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Nach dem österr. Patente Nr. 115394 können chirurgische Nähfäden aus frischem Muskelfleisch hergestellt werden. Das dem frisch geschlachteten Tiere entnommene Muskelfleiseh soll dabei vorzugsweise ohne Berührung mit der Hand unmittelbar nach dem Schlachten rein maschinell weiterbehandelt werden. Die Herstellung muss nach der Patentschrift von Grund auf unter sterilen Bedingungen erfolgen. Zu diesem Zwecke entzieht man dem Muskelfleisch zunächst das Blutserum und gewisse Eiweissstoffe durch Auslaugen oder auf andere Weise und unterwirft dann das Ausgangsmaterial während der Zurichtung Sterilisations--und Härtungsprozessen, z. B. mit Formalin-, Chromsäure-Jodlösungen oder andern Stoffen.
Ferner bewahrt man auch während des Spinnens und Webens die Keimarmut des Stoffes und macht zum Schluss das fertige Gespinst oder Gewebe durch anschliessende oder zu beliebiger Zeit angewandte Schlusssterilisation gebrauchsfähig. Zu diesem Zwecke entnimmt man z. B. einem frisch geschlachteten gesunden Pferde Muskelfleisch und zerschneidet es mittels Maschinen. Etwa 150 kg Fleischteile legt man in etwa 200 l einer schwachen Säurelösung unter 15 C (z. B. 0'3% ige Essigsäure), spült mit klarem Wasser nach und wiederholt den Vorgang nach Bedarf. Die ausgelaugten Fleischteile lassen sich in einer einprozentigen wässerigen Formalinlösung gerben. Darauf werden sie getrocknet und auf Maschinen geklopft und zerzupft, so dass das Abfallmehl von den reinen Fasern sich trennt.
Die gewonnenen Fasern werden in Tetrachlorkohlenstoff, Aceton od. dgl. entfettet, auf Textilmaschinen bis zur Spinnfähigkeit verfeinert, versponnen und verzwirnt. Die Verarbeitung auf Textilmaschinen erfolgt-wie in der Textilindustrie üblich-auf Reiss-und Krempelwölfen ; in diesen erfolgt die mechanische Vorbereitung für die Weiterverarbeitung auf geeigneten Spinnmaschinen. Die fertigen Gespinste werden dann nochmals einem geeigneten Sterilisationsprozess unterworfen, der sie völlig keimfrei macht.
Die Keimfreimachung kann durch chemische Stoffe, durch Einwirkung von Hitze oder auf andere Weise, sogar durch Kochen, erfolgen. Die Gespinste oder Gewebstoffe können homogenisiert oder unhomogenisiert Verwendung finden. Auch können gesponnene feine Fäden zu stärkeren Fäden zusammen gedreht oder-geflochten werden.
Dieses bekannte Verfahren, in möglichst vielen Phasen des Verfahrens sterilisierende Mittel anzuwenden und erst dann ausserdem noch die Schlusssterilisation, hat grosse Nachteile. Zunächst bedingt die fortwährende Anwendung der Sterilisationsmittel in allen oder in den wesentlichen Teilvorgängen des Verfahrens viel Umstände und Kosten, die das Verfahren wesentlich verteuern. Sodann ist es notwendig, für bestimmte Phasen des Verfahrens verhältnismässig scharfe Mittel anzuwenden, wenn überhaupt die Sterilität tatsächlich gewahrt bleiben soll. Auch die Maschinen und Apparate-vor allem die feinen Nadeln der Karden-leiden erheblich durch die Anwendung der sterilisierenden Mittel, bekommen rauhe Oberflächen in den Lauf-und Führungsteilen und beeinträchtigen das Gespinst.
Gemäss der Erfindung werden alle diese Nachteile dadurch vermieden, dass die Aufbereitung des Fleisches und das Verspinnen und Verzwirnen der Fleischfasern ohne Anwendung von Sterilisationsmitteln erfolgt. Vielmehr wird der Fleischfaserfaden oder ein Gewebe daraus erst nach Fertigstellung sterilisiert, d. h. es wird nur die Schlusssterilisation angewandt. Das in dieser Weise hergestellte Garn oder Gewebe hat sich nun ebenfalls als vollständig steril herausgestellt. Diese Erkenntnis war nicht etwa vorauszusehen. Es war nämlich bekannt, dass alle bisher hergestellten resorbierbaren Fäden, z. B. aus Hammeldarm nach vollendeter Fertigstellung (Rohkatgut) sich nicht mehr derart sterilisieren lassen,
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dass dadurch ein einwandfrei keimfreies chirurgisches Nähmaterial entsteht.
Vielmehr können diejenigen Keime oder deren Sporen, die nach der Fertigstellung des Katgutfadens noch in diesem enthalten sind, hinterher nicht mehr einwandfrei abgetötet werden. Diese Unmöglichkeit hängt damit zusammen, dass die Sterilisationsmittel auf den fertigen Katgutfaden nicht mehr genügend einwirken können. Hiebei ist nämlich zu berücksichtigen, dass die fertigen Katgutfäden eine verleimte hornartige Masse darstellen, die von Sterilisationslösungen nicht einwandfrei durchdrungen werden kann. Überraschenderweise hat ganz im Gegenteil dazu der nach jahrelangen Versuchen schliesslich praktisch hergestellte Fleischfaserfaden sich als ein Erzeugnis erwiesen, in welchem die Fleischfasern unverleimt erhalten bleiben und unverleimt aneinanderliegend dem Faden eine durch und durch poröse Struktur geben.
Dadurch, dass sie aus ganz kleinen Fasern aufgebaut sind, sind die Fleischfaserfäden den Fäden aus textilem Fasergut, z. B. Wolle, Baumwolle, Hanf, Flachs usw. ähnlich. Wird aber ein solcher unerwartet poröser Fleischfaserfaden aus einem ursprünglich (im lebenden gesunden Tiere) keimfreien Ausgangsmaterial ohne Anwendung von Sterilisationsmitteln hergestellt, so können nur Bakterien in verhältnismässig geringer Anzahl mit der Hand oder durch die Maschinen angetragen werden, die sich hinterher verhältnismässig leicht abtöten lassen. Sporen und sporentragende Bakterien kommen, wie gefunden wurde, nur ausnahmsweise von aussen auf das Material, so dass praktisch festgestellt wurde, dass die Sterilisation keine besonderen Schwierigkeiten bietet.
Die Sterilisation kann stattfinden, indem der poröse Fleischfaserfaden in Alkohol gekocht wird.
Dem Alkohol können dabei sterilisierende Mittel wie Formalin, Sublimat od. dgl. zugesetzt werden.
Jedoch kann der fertige Fleisehfaserfaden auch ohne Kochen einwandfrei sterilisiert werden, indem man ihn in Sterilisationsflüssigkeiten einlegt. Zudem geht die Sterilisation des Fleischfaserfadens viel schneller vonstatten als bei Katgut, weil der Fleisehfaserfaden durch und durch porös und frei von Sporen ist.
Deshalb ist es möglich, einen Fleisehfaserfaden innerhalb vierundzwanzig Stunden völlig steril zu machen, wogegen Katgut mindestens drei Tage, z. B. in Jodlösung liegen muss, aber auch nicht länger darin liegen darf, weil es durch das Jod angegriffen und in seiner Zugfestigkeit beeinträchtigt wird. Dagegen ist der Fleischfaserfaden gegenüber dem Jod usw. wesentlich widerstandsfähiger, sogar konzentrierteren Lösungen gegenüber. Auch die bakteriologische Prüfung vollzieht sich bei dem Fleischfaserfaden viel schneller als beim Katgut. Bei Katgut dauert es acht bis zehn Tage, bis man ein Prüfungsergebnis hat ; dagegen dauert es beim Fleischfaserfaden höchstens drei Tage.
Das kann dadurch erklärt werden, dass die Nährflüssigkeit (Bouillon), die an die Bakterien herangelangen muss, den fertig gesponnenen Faden vollständig durchdringt und die feinsten Fäserchen erreicht. In das hornartige Material des Katgut dringt die Flüssig- keit'viel schwieriger durch.