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Verfahren zum Trockenspinnen von Polyacrylnitril und/oder seinen Mischpolymerisaten
Beim Trockenspinnen von Polyacrylnitril bzw. seinen Mischpolymerisaten wird in bekannter
Weise derart verfahren, daß eine aus dem feingepulverten Polvmerisat durch Auflösen
in einem passenden Lösungsmittel hergestellte Spinnlösung unter Druck durch Spinndüsen
in den oberen Teil eines senkrechten, mehrere Meter hohen Spinnschachtes eingepreßt
und die aus den Düsen ausfließende Lösung durch Verdampfen des Lösungsmittels in
Form von Fäden zur Erstarrung gebracht wird, die am unteren Ende des Spinnschachtes
mit Hilfe einer Spule oder Haspel abgezogen und aufgewickelt werden.
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Zum Auflösen des Polymerisates eignen sich nur hochsiedende Lösungsmittel,
wie beispielsweise Dimethylformamid, Butyrolacton, Glykolcarbonat, cyclisohe Sulfone
u. dgl. Um diese Lösungsmittel aus den gesponnenen Fäden zu verdampfen, muß der
Spinnschacht auf eine sehr hohe Temperatur, die wesentlich über dem Siedepunkt des
Lösungsmittels liegt, erhitzt werden. So wird beispielsweise bei der Verwendung
des bei etwa 150° C siedenden Dimethvlformamids als Lösungsmittel die Temperatur
im Spinnschacht auf 180 bis 200° C gehalten. Bei diesen bekannten Spinnverfahren
zeigt es sich, daß die entstehenden Fäden meist eine gelbliche bis bräunliche Tönung
aufweisen; außerdem sind die mit den Abgasen der Spinnkammer entweichenden Lösungsmitteldämpfe
meist durch Zersetzungsprodukte mehr oder weniger verunreinigt. Die aus den Abgasen
in bekannter Weise meist durch Abkühlen wiedergewonnenen Lösungsmittel weisen daher
meist einen unangenehmen Geruch auf und sind erst nach entsprechender umständlicher
Reinigung wieder in den Prozeß einsetzbar.
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Man hat diese Übelstände auf einen schädlichen Einfluß der gewöhnlich
im Spinnschacht zur Verdampfung des Lösungsmittels verwendeten Luft bei der erforderlichen
hohen Spinntemperatur zurückgeführt und hat daher bereits versucht, die Mißfärbung
des Fadens und die Zersetzung des Lösungsmittels durch Anwendung einer inerten Spinnatmosphäre,
wie beispielsweise Stickstoff, innerhalb der Spinnkammer zu beseitigen. Die Erfolge
dieser Maßnahme haben aber nicht befriedigt, so daß man zu der Auffassung gelangt
ist. daß die Gelbfärbung der Fäden und auch die Zersetzung des Lösungsmittels bei
der erforderlichen hohen Temperatur naturgegebene Konstanten seien. die nicht aus
der Welt zu schaffen seien.
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Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß sowohl die Zersetzung
des Lösungsmittels als auch die Gelbfärbung der Fäden nicht etwa auf eine Oxydation
dieser Verbindungen beruht, sondern auf den Einfluß geringer in der Spinnatmosphäre
vorhandener Wassermengen zurückzuführen ist, und zwar wirkt das Wasser bei den angegebenen
hohen Spinntemperaturen verseifend sowohl auf das Lösungsmittel als auch gegebenenfalls
unter dessen Einfluß auf das Polyacrylnitril, wobei - wie sich weiterhin herausgestellt
hat - auch die Materialfrage der Spinnapparatur eine erhebliche Rolle spielt. Spinnschächte
aus Eisen und selbst aus chemikalienbeständigen Stählen, wie V 2 A-Stahl, wirken
bei dieser Verseifung stark katalytisch, so daß schon die geringen, in der Luft
unter gewöhnlichen atmosphärischen Bedingungen enthaltenen Wassermengen eine erhebliche
Beeinträchtigung der Qualität des erzeugten Fadens und der Reinheit des Lösungsmittels
bedingen. Da auf diesen Umstand bisher nicht geachtet wurde, hat auch der bloße
Ersatz der Spinnluft durch Stickstoff oder ein anderes inertes Gas nicht zu dem
gewünschten Erfolg geführt.
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Auf Grund der obigen Erkenntnisse wurde nun gefunden, daß eine Zersetzung
des Lösungsmittels praktisch restlos vermieden wird und Fäden von ausgezeichneter
heller, reinweißer Farbe erhalten werden, wenn man dafür sorgt, daß die in den Trockenschacht
eingeleitete Atmosphäre, die aus Luft oder einem inerten Gas bestehen kann, einen
Wassergehalt von weniger als 1 g H20/cbm besitzt. Da für gewöhnlich atmosphärische
Luft je nach den herrschenden Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen 5 bis 20
g H, O/cbm, gegebenenfalls auch noch wesentlich mehr, enthalten kann, sind diese
Bedingungen bei der bisherigen Arbeitsweise nicht erfüllt gewesen.
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Man hat zwar bereits vorgeschlagen, die zur Herstellung von Polyacrylnitrilfäden
nach dem Trockenspinnverfahren zu verwendenden Spinnlösungen möglichst wasserfrei
zu machen, indem man entweder das
aufzulösende Polymerisät auf einen
besonders niedrigen Wassergehalt getrocknet hat oder andererseits auch dafür gesorgt
hat, daß das zum Auflösen zu verwendende Dimethylformamid einen besonders geringen
Wassergehalt aufwies. Dies ist jedoch nur aus dem Grunde geschehen, weil die Anwesenheit
geringer Wassermengen das Gelieren der durch Auflösen von Polyacrylnitril in Dimethylformamid
entstehenden Lösung stark begünstigt, so daß derartige wasserhaltige Lösungen in
ihrer Spinnfähigkeit stark beeinträchtigt sind. Durch die Verwendung solcher besonders
wasserarmer Spinnlösungen wird aber der hier in Rede stehende Übelstand der partiellen
Verseifung des Lösungsmittels und der Spinnmasse im Spinnschacht nicht beseitigt,
weil die zur Zersetzung erforderliche Wassermenge ja jedesmal durch die in den Spinnschacht
geleitete Spinnluft wieder hereingebracht wird. Die beschriebene Verseifung tritt
aber bei den beim Lösen des Polyacrylnitrils in Dimethylformamid angewendeten Temperaturen,
die gewöhnlich in der Größenordnung von 100° C liegen, noch nicht oder jedenfalls
in kaum merklichem Maße ein, dagegen ist die Verseifungsgeschwindigkeit bei den
um fast 100° C höheren im Spinnschacht herrschenden Temperaturen, besonders durch
die Gegenwart katalvtisch wirkender Metalle, außerordentlich gesteigert. )Ärenn
in der Beschreibung eines bekannten Verfahrens zum Trockenspinnen von Polyacrylnitril
davon die Rede ist, daß mit Trockenluft gearbeitet werden soll, so handelt es sich
dabei lediglich um heiße Luft, welche in den Spinnschacht eingeleitet wird und dazu
dient, das Lösungsmittel durch Verdampfung von der fadenbildenden Substanz zu trennen.
Dem Wassergehalt der Trockenluft wird auch bei diesem bekannten Verfahren irgendeine
Bedeutung nicht beigemessen, d. h. daß die in den Spinnschacht gelangende heiße
Luft einen den jeweils herrschenden Temperatur-und Feuchtigkeitsbedingungen entsprechenden
hohen Wassergehalt aufweist, was mit den geschilderten Nachteilen der Mißfärbung
der Fäden und der Zersetzung des Lösungsmittels einhergeht. Bei einem anderen bekannten,
mit Kreislaufführung der Spinnluft arbeitenden Verfahren zum Trockenspinnen von
Polt' acrylnitril, bei dem der kalte Teil der Kreislaufapparatur auf 20° C gehalten
werden soll, läßt sich eine Verminderung des Wassergehaltes der Trockenluft auf
einen Betrag von unter 1 g H2 O/cbm, wie dies erfindungsgemäß gefordert ist, nicht
erreichen. Eine solche Verminderung des Wassergehaltes ist mit dem bekannten Verfahren
auch gar nicht angestrebt.
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Das Trocknen der in den Spinnschacht gemäß der Erfindung einzuleitenden
Atmosphäre auf einen Wassergehalt von unter 1 g/cbm kann an sich mit beliebigen
Trockenmitteln erfolgen. Es stehen hierfür dem Fachmann die verschiedenen bekannten
Möglichkeiten, wie Verwendung konzentrierter Schwefelsäure, Phosphorpentoxyd, wasserfreiem
Chlorcalcium und ähnlichen wasserfreien Salzen oder auch die Anwendung von Adsorptionsmitteln,
wie besonders Silikagel, zur Verfügung. Gegebenenfalls können mehrere derartige
Mittel in Kombination miteinander angewendet werden. Bedingung ist in jedem Fall,
daß der erforderliche geringe Wassergehalt der Spinnluft erreicht wird. Die in dieser
Weise von ihrem Wassergehalt befreite Luft wird dann wie üblich auf die erforderliche
Spinntemperatur aufgeheizt und im Gleich- oder Gegenstrom mit den zu spinnenden
Fäden durch die Spinnkammer in bekannter Weise hindurchgeleitet. Gegebenenfalls
kann man vor dem Aufheizen der Spinnluft bzw. vor ihrem Eintritt in die Spinnkammer
entsprechende Kontrollvorrichtungen vorsehen, die ein Überschreiten des geforderten
Höchstgehaltes an Wasserdampf in der in den Spinnschacht einzuleitenden Atmosphäre
selbsttätig anzeigen. Diese Vorrichtungen können gegebenenfalls mit entsprechenden
Trockenvorrichtungen gekoppelt sein, die in Tätigkeit treten, sobald der Wassergehalt
der in die Spinnstelle eintretenden Luft die zulässige Höchstgrenze überschreiten
sollte.
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Vorteilhaft wird man bei der Arbeitsweise nach der Erfindung auch
dafür sorgen, daß die Spinnlösung selbst, wie oben beschrieben, besonders durch
Verwendung eines möglichst wasserfreien Lösungsmittels und gegebenenfalls auch eines
sorgfältig getrockneten Polymerisats keine nennenswerten Wassermengen enthält.
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Das vorliegende Verfahren liefert nicht nur Fäden, die sich durch
einen besonders hohen Weißgehalt auszeichnen und für die meisten Verwendungszwecke
keiner zusätzlichen Bleiche bedürfen, es gestattet darüber hinaus auch die Wiedergewinnung
des verdampften Lösungsmittels in unzersetztem Zustand, so daß dieses ohne zusätzliche
Reinigung ohne weiteres erneut zum Auflösen von frischem Polymerisat zwecks Herstellung
der Spinnlösung verwendet werden kann.