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Verfahren zur Gewinnung wertvoller Gerbstoffe Es ist bekannt, daß
Umsetzungsprodukte von Harnstoff und Formaldehyd eine gerbende Wirkung besitzen.
Die mit solchen Produkten hergestellten Leder entsprechen aber nicht immer allen
Anforderungen, die man an gutes Leder stellen mu8. Sie sind meist flach und leer
und haben oft einen harten Griff, der auch durch gründliche Fettung nicht beseitigt
werden kann. Andererseits besitzen die Harnstoff-Formaldehyd-Kondensationsprodukte
gegenüber den auf Sulfosäurebasis aufgebauten, stark sauren synthetischen Gerbstoffen
eine Reihe von Vorteilen: Sie sind frei von Sulfogruppen, gerben auch in neutraler
bzw. schwach alkalischer Flotte und lassen sich mittels sog. Härter, z. B. saurer
Ammonsalze oder Harnstoffsalze, vollkommen wasserunlöslich auf der Faser fixieren
und völlig unauswaschbar machen.
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Um die noch bestehenden Nachteile solcher Harnstoffharzgerbstoffe
zu beseitigen, wurde bereits vorgeschlagen, diese mit Fettsäuren, Oxyfettsäuren
oder Fettsäureestern, z. B. Tran, zu kondensieren oder kombiniert zur Anwendung
zu bringen, wodurch man Leder jeden Weichheitsgrades und guter Fülle erhält. Solche
Gerbstoffe sind aber im allgemeinen wasserunlöslich und müssen entweder emulgiert
angewandt oder bei etwas erhöhter Temperatur in geschmolzenem Zustande mit wenig
Wasser in die nassen Blößen eingewalkt werden.
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Es wurde nun gefunden, da;ß man, weichgerbende, in Wasser gut lösliche
Gerbstoffe erhält, wenn man
Harnstoff oder Harnstoffderivate oder
andere Aminogruppen enthaltende Verbindungen, die mit Aldehyden kondensierbar sind,
für sich oder in Mischung mit aromatischen Oxyverbindungen, Oxy- oder Dioxybenzolen
oder Mischungen dieser mit organischen Säuren oder Oxysäuren, die im Molekül nicht
mehr als 12C-Atome aufweisen, insbesondere zwei- oder mehrbasischen organischen
Säuren, oder mit mehrbasischen, eiweißfällenden anorganischen Säuren, oder den Anhydriden
dieser Säuren zur Umsetzung bringt und danach die Umsetzungsprodukte mit Aldehyden
kondensiert. Als geeignete Säuren kommen aliphatische oder aromatische Carbonsäuren
oder ihre Säureanhydride, oder mehrbasische anorganische Säuren oder Säureanhydride,
z. B. Phthalsäure, Phthalsäureanhydrid, Salicylsäure, Bernsteinsäure, Buttersäure,
Essigsäureanhydrid, Adipinsäure, Orthophosphorsäure, Borsäureanhydrid u. dgl., in
Frage.
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Als andere Aminogruppen enthaltende Verbindungen, die auch zusätzlich
zu Harnstoff oder Harnstoffderivaten verwendet werden können, seien aliphatische,
aromatische und hydroaromatische Mono-, Di- und Polyamine und -amide, ferner auch
Oxyamine und Aminosäuren sowie Cyanamide erwähnt. Beispielsweise seien genannt:
Hexylamin, Äthanolamin, Hexamethylendiamin, Anilin, Phenylendiamin, Oxäthylanilin,
Hexamethylentetramin, Laurinsäureamid, Glykocoll und Sarkosin. Bei der Kondensation
kombiniert man die beiden Komponenten zweckmäßig so, daß einer der beiden Reaktionsteilnehmer
noch wenigstens eine umsetzungsfähige Gruppe mehr als der andere Reaktionsteilnehmer
enthält, wodurch die nachfolgende Umsetzung mit dem Formaldehyd bzw. der Hautsubstanz
erleichtert wird. An Stelle von Formaldehyd können auch andere Aldehyde, z. B. Acetaldehyd
und insbesondere auch Glyoxal, verwendet werden.
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Um in flüssiger Form haltbare Gerbstoffe zu gewinnen, hat es sich
als besonders vorteilhaft erwiesen, zunächst den Harnstoff oder die anderen Aminogruppen
enthaltenden Verbindungen mit den Carbonsäuren allein umzusetzen, dann das jeweils
erhaltene Produkt in einer wäßrigen Lösung eines Vorkondensationsproduktes aus einemAldehyd
und einer damit kondensierbaren Verbindung zu lösen und hernach gegebenenfalls unter
Zusatz weiterer Mengen Aldehyds weiterzukondensieren.
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Die in den nachstehenden Beispielen angegebenen Teile sind Gewichtsteile.
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Beispiel i 65 Teile Harnstoff werden in etwa 3oo Teilen wasserfreiem
Aceton gelöst, worauf man i5o Teile I'hthalsäureanhydrid zusetzt und das Ganze unter
Rühren am Rückflußkühler auf 6o bis 8o° 2 Stunden erhitzt.
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Nach dem Abdestillieren des Acetons wird dieses Produkt mit 12o bis
i5oTeilen 3o°/oigem Formaldehyd versetzt, mit Soda neutralisiert und noch 4 bis
5 Stunden auf dem Wasserbad unter Rühren erwärmt. Es entsteht unter Wasseraustritt
ein dickflüssiges bis zähes oder fast festes Harz, das sich in Wasser milchig löst
und gute Gerbwirkung besitzt.
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Ein ähnliches Produkt erhält man, wenn man ohne Zusatz von Lösungsmitteln
molekulare Mengen von Phthalsäureanhydrid und Harnstoff zusammenschmilzt, bis eine
klare Schmelze entsteht, das Schmelzprodukt sodann noch etwa 5 bis 6 Stunden auf
9o bis ioo° hält und nach dem Abkühlen mit wäßrigem Formaldehyd bei 6o bis 8o° behandelt.
Das im Schmelzfluß erhaltene Umsetzungsprodukt von Phthalsäureanhydrid und Harnstoff
ist weniger einheitlich als das über ein wasserfreies Lösungsmittel, wie Aceton,
erhaltene Produkt, doch ist die Gerbwirkung mindestens gleich gut. Statt mit Soda
kann man auch mit Ammoniak oder Ammoncarbonat neutralisieren, wodurch man eine weitere,
mit Formaldehyd umsetzbare Gruppe in das Molekül bringt. Auch diese Produkte sind
gute Gerbstoffe. Man kann auch 2 Mol Harnstoff mit i Mol Phthalsäureanhydrid kondensieren
und dann wie oben weiterbehandeln.
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Beispiel e Man stellt aus 6o Teilen Harnstoff, 15 Teilen Äthanolamin
und 25o Teilen 30 gewichtsprozentiger Formaldehydlösung ein Kondensationsprodukt
durch Rühren und 3- bis 4stündiges Erhitzen auf 8o bis 95° her.
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In Zoo Teilen dieser Lösung werden ioo Teile des nach Beispiel i,
Absatz i, erhaltenen Kondensationsproduktes aus Harnstoff und Phthalsäureanhydrid
gelöst, worauf man mit Soda neutralisiert und dann mit weiteren i2o Teilen Formaldehyd
unter Rühren 5 bis 6 Stunden auf 7o bis 9o° erhitzt. Es entsteht eine zähflüssige,
klare, hellgelbe Harzlösung, die in allen Verhältnissen mit Wasser mischbar ist
und eine sehr gute Gerbwirkung aufweist.
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Das in Absatz i beschriebene Vorprodukt kann auch ersetzt werden durch
Zoo Teile eines durch Kondensation von Harnstoff mit Butandiol gewonnenen urethanartigen
Produkts, das mit i5o Teilen 3o°/oigen Formaldehyds umgesetzt wurde.
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Beispiel 3 i 5o Teile Phthalsäureanhydrid und 95 Teile frischdestilliertes
Anilin werden in Zoo Teilen Aceton unter Rühren auf dem Wasserbad gelöst, worauf
man in die Lösung noch 65 Teile Harnstoff gibt und mehrere Stunden unter Rühren
auf 6o bis 8o° erwärmt. Das entstandene Umsetzungsprodukt wird in 45o Teilen eines
wäßrigen Kondensationsproduktes aus i Mol Harnstoff, 0,3 MOI Athanolamin (oder Diäthylentriamin)
und 3,5 Mol Formaldehyd gelöst und auf dem Wagserbad in 5 Stunden unter Rühren und
Neutralisieren mit Soda auskondensiert. Es entsteht eine klare, gelblichbraune Lösung
von hoher Gerbwirkung.
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Ein ähnliches Produkt mit besonders guter Füllwirkung wird erhalten,
wenn man die Hälfte des Anilins durch Phenol oder Kresol ersetzt, mit Ätznatron
neutralisiert bis zum PH 8 bis 9 und das
entstandene Kondensationsprodukt
in einer Harzlösung aus 6o Teilen Harnstoff, 12 Teilen Aceton, 15 Teilen Äthanolamin
oder Diäthylentriamin und 25o Teilen Formaldehyd weiterkondensiert.
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Beispiel 4 8o Teile Orthophosphorsäure und i2o Teile Harnstoff werden
zusammen verschmolzen, die Schmelze noch 4 bis 6 Stunden bei ioo° gehalten und neutralisiert.
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Eine Harzlösung aus 6o Teilen Harnstoff, 25 Teilen Phenol, 29 Teilen
Aceton, 15 Teilen Äthanolamin, 55o Teilen 3o%igem Formaldehyd sowie io Teilen Ätznatron
wird einige Stunden auf So bis 70° gehalten, worauf man das gemäß Absatz i erhaltene
Kondensationsprodukt darin löst und weitere 5 Stunden bei 7o bis 8o° auskondensiert.
Statt Orthophosphorsäure kann man auch Borsäure oder deren Anhydrid verwenden.
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Beispiels 6o Teile Bernsteinsäure und 6o Teile Harnstoff werden bei
120 bis 13o° miteinander verschmolzen, worauf man das Schmelzprodukt noch 5 bis
6 Stunden bei ioo° hält. Das,Umsetzungsprodukt wird dann in 3oo Teilen 3o%iger wäßriger
Formaldehydlösung gelöst, mit 4o Teilen konzentrierter wäßriger Ammoniaklösung versetzt
und fertigkondensiert. Es entsteht eine klare, hellgelbe, viskose, in allen Verhältnissen
mit Wasser mischbare Gerblösung, die vollkommen weiße, zügige und weiche Leder liefert.
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Die Anwendung der Gerbstoffe ist sehr einfach. Man bringt z. B. die
Blöße, die vorher gepickelt sein kann, mit oder ohne Salzzusatz in ein Walkfaß mit
So bis 200% Wasser (berechnet auf das Blößungsgewicht) und gibt dann die in üblicher
Weise mit Wasser verdünnte Gerbstofflösung in Anteilen von z. B. 5'10 in das laufende
Walkfaß in Abständen von 2 bis 4 Stunden, später in kleineren Abständen, in einem
PH-Bereich zwischen 6 und B. Man läßt etwa 12 Stunden laufen, läßt über Nacht in
der Brühe, am anderen Tag beendigt man die Gerbung, fettet eventuell und stellt
mit Ameisensäure auf PH 5 bis 6. Der Gerbstoffverbrauch liegt zwischen 15 und 30%.
Die Leder kommen dann noch 24 Stunden auf den Bock. Man kann auch anschließend fetten,
dann spülen, ausrecken, langsam trocknen und bis zur Färbung auf Lagerlegen.
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Die Leder lassen sich sehr leicht wieder aufwalken und auch leicht
färben, da der Gerbstoff zu den meisten Farbstoffen Affinität besitzt. Die Schrumpfungstemperatur
der Leder liegt je nach der Gerbstoffzusammensetzung zwischen 8o und 95°. Die Reißfestigkeit
ist gut bis sehr gut. Gerbstoffe, die auf aliphätischen oder aromatischen Dicarbonsäuren
oder Phosphorsäuren und aliphatischen Diaminen oder Harnstoffen aufgebaut sind,
geben rein weiße und vollkommen lichtechte Leder; solche, die noch aromatische Ringe
mit Oxy- oder Aminogruppen enthalten, gerben weiß bis gelblichbraun und sind etwas
weniger lichtbeständig.