazoreaktion auf Schädigung
ist negativ.