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Verfahren zur Herstellung von 4 1,3,5(10)-3-Oxy-19-norsteroiden und
deren Estern Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Verbindungen
der Oestratrienreihe.
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Als man im Jahre 1930 Oestron erstmals im Urin von schwangeren Stuten
beobachtete, hat man das Oestron, das Oestratriol usw. durch Extraktion aus solchem
Urin gewonnen. Da sich diese Verbindungen als wertvolle weibliche Sexualhormone
(Follikelhormon) erwiesen haben, wurde die synthetische Herstellung dieser Verbindungen
angestrebt. Es gelang im Laufe der Zeit, einige dieser Hormone vollständig zu synthetisieren.
Es ist allerdings jeweils schwierig, die gesuchten Verbindungen aus dem bei der
Totalsynthese erhaltenen Gemisch abzutrennen, weil die erhaltenen Gemische wegen
der vorliegenden asymmetrischen Kohlenstoffatome verschiedene stereoisomere Formen
enthalten. Dies ist verständlich, wenn man berücksichtigt, daß sogar im Oestron,
einer der einfachsten Verbindungen dieser Reihe, wegen der vorliegenden vier asymmetrischen
Kohlenstoffatome theoretisch sechzehn Stereoisomere existieren. Dieser Nachteil
tritt jedoch nicht in Erscheinung, wenn die gewünschten Verbindungen durch Partialsynthese
aus Steroidverbindungen mit bestimmter räumlicher Struktur, die leicht aus natürlichen
Quellen erhältlich sind, hergestellt werden. Aus diesem Grunde war man bisher auf
die Partialsynthese angewiesen, um bei der großtechnischen Herstellung von Oestratrienverbindungen
gute Ergebnisse zu erzielen.
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H. H. Inhoffen, D. Djerassi et a1. gelangen eine Partialsynthese für
die Herstellung einer Oestratrienverbindung, indem sie den A-Ring von dl#4-3-Keto-oder
41,4.8-3-Ketosteroidverbindungen durch Pyrolyse aromatisierten, und zwar unter gleichzeitiger
Abspaltung des in 19-Stellung befindlichen Methylrestes. Diese Umsetzung vollzieht
sich jedoch unter solch drastischen Bedingungen, nämlich durch Erhitzen des Materials
in einem Mineralöl bei 600°C, daß die Ausbeute sehr gering ist. Auch lassen sich
solche drastischen Bedingungen nicht für sämtliche Arten von Steroidverbindungen
anwenden. Die Umsetzung erfolgt nach folgendem Schema:
Es wurde bereits früher festgestellt, daß man 19-Oxy-3-ketosteroide oder deren Ester
in großem Maßstabe durch Oxydation von Steroidverbindungen mit Pilzen der Gattung
Corticium oder Pericularia erhält. Ferner wurde die Beschaffenheit von 19-Oxy-3-ketosteroiden
gründlich überprüft und dabei festgestellt, daß der durch die Dehydrierung von 19-Oxysteroiden
oder deren Estern erhaltene, in 19-Stellung
befindliche Substituent
der .d'#'-19-Oxy-3-ketosteroide oder deren Ester sich leicht entfernen läßt, wobei
man den A-Ring dieser Verbindungen gleichzeitig aromaii-Bieren kann.
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Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung von Oestratrienverbindungen
entwickelt gemäß dem von .91#'-3-Ketosteroiden, die eine Hydroxylgruppe oder eine
von einer Hydroxylgruppe sich ableitende Gruppe enthalten, der 19-Substituent entfernt
und gleichzeitig eine Aramatisierung des A-Ringes erreicht wird.
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Gemäß H. H. I n h o f f e n et a1. (Angewandte Chemie, Bd.53 [1940],
S.471, und Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 74 [1941], S. 1911)
zeigen Steroidverbindungen, die eine d1.4-3-Ketostruktur besitzen, Neigung zur Aromatisierung
in den A-Ringen, wie dies aus dem folgenden Schema ersichtlich ist:
Die Methylgruppe läßt sich auf diesem Wege jedoch nicht leicht entfernen und erschwert
dadurch die Aromatisierung. Auch besteht die Gefahr einer Umlagerung der Methylgruppe
aus der 10-Stellung in die 1-Stellung.
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Andererseits ist festgestellt worden, daß in den Molekülen von 41.4-3-Keto-19-oxysteroiden
die leicht aromatisierbare 4'#'-3-Ketostruktur neben der leicht eliminierbaren Hydroxymethylgruppe
der 19-Stellung vorkommt. Da somit Verbindungen, die die 41.4-3-Keto-19-oxystruktur
in den Molekülen aufweisen, eine verhältnismäßig unbeständige Struktur besitzen,
lassen sie sich verhältnismäßig leicht in beständigere Verbindungen überführen,
wenn man sowohl Formaldehyd eliminiert als auch die Aromatisierung des A-Ringes
vornimmt, wie dies gemäß nachstehendem Formelschema der Fall ist:
Das gleiche gilt auch für I1#4m3-Keto-19-acyloxysteroide. Bei der Umsetzung dieser
Verbindungen erfolgt gleichzeitig Hydrolyse unter Eliminierung von Formaldehyd und
der dem Acylrest entsprechenden Säure.
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Die in Frage stehenden Umsetzungen, nämlich die Eliminierung und die
Aromatisierung, werden durch Beeinflussung der als Ausgangsmaterialien verwendeten
Steroide erreicht. Dies kann beispielsweise durch Zugabe einer kleinen Menge einer
sauren oder alkalischen Substanz oder eines Ionenaustauschers zur Lösung des als
Ausgangsmaterial verwendeten Steroids geschehen. Durch eine solche einfache Behandlung
werden die unbeständigen A1#4-3-Keto-19-oxysteroide so beeinflußt, daß die erfindungsgemäße
Reaktion stattfindet.
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Die erfindungsgemäße Umsetzung läßt sich in einem geeigneten Lösungsmittel,z.
B. niedrigen Fettalkoholen, wie Methylalkohol und Äthylalkohol, Ketonen, wie z.
B. Aceton und Dioxan, und in aromatischen Lösungsmitteln, wie z. B. Benzol und Xylol,
durchführen. Da das Lösungsmittel lediglich dazu verwendet wird, um das Material
in geeigneten Kontakt mit dem Reaktionsmittel zu bringen oder um das Reaktionssystem
homogen zu halten, kann man ein beliebiges Lösungsmittel verwenden. solange dasselbe
entweder das Ausgangsmaterial oder das Reaktionsmittel zu lösen vermag. Verwendet
man ein alkalisches oder ein saures Lösungsmittel, so kann die Zugabe irgendeines
anderen Reaktionsmittels zur Beschleunigung der Reaktion unnötig sein. Als saure
oder alkalische Lösungsmittel kommen beispielsweise in Frage Pyridinbasen, Dimethylformamid,
niedrige Fettsäuren, z. B. Essigsäure, und Mineralsäuren, wie z. B. Salzsäure, Schwefelsäure
und Chlorsulfonsäure.
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Die Umsetzung läßt sich ohne Anwendung von drastischen Bedingungen,
wie z. B. Erhitzen, Rühren od. dgl., vor allem unter außerordentlich milden Bedingungen
durchführen; dies im krassen Gegensatz zur bekannten Pyrolysemethode nach H. H.
I n h o f f e n et a1. So gelingt es auch in jenen Fällen, in denen das Ausgangsmaterial
unbeständige Nebenketten oder Substituenten aufweisen sollte, unerwünschte Nebenreaktionen
in den meisten Fällen zu vermeiden, wobei die Umsetzung in der gewünschten Richtung
verläuft, und zwar unter Bildung lediglich der gewünschten Verbindungen.
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Die als Ausgangsmaterialien verwendeten .' 1,4-3-Keto-19-oxysteroide
der Pregnan- oder Androstan-Reihe können verschiedene Arten von Substituenten in
den Ringen B, C und D aufweisen, wobei die Moleküle Substituenten, wie z. B. 17x-Hydroxyl-,
17ß-Acetyl-, 17ß-Oxyacetyl-, 17ß-Acyloxyacetyl-, 17 i-Äthinyl-, 17x-Methyl-, 17-Oxo-,
l lß-Oxy-, 11 x-Oxy-und
11-Oxoreste, enthalten können. Ferner können
Halogenatome in geeigneten Stellungen des Kernes als Substituenten vorhanden sein.
Solche Substanzen stellen neue Verbindungen dar, die man durch Dehydrierung von
3-Keto- oder 44-3-Keto-19-oxy- oder -19-acyloxysteroiden, die man ihrerseits durch
Bioxydation von 3-Ketosteroiden mit dem Enzym von Mikroorganismen der Gattung Corticium
oder Pericularia erzeugt, erhalten kann. Die Dehydrierung von 19-Oxysteroiden kann
direkt oder indirekt erfolgen. Die direkte Dehydrierung kann .mittels eines Oxydationsmittels,
wie z. B. Selendioxyd, selenige Säure, Dibenzoyloxyselenoxyd .und Bleitetraoxyd,
oder durch Verwendung von Enzymsystemen von Pilzen der Gattung Fusarium, Didymella
oder Bacillus subtilis oder Sphaericus usw. bewirkt werden. Bei Verwendung eines
Oxydationsmittels kann man in Gegenwart eines geeigneten Lösungsmittels, wie z.
B. tertiärer Alkohole und aromatischer Lösungsmittel, unter Erhitzen .arbeiten,
während man bei Verwendung von Enzymen von Mikroorganismen -in -Gegenwart von extrahierten
Enzymen oder Mikroorganismen selbst arbeiten kann. Die indirekte Dehydrierung kann
mit Hilfe von Verbindungen, die in den 2- und/oder4-StellungenHalogen-oder Acyloxysubstituenten
tragen, erfolgen.
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In Experientia, 11, S. 99 bis 102-(1955), ist die Herstellung einer
44-3-Oxo-19-norsteroid-Verbindung durch Umsetzung der entsprechenden 19-Hydroxy-44-3-oxosteroid-Verbindung
mit Alkali, um Formaldehyd aus der Steroidverbindung zu entfernen, beschrieben.
Das beschriebene Verfahren unterscheidet sich von der Erfindung dadurch, daß keine
Aromatisierung erfolgt und andere Ausgangsstoffe verwendet werden. Dadurch ist es
zu erklären, daß die beschriebene Reaktion nicht so glatt und weich verläuft wie
die erfindungsgemäße Reaktion, bei der weitaus bessere Ausbeuten an dem gewünschten
Produkt erhalten werden. Bei dem bekannten Verfahren erhält man nämlich nicht mehr
als 6,2 bzw. 3,3 °/o Ausbeute, bezogen auf die Ausgangssteroide. Es ist anzunehmen,
daß der Reaktionsverlauf des beschriebenen Verfahrens durch die angewandten scharfen
Reaktionsbedingungen, beispielsweise Erwärmen auf 250°C, bestimmt wird.
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Die vorerwähnten Methoden sind ausführlicher in den folgenden Beispielen
erläutert, in denen auch die Herstellung der Ausgangsmaterialien beschrieben ist.
Die Analysenwerte sind in Prozent angegeben. Die spezifische Drehung wurde in Dioxanlösung
gemessen, während die Ultraviolettabsorption in äthanolischer oder in äthanolischer
Kaliumhydroxydlösung und die Infrarotabsorption in einer Suspension in flüssigem
Paraffin unter Verwendung eines Natriumchloridprismas bestimmt wurden, wenn nichts
anderes erwähnt ist. Die Temperaturen sind nicht korrigiert. Beispiel 1 Eine Lösung
von 6 g 44-Pregnen-17,x,19,21-triol-3,20-dion-19,21-diacetat in 100 cm3 tertiärem
Amylalkohol wird mit 2 g gepulvertem Selendioxyd versetzt und das Gemisch 4 Stunden
zum Sieden erhitzt. Nach der Zugabe von weiteren 1,5 g Selendioxyd wird das Gemisch
weitere 3 Stunden erhitzt. Dann wird das Reaktionsgemisch gekühlt, das ausgeschiedene
Selen abfiltriert und nach dem Abdestillieren des Lösungsmittels der Rückstand in
Äthylacetat gelöst. Die Äthylacetatlösung wird mit einer wäßrigen Natriumbicarbonatlösung
gewaschen, über wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet und .eingeengt. Der Rückstand
wird aus einer Mischung von Äther und Äthylacetat umkristallisiert, wobei man 4,5
g 41.4-Pregnadien-17oc-19,21-triol-3,20-dion-19,21-diacetat, Schmp. 179 bis 181
° C, erhält.
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Analyse für C25H3407: Berechnet ... C 67,24, H .7;68; gefunden
... C 67,01, H 7;08.
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Ultraviolettabsorption .1nsIH ä = 243 mu(a 15500). Eine Lösung von
250 g Kaliumhydroxyd in 40 cm3 Äthanol wird mit 1 g des obigen Produktes, nämlich
d 1,4- Pregnadien-17x,19,21-triol-3,20-dion-19,21-diacetat, versetzt. Dabei lösen
sich die Kristalle unter Bildung einer klaren Lösung innerhalb von etwa 5 Minuten.
Nach weiteren 15 Minuten Stehenlassen wird die Lösung mit 10°/oiger Salzsäure neutralisiert,
worauf nach der Zugabe von Wasser 850 mg weiße Kristalle vom Schmp. 218 bis 220°
C ausgeschieden werden.
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Wird dieses Produkt durch Umkristallisieren aus einer Mischung von
Methanol und Petroläther gereinigt, so besitzt es einen Schmelzpunkt von 222,5 bis
229° C (unter Zersetzung); A,m H'oH = 280 mu, (s 2200). Die Ferrichlorid-Kaliumferricyanat-Reaktion
dieses Produktes zeigt eine blaue Farbe, wodurch das Vorhandensein der Phenolstruktur
im Molekül bewiesen wird. Durch Analyse wurde folgende Bruttoformel festgestellt:
C2oH"04. Somit kann man dieses Produkt als das 41.3,s(1°)-19-Norpregnatrien-3,17x,21-triol-20-on
bezeichnen. Es handelt sich um eine neue Verbindung mit weiblicher Sexualhormonwirkung,
die sich nach den bekannten Methoden zur Entfernung der in 17-Stellung vorhandenen
Kette in Oestron überführen läßt. So kann man beispielsweise (1) das Produkt mit
Natriumborhydrat unter Bildung von 41.3.5(l0)_19-Norpregnatrien-3,17:x,20, 21-tetrol
reduzieren und hierauf diese Verbindung mit Perjodat oxydieren oder (2) das Produkt
mit Natriumwismutat oxydieren.
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Das so erhaltene Oestron schmilzt bei 258 bis 262°C, wobei keine Schmelzpunkterniedrigung
feststellbar ist, wenn man dieses Material zusammen mit einer authentischen Probe
von Oestron schmilzt. Beispiel 2 Eine Lösung von 50 mg 41,4-Pregnadien-17x,19, 21-triol-3,20-dion-19,21-diacetat
in 3 cm3 Methanol, das in der ersten Reaktionsstufe von Beispiel 1 erhalten wird,
wird mit einer Lösung von 0,1 cm3 Chlorsulfonsäure in 3 cm3 Methanol versetzt. Nach
kurzem Stehenlassen des Gemisches gießt man dasselbe in Wasser, wobei sich Kristalle
abscheiden. Das Gemisch wird mit Äthylacetat extrahiert und die Äthylacetatlösung
nach dem Waschen zuerst mit einer wäßrigen Natriumbicarbonatlösung und hierauf mit
Wasser eingedampft, wobei man 30 mg 41,3,5(10@_19-Norpregnatrien-3,17x-21-triol-20-on
vom Schmp. 221 bis 225'C, Acz_.H,ox 280 mu. (a 2200) erhält.
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Beispiel 3 Durch Eliminierung der 17ständigen Oxyacetat-und Oxygruppen
des 44-Pregnen-17x,19,21-triol-3,20-dions mittels Natriumwismutat erhält man 44-Androsten-19-ol-3,17-dion.
Durch Benzoylierung
dieses Produktes erhält man das entsprechende
19-Benzoat vom Schmp. 118 bis 120° C. Ultraviolettabsorption @:@T°H = 230
mti (e28800) (Benzoyloxy).
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Infrarotabsorption /6jti(Ix = 5,82 (t (17-Keton), 6,03 #t (3-Keton),
6,18 ;j" 6,26 14., 6,32 #t (Doppelbindungen). 500 mg .A 4-Androstadien-19-ol-3,17-dion-19-benzoat
werden mit 10 cm3 tertiärem Amylalkohol und 500 mg Selendioxyd versetzt und das
Gemisch 3 Stunden zum Sieden erhitzt. Nach dem Entfernen des ausgeschiedenen metallischen
Selens wird das Lösungsmittel abdestilliert. Eine Lösung des Rückstandes in Äthylacetat
wird mit einer verdünnten wäßrigen Natriumhydroxydlösung gewaschen und das Lösungsmittel
dann durch Destillation entfernt. Den Rückstand unterwirft man einer Adsorptionschromatographie
auf Aluminiumoxyd, wodurch dl#4-Androstadien-19-ol-3,17-dion-19-benzoat vom Schmp.
158 bis 160° C abgeschieden wird.
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Ultraviolettabsorption Eä @°H = 230 mp. (£ 21000), ).C HsOH-KOH =
280 m#t (Benzoesäure), 298 bis 300 m;.c (Phenol).
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Infrarotabsorption (mittels Kaliumbromidscheibe gemessen) Amax
= 5,81 #t (17-Keton), 6,00 #t (3-Keton), 6,15 t,, 6,25 #t (4l#4), 11,24 [.
(dh4-3-Keton). Das obige Verfahren läßt sich auch unter Verwendung von 1500 mg Dibenzoyloxyselenoxyd
an Stelle von 500 mg Selendioxyd durchführen.
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Eine Lösung von /d1.4-Androstadien-19-ol-3,17-dion-19-benzoat in einer
5°/oigen methylalkoholischen Lösung von Kaliumhydroxyd wird mit Essigsäure neutralisiert
und das Lösungsmittel abdestilliert. Durch Umkristallisieren des Rückstandes aus
verdünntem Äthylalkohol erhält man Oestron in Form von farblosen Platten, die bei
etwa 250 bis 260° C schmelzen. Das entsprechende Acetat schmilzt bei 124 bis 127°
C und entspricht hinsichtlich seiner anderen Eigenschaften einer authentischen Probe
von Oestronacetat.