Neue Zusammensetzung zur Erleichterung der Humangeburt
Beschreibung
Die vorliegenden Erfindung betrifft eine Zusammensetzung mit Gleitwirkung zur Verwendung insbesondere bei der humanen Vaginalgeburt.
Das vaginale Gebären eines Kindes ist ein komplexer Vorgang und wird durch drei wesentliche Faktoren bestimmt: dem Geburtsobjekt (Fötus, Amnion, Plazenta), dem Geburtskanal (bestehend aus einem knöchernen Anteil und einem Weichteilschlauch) und den Geburtskräften. Aus der wissenschaftlichen Fachliteratur sind verschiedene Geburtskräfte bekannt, welche die vaginale Geburt (das vaginale Gebären) eines menschlichen Föten fördern oder hemmen. Geburtsfördernde Kräfte sind hierbei die Wehen und die Schwerkraft, geburtshemmende Kräfte sind die Dehnkraft des Muttermundes und des Geburtskanals. Die Geburt eines menschlichen Kindes wird in 3 Phasen eingeteilt: die Eröffnungsperiode, die Austreibungsperiode und die Plazentaperiode. Die normale Geburtsdauer beträgt bei Erstgebärenden in Durchschnitt 12 Stunden, bei Mehrgebärenden im Durchschnitt 8 Stunden. Die kürzere durchschnittliche Geburtsdauer bei Mehrgebärenden im Vergleich zu Erstgebärenden wird mit der verminderten Dehnkraft des Geburtskanals begründet, da bei Mehrgebärenden der Weichteilschlauch [inneres Weichteilrohr (Uterinsegment - Zervixkanal - Weichteilansatzrohr (Scheide und Vulva)] durch die vorangegangenen Vaginalgeburten ausgewalzt sind. Herrschende Lehrmeinung in Bezug auf die Geburtsmechanik beim Menschen ist folglich, dass die Dehnkraft des Geburtskanals (die Kraft, welche notwendig ist, um den Geburtskanal zu öffnen, zu dehnen und auszuwalzen) als wesentliche, die Geburt behindernde Kraft anzusehen ist (Dudenhausen, Schneider, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Verlag De Gruyter (1994), Seiten 113 bis 121).
In der Veterinärmedizin ist die geburtsmechanische Bedeutung der
Reibungskraft zwischen Geburtsobjekt und Geburtskanal seit Jahrzehnten bekannt. Die Applikation von Gleitmitteln auf den Geburtskanal zur Reduktion dieser Reibungskraft ist in der veterinärmedizinischen Geburtshilfe eine Standardmethode (Richter, Götze; Tiergeburtshilfe, 4. Auflage; Verlag Paul Parey; Rechtsfragen in der Tiergeburtshilfe, Seite 614), und Gleitmittel für diesen Zweck sind im Handel erhältlich. Bei der Tiergeburt können relativ hohe Volumina an Gleitmitteln eingesetzt werden. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, flüssige, wässrige Formulierungen zu verwenden, die als Ersatz für das schmierfähige Fruchtwasser bzw. die Allantoisflüssigkeit beim Nutztier dienen. Derart hohe Volumina können mangels Praktikabilität bei der menschlichen Vaginalgeburt nicht angewendet werden.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Geburt beim Tier und der Geburt beim Menschen ist, dass die Rolle des Fruchtwassers bei der menschlichen Geburt am Termin keine signifikante Relevanz in Bezug auf die Schmierung des Geburtskanals hat, sondern die resultierenden Reibungskräfte erhöhen kann. Fruchtwasser hat als wässrige Substanz beim Menschen per se keinen ausgeprägten Schmiereffekt. Heute werden beim Menschen zumeist nur noch Geburten aus Schädellagen vaginal durchgeführt, bei welchen der Abgang von Fruchtwasser unter der Geburt aufgrund der Abdichtung durch den Kopf nur als unwesentlich zu bezeichnen ist. Die Vernix Caseosa, als einzige schmierende Substanz des Geburtsobjekts, ist zumeist um den Geburtstermin nicht mehr vorhanden und wird ohnehin am Kopf nur wenig wirksam. Die Verwendung von Fruchtwasser oder Fruchtwasserersatz zur Schmierung des Geburtskanals vor oder während einer Vaginalgeburt beim Menschen ist daher eine nicht ausreichend taugliche Maßnahme zur Verminderung der Reibungskräfte und zur Erleichterung der Vaginalgeburt beim Menschen.
Das US-Patent 3 814 797 offenbart wässrige Gleitzusammensetzungen auf Basis von (A) Kaliummetaphosphat, (B) Alginsäure, Carboxymethylcellulose, Carboxymethylstärke und Salzen davon und (C) dem Natriumsalz einer
schwachen Säure, beispielsweise Natriumcarbonat oder Natriumphosphaten.
Das US-Patent 3 971 848 offenbart eine Gleitmittelzusammensetzung für Schleimhäute, die eine Mischung aus Fucoidin und einem Alginat enthält. Die Zusammensetzung kann gegebenenfalls mit Carboxymethylcellulose, Natriumpolyacrylat, Kaliumnatriumpolyphosphat, Polyethylenoxid oder dgl. vermischt und zur Geburtserleichterung eingesetzt werden.
Das US-Patent 4 267 168 offenbart eine flüssige biozide Zusammensetzung, die als Reinigungsmittel, als Oberflächendesinfektionsmittel oder als vaginales Gleitmittel eingesetzt werden kann. Die Zusammensetzung enthält Lauryldiethanolamid, Propylenglycol, Glycerin, Natriumpolypeetat und Silberionen. Sie weist einen pH-Wert im Bereich von 7,2-7,8 auf.
JP 46024256 offenbart eine Gleitmittelzusammensetzung, die im Wesentlichen aus Polyacrylat besteht und als unterstützende Gebärmutterflüssigkeit in der Veterinärmedizin eingesetzt werden kann.
JP 45000153 und JP 4500012 offenbaren eine Gleitmittelzusammensetzung zur Geburtsunterstützung in der Veterinärmedizin, die ein Salz oder einen Ester von Alginsäure und Gummi arabicum enthält.
JP 46034991 offenbart eine Gleitmittelzusammensetzung enthaltend Polyethylenoxidpulver in einer Flüssigkeit, bestehend aus einem organischen Lösungsmittel in einer Konzentration von >80 %, Hydroxypropylcellulose, Natriumsulfat und einem Detergenz. Die Zusammensetzung kann nach Verdünnung zur Erleichterung der Extraktion eines Fötus in der Veterinärmedizin verwendet werden.
PCT/EP03/00548 offenbart die Verwendung einer physiologisch unbedenklichen organischen Substanz zur Herstellung einer Zusammensetzung ohne Gehalt an Alkalimetallsalzen von Metaphosphaten
- A - zur Anwendung als Gleitmittel bei Vaginalgeburten von Frauen. Es werden zahlreiche Beispiele für geeignete, physiologisch unbedenkliche organische Substanzen genannt. Gegenstand dieser Erfindung ist die Reduktion der neu erkannten wesentlichen geburtshindemden Kraft, nämlich der 5 Reibungskraft zwischen Geburtsobjekt und Geburtskanal, durch die Verwendung eines Gleitmittels beim Menschen.
Die der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Aufgabe bestand darin, eine Zusammensetzung zur Erleichterung der Humangeburt bereitzustellen, 0 die physiologisch verträglich ist und sowohl gute Haftungseigenschaften als auch Gleitwirkung aufweist.
Diese Aufgabe wird gelöst durch eine bioadhäsive Zusammensetzung mit Gleitwirkung, umfassend (a) eine Polyacrylsäure, (b) einen wasserlöslichen 5 Verdicker und (c) ein Feuchthaltemittel und (d) gegebenenfalls Wasser.
Komponente (a) der erfindungsgemäßen Zusammensetzung ist eine Polyacrylsäure, die quervemetzt oder/und chemisch modifiziert sein kann oder ein Salz einer solchen Polyacrylsäure oder ein Gemisch von mehreren o Polyacrylsäuren. Das durchschnittliche Molekulargewicht der Acrylsäurepolymere wird so gewählt, dass sie bei der vorgesehenen Anwendung bioadhäsive Eigenschaften aufweisen. Üblicherweise liegt das Molekulargewicht im Bereich von mindestens 2 000 D und vorzugsweise bis zu 500000 D. 5
Bevorzugte Polyacrylsäuren sind quervernetzte Acrylsäurepolymere, z.B. Acrylsäure-Homopolymere, -Copolymere oder -Interpolymere oder Salze solcher Polymere, z.B. Alkali- oder Erdalkalisalze. Hierzu zählen beispielsweise Carbomer-Homopolymere, d.h. hochmolekulare Polymere o von Acrylsäure, die mit Polyalkenylethem von Zuckern oder Polyalkoholen, wie etwa Allylsaccharose, Allylpentaerythritol, etc., quervernetzt sind, z.B. Carbopol® 940 NF, 974P NF oder 980 NF.
Weiterhin geeignet sind Carbomer-Copolymere, d.h. hochmolekulare Copolymere von Acrylsäure und
quervernetzt mit Polyalkenylethem von Zuckern oder Polyalkoholen, wie etwa Carbopol® 1382, Carbopol® 1342 NF, Carbopol® ETD-2020, Pemulen® TR1 NF und Pemulen® TR2 NF. Ebenfalls geeignet sind Carbomer-Interpolymere, d.h. Carbomer-Homopolymere oder -Copolymere, die ein heterologes Polymer, z.B. ein Blockcopolymer aus Polyethylenglycol und einem langkettigen, z.B. d-C24-Alkylsäureester enthalten, wie etwa Carbopol® Ultrez 10, 20 oder 21 oder Carbopol® Ultrez 10 NF. Ebenfalls geeignet sind Polycarbophile, d.h. Polyacrylsäuren, die mit Divinylglycol quervernetzt sind, wie etwa Noveon® AA-1 USP, oder Calciumpolycarbophile, d.h. Calciumsalze von Polyacrylsäure quervernetzt mit Divinylglycol, wie etwa Noveon® CA-1 USP und CA-2 USP.
Die Polyacrylsäure-Homopolymere weisen üblicherweise einen Gehalt an COOH-Gruppen von 56-68 % auf, während die Polyacrylsäure-Copolymere einen Gehalt von 52-62 % an COOH-Gruppen besitzen.
Der Gewichtsanteil der Komponente (a) am Gesamtgewicht der Zusammensetzung kann breit variiert werden, beispielsweise von 0,1-15 %. Insbesondere wenn die Zusammensetzung als wasserhaltiges Gel vorliegt, beträgt der Gewichtsanteil der Komponente (a) vorzugsweise 0,1-10 %, besonders bevorzugt 0,2-1 % und noch mehr bevorzugt 0,4-0,7 %. Am meisten bevorzugt ist der Gewichtsanteil von 0,45-0,5 %.
Komponente (b) der Zusammensetzung ist ein wasserlöslicher Verdicker oder ein Gemisch von mehreren Verdickern. Bevorzugte Beispiele sind Cellulosederivate, insbesondere hydrophil modifizierte Cellulosederivate, wie etwa Hydroxyethylcellulose, Hydroxypropylcellulose, Carboxymethylcellulose, oder/und Hydroxypropylmethylcellulose. Weitere bevorzugte wasserlösliche Verdicker sind Mucopolysaccharide, insbesondere Hyaluronsäure.
Die Komponente (b) ist üblicherweise in einem Gewichtsanteil von 0,1-30 %, vorzugsweise von 1-10 %, besonders bevorzugt von 2,5-7,5 % und am meisten bevorzugt von 4-6 % auf Basis des Gesamtgewichts der Zusammensetzung vorhanden.
Komponente (c) der Zusammensetzung ist ein Feuchthaltemittel oder ein Gemisch von mehreren Feuchthaltemitteln. Bevorzugte Beispiele sind pharmazeutisch verträgliche Polyalkohole, wie etwa Propylenglycol, insbesondere 1 ,2-Propylenglycol, Glycerin oder/und Polyethylenglycol, insbesondere flüssiges Polyethylenglycol.
Die Komponente (c) ist üblicherweise in einem Gewichtsanteil von 0,1-30 %, vorzugsweise von 10-30 %, besonders bevorzugt von 15-25 % und am meisten bevorzugt von 18-22 % auf Basis des Gesamtgewichts der Zusammensetzung vorhanden.
Die fakultativ vorhandene Komponente (d) der Zusammensetzung ist Wasser. In wasserhaltigen Zusammensetzungen ist das Wasser üblicherweise in einem Gewichtsanteil von 40-95 %, vorzugsweise von 60- 85 %, besonders bevorzugt von 70-80 % und am meisten bevorzugt von 72- 77 % auf Basis des Gesamtgewichts der Zusammensetzung vorhanden. Gegebenenfalls kann die Zusammensetzung jedoch auch mit einem geringeren Wassergehalt oder trocken, z.B. als Pulver, vorliegen und angewendet werden oder/und kurz vor Anwendung verdünnt werden.
Neben den o.g. Komponenten kann die Zusammensetzung Hilfsstoffe, wie z.B. Tenside, Dispergiermittel, weitere Verdickungsmittel, Reagenzien zur Einstellung eines pH-Werts, Träger, Füllstoffe, Stabilisatoren oder/und Konservierungsmittel enthalten. Bevorzugt ist die Zusammensetzung jedoch frei von Konservierungsmitteln. Weiterhin ist bevorzugt, dass die Zusammensetzung frei von Alginsäure oder Alginaten ist, da der Zusatz dieser Substanzen oftmals zur Bildung unerwünschter Verfärbungen bzw. Ausfällungen führt. Ebenso ist die Zusammensetzung vorzugsweise frei von
Metaphosphaten oder/und Schwermetallionen, insbesondere Silberionen. Bevorzugt enthält die Zusammensetzung weiterhin
Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) oder/und pharmazeutisch annehmbare Salze hiervon.
Vorzugsweise enthält die Zusammensetzung jedoch Mittel zur Einstellung einer im wesentlichen isotonischen Osmolarität, beispielsweise Salze wie etwa Natriumchlorid in einem Gewichtsanteil üblicherweise von 0,1-5 %, vorzugsweise von 0,3-0,6 %, besonders bevorzugt von 0,45-0,55 % und am meisten bevorzugt etwa von 0,49-0,50 %, basierend auf dem Gesamtgewicht der Zusammensetzung.
Die erfindungsgemäße Zusammensetzung ist vorzugsweise ein Gel, welches günstigerweise ein im wesentliches farbloses und transparentes Aussehen hat. Weiterhin kann die Zusammensetzung auch in Form von festen Darreichungsformen, wie Tabletten, Pulvern, Pasten, Ovuli, Dragees, Brausetabletten oder Suspensionen von solchen, oder auch in Form eines Schaumes vorliegen. Der pH-Wert der Zusammensetzung wird vorzugsweise auf einen Bereich von 4-7, besonders bevorzugt von 5-6 und am meisten bevorzugt von 5,5-6 durch Zusatz geeigneter Reagenzien, z.B. Säuren wie HCl oder Basen wie NaOH, eingestellt. Die Bestimmung des pH- Werts erfolgt dabei vorzugsweise potenziometrisch an einem 1:9 verdünnten Gel in einer 1 ,0 %igen KNO3-Lösung.
Die Viskosität der Zusammensetzung liegt vorzugsweise im Bereich von 1- 40 Pa-s, besonders bevorzugt im Bereich von 10-18 Pa-s. Die Bestimmung der Viskosität erfolgt dabei vorzugsweise mit einem Rotationsviskosimeter, Drehzahlreihe N, Stufe 4, Sensor SV DIN, Zeit 60 s, 20 Umdrehungen bei 20 0C. Alternativ kann die Bestimmung der Viskosität mit einem Brookfield RVT Viskosimeter bei einer Rotationsgeschwindigkeit der Spindel von 0,05 bis 100 Umdrehungen pro Minute erfolgen.
Die Leitfähigkeit der Zusammensetzung liegt vorzugsweise im Bereich von
- 8 -
4-25 mS-cm"1, besonders bevorzugt von 8-12 mS-crrr1, wobei die Bestimmung mit einem Leitfähigkeitsmessgerät, z.B. dem Konduktor 702 der Fa. Knick, nach DIN 61326/A1/VDE 0843 Teil 20/A1 erfolgt.
Die Zusammensetzung weist günstigerweise thixotrope oder/und strukturviskose Eigenschaften auf, wobei die Viskosität unter dem Einfluss zunehmender Schubspannung oder/und Schergeschwindigkeit abnimmt. Weiterhin besitzt die Zusammensetzung vorzugsweise eine hohe Anfangsschubspannung oder/und ein pseudoplastisches Verhalten, d.h. die Haftfähigkeit der Zusammensetzung nimmt unter dem Einfluss zunehmender Scherbelastung ab.
Die Zusammensetzung kann in steriler Form vorliegen, wobei z.B. eine Dampfsterilisation oder/und eine Sterilisation durch Bestrahlung, z.B. durch Gammabestrahlung, möglich ist. Die Zusammensetzung kann jedoch ebenso in nicht sterilisierter Form eingesetzt werden oder/und Konservierungsstoffe oder/und biozide Substanzen enthalten.
Die Herstellung der Zusammensetzung umfasst vorzugsweise die folgenden Schritte:
(i) Herstellen einer ersten Mischung aus Polyacrylsäure (a) und Wasser (d) gegebenenfalls unter Einstellung der Toxizität, z.B. durch Zugabe von NaCI, oder/und des pH-Werts, z.B. durch Zugabe einer Base wie NaOH, wobei die erste Mischung vorzugsweise als Gel vorliegt, (ii) Herstellen einer zweiten Mischung aus einem wasserlöslichen Verdicker (b), einem Feuchthaltemittel (c) und Wasser (d), wobei die zweite Mischung vorzugsweise als Gel vorliegt, (iii) Vereinigen der beiden Mischungen, (iv) gegebenenfalls Homogenisieren und (v) gegebenenfalls Sterilisieren.
Das Verfahren oder einzelne Schritte davon können abhängig von der für die Zusammensetzung vorgesehenen galenischen Form bzw. von eventuell
vorhandenen Zusatzstoffen variiert werden. So kann beispielsweise Wasser oder/und Feuchthaltemittel während des Verfahrens zumindest teilweise entfernt werden oder/und zugesetzt werden.
Vorzugsweise liegt die Zusammensetzung in abgepackten Dosierungseinheiten in einem Volumen von 5-500 ml, besonders bevorzugt in abgepackten Dosierungseinheiten in einem Volumen von 10-20 ml, vor. Die Zusammensetzung befindet sich dabei vorteilhaft in einer Verpackung, zum Beispiel Dosen, Spritzen, z.B. Einwegspritzen, oder Tuben, oder sie kann als Vaginalovulum angewendet werden. Des Weiteren kann ein vaginaler Applikator eingesetzt werden. Bei Verwendung von Dosen kann die Zusammensetzung mit Fingern oder Spachteln auf der Oberfläche des Geburtskanals aufgebracht werden. Zweckmäßiger sind Tuben oder Spritzen, aus denen die Zusammensetzung mittels Druck auf der Oberfläche des Geburtskanals aufgetragen werden können. Die Größe der Verpackung kann so gewählt werden, dass die Menge der Zusammensetzung für eine einmalige Applikation genügt. Die Tuben oder Spritzen können mit einer Verlängerung versehen sein, die im wesentlichen der Länge des Geburtskanals entspricht, an deren Ende die Austrittsöffnung für die Zusammensetzung angebracht ist. Die Austrittsöffnung ist zweckmäßig so ausgestaltet, z.B. als runde Spaltöffnung, dass die Zusammensetzung vollständig und im wesentlichen gleichmäßig auf der Oberfläche des Geburtskanals verteilt werden kann.
Die Anwendung der erfindungsgemäß zu verwendenden Zusammensetzung gestaltet sich einfach und wirkungsvoll, wenn die Zusammensetzung vor Einsetzen regelmäßiger Wehentätigkeit, in der Eröffnungsphase oder/und in der Austreibungsphase appliziert wird. Die Applikation kann ein- oder mehrmals erfolgen. Eine Applikation kurz vor oder in der Eröffnungsphase kann den Vorteil bieten, dass das Gewebe im Geburtskanal erweicht, wodurch die Geburt zusätzlich erleichtert wird. Ebenso kann die Zusammensetzung auch zur Erleichterung der Plazentalösung eingesetzt werden.
In einer bevorzugten Ausführungsform kann die Zusammensetzung zusätzlich einen oder mehrere pharmazeutische Wirkstoffe enthalten, die als Medikamente für bestimmte bei der Geburt auftretende Indikationen dienen, z.B. Mittel zur Geburtshemmung oder Geburtsförderung, Mittel zur Schmerzlinderung oder/und Mittel zur Verhinderung von Infektionen. Die Menge an pharmazeutischen Wirkstoffen kann z.B. 0,0001-50 Gew.-%, bevorzugt 0,01-10 Gew.-% und besonders bevorzugt 0,01-5 Gew.-% betragen, bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung.
Einige Beispiele für geburtseinleitende Substanzen sind Oxytocin, Dinoproston, Sulproston, Misoprostol und Hyaluronidase.
Einige Beispiele für geburtshemmende Substanzen sind Chondroitinsulfat, Hexoprenalin, Fenoterol, Magnesiumsulfat, Atosiban, Calciumantagonisten und Nitroglycerin.
Einige Beispiele für schmerzstillende Substanzen sind Bupivacain, Carbostesin, Lidocain, Mepivacain, Rapidocain, Scandicain, Solarcain und Xylesin.
Einige Beispiele für Antiinfektiva bzw. biozide Substanzen sind antibakterielle oder/und antimikrobielle oder/und antivirale Substanzen, wie quartäre Ammoniumverbindungen, Chlorhexidin, Povidon-Jod und Jod sowie jodhaltige Verbindungen.
Besonders vorteilhaft ist die Beimischung antiviraler Substanzen, z.B. gegen die Übertragung von Herpes oder HIV von der Mutter auf das Kind, z.B. Nukleosidanaloga, nukleosidische Reverse Transkriptase-Hemmer, nicht- nukleosidische Reverse Transkriptase-Hemmer und Proteaseinhibitoren.
Ebenfalls besonders vorteilhaft ist die Beimischung antibakterieller Substanzen, z.B. gegen die Übertragung von Streptokokken, z.B. Streptokokken des Typs B von der Mutter auf das Kind, z.B. Chlorhexidin.
Als zweckmäßig hat sich auch die Beimischung von pulmonalen oberflächenaktiven Substanzen (pulmonalen Surfactants) erwiesen, mit denen die Atmungsfähigkeit des Neugeborenen nach der Geburt erleichtert werden kann, z.B. Colfoscerilpalmitat, Lucinactant, Beractant, Phospholipida e pulmone suis, Perfluorcarbone.
Die Zusammensetzung ist insbesondere als Gleitmittel zur Erleichterung der vaginalen Humangeburt oder/und zur Erleichterung der Plazentalösung geeignet Sie kann vor oder/und nach Beginn regelmäßiger Wehentätigkeit ein- oder mehrmals je nach Bedarf appliziert werden. Die Applikation erfolgt vorzugsweise im Geburtskanal einschließlich des Muttermundes. Eine intraamniale Applikation kann ebenfalls zweckmäßig sein.
Durch Anwendung der Zusammensetzung kann die Humangeburt erheblich erleichtert und sogar zeitlich verkürzt werden, insbesondere bei Erstgebärenden, wenn man vor oder/und während des Gebarens die Wände von Gebärmuttermund oder/und Vagina (Geburtskanal) mit dem Gleitmittel bedeckt. Dabei kann sowohl in der Eröffnungsperiode als auch in der Austreibungsperiode die Reibung zwischen Geburtskanal und Geburtsobjekt stark vermindert werden. Zudem kann die Gefahr von Verletzungen (wie z.B. Auswalzung des Weichteilansatzrohres, Beckenbodenschädigung, Vaginalrisse, Perinealverletzungen, rektale Verletzungen, Uterusrupturen, Blutverlust) vermindert oder ausgeschlossen werden, und Langzeitschäden, wie z.B. Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz, sexuelle Dysfunktion und psychische Störungen, eingeschränkt oder verhindert werden. Ferner kann durch die geringe Reibung die Geburtsarbeit reduziert werden, was zu einer Verhinderung oder Verminderung vaginaloperativer Eingriffe oder Kaiserschnitte führen kann. Auch eine manuelle Plazentalösung kann durch das erfindungsgemäße Gleitmittel erleichtert werden.
Vorzugsweise wird vor der Anwendung das Geburtsgel entpackt unter Einhaltung von sterilen Bedingungen. Während des Geburtsvorgangs wird dann das Gel ein- oder mehrmalig intermittierend auf den Geburtskanal
appliziert unter Verwendung der Hand oder eines sonstigen Hilfsmittels bis zur Entwicklung des kindlichen Kopfes. Das Ziel hierbei ist die möglichst vollständige Bedeckung des Geburtskanals mit dem Gleitgel. Nach der Entwicklung des kindlichen Kopfes kann das Gel auf dem kindlichen Gesicht mit einem Tuch abgewischt und gegebenenfalls die Mund-Nasen-Region zusätzlich abgesaugt werden. Die vollständige Entwicklung des Kindes geschieht idealerweise mit Hilfe eines Tuches, damit das Kind nicht aus den Händen gleitet.
Nach der Geburt des Kindes oder/und nach der Geburt der Plazenta wird der Geburtskanal mit einer wässrigen aseptischen Lösung, bevorzugt mit einer milden wässrigen aseptischen Salzlösung, gespült, damit das Gleitgel aufgelöst wird. Dies kann während oder unabhängig von der Versorgung von Verletzungen des Damms oder des Geburtskanals erfolgen. Gegebenenfalls kann das Gleitgel zusätzlich zur Erleichterung der Geburt der Plazenta oder der manuellen Lösung der Plazenta eingesetzt werden. Bei der Geburtsleitung einer Beckenendlage wird analog und adaptiert vorgegangen.
Weiterhin wird die vorliegende Erfindung durch die nachfolgenden Beispiele erläutert:
Beispiele
A Formulierungsbeispiele
Formulierungsbeispiel 1
Natriumchlorid: 4,95 mg/g
Propylenglycol: 200,00 mg/g
Carbopol® 940: 4,85 mg/g
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 G): 45,00 mg/g
Gereinigtes Wasser: 745,20 mg/g
Formulierungsbeispiel 2
Natriumchlorid: 4,95 mg/g
Natriumhydroxid (5N): 2,00 mg/g
Propylenglycol: 200,00 mg/g
Carbopol® 980 NF: 4,85 mg/g
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 G): 45,00 mg/g
Gereinigtes Wasser: 743,20 mg/g
Formulierungsbeispiel 3
Natriumchlorid: 0,495 % (m/m)
Propylenglycol: 20,0 % (m/m)
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 M): 2,5 % (m/m)
Carbopol 980 NF: 0,485 % (m/m)
Natriumhydroxid (5N) 0,85 % (m/m)
Gereinigtes Wasser: 75,67 % (m/m)
Formulierungsbeispiel 4
Natriumchlorid: 4,95 mg/g
Propylenglycol: 200,00 mg/g
Noveon AA-1 USP Polycarbophil: 4,85 mg/g
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 G): 45,00 mg/g
Gereinigtes Wasser: 745,20 mg/g
Formulierungsbeispiel 5
Natriumchlorid: 4,95 mg/g
Natriumhydroxid (5N): 2,00 mg/g
Propylenglycol: 200,00 mg/g
Noveon AA-1 USP Polycarbophil: 4,85 mg/g
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 G): 45,00 mg/g
Gereinigtes Wasser: 743,20 mg/g
Formulierungsbeispiel 6
Natriumchlorid: 0,495 % (m/m)
Propylenglycol: 20,0 % (m/m)
Hydroxyethylcellulose (Natrosol 250 M): 2,5 % (m/m)
Noveon AA-1 USP Polycarbophil: 4,85 mg/g
Natriumhydroxid (5N) 0,85 % (m/m)
Gereinigtes Wasser: 75,67 % (m/m)
Die Produkte der obigen Beispiele sind klare, geruchsarme, nahezu farblose transparente viskose Gele mit folgenden Eigenschaften: pH-Wert 5,5-6,0
Viskosität: ca. 10-18 Pa s (Rotationsviskosimeter) (Pa-s = Paxs) Dichte: 1 ,032-1 ,042 g/cm3
Leitfähigkeit: 8,0-12,0 mS-crrr1 Brechungsindex nD 20: 1 ,361 (1 ,26-1 ,46) Wasserbindungskapazität: hoch Mucoadhäsivität: hoch
pH-Wert-Bestimmung: Der pH-Wert wird mit einem geeigneten pH-Meter potentiometrisch bestimmt. Zur Messung gelangt dabei eine 10 %ige Lösung des Gels in einer 1,0 %igen KNO3-Lösung.
Viskositätsbestsimmung: Die Viskosität wird mit einem Rotationsviskosimeter bestimmt (Geräte- und Messparameter: Drehzahlreihe N/ Stufe 4/ Sensor SV DIN/ Zeit 60s/ 20 Umdrehungen /min). Alle Messungen erfolgen bei 20 0C.
Dichte: Die Dichtebestimmung erfolgt mittels eines Pyknometers oder mittels eines anderen, ebenso geeigneten Instrumentes. Die Berechnung erfolgt nach der Formel
δ20 -c = m ■ 0,99703 + 0,0012 (g/cm3) δ
M = Masse der zu untersuchenden Flüssigkeiten, gewogen in Luft W = Masse des gleichen Volumens Wasser, gewogen in Luft
Beide Volumina müssen bei 20 0C gemessen werden.
Leitfähigkeit: Die Leitfähigkeit wird mittels Leitfähigkeitsmessgerät nach DIN 61326A1/VDE 0843 Teil 20/A1 ermittelt.
B Herstellungsbeispiel
Herstellung von 10 kg zur Verpackung in 1000 Spritzen a 10 g
Zuerst werden in einem Homogenisator (Tornado ET21) 49,5 g Natriumchlorid vollständig in 500 g Wasser gelöst. Dann werden 48,5 g Polyacrylsäure (Carbopolum® 940) und 2000 g Wasser zugegeben und 5 Minuten unter Rühren gemischt. Darauf wird unter Rühren während 10 Minuten soviel wässrige, 10-prozentige NaOH zugegeben, dass sich ein pH- Wert zwischen 5,5 und 5,6 einstellt. Das so hergestellte Gel (Mischung 1) wird bis zur Verarbeitung bei Raumtemperatur gelagert.
In einem Rührbehälter werden 450 g Hydroxyethylcellulose (Hydroxyethylcellulosum H 300 p) zu 2000 g 1 ,3-Propylenglycol gegeben und suspendiert. 4952 g Wasser werden in einem Homogenisator vorgelegt, die Suspension zugegeben und dann 10 Minuten gemischt und homogenisiert. Die gelartige Mischung (Mischung 2) wird über Nacht (12 Stunden) gelagert. Zu dieser Mischung 2 wird die zuerst hergestellte Mischung 1 gegeben und während 5 Minuten homogenisiert.
Das fertige Gel ist leicht opak und transparent und geruchslos, weist einen pH-Wert von 5,5 bis 6,0 auf. Die Viskosität beträgt 16000 mPas (gemessen mit einem Rotationsviskosimeter der Firma Haake, Modell VT 500, Drehzahlreihe N, Stufe 4, Sensor SV DIN, Zeit 60 s, 20 Umdrehungen/min, bei 20° C).
Das Gel wird in eine sterile Abfüllanlage transferiert und 1000 Spritzen mit 10 g Gel befüllt. Der Ausgang der Spritze wird mit einer Kappe verschlossen, darauf in einer Folie eingeschweißt und dann bei 121 ° C während 15 Minuten zum gebrauchsfertigen Produkt sterilisiert.
C Anwendungsbeispiele
Beispiel 1:
Verwendung von Gleitmittel zur Erleichterung der Eröffnungs- und Austreibungsperiode beim Gebären beim Menschen
In einem Kollektiv von 8 erstgebärenden Frauen wurde ein Gleitgel im Sinne der Erfindung angewendet. Hierzu wurde nicht nur wie üblich das Gleitgel zur vaginalen Untersuchung verwendet, sondern es wurde der Geburtskanal intermittierend mit dem Gleitmittel manuell bedeckt. Die hierfür notwendige Menge Gleitgel war 10 bis 15 mal höher als bei der Verwendung zur vaginalen Untersuchung. In diesem untersuchten Kollektiv konnte festgestellt werden, dass die durchschnittliche Geburtsdauer signifikant kürzer war gegenüber den etablierten Normwerten und dass die Frauen insgesamt leichter vaginal gebärt haben als vergleichbare Erstgebärende ohne der Anwendung eines Gleitmittels. Insgesamt war das Geburtstrauma für Mutter und Kind kleiner. Des Weiteren musste in diesem untersuchten Kollektiv keine vaginaloperative Geburtsbeendigung durchgeführt werden und es wurden keine Geburtskanalverletzungen, wie Vaginalrisse, festgestellt.
Beispiel 2:
Verwendung von Gleitmittel zur Erleichterung der Plazentalösung
In einem Kollektiv von 5 Patientinnen mit postpartaler Plazentaretention wurde zur Erleichterung der manuellen Plazentalösung ein Gleitmittel auf den Arm des Geburtshelfers und den Geburtskanal appliziert. Hierbei zeigte sich, dass die manuelle Plazentalösung einfacher und schneller durchgeführt werden konnte und dass dadurch der Blutverlust reduziert werden konnte.
Biokompatibilitätstest
Testdurchführung
5 Basierend auf nachstehenden Literaturstellen wurde für das erfindungsgemäße Formulierungsbeispiel 2 ein Biokompatibilitätstest durchgeführt:
1. „In Vitro Fertilization and Embryo Transfer" A Manual of Basic o Techniques. Ed.: Wolf, Don P., New York & London: Plenum Press,
Kapitel 5: Mouse Embryo Culture Bioassay, Seiten 57-76, 1988.
2. ISO 10993-12, 2002, Biological Evaluation of Medical Devices - Part 12: Sample Preparation and Reference Materials.
3. ISO/IEC 17025, 2005, General Requirements for the Competence of 5 Testing and Calibration Laboratories.
Im Rahmen dieses Tests wurden Zweizeil-Mausembryonen in Löcher einer Mikrotiterplatte eingebracht, welche eine Negativkontrolle (Minimalmedium (MEM)), den Extrakt einer Positivkontrolle (Latexschlauch) oder einen 0 Extrakt des Formulierungsbeispiels 2 enthielten. Jeder Versuch wurde mit jeweils 10 Embryonen in doppelter Ausführung durchgeführt, wobei die Embryonen für 72 ± 2 Stunden bei einer Temperatur von 37 ± 10C in einem Inkubator gehalten wurden.
5 Ergebnisse
Nach 72 Stunden Exposition wurde für den Extrakt der erfindungsgemäßen Formulierung 2 im Vergleich zur Negativkontrolle keine signifikante Abnahme der Anzahl lebensfähiger Mausembryonen beobachtet, während o die Positivkontrolle eine deutliche Abnahme der Anzahl lebensfähiger Mausembryonen bewirkte. Unter Berücksichtigung dieser Testergebnisse wurde das erfindungsgemäße Formulierungsbeispiel 2 als nicht- embryotoxisch eingestuft.