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Verfahren zur Herstellung haltbarer, gerbend wirkender Lösungen Die
Erfindung :bezieht sich auf die Herstellung gerbend wirkender Lösungen. Lösungen
von Gerbstoffen, Gerbsäuren, gerbstoffhaltigen Pflanzenextrakten oder Verbindungen
derartiger Stoffe zeigen :den Nachteil, daß sie sich in kürzerer oder längerer Zeit
zersetzen, und zwar unter Verfärbung und Bildung fester Abscheidungen. Wie beobachtet
werden konnte, ist diese Zersetzung unabhängig von Licht- und Luftzutritt, da diese
Erscheinung auch im Dunkeln und bei Luftabschluß eintritt. Aber auch chemische Beeinflussung
kann eine derartige Zersetzung nicht ohne weiteres hintanhalten, da z. B. eine essigsaure
Lösung von Gerbsäure in n-Propylalkohol bereits nach wenigen Tagen trüb wird und
im weiteren Verlauf eine dunkelbraune Färbung annimmt. Dabei ist es ohne Belang,
ob viel oder wenig Essigsäure oder andere organische Säuren zugesetzt werden bzw.
welche Alkohole und in welcher Konzentration diese zur Anwendung gelangen. Es wurde
nun überraschenderweise gefunden, daß man zu haltbaren Lösungen von gerbend wirkenden
Stoffen gelangt, wenn man als Lösungsmittel ein Gemisch aus einem Ester, der diesem
Ester entsprechenden organischen Säure und dem entsprechenden Alkohol sowie Wasser
verwendet, welches Gemisch die Bestandteile in dem dem stationären Gleichgewicht
des verwendeten Esters bei der herrschenden Temperatur entsprechenden Mengenverhältnis
enthält. Derartige Gemische müssen daher den durch das Massenwirkungsgesetz gegebenen
Bedingungen entsprechen, und zwar muB das Produkt aus molarer Konzentration der
Säure und molarer Konzentration des Alkohole, gebrochen durch das Produkt aus molarer
Konzentration des Esters und molarer Konzentration des Wafsers, der Estergleichgewichtskonstante
= K gleich oder annähernd gleich sein. Außerdem muß die Summe der Produkte aus molarer
Konzentration und Molekulargewioht jeder
der vier Komponenten des
zur Anwendung gelangenden Lösungsmittelgemisches gleich ioo sein.
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Die bei der Herstellung der erfindungsgemäßen gerbend wirkenden Lösungen
zur Anwendung gelangenden Lösungsmittelgemische werden in nachstehender Weise gewonnen:
Ein z. B. aus Wasser (Molgewicht i8), Essigsäure (Mol;gewicht 6o), Äthylalkohol
(Molgewicht 46) und Essigsäureäthylester (Molgewicht 88) bestehendes derartiges
Gemisch muß nach den obigen Ausführungen dem stationären Gleichgewicht des gewählten
Systems entsprechen:
In dieser Gleichung bedeuten die Angaben (S), (A), (E) und (W) Grammole
Säure, Alkohol, Ester und Wasser in ioo g fertigem Lösungsmittelgemisch. `Fenn das
fertige Gemisch beispielsweise 9 Gewichtsprozent Wasser und 2 Gewichtsprozent Essigsäure
enthalten soll, so gilt nach den obigen Ausführungen folgende Gleichung: Ss.(E)+9+46.(A)±2=ioo.
Aus den beiden Gleichungen lassen sich die für das stationäre Gleichgewicht erforderlichen
Mengen an Alkohol und Ester ohne weiteres berechnen, und zwar ergeben sich 59 Gewichtsprozent
Äthylalkohol und 3o Gewichtsprozent Äthylacetat.
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Zur Herstellung der Lösungsmittelgemische können auch Gemische aus
anderen organischen Säuren sowie Estern derselben mit den entsprechenden Alkoholen
und Wasser Verwendung finden.
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Bei der Zusammensetzung des Lösungsmittelgemisches aus den Komponenten
ist es nicht unbedingt nötig, daß die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes
errechneten Mengen letzterer mit allergrößter Genauigkeit eingehalten werden, wenn
man auch in diesem Falle die besten Erfolge erzielt. In der Praxis kann es in manchen
Fällen genügen, wenn die Konzentration jeder Komponente nahe dem berechneten Wert
liegt, wobei eine Abweichung von einigen Prozenten im Hinblick auf die Haltbarkeit
der Gerbstofflösung oft noch tragbar ist. Je weiter man sich jedoch von dem theoretischen
Wert entfernt, um so unbeständiger werden die hergestellten Gerbstoff lösungen.
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Lösungsmittelgemische der angegebenen Art können erfindungsgemäß sowohl
zur Extraktion von Gerbstoffe enthaltenden Pflanzenteilen oder zur Herstellung von
Lösungen reiner vegetabilischer Gerbstoffe, wie Pflanzenextrakte, z. B. Ouebracho,
Valonea, Catechu, ferner Tannine, Catechine, Ellagene, oder synthetischen Gerbstoffen,
welche eine den vegetabilischen Gerbstoffen ähnliche Struktur aufweisen, `vi,e auf
synthetischem Wege hergestellte Gerbsäuren oder deren Verbindungen, z. B. Verbindungen
der Gallussäure, Ellagsäure oder des Catechins, oder von Verbindungen von Gerbstoffen
der genannten Art, insbesondere Verbindungen mit Borsäure, verwendet werden. Die
erfindungsgemäß erhältlichen Lösungen verändern sich auch bei längerem Stehen nicht
oder nur unwesentlich.
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Ganz besonders günstige Ergebnisse zeigen die Löungen von Gerbstoff-Borsäure-Verbindungen,
da sie nicht nur eine stärkere gerbende Wirkung aufweisen als Lösungen der Ausgangsstoffe,
sondern auch den Vorteil besonderer Haltbarkeit aufweisen.
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Die bisher unbekannten Borsäureverbindungen stellen Komplexverbindungen
dar, die z. B. nach dem Verfahren des Patents 894 892 gewonnen werden können.
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Bei Anwendung der erfindungsgemäßen Lösungsmittelgemische müssen -die
Borsäure-Gerbstoff-Verbindungen nicht in fertigem Zustand vorliegen, sondern können
unmittelbar unter Anwendung der erfindungsgemäßen Lösungsmittelgemi.sche hergestellt
werden. In diesem Falle werden die Komponenten Borsäure und Gerbstoff, ebenso wie
bei Anwendung einfacher Lösungsmittel, in dem Lösungsmittelgemisch gelöst bzw. Gerbstoffe
enthaltende Pflanzenteile mit einem derartigen Lösungsmittelgemisch extrahiert und
auf die Extrakte Borsäure zur Einwirkung gebracht. Es können aber auch ein oder
mehrere Bestandteile eines Lösungsmittelgemisches zur Lösung der Komponenten der
herzustellenden Verbi=ndung bzw. zur Extraktion von Get'bstoffe enthaltenden Pflanzenteilen
verwendet und die fehlenden Bestandteile des Lösungsmittelgemisches unmittelbar
anschließend der erhaltenen Lösung bzw. dem Extrakt zugesetzt werden.
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Wesentlich ist jedoch, daß die Komponenten des Lösungsmittelgemisches
in solchen Mengen anwesend sind, daß Idas stationäre Gleichgewicht garantiert ist.
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Die Gerbstoff-Borsäure-Verbindungen bilden sich bereits bei gewöhnlicher
Temperatur unmittelbar nach dem Zusammenbringen .der Komponenten in Gegenwart des
zur Anwendung gelangenden Lösungsmittelgemisches bzw. von Bestandteilen desselben;
'Erwärmen begünstigt die Reaktion. Die Menge der benötigten Borsäure richtet sich
nach dem zur Anwendung gelangenden Gerbstoff und kann nach !den üblichen Verfahren
der analytischen Chemie ermittelt werden. Die handelsüblichen reinen vegetabilischen
Gerbstoffe benötigen etwa io bis 15 Gewichtsprozent an Borsäure.
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Wenn man Borsäure und einen der genannten Gerbstoffe in einem Lösungsmittel
für beide Komponenten, z. B. Methylalkohol, zusammenbringt und hierauf mit methylalkoholischer
Bariumliydroxydlösung titriert (Zeitschrift zur Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel
sowie der Gebrauchsgegenstände, Heft i, 5. Jg., Springer-Verlag), dann benötigt
man weniger Bariumhydroxyd als die Summe der Komponenten (Gerbstoff und Borsäure)
erwarten ließ. Diese Methode ermöglicht es, auf einfache Weise zu erkennen, ob ein
Lösungsmittel zur Herstellung einer Borsäure-Gerbstoff-Verbindung geeignet ist,
und beweist im besonderen Falle, .daß Borsäure und Gerbstoff tatsächlich eine chemische
Verbindung eingehen.
Außerdem kann man auf diese Weise feststellen,
wi.eviel Borsäure ein bestimmter Gerbstoff zu binden vermag.
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Im nachstehenden wird beispielsweise die Titration an einem technischen
Tannin näher erläutert: i. o,25 g Tannin werden in io cm3 absolutem Methylalkohol
gelöst und mit
-absolut-methylalkoholischer Bariumhydroxydlösung titriert. Als Indikator wird Phe,nolplithalein
verwendet. Der Endpunkt wird durch Tüpfeln ermittelt. Verbrauch an
-Bariumhydroxydlösung: 7,28 cm3.
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2. 0,25 .g Tannin und 0,25 g Borsäure werden
in io cm3 absolutem Methylalkohol gelöst und mit
-absolut-methylalkoliol:ischerBariumhydroxydlösung titriert. Als Indikator wird
Phenolphthalein verwendet. Der Endpunkt wird durch Tüpfeln festgestellt. Verbrauch
an
-Bariumhydroxydlösung: I438 cm3.
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3. 0,25 g Borsäure werden in io cm3 absolutem Methylalkohol
gelöst und mit
-absolut-methylalkoholischer Bariumhydroxydlösung titriert. Als Indikator wird Phenolphthalein
verwendet. Verbrauch an -Bar'iumhydroxydlösung 8,21 cm3, entsprechend
0,2498 g Borsäure, das sind 99,92 Gewichtsprozent der eingewogenen Borsäuremenge.
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Demnach ist der Verbrauch an Bariumhydroxydlösung durch die Borsäure-Tannin-Verbindung
ein geringerer als der Summe aus dem Verbrauch für das « Tannin (7,28 cm3) und für
die Borsäure (8,2I cms) entsprechen würde. Diese Differenz beträgt im obigen Beispiel
i,ii cm3.
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Durch stufenweise Steigerung des Borsäurezusatzes zur methylalkohohschen
Gerbstofflösung, beginnend mit einer zur Bildung der Borsäure-Gerbstoff-Verbindung
unzureichenden Menge bis zu einem Überschuß an ,Borsäure und Eintragung der verbrauchten
Menge an Bariumhydroxydlösung in Kubikzentimeter in ein Koordinatensystem, kann
durch graphische Interpolation die genaue Menge der durch Bildung der Borsäure-Gerbstoff-Verbindung
erforderlichen Borsäuremenge ermittelt werden.
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Ein anderer Weg zur Ermittlung der erforderlichen Borsäuremenge ist
der, daß man den Gerbstoff mit überschüssiger Borsäure in einem der genannten Lösungsmittel
umsetzt, das Lösungsmittel verdampft, den Rückstand vem Borsäureüberschuß durch
Umkristallisieren befreit und .dann durch Elementaranalyse den Borsäuregehalt der
Doppelverbindung feststellt. Beim Umkristallisieren, z. 1B. mit Essigester, kristallisiert
zuerst die freie Borsäure aus, während sich die Borsäure-Gerbstoff-Verbindung im
Rückstand anreichert.
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Den erfindungsgemäß erhältlichen gerbend wirkenden Lösungen oder den
zu deren Herstellung dienenden Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen oder einzelnen
Bestandteilen der letzteren können verschiedenartige, gegenüber den zur Anwendung
gelangenden Lösungsmitteln bzw. den sonstigen Bestandteilen der Lösungen indifferente
und in diesen oder in den zur Herstellung derselben dienernden Lösungsmitteln lösliche
Stoffe zugesetzt «-erden. Als derartige Stoffe kommen z. B. organische Säuren, :Alkohole,
Ester od. dgl., die auf Grund ihres hohen Molekulargewichtes bzw. ihrer Reaktionsträgheit
bei, gewöhnlicher Temperatur keine Neigung zur Veresterung zeigen, in Betracht.
In gleicher Weise können auch den aus z. B. nach dem Verfahren des eingangs genannten
Patents gewonnenen @Gerbstoff -Borsäure-Verlbindungen hergestellten Lösungen Stoffe
der angegebenen Art zugesetzt werden. Ein Zusatz solcher Stoffe beeinflußt die sonstige
Zusammensetzung der Lösungen bzw. Lösungsmittelgemische nicht. :Ulan kann daher
z. B. höhere Fettsäuren, wie Laurinsäure, höhere aliphatische Alkohole, wie Myricylalkohol,
natürliche oder künstliche Wachse, wie Bienenwachs od. dgl., den Lösungen bzw. den
Lösungsmitteln hinzufügen. Bei Anwendung von Lösungsmittelgemischen, beispielsweise
eines Gemisches, das aus Äthylalkohol, Äthylacetat, Essigäure und Wasser in der
erforderlichen Gleichgewichtskonzentration entsprechendem Mengenverhältnis besteht,
können ohne weiteres iStoffe der genannten Art zugesetzt werden, ohne befürchten
zu müssen, daß durch diese Zusätze ein solches Lösungsmittelgemisch für die Herstellung
einer haltbaren Gerbstofllösung weniger geeignet wäre. Als besonders zweckmäßig
hat sich der Zusatz solcher Stoffe erwiesen, die für sich eine spezifische Wirkung
aufweisen, wie z. B. weichmachende, wasserdichtmachende, färbende, bakteri,-ziele,
insektizide oder insektifuge Stoffe oder Gemische solcher Stoffe, sofern sie den
vorher genannten Bedingungen entsprechen.
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Auf diese Weise können Lösungen hergestellt werden, die entweder selbst
gegen Infektion, Fäulnis od. dgl. geschützt sind, oder aber Lösungen, die auf die
damit zu behandelnden Materialien nicht nur gerbend wirken, sondern diesen auch
noch gleichzeitig andere Eigenschaften, wie Geschmeidigkeit, erhöhte Wasserfestigkeit,
Widerstandsfähigkeit gegen Infektion oder Insektenbefall, Farbeffekte od. dgl.,
verleihen.
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Zweckmäßig werden derartige Lösungen, vorzugsweise kurz vor ihrer
Verwendung, durch Zusatz von Säuren, wie Ameisensäure, Essigsäure, Propionsäure
oder deren Derivate, in :Mengen biss zu i5°/o auf einen für den beabsichtigten Verwendungszweck
geeigneten Säuregehalt eingestellt.
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Ferner kann man in den erfindungsgemäß unter Anwendung von Lösungsmittelgemischen
der oben angegebenen Art hergestellten Lösungen durch Beimengung von inerten Lösungsmitteln,
die keinen Einfluß auf die Konzentrationen im Sinne des Miassenwirk ungsgesetzes
ausüben, die Konzentration der Komponenten der Lösungsmittelgemische durch eine
reine Verdünnung herabsetzen.
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Will man beispielsweise eine Gerbstofflösung herstellen, die in 1
1 Lösung o,2 Mol Äthylacetat,
o,i Mol Essigsäure und i Mol Äthylalkohol
enthält, dann berechnet man zuerst nach dem Massenwirkungsgesetz die für das stationäre
Gleichgewicht notwendige Wassermenge = 2 Mol. Wenn man demnach o,2 Mol Äthylacetat,
o,i Mol Essigsäure, i Mol Äthylalkohol und 2 Mol Wasser mischt und in dieses Gemisch
die gewünschte Menge an Gerbstoff bzw. einer Gerbstoffverbindung oder den Bestandteilen
derselben einträgt und z. B. mit Aceton als inertem Lösungsmittel auf
11 verdünnt, dann erhält man eine haltbare Lösung der gewünschten Konzentration.
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Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhältlichen, gerbend wirkenden
Lösungen können nicht nur bestimmungsgemäß zum Gerben tierischer Häute, insbesondere
zur Herstellung feiner, lichter Ledersorten, sondern beispielsweise auch zur äußerlichen
Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers bei durch Pilz- bzw. Bakterienarten
hervorgerufenen, z. B. unter der Bezeichnung Mykosen bekannten Krankheitserscheinungen
dienen. Die Behandlung erkrankter Körperstellen mit den erfindungsgemäßen Lösungen
führt in verhältnismäßig kurzer Zeit zur Abheilung; außerdem sind auf diese Weise
behandelte Stellen der Haut Neuinfektionen nicht oder nur sehr schwer zugänglich.