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Verfahren zur Gehaltsbestimmung chemischer Lösungen
Die Gehaltsbestimmung
chemischer Lösungen wurde bisher zum großen Teil durch an sich hekannte chemische
Titrationsverfahren durchgeführt, wobei man nach Zusatz von einem oder mehreren
Indikatoren zu der zu untersuchenden Probelösung aus einer Bürette tropfenweise
von einer eingestellten, sog. Normallösung so lange zugafr bis die Reaktion einen
bestimmten Wert, z. B. den Neutralpunkt, erreicht hatte, was sich durch den timschlag
des Indikators anzeigte. Aus der Anzahl der verbrauchten ccm ließ sich dann der
Gehalt der Probelösung berechnen. Als Beispiele seien einmal die Titration einer
alkalischen Lösung mit einer eingestellten Lösung einer Säure oder umgekehrt nach
Zusatz von Phenolphthalein oder Methylorange als Indikator, zum anderen die Titration
einer Jodlösung mit einer eingestellten Natriumthiosulfatlösung nach Zusatz von
Stärkelösung als Indikator angegeben.
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Da es nun in vielen Fällen nicht erforderlich ist, den genauen Gehalt
einer chemischen Lösung zu kennen, sondern da es vielfach genügt, daß ein gewisser
Grenzwert nicht unter- oder überschritten wird, wurde das neue, vereinfachte Verfahren
entwickelt, bei dem nicht mehr wie bisher durch tropfenweise, sondern durch Zugabe
der eingestellten Lösungen in einer einzigen Portion festgestellt wird, ob ein gewisser
Grenzwert erreicht bzw. über schritten wird oder nicht. Bei der Ausführung des bverfahrens
bedient man sich zweckmäßig einer Normallösung, welche vor der Zugabe mit einem
oder mehreren Indikatoren versetzt wurde, ohne daß letzteres jedoch unbedingt erforderlich
ist.
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Zur näheren Erläuterung sollen aus der Vielzahl der möglichen Anwendungen
des Verfahrens in der Praxis zwei Spezialfälle für die Untersuchung von Kesselwasser,
und zwar unter Verwendung der im vorstehenden Abschnitt erwähnten indikatorhaltigen
Normallösungen,
als Beispiele herausgegriffen werden.
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Beispiel l Zum Schutze von Dampfkesseln gegen Korrosionen soll das
Kesselwasser stets eine in gewissen Grenzen liegende Alkalität haben. Diese soll,
um erstere zu vermeiden, einmal nicht zu niedrig, zum anderen aber auch nicht zu
hoch sein. Um nun stets einen praktischen Vergleich zu haben, wurde die sog. Alkalitätszahl
eingeführt, die für die verschiedenen Arten von Dampfkesseln verschieden hoch liegt
und ständig gemessen werden soll.
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Nach den bisher bekannten Verfahren wurde nun, um die Alkalität von
Kesselwasser zu messen, im allgemeinen eine bestimmte Menge, meist loo ccm, nach
Zusatz von Phenolphthaleinlösung als Indikator mit einer eingestellten Säurelösung,
meist 1/io normaler Salzsäure, titriert, und aus der Anzahl der verbrauchten Kubikzentimeter
an Säure der sog.
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P-Wert ermittelt. Aus diesem ergab sich durch Multiplikation mit 40
die Alkalitätszahl.
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Da es nun in der Praxis kaum interessieren dürfte, wie hoch die tatsächliche
Alkalitätszahl liegt, es ist für den praktischen Betrieb eines Kessels ohne Belang,
ob der Wert nun z. B. genau bei 275 oder liei 320 liegt, wurde unter Zugrundelegung
vorstehenden Titrationsverfahrens nachstehende Ausführungsform entwickelt, bei der
nur festgestellt wird, ob die Alkalitätszahl zwischen bzw. unter oder über einem
geforderten unteren und oberen Grenzwert liegt. Das Verfahren, das im Grunde genommen
gleichfalls eine Titration darstellt, zeichnet sich durch besondere Einfachheit
aus. Gefordert werde z.R., daß die Alkalitätszahl des Kesselwassers zwischen 200
und 400 liegen soll.
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In einem zweckmäßigerweise mit mehreren. vorliegend jedoch nur mit
drei Marken versehenen Reagenzglas, Zylinder 0. dgl. wird bis zur untersten Marke,
die beispielsweise bei 20 ccm liegen möge, atlas auf seine Alkalität zu prüfende
Kesselwasser eingefüllt. Alsdann gibt man bis zur zweiten Marke eine eingestellte,
indikatorhaltige Säurelösung (als Beispiel diene Salzsäure mit Phenolphthaleiii
als Indikator) zu und schüttelt um. Die zweite Marke ist so angebracht. daß die
zugegebene Säuremenge gerade. soviel des in dem Kesselwasser enthaltenen alkalis
neutralisiert, als der unteren Grenze der gewünschten Alkalitätszahl entspricht.
Enthält das Kesselwasser weniger Alkali, als dieser unteren Grenze (im Beispiel
unter 200) entspricht, so wird der Indikator, da ein Überschuß an Säure vorhanden
ist, nicht ansprechen, ist die Alkalität jedoch hoch genug (im Beispiel über 200),
so tritt, da jetzt alkali im Überschuß vorhanden ist, ein Umschlag des Indikators
(im Beispiel eine Rosa- hzw. Rotfärbung) ein, wodurch angezeigt wird, daß die Alkalität
hoch genug ist. Alsdann füllt man mit der gleichen, eingestellten, indikatorhaltigen
Säurelösung bis zur dritten Marke auf und schüttelt abermals um. Die dritte Marke
ist nun so angebracht, daß die zugegehene Säuremenge gerade soviel alkali neutralisiert,
als erforderlich ist, um jetzt die obere Grenze der Alkalitätszahl zu erreichen.
Liegt die Alkalitätszahl innerhalb der geforderten Grenzen (im Beispiel zwischen
200 und 400), so muß jetzt, da alles Alkali durch den Säurezusatz neutralisiert
ist. wieder ein Umschlag des Indikators (bei Phenolphthalein nach farblos) eintreten,
der anzeigt, daß die Alkalität jetzt unter dem oberen Grenzwert liegt. Ist die .Älkalitätszahl
zu hoch (im Beispiel über Aoo), so l>leiht infolge des Alkaliüberschusses die
Färbung bestellen. Will man in besonderen Fällen z. 13. auch noch Zwischeiiwerte
oder höhere Grenzwerte, z. B. .Nllkalitätszahl 500, feststellen, so können weitere
Marken angebracht werden. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens besteht darin.
daß die Alkalitätszahl nicht erst aus dem P-Wert berechnet werden muß, sondern sich
direkt ergiht. e i 5 p e 1 Um zu verhindern, daß der Salzgehalt von Kesselwasser
zu hoch steigt, wodurch Schäumen der Kessel oder evtl. gleichfalls Korrosionen eintr-rten
können. ist eine ständige Kontrolle desselbell erforderlich, wobei allerdings im
allgeineiuei' nicht der Salzgehalt selber, sondern der Chloridgellalt des Kesselwassers
gemessen wird.
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Nach den bisher hekanllten Verfahren wurde nun. um den Chloridgehalt
des Kesselwassers zu messeii, entweder eine bestimmte Menge desselben zunächst nach
Zusatz von PhenolphthaleinIösung mit verdünnter Salpetersäure neutralisiert und
dann nach weiterem Zusatz von Kaliumchromntlösung als Indikator mit einer eingestellten
Silbernitratlösung bis zum Farbumschlag titriert, oder aber das Kesselwasser wurde
nach Zusatz von l>henolphthaleinlösung mit Salpetersäure angesäuert dann mit
einem Uberschuß von eingestellter Silhernitratlösung versetzt und nach weiterem
Zusatz einer Ferrisalzlösung mit einer eingestellten Rhodan idlösung bis zur Rosafärbung
zurücktitriert.
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Auch hier interessiert es in der praxis kaum, wie hoch der tatsächliche
Chloridgehalt ist, wichtig ist nur, daß im Kesselbetrieb der Gehalt einen bestimmten
Wert, der für die verschiedenen Kesselarten verschieden hoch liegt, nicht überschreitet.
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Um nun nach dem neuen Verfahren zu bestimmen, ob dieser Grenzwert,
z. B. 4250 mg Chlorids4, nicht überschritten wird, verfährt man wie folgt: In ein
Meßgas, wie bereits in Beispiel I heschrieben, füllt man wieder bis zur ersten Marke
das zu prüfende Kesselwasser. Alsdann gibt man bis zur zweiten Marke eine eingestellte.
saure, ferrisalzhaltige (evtl. auch noch phenolphthaleinhaltige) Silbernitratlösung
und bis zur dritten Marke eine eingestellte Rhodanidlösung zu, wol>ei es theoretisch
gleichgültig ist, ob das Ferrisalz (als Indikator) bereits in der eingestellten,
bereits Säure (und evtl.
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Indikator) enthaltenden Silhernitratlösung oder in der eingestellten
Rhodanidlösung enthalten ist. Die Lösungen müssen so berechnet sein, daß in der
zugesetzten Portion einmal ein Überschuß an Säure sowohl zum Neutralisieren des
im Kesselwasser enthaltenen Alkalis als auch zum Ansäuern vor-
handen
ist, zum anderen genau die Menge an Silbernitrat darin enthalten ist. als dem gewünschten
Grenzwert an Chlorid im Kesselwasser plus der durch das Rhodanid verbrauchten Menge
entspricht. ist nun der Chloridgehalt im Kesselwasser höher als der Grenzwert, auf
den die Silbernitratlösung eingestellt ist, so wird hierdurch mehr Silbernitrat
verbraucht und, da die Rhodanidlösung, mit der praktisch ja eine Rücktitration erfolgt,
gleichfalls in einer einzigen Portion zugegeben wurde, verbleibt ein Überschuß an
Rhodanid, der nunmehr sofort eine Rosa- oder Rotfärbung mit dem Ferrisalz ergibt.
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Erwähnt werden mag noch, daß besonclere Fehler, die z. B. durch das
Verdampfen von Wasser bei der Entnahme aus Dampfkesseln ohne Kühler entstehen, bei
der Berechnung der Meßgläser gleich ausgeglichen werden können.
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Vorstehend sind nur zwei Beispiele angegeben, wie durch das neue
Verfahren der portionsweisen Zugabe der eingestellten Lösungen unter Festlegung
bestimmter Grenzwerte einmal eine gewöhnliche Titration, dann aber auch eine Rücktitration
vereinfacht werden können. Das Verfahren läßt sich in fast allen Fällen anwenden,
bei denen bisher eine Lösung tropfenweise titriert wurde (Alkalimetrie, Jodometrie,
Oxydimetrie, Fällungsanalyse usw.). bei denen aber die Feststellung des Erreichens
oder Überschreitens von Grenzwerten genügt. Als weitere Beispiele für die Praxis
seien noch kurz erwähnt: Bestimmung von Säurelösungen, Sodalösungen, Laugen, Bleichlaugen,
ferner der Härte in Kessel-und Speisewasser usw.
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Die Konzentration der eingestellten Lösungen kann beliebig gewählt
werden, nur müssen die Meßgläser dementsprechend genau berechnet und eingeteilt
sein. Da sich der Abstand der Marken in jeder Weise variieren läßt, ist die Anfertigung
von Meßgläsern für alle Grenzwerte und Zwecke möglich, und zwar nicht nur für einen,
sondern auch für mehrere Grenzwerte.
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Die vorstehend geschilderten Messungen lassen sich natürlich auch
mit gewöhnlichen Normallösungen unter gesondertem Zusatz von Indikatoren durchführen.