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Flammschutzmittel Man hat bereits zahlreiche Mittel vorgeschlagen,
um die Entflammbarkeit von brennbaren Stoffen, z. B. von cellulosehaltigen Stoff
en, wie Holz, Papier oder Textilstoffen, zu beseitigen. Soweit diese Mittel in die
Stoffe, z. B. in die Cellulosefaser, eindringen, wie dies besonders bei Papier und
Textilstoffen der Fall ist, greifen sie diese an und vermindern ihre Festigkeit.
Diese Faserschädigung wird meistens, beispielsweise bei Verwendung von Ammoniumphosphaten
oder Ammoniumsulfat, durch sehr geringe Mengen abgespaltener Säure bewirkt. Andere,
weniger wirksame Flammschutzsalze, wie Natriumstannat oder Natriumwolframst, wirken
infolge ihrer alkalischen Eigenschaften schädigend auf die Faser ein und verändern
oft die Farbe der mit diesen Salzen behandelten Stoffe in unerwünschter Weise. Besonders
stark macht sich die Faserschädigung durch abgespaltene Säuren oder Alkalien bei
erhöhter Temperatur bemerkbar, weshalb man bei Stoffen, die höheren Temperaturen
ausgesetzt werden, seither häufig gezwungen war, von einer Flammschutzbehandlung
überhaupt abzusehen. Beispielsweise kann die Festigkeit eines mit Diamoniumphosphat
oder Ammoniumsulfat imprägnierten Arbeitsanzuges schon nach
kurzer
Benutzung in einer Metallgießerei so stark verringert werden, daß er bei der geringsten
mechanischen Beanspruchung zerfällt.
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Es wurde nun gefunden, daß Sulfamid (SO, (H N,),)
ein
ausgezeichnetes Flammschutzmittel ist, das den geschilderten Nachteil nicht besitzt.
Die mit ihm imprägnierten Stoffe sind hinsichtlich Flammsicherheit den mit sulfaminsauren
Salzen imprägnierten Stoff en gleichwertig, übertreffen aber auch diese in der Reißfestigkeit
erheblich. Das Sulfamid schädigt selbst bei einer Tempratur von ioo' die Faserfestigkeit
nicht, was besonders für Textilstoffe, die höheren Temperaturen ausgesetzt sind,
wichtig ist. Auch für die Flammschutzbehandlung von wertvollen oder unersetzlichen
Gegenständen, die durch Jahrhunderte erhalten bleiben sollen, ist das Sulfamid infolge
seiner vorteilhaften Eigenschaften geeignet.
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Das Behandeln der zu schützenden Stoffe mit Sulfamid kann in beliebiger
Weise, beispielsweise durch Tauschen in Lösungen des Sulfamids in Wasser oder organischen
Lösungsmitteln, wie Methylalkohol oder Aceton, oder durch Spritzen erfolgen. Um
die Benetzung zu erleichtern, kann man den Sulfamidlösungen geringe Mengen von kapillarwirksamen
Verbindungen, z. B. von alkylierten oder aralkylierten Naphthalinsulfonsäuren oder
Fettalkoholschwefelsäureestern, zusetzen. Die Anwendung von nicht wässerigen Lösungsmitteln
kann in manchen Fällen, beispielsweise beim Behandeln von Geweben, die mit Metalleff
ektfäden durchwirkt sind, oder von elektrischen Leitungsdrähten, die mit Textilfäden
umsponnen sind, von besonderem Vorteil sein. Man verwendet etwa io bis 2o
0/, des Gewichtes der zu imprägnierenden Stoffe an Sulfamid; jedoch können
nach dem gewünschten Grad der Flammfestigkeit und der Art der Stoff e auch größere
oder kleinere Mengen Sulfamid verwendet werden.
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Man kann das Sulfamid auch zusammen mit anderen Flammschutzmitteln
anwenden, ohne daß sich eine störende Faserschädigung bemerkbar macht.
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Die günstige Wirkung des Sulfamids im Vergleich zu anderen Flammschutzmitteln
geht aus der folgenden Zusammenstellung hervor, welche die Reißfestigkeiten in Reißkilometern
angibt. Man imprägniert ioo
g Baumwollgarn Nr. 40 Mit 20
g
Flammschutzmittel
und läßt das imprägnierte Garn bei ioo' lagern. jeder der angegebenen Werte ist
der Durchschnittswert aus io Zerreißversucben.
Angewendetes Reißfestigkeit in Reißkilometern |
Flammschutzmittel nach nach nach |
1 8 Std 24 Std 32 Std |
(Unbehandelt) ........ 16,5 15,5 15,0 |
Sulfamid ............. 16,8 16,o 1515 |
Ammoniumsulfamat ... 11,5 8,5 7,2 |
Diammoniumphosphat. 11,5 7195 6,2 |
Ammoniumsulfat ..... 11,0 7,6 6,o |
Das nicht mit Flammschutzmittel und das mit Sulfamid behandelte Baumwollgarn bleiben
auch nach 32stündigem Lagern bei ioo' vollkommen weiß und äußerlich unverändert,
während die mit Ammoniumsulfamat, Diammoniumphosphat und Ammoniumsulfat behandelten
Garne braun und mürbe werden. Aus obigen Zahlenwerten ergibt sich, daß das Sulfamid
die Festigkeit des Baumwollgarnes sogar noch etwas erhöht, während die zum Vergleich
herangezogenen Flammschutzmittel eine beträchtliche Festigkeitsabnahme bewirken.
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Außer der günstigen Wirkung auf die Faserfestigkeit besitzt das Sulfamid
noch den Vorzug, den Griff der mit diesem Flammschutzmittel behandelten Textilstoffe
nicht zu verändern und sich auf oder in den Fasern so fest zu verankern, daß kein
Abstäuben eintritt. Der bewirkte Flammschutz ist ausgezeichnet. Beispiel i Ein Kesselanzug
aus Blauleinen, der i kg wiegt, wird einige Minuten lang in eine 200/,ige
wässerige Sulfamidlösung eingetaucht und gut durchgewrungen. Dann wird er so weit
ausgepreßt, daß sein Gewicht etwa 2 kg beträgt. Nach dem Trocknen ist sein
Aussehen unverändert. Der Anzug ist flammsicher geworden und erleidet, auch wenn
er in sehr heißen Arbeitsräumen, beispielsweise in der Nähe von Kesselfeuerungen,
getragen wird, keine merkliche Verminderung seiner mechanischen Festigkeit.
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In gleicher Weise kann man auch andere Textilstoffe behandeln. Auch
Holz, Papier oder Pappe können in entsprechender M'eise flammsicher imprägniert
werden.
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Beispiel 2 io qm weißes Seidenpapier werden auf einer Papierfärbemaschine
mit einer wässrigen Imprägnierflotte behandelt, die 2o 0/, Sulfamid und
0,3 ()/, Papiergelb 3 G (B) (Schultz, Farbstofftabellen,
7. Aufl., Bd. 1 [19311, Nr. 724) enthält. Der Abquetschdruck der Gummiwalzen
wird so eingestellt, daß ioo g Papier 20 g Festsubstanz aus der Imprägnierflotte
aufnehmen. Man erhält ein gelbes, sehr flammsicheres Papier.
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Ersetzt man den erwähnten Farbstoff durch Fuchsin la (Schultz, Farbstofftabellen,
7. Aufl., Bd. 1 [19311 Nr. 780), so erhält man ein flammsicheres,
rotgefärbtes Papier. Auch mit anderen, für das Färben von Papier geeigneten Farbstoffen
kann man in gleicher Weise gleichzeitig färben und flammsicher machen, da ein Ausflocken
der Farbstoffe eintritt.