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Die Mareksche Krankheit ist eine weit verbreitete, hochkontagiöse
Infektionskrankheit der Hühner, die durch ein Virus der Herpes-Gruppe verursacht
wird Dieses Virus wird im folgenden Text als Marek-Virus bezeichnet.
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Die Manifestationen der Marekschen Krankheit sind abhängig von den
Eigenschaften der verschiedenen Stämme ohder Varianten des Marek-Virus. Man unterscheidet
grundsätzlich zwei Formen der Marekschen Krankheit: 1. eine subakute, die sogenannte
klassische Form, bei der charakteristischeVeränderungen an den Nerven und- die daraus
resultierenden Lähmungen im Vordergrund stehen; 2. eine akute Form, bei der es gewöhnlich
neben den Nervenveränderungen zu einer- stark ausgeprägten Geschwulstbildung an
den inneren Organen kommt. Der akute Typ der Marekschen Krankheit verursacht in
den damit verseuchten Hühnerherden innerhalb der ersten 16 Lebenswochen eine Mortalität
von durchschnitt-Iich 30 bis 400/0 und führt somit zu außerordentlich großen wirtschaftlichen
Verlusten, die in den betroffenen Gegenden die Hühnerzucht unrentabel machen.
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Im Gegensatz dazu erkranken an der klassischen Form der Marekschen
Krankheit meist nicht mehr als 2010, sehr selten bis zu 10 01o der Tiere eines Bestandes.
Tumore findet man in diesen Fällen bei höchstens 10 O/o der erkrankten Hühner.
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Werden junge Küken experimentiell mit Marek-Virus infiziert, kommt
es zu den gleichen Krankheitserscheinungen wie nach natürlicher Infektion. Die Sterblichkeit
ist aber abhängig von der genetisch bedingten Resistenz der Tiere und beträgt 90
bis 1000/0 innerhalb von 8 bis 12 Wochen post infectionem nur bei voll empfänglichen
Küken.
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Wegen der weiten Verbreitung und der hohen Kontagiosität des Marek-Virus
ist es praktisch unmöglich, die Infektion von Hühnerbeständen wirkungsvoll zu verhindern.
Eine erfolgreiche Bekämpfung der Marekschen Krankheit, insbesondere ihrer bösartigen,
akuten Form, erscheint vorläufig alleine durch prophylaktische Impfungen mit geeigneten
Lebendvakzinen denkbar. Die Schaffung eines Verfahrens zur Herstellung einer solchen
Lebendvakzine ist Aufgabe dieser Erfindung.
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Das Marek-Virus läßt sich in verschiedenen Wirtssystemen in vivo
- z. B. in empfänglichen Küken oder in Hühnerembryos - und in vitro, d. h. in Zellkulturen,
vermehren und nachweisen. Das in den infizierten Zellen neu gebildete Virus wird
jedoch überhaupt nicht oder in nur äußerst geringer Menge freigesetzt, so daß die
Infektiosität im wesentlichen an die intakte, lebende Wirtszelle gebunden bleibt.
Die Infektion geeigneter Wirtssysteme kann also nur durch die Verimpfung virushaltiger,
lebender Zellen erfolgen.
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Es wurde nun gefunden, daß es im Verlauf von Serienpassagen des Marek-Virus
in embryonierten Hühnereiern zu einer Modifizierung dieses Virus im Sinne einer
Abschwächung seiner Pathogenität für empfängliche Küken kommen kann. Ein in Deutschland
isolierter Virus-Stamm der klassischen Marekschen Krankheit konnte durch wiederholte
Eipassagen so weit attenuiert werden, daß er für empfängliche Küken nicht mehr pathogen
ist, gleichzeitig jedoch ein gutes Immunisierungsvermögen besitzt. Bei den Versuchen
wurde gefunden, daß sich das auf diese Weise in vivo attenuierte und vermehrte Marek-Virus
für die Vakzinierung von Küken eignet.
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Die Erfindung betrifft somit ein Verfahren zur Herstellung einer
Lebendvakzine zur Immunisierung von Hühner-Küken gegen die Mareksche Krankheit,
das dadurch gekennzeichnet ist, daß man den Virus in embryonierten Hühnereiern am
vierten Bebrütungstag der Eier durch die Luftkammer in den Dottersack des Embryos
inoculiert, die Eier bei 38,5 bis 390 C weiter bebrütet, die Embryos am 12. bis
14. Tag nach der Beimpfung zur Herstellung einer Zellsuspension aus den Organen
mit der größten Viruskonzentration der noch lebenden Embryos aus den Eiern entnimmt,
durch mindestens 8 Passagen attenuiert und das attenuierte Virus in weiteren Eipassagen
oder in bekannter Weise in anderen empfänglichen Wirtssystemen in vivo oder in vitro
vermehrt und zur Lebendvakzine verarbeitet.
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Nach der Erfindung wird also das Virus in embryonierten Hühnereiern
kultiviert und so lange kontinuierlich Passagen unterworfen, bis es sich nach parenteraler
Injektion in empfänglichen Eintagsküken zwar noch vermehrt, aber keine klinische
Erkrankung hervorruft. Das attenuierte Virus wird in weiteren Eipassagen oder in
bekannter Weise in anderen empfänglichen Wirtssystemen in vivo oder in vitro vermehrt
und zur Lebendvakzine verarbeitet.
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Besonders wichtig für eine möglichst schnelle und wirkungsvolle Virusattenuierung
ist die Verwendung dafür geeigneter Bruteier, das sind Eier, die von nicht virusinfizierten
Hühnern stammen, also sicher auch kein virulentes Marek-Virus und keine Antikörper
gegen Marek-Virus enthalten. Dasselbe gilt für andere geeignete Wirtssysteme, falls
solche an Stelle von embryonierten Eiern für die weitere Vermehrung des attenuierten
Virus eingesetzt werden sollen.
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Gemäß dem gefundenen Verfahren wird das Marek-Virus am 4. Bebrütungstag
der Eier durch die Luftkammer tief in den Dottersack des Embryos inoculiert. Die
beimpften Eier werden bei einer höheren als der üblichen Temperatur, nämlich bei
38,5 bis 390 C weiter bebrütet. Erst am 12., 13. oder 14. Tag nach der Beimpfung
werden die infizierten Embryos aus den Eiern genommen und untersucht. Von allen
lebenden Embryos, die sichtbare Zeichen der Marek-Infektion tragen (z. B. Herde
in den Eihäuten, Milzschwellung, Verfärbungen der Leber, Herzmuskelnekrosen) werden
dann vorzugsweise Milz und Bursa Fabricii als Organe mit der größten Viruskonzentration
gesammelt. Durch Trypsinandauung werden daraus Zellsuspensionen hergestellt, die
nach Zählung der Zellen entweder frisch oder nach der üblichen Gefrierkonservierung
für weitere Eipassagen oder, nach ausreichender Virusattenuierung, für Vakzinierungen
benutzt werden. Die weitere Vermehrung des attenuierten Marek-Virus kann außer in
Hühnerembryos oder in marekfreien Hühnern auch in vitro, d. h. in Kulturen ausreichend
empfänglicher Zellarten, nach den allgemein bekannten Methoden vorgenommen werden.
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Es zeigte sich, daß ein Virusstamm der klassischen Marekschen Krankheit
bereits nach 8 Eipassagen seine Pathogenität für empfängliche Küken verloren hatte.
Für die Herstellung von Lebendvakzinen ist der Ausgang von derart schwach virulenten
Feldstämmen des Marek-Virus, die schon von Natur aus überhaupt keine oder nur ganz
vereinzelt eine Tumorbildung verursachen, besonders zu empfehlen. Falls nämlich
ein solcher für die Herstellung einer Vakzine attenuierter Virusstamm infolge erneuter
Kükenpassagen
doch wieder pathogen werden sollte, ist davon ein
weit geringerer Schaden zu erwarten als wenn dasselbe bei einem attenuierten Virusstamm
der akuten Marekschen Krankheit passiert. Diese Überlegung wird besonders dann von
Bedeutung sein, wenn eine Lebendvakzine gegen die Mareksche Krankheit in Gebieten
eingesetzt werden soll, in denen die akute Form dieser Krankheit noch nicht verbreitet
ist.
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Beispiel 1 Aus dem Blut mehrerer 6 Wochen alter Küken, die am 1.
Lebenstag mit dem Virusstamm VCII der klassischen Marekschen Krankheit in der 4.
Kükenpassage infiziert worden sind, wurden auf bekannte Weise die Leukozyten gewonnen
und angereichert.
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Die Leukozyten wurden in einer Dosis von 10 Millionen Zellen in 0,1
mg in den Dottersack 4 Tage alter Hühnerembryos injiziert. Die dafür verwendeten
Bruteier stammten ebenso wie die Versuchsküken von einer besonderen Hühnerlinie,
die sich durch eine genetische Empfänglichkeit für die Mareksche Krankheit auszeichnet
und nicht mit Marek-Virus infiziert war.
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Die Beimpfung der embryonierten Eier erfolgte in der Weise, daß eine
Hohlnadel durch ein in die Schale gebohrtes Loch durch die Luftkammer etwa 3 cm
tief in Richtung der Längsachse in das Ei und damit in den Dottersack eingeführt
wurde, um dann mit Rille einer Spritze das Impfgut in den Dottersack zu bringen.
Danach wurde das Loch in der Eischale mit Paraffin verschlossen und die Eier in
einem Brutapparat bei einer Temperatur von 38,5 bis 39°C aufrechtstehend bebrütet.
Am 7. und 12. Tag nach der Beimpfung wurden die Eier durchleuchtet, und die Eier
mit abgestorbenen Embryos wurden verworfen.
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Am 12. Tag nach der Infektion wurden die Eier mit den überlebenden
Embryos untersucht. Von allen Embryos, deren Eihäute als Zeichen der Marek-Infektion
zahlreiche pockenartige Herde enthielten.
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wurden die Milzen geerntet. Aus den Embryomilzen wurde sofort nach
der Entnahme durch Trypsinandauung eine Zellsuspension hergestellt. Die Zellen wurden
gezählt und für die Durchführung der 2. Eipassage in der Dosis von 0,1 ml mit 2
Millionen Milzzellen in den Dottersack 4 Tage alter Hühnerembryos inoculiert. Nach
diesem Verfahren wurden alle weiteren, fortlaufenden Eipass agen durchgeführt. Außer
der Embryo-Milz wurde mit gutem Erfolg auch die Bursa Fabricii infizierter Embryos
für die Gewinnung virushaltiger Zellen verwendet. Die anderen Organe, z. B. Herz,
Leber und Nieren, enthielten das Marek-Virus in geringerer Konzentration.
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Der Gehalt der embryonalen Zellen an Marek-Virus wurde nach der 7.,
8. und 10. Eipassage auch in vitro geprüft. Dazu wurden Zellkulturen aus Kükennieren
auf bekannte Weise hergestellt und mit abgestuften Konzentrationen der zu untersuchenden
embryonalen Zellen beimpft. Die Anzahl der Infektionsherde in den beimpften Kulturen
wurde mit Hilfe der Immunofluoreszenz (mit markierten Antikörpern gegen Marek-Virus)
sowie in der üblichen Weise durch Zählung der Herde mit spezifisch veränderten Zellen
ermittelt. Beide Methoden hatten quantitativ die gleichen Ergebnisse.
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Beispiel 2 Zweiundfünfzig marekempfängliche Eintagsküken wurden in
Versuch genommen. Alle 52 Tiere wurden intraabdominal mit attenuiertem Marek-Virus
geimpft. Dabei wurde die 8. Eipassage des Virusstammes VCII verwendet. Die jedem
Küken verabreichte Impfdosis von 0,2ml bestand aus einer Suspension von 3 Millionen
Embryomilzzellen und enthielt im Mittel 199 infektiöse Einheiten des attenuierten
Marek-Virus.
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Am 21. Tag nach der Vakzinierung wurden 26 geimpfte Küken zur weiteren
Beobachtung abgesondert (Gruppe I). Die anderen 26 Impflinge (Gruppe II) wurden
einer Testinfektion mit virulentem Marek-Virus vom akuten Typ unterzogen. Als Kontrollen
wurden 25 gleichaltrige ungeimpfte und bis dahin isoliert gehaltene Küken (Gruppe
III) in der gleichen Weise infiziert. Zur Kontrolle der Infektiosität des Testvirus
wurden 27 Eintagsküken eingesetzt (Gruppe IV). Die Testinfektion erfolgte durch
intraabdonunale Verabreichung von 0,1 ml Zitratblut von Küken mit akuter Marekscher
Krankheit. Als ungeimpfte und nicht infizierte Kontrollen dienten weitere 25 Küken
(Gruppe V).
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Bis zur 16. Woche nach der Vakzinierung war kein Küken der Gruppen
I und V erkrankt. In der Gruppe II der vakzinierten Küken erkrankten 4 Tiere = 15,4
O/o bis zur 13. Woche nach der Testinfektion, während innerhalb desselben Zeitraums
23 Küken = 92 0/o der gleichaltrigen Kontrollgruppe III (nicht vakziniert) und 27
Küken = 100 O/o der jüngeren Kontrollgruppe IV krank wurden.
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Beispiel 3 Sechsundzwanzig empfängliche, 25 Tage alte Küken wurden
in Versuch genommen. Alle 26 Tiere wurden in der gleichen Weise wie im Beispiel
2 vakziniert. Am 14. Tag nach der Vakzinierung wurden die vakzinierten Küken sowie
27 gleichaltrige nicht vakzinierte Küken mit virulentem Marek-Virus vom akuten Typ
testinfiziert. - Bis zur 14. Woche nach der Testinfektion erkrankten an akuter Marekscher
Krankheit 5 = 19,2 0/o der vakzinierten und 20 74,10/o der nicht vakzinierten Tiere.