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Verfahren zur Herstellung von chirurgischem Nähmaterial (Catgut) Die
Erfindung bezieht sich auf die Herstellung von chirurgischem Nähmaterial (Catgut).
An dieses Material werden, insbesondere wenn es zum Nähen von tiefliegenden Wunden
verwendet wird, große Anforderungen gestellt. Das Material muß eine genügende Festigkeit
und Elastizität zeigen, völlig steril sein und vom Organismus in möglichst kurzer
Zeit resorbiert werden können.
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Bisher wird zum Nähen von Wunden ein unter dem Namen Catgut bekanntes
Material verwendet, das auf komplizierte Weise aus tierischen Därmen, insbesondere
Hammeldärmen, gewonnen wird. Es ist sehr schwer, bei diesem Material für sichere
und ausreichende Sterilität zu sorgen. Im allgemeinen wird das Darmcatgut durch
Behandhing mit antiseptischen Mitteln steril gemacht, wobei diese Behandlungen je
nach Antiseptikum von Zeit zu Zeit wiederholt werden müssen. Außerdem ist die Herstellung
von Darmcatgut an die beschränkten Mengen der verwendbaren Rohstoffe, insbesondere
Hammeldünndärme, gebunden, wodurch eine weitgehende Verbreitung dieses Nähmaterials
außer für unbedingt notwendige Fälle gehemmt wird.
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Es sind bereits verschiedene Verfahren vorgeschlagen worden, um künstliches
chirurgisches Material aus tierischem Fleisch, Muskelfleisch, Sehnen, Häuten und
ähnlichem Material herzustellen. Diese Ausgangsstoffe werden gegebenenfalls vor
oder nach einer chemischen Behandlung zerfasert und in üblicher Weise gesponnen
oder aber zerkleinert und mit Wasser zu einem Brei oder einer Aufschlämmung angerührt
und durch Düsen gepreßt. Nach einem dieser Verfahren werden tierische Kollagen-
und Elastinfasern in steriler Weise dem tierischen Körper entnommen und unter antiseptischen
Bedingungen auf Membranen oder Bänder verarbeitet, die gegebenenfalls in Streifen
geschnitten und zu Fäden zusammengezwirnt werden. Die Fäden oder auch das zu ihrer
Herstellung dienende Ausgangsmaterial können mit Chemikalien imprägniert, sterilisiert,
gegerbtund getrocknet werden. Das hierbei gewonnene künstliche Nähmaterial konnte
sich teils wegen ungenügender Reißfestigkeit, teils wegen ungenügender Sterilität
oder auch aus anderen Gründen in der Praxis nicht einführen.
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Die Erfinderin hat sich zur Aufgabe gestellt, künstliches chirurgisches
Nähmaterial herzustellen, das in seinen Eigenschaften dem natürlichen Catgut möglichst
gleichwertig oder sogar überlegen ist. Sie hat gefunden, daß man durch Verarbeitung
von Kunstdärmen, die in an sich bekannter Weise aus tierischem Hautmaterial gewonnen
werden, ein künstliches chirurgischesNähmaterialherstellen
kann,
das allen gewünschten Anforderungen, insbesondere mit Bezug auf Reißfestigkeit,
Resorbierbarkeit und Sterilität entspricht.
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Als Ausgangsstoff für das erfindungsgemäße Verfahren können künstliche
Wursthüllen verwendet werden, die in irgendeiner Weise aus tierischem Hautmaterial,
z. B.
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Häuten oder Hautteilen, Muskeln, Sehnen u. dgl., durch einen Aufschlußprozeß
und anschließende Formgebung gewonnen werden.
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Das tierische Material kann durch Be handlung mit quellend wirkenden
Chemikalien oder durch Wärmebehandlung in Gegenwart von Wasser oder auch durch eine
Vereinigung dieser Behandlungen aufgeschlossen werden und anschließend gegebenenfalls
mechanisch zerteilt und zerfasert werclen.
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Das aufgeschlossene Material wird dann z. B. durch Pressen durch Ringdüsen,
durch Anwendung von Dornen oder auf ähnliche Weise zu Kunstdärmen geformt.
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Vorzugsweise werden Kunstdärme verwendet, die nach den bekannten
Verfahren der Erfinderin gewonnen werden. Nach diesem Verfahren werden die tierischen
Ausgangsstoffe durch Behandlung mit quellenden Mitteln und Zerteilung und Zerfaserung
des hochgequollenen Materials unter Erhaltung der Faserstruktur in eine Hautfaserpaste
mit hohem Wassergehalt, z. B. 75 bis 95 01o Quellungswasser, übergeführt und diese
Paste durch Pressen durch Ringdüsen. vorzugsweise unter gleichzeitigem Einblasen
von Gasen, insbesondere Luft, in das Inncre der entstehenden Gebilde zu künstlichen
Därmen geformt. Bei der Herstellung von chirurgischèm Nähmaterial ist es zweckmäßig,
Kunstdärme zu verwenden, deren Faserstruktur vorwiegend eine I,ängsorientierung
zeigt, worauf bei der Herstellutig der Kunstdärme durch Anwendung entsprechender
Ringdüsen Rücksicht genommen werden muß.
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Die Verarbeitung der Kunstdärme auf chirurgisches Nähmaterial kann
unmittelbar an ihre Herstellung oder nach einem Härten der Kunstdärme mit gerbenden
oder Wasser entziehenden Mitteln erfolgen.
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Die erhaltenen rohen oder gehärteten Kunstdärme, vorzugsweise solche
von geringem Durchmesser, z. B. von einem Durchmesser von 5 bis 20 mm und darunter,
werden zu einem Faden zusammengedreht. Geht man von nichtgehärteterl Kunstdärmen
aus, so können die Fäden nach dem Zwirnen mit bekannten gerbenden oder wasserentziehenden
Mitteln, wie Räucherflüssigkeiten, Formaldehyd, Aluminiumsulfat u. dgl., gehärtet
werden.
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Die erhaltenen Fäden können gewünschtenfalls gebleicht werden. Sie
können ferner mit bekannten antiseptischen oder desinfizierenden Mitteln, wie Carbolsäure,
Cumol u. dgl., oder mit bekannten Mitteln behandelt werden, die die Heilung der
Wunden begi. nstigen oder sonstige medizinische Wirkungen ausüben. Zweckmäßigerweise
kann man das Härten der zusammengedrehten Kunstdärme mit Mitteln durchführen, die
sowohl härten als auch desinfizierend wirken, z.B. mit Formaldehyd oder formaldehydhaltigen
Stoffen.
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Die erhaltenen Fäden stellen ein Nähmaterial von hoher Festigkeit,
ausreichender Sterilität und guter Resorbierbarkeit dar.
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Beispilel I Die Herstellung der Kunstdärme, die nicht beansprucht
wird, kann z.B. wie folgt erfolgen: Narbenfreie Rinderfianken, die für Gerbereizwecke
nicht sonderlich geeignet sind, werden 6 Wochen lang in gesättigte Kalkmilch eingelegt.
Sie werden dann durch Waschen weitgehend von Kalk befreit und mit einer Io°/Oigen
Salzsäure 8 Stunden lang behandelt. Nach dieser Behandlung wird die Salzsäure abgelassen
und mit Wasser so weit ausgewaschen, daß die hochgequollenen Hautstücke eine pH
von 2,5 haben. Die bakteriologische Untersuchung dieses Materials stellte fest,
daß es sehr arm an Bakterien, oft sogar schon keimfrei geworden ist. Das so gequollene
Material enthält nur etwa 10 0/o Trockenstoff. Es wird in I bis 2 cm lange und I
bis 2 cm breite Stücke geschnitten und unter hohem Druck durch konische Rohre gepreßt,
deren engste Stelle 1,5 mm beträgt.
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Dabei erhält man eine plastisch knetbare Fasermasse, die man durch
Zugabe von Wasser auf einen Trockenstoffgehalt von 7,5 5 °/0 einstellt.
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Die so hergestellte Fasermasse wird durch eine Ringdüse von 10 mm
Durchmesser und einer Ringspaltbreite von 0,3 mm gepreßt.
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Der I Kern der Düse besteht aus 2 Teilen, aus einem drehbar gelagerten
hinteren Teil von 50 mm Länge und einem sich daran anschließenden stillstehenden
Vorderteil von 200 mm Länge. Würde man die Fasermasse bei völlig stillstehendem
Innenkern durch die Ringdüse pressen, so würde ein Schlauch gebildet werden, dessen
Fasern fast ausschließlich parallel zu der Achse des Schlauches gelagert wären,
denn die Fasern werden durch die Reibung an den Wandungen der Düse in der Fließrichtung
ausgerichtet. Der auf diese Weise erhaltene Schlauch, dessen Fasern nahezu ausschließlich
längs orientiert sind, würde sich ganz vorzüglich für die Herstellung von Catgut
eignen, da er in der mechanisch beanspruchten Richtung eine sehr große Festigkeit
besäße. Ein solcher Schlauch würde aber keine Querfestigkeit haben und
ließe
sich weder mit Luft zum Trocknen aufblasen noch weitertransportieren. Es muß deshalb
ein Schlauch erzeugt werden, dessen Fasern zwar vorwiegend, aber nicht ausschließlich
längs orientiert sind. Zu diesem Zweck wird der hintere Teil des Düsenkernes langsam
rotieren gelassen, um einen Teil der Fasern aus der Fließrichtung abzulenken.
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Durch Einstellung der Drehgeschwindigkeit läßt sich leicht erreichen,
daß ein bestimmter Teil der Fasern in einem Winkel von 30 bis 400 zu der Schlauchachse
umgelagert wird.
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Ein Teil dieser Fasern wird wiederum zwischen dem stillstehenden Vorderteil
des Düsenkernes und dem Düsenmantel in die Achsenrichtung zurückgelagert. Es gelingt
auf diese Weise einen Schlauch herzustellen, dessen Fasern zwar vorwiegend Längsorientierung
zeigen, der aber genügend quer zu seiner Achse gelagerte Fasern enthält, um auch
die nötige Festigkeit in Richtung seines Umfanges zu besitzen. Der aus der Ringdüse
austretende Schlauch wird mit Luft aufgeblasen und in diesem aufgeblasenen Zustand
durch Trockenkanäle geführt, in denen er mit warmer Luft angeblasen wird. Zwischendurch
wird der Schlauch mehrere Male mit einer Härtungsflüssigkeit, z. B. einem Sägespänedestillat,
bespült und dazwischen immer wieder getrocknet. Durch dieses Härten kann die Festigkeit
des Kunstdarms erhöht werden und gleichzeitig seine Resorbierharkeit auf den gewünschten
Grad eingestellt werden. Die bakteriologische Untersuchung des so hergestellten
Kunstdarmes zeigte, daß alle etwa noch vorhandenen Keime restlos vernichtet waren.
Probeweise wurden Kunstdärme bei ihrer Herstellung mit den sehr schwer zerstörbaren
Milzbrandsporen infiziert.
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Schon nach einmaliger Härtung und nachfolgender Trocknung waren die
Sporen vernichtet.
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Der Schlauch wird nun zu einem Faden zusammengedreht, der seinerseits
mit härtenden Mitteln oder auch mit Desinfektionsmitteln behandelt werden kann.
Der entstandene Faden wird in einem üblichen Desinfektionsmittel oder in absolutem
Alkohol aufbewahrt. Dieser gedrehte Faden hat gegenüber einem gewöhnlichen Faden,
der durch Pressen aus einer Düse oder auf andere Weise aus tierischem, faserhaltigem
Material gewonnen wurde, bei gleichem Durchmesser den Vorteil einer Iofach größeren
Oberfläche, wodurch eine erheblich leichtere Resobierbarkeit bei gleicher Festigkeit
oder eine größere Festigkeit bei gleicher Resorbierbarkeit bedingt ist.