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Verfahren zur Extraktion von Montanwachs aus grubenfeuchter Braunkohle
Die bisher gebräuchlichen Methoden zur Gewinnung von Montanwachs aus Braunkohle
gingen von der Verwendung von mehr oder weniger vorgetrockneter Kohle aus. Man war
der Meinung, daß im wesentlichen wasserunlösliche Lösungsmittel in das feuchtigkeitserfüllte
Kapillarsystem der Kohle nur sehr langsam eindringen könne und somit die Extraktion
zu lange Zeii benötigen bzw. nur mit ungenügender Ausbeute verlaufen würde. Die
für die bisher üblichen Verfahren benutzten oder vorgeschlagenen Apparaturen waren
zudem so kostspielig, daß man bestrebt war, durch Trocknung der Kohle vor der Extraktion
das notwendige Apparatevolumen zu verringern.
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Die Trocknung der Kohle vor der Extraktion brachte jedoch zwei Nachteile
mit sich, die den angestrebten Nutzen der Trocknung mehr als aufheben.
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Erstens wird durch die bei keiner Trocknungsmethode voll zu beherrschende
Wärmeeinwirkung stets ein Teil der hochmolekularen, bituminösen Stoffe polymerisiert
und dadurch schwerer löslich.
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Es ist bekannt, daß getrocknete Kohle auch bei der analytischen Bestimmung
des Bitumengehaltes, auf wasserfreie Substanz bezogen, einen um i bis I,5 % niedrigeren
Bitumengehalt ergibt als die grubenfeuchte Kohle und daß die Höhe dieser Einbuße
an benzollöslicher Substanz von der Dauer und Temperatur der Wärmeeinwirkung bei
der Trocknung direkt abhängig ist. Dabei ist natürlich die Trocknung nicht mit einem
Verlust an bituminöser Substanz verbunden, also kann die Schmälerung der Extraktausbeute
nur auf das Unlöslichwerden von bituminöser Substanz zurückgeführt werden.
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Zweitens hält die extrahierte Kohle in ihrem nun wasserarmen Kapillarsystem
beträchtliche Mengen von Lösungsmitteln absorptiv gebunden hartnäckig
zurück.
Diese Lösungsmittelmengen entziehen sich infolgedessen zum Großteil der Wiedergewinnung
durch Ausblasen des extrahierten Gutes mit Wasserdampf.
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Es ist bekannt, daß das in der extrahierten Kohle zurückbleibende
Lösungsmittel durch die üblichen Wiedergewinnungsverfahren nur sehr schwer und stets
unvollständig aus der Kohle ausgetrieben werden kann. Da der Wasserdampf bei den
üblichen geringen Drücken nicht die Möglichkeit hat in das Kapillarsystem der Kohle
tiefer einzudringen, kann eine wirksame Spülwirkung nicht eintreten. Reste, besonders
der höhersiedenden Anteile des Lösungsmittels, werden also auch bei langdauernder
Behandlung der Kohle mit strömendem Wasserdampf in den Kapillaren zurückbleiben.
Die extrahierte Kohle weist daher stets einen mehr oder weniger starken Geruch nach
Lösungsmittel auf, und es ist auch analytisch leicht möglich, die Lösungsmittelreste
quantitativ zu erfassen. Die Lösungsmittelverluste sind daher bei der Kohleextraktion
stets beträchtlich höher als bei der Extraktion anderer Stoffe. Auch bei stundenlanger
Einwirkung strömenden Wasserdampfes bei Temperaturen, die beträchtlich höher liegen
als der Siedepunkt des Lösungsmittels, betragen die in der Kohle zurückbleibenden
Lösungsmittelreste immer zwischen 0,5
und i,5o/o der Kohlesubstanz.
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Es ist verständlich, daß diese hartnäckig zurückgehaltenen Lösungsmittelmengen
um so größer sind, je größer die relative Größe des einzelnen Kohlekornes, d. ~h.
je geringer die relative äußere Oberfläche ist. Verfahren, die fein zerkleinerte
oder staubförmige Kohle verarbeiten, werden also mit einem geringeren Lösungsmittelverbrauch
arbeiten als solche, die grobkörnige Kohlen extrahieren.
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Das vorgeschlagene Verfahren vermeidet die erwähnten Nachteile der
Extraktion feuchter Kohle und die der Extraktion getrockneter Kohle. Nach dem vorgeschlagenen
Verfahren wird die grubenfeuchte Kohle so aufbereitet, daß unter möglichster Vermeidung
eines zu hohen Anteiles an feinstem Staub Kohle unter i mm Korngröße anfällt. Die
so aufbereitete Kohle wird nun in einer geeigneten Apparatur üblicher Bauart im
Gegenstrom mit dem Lösungsmittel kontinuierlich oder diskontinuierlich extrahiert,
wobei die relative Geschwindigkeit des Lösungsmittels so gehalten wird, daß die
Menge der in der Flüssigkeit aufschwimmenden und in Suspension mitgeführten Kohleteilchen
so klein bleibt, daß eine Abtrennung durch Filtration oder eine andere Trennmethode
wirtschaftlich möglich ist. Im allgemeinen wird das der Fall sein, wenn der Extrakt
nicht mehr als io% Kohle in Suspension enthält. Es werden also nur solche Lösungsmittel
in Frage kommen, die der Kohle gegenüber eine geringe Oberflächen- (Adhäsions-)
Spannung und demnach eine hohe Benetzbarkeit aufweisen, wie z. B. Benzolkohlenwasserstoffe,
niedrigmolekulare Alkohole und Ketone u. dgl. Es ist verständlich, daß dasLösungsmittel
in das wassererfüllte Kapillarsystem der Kohle nur langsam eindringen kann und daß
daher die Lösungsbedingungen bei feuchter Kohle in dieser Hinsicht ungünstiger sein
werden als bei getrockneter Kohle. Es leuchtet auch ein, daß diese ungünstigen Faktoren
bei größeren Kohlekörnern stärker zum Ausdruck kommen als bei kleineren. Je kleiner
das Kohlekorn ist, um so mehr werden sich die Unterschiede zwischen feuchter und
trockener Kohle verwischen. Schließlich wird der Punkt erreicht, wo die unter sonst
gleichen Extraktionsbedingungen erzielten Ausbeuten aus feuchter Kohle höher sind
als die aus getrockneter Kohle, da nunmehr die negative Wirkung der Polymerisation
von Wachssubstanz unter der Wärmeeinwirkung bei der Trocknung zu überwiegen beginnt.
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Wenn ein Exträktionsverfahren zur Anwendung gelangt, das die Verarbeitung
so feingemahlener Kohle erlaubt, daß die unter sonst gleichen Extraktionsbedingungen
erzielte Ausbeute aus feuchter Kohle besser ist als aus getrockneter, dann ist die
Überlegenheit der Extraktion feuchter Kohle erwiesen.
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Die Korngröße, bei der die bessere Ausbeute atis feuchter Kohle deutlich
wird, ist bei verschiedenen Ko'hlesorten verschieden. Im allgemeinen gilt aber diese
Tatsache bei Korngrößen unter i mm für alle Arten bitumenhaltiger Braunkohle.
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Jedes Extraktionsverfahren muß, wie bereits kurz erwähnt, um wirtschaftlich
zu sein, auf eine möglichst vollständige Rückgewinnung des angewandtenLösungsmittels
hinarbeiten. Dies ist beider Rückgewinnung des Lösungsmittels aus dem Extrakt verhältnismäßig
einfach, ungleich schwieriger aber bei der Rückgewinnung des Lösungsmittels aus
der ausgelaugten festen Trägersubstanz, da hier bedeutende kapillare Absorptions-
und Adhäsionskräfte überwunden werden müssen und auch der notwendigen fortgesetzten
Störung des Dampfflüssigkeitsgleichgewichtes Hindernisse technischer Art entgegenstehen.
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Bei den bekannten Extraktionsverfahren geschieht die Rückgewinnung
des Lösungsmittels aus dem extrahierten Gut durch die Einwirkung von meist in Form
von strömendem Wasserdampf direkt oder indirekt zugeführter Wärme. Dabei hat 'der
direkt zugeführte Wasserdampf noch die Aufgabe, die Lösungsmitteldämpfe stetig von
der Oberfläche des extrahierten Gutes wegzuspülen und so das Verdampfungsgleichgewicht
fortgesetzt zu stören. Dadurch soll die Nachverdampfung des in das Kapillargefüge
des extrahierten Gutes eingedrungenen Lösungsmittels gefördert werden.
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Bei dem hier beschriebenen Verfahren wird 'die Kohle zwecks Austreibung
der Lösungsmittelreste ebenfalls unter der Einwirkung von direktem und indirektem
Dampf erhitzt. Der Vorgang der Austreibung des Lösungsmittels verläuft jedoch unter
ganz anderen Verhältnissen. Durch Erwärmung des Gutes auf Temperaturen, die eine
ausreichende Verdampfung von kapillar gebundenem Wasser gewährleisten, wird sich
im Innern der Kohlekörnchen eine Art Wasserdampfdestillation vollziehen. Durch den
aus dem Kapillarsystem ausströmenden Wasserdampf wird nicht nur das Verdampfungs-
Bleichgewicht,
sondern auch das Adsorptionsgleichgewicht an der inneren und äußeren Oberfläche
der Kohle fortgesetzt gestört, dadurch auch die letzten Reste von Lösungsmitteln
aus der Kohle herausgespült.
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Versuche haben gezeigt, daß schon ein geringes Antrocknen der extrahierten
Kohle genügt, um alles Lösungsmittel auszutreiben, so daß keine analytisch nachweisbaren
Lösungsmittelmengen zurückbleiben, ja daß selbst stark riechende Lösungsmittel auch
durch Geruch nicht mehr nachgewiesen werden können.
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Die Vorteile der Extraktion grubenfeuchter Kohle werden also noch
durch eine beträchtliche Verminderung der Lösungsmittelverluste verstärkt.