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Verfahren zum Vorrecken von Verbundfreileitungsseilen Die Seile von
Freileitungen werden sehr oft dadurch zerstört, daß sie durch Wind in Schwingungen
geraten. Zerstörungen werden dadurch hervorgerufen, daß die Seile gleichzeitig der
Einwirkung statischer Zugbeanspruchungen und dynamischer Schwingungsbeanspruchungen
ausgesetzt werden. Die Zerstörung eines Verbundseiles erfolgt derart,' daß die Drähte
des im Verhältnis höher beanspruchten Werkstoffes zuerst brechen. Dies ist daraur
zurückzuführen, daß bei Verbundseilen die statische und die dynamische Festigkeit
der beiden verwendeten Werkstoffe in gleicher Größe praktisch nicht ausgenutzt werden
können.
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Man hat verschiedene Mittel vorgeschlagen, um die Nachteile der Zerstörung
beim Schwingen der Seile zu vermeiden. So suchte man das Schwingen der Seile überhaupt
zu verhindern oder auf ein nicht gefährdendes Maß herabzusetzen, 'man hat aber auch
schon versucht, die Zerstörung der Seile selbst bei hohen Schwingungen unmöglich
zu machen. Die bisher bekannten Vorschläge haben wohl teilweise Erfolg gehabt; sie
verursachen aber durchweg hohe zusätzliche Kosten entweder durch Verlegungsarten,
die besonders geschultes Personal erfordern, oder durch Anwendung besonders gestalteter
Klemmen, durch zusätzliche sonstige Einrichtung u. dgl. Bei den bekannten schwingungsfreien
Seilen ist es im übrigen auch ein Nachteil, daß der Reibungsschluß zwischen dem
Seelenseil und dem umgebenden Mantelseil praktisch vollkommen aufgehoben ist. Ein
Fehler in einem Draht eines der Einzelseile ,viril daher nur von den wenigen Drähten
des Einzelseiles selbst ausgeglichen und kann sich somit wegen der geringeren Sicherheit
des Teil-' Seiles erheblicher auswirken.
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Es ist ferner bekannt, Verbundfreileitungsseile durch eine Vorbelastung
vorzurecken. Dabei handelt es sich meist nur um die Beseitigung von Nebenerscheinungen
beim Herstellen des Seiles; durch den Seilreck sollen sich die einzelnen Drähte
des Seiles enger aneinanderlegen. Demgegenüber hat man auch bereits vorgeschlagen,
den einen Leiterteil so vorzurecken, daß er eine bleibende Verformung erfährt. So
ist es bekanntgeworden, beim Herstellen eines Kabels, dessen Traglitzen und die
Seele der Kupferlitzen aus Stahldraht bestehen, die Stahldrähte lang zu verseilen
und danach zu recken, um diese gereckten Stahldrähte
solche aus
Kupfer lang zu schlagen und diese Litzen zusammen mit den Traglitzen zti verseilen,
die zunächst für sich lang verseilt und danach gereckt worden sind. Bei diesem lind
allen sonstigen bekannten Verfahren des Vorreckens handelt es sich darum, schon
beim Herstellen des Verbundleiterseiles ein Vorrecken durchzuführen. Das erschwert
naturgemäß die Anfertigung des Seiles, vor allem aber ist es dabei selbstverständlich
nicht möglich, auf alle im tatsächlichen Betrieb des Verbundleiterseiles auftretenden
zusätzlichen Beanspruchungen (besondere Gefahren von seiten des Winddruckes, zu
erwartender starker Eisbildung usw.) Rücksicht zu nehmen, zumal das Seil gegebenenfalls
über Hunderte von Kilometern zu führen ist und dabei durch Streckenabschnitte läuft,
in denen ganz verschiedene Betriebsbelastungen auftreten können.
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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Vorrecken von Verbundfreileitungsseilen
aus U'erkstofien verschiedener Dehnung, bei dem der Werkstoff mit der größeren bleibenden
Dehnung eine bleibende Verformung erfährt. Das Verbundseil kann entweder aus Stahl
und Aluminium oder Stahl und einer Aluminiumlegierung oder Stahl und Kupfer, Bronze
und Kupfer u. dgl. bestehen. Es ist für den Erfindungsgegenstand ferner gleichgültig,
ob die Seile aus verschiedenen Baustoffen verdrillt sind oder ob beispielsweise
um einen Kerndraht oder ein Seil aus Stahl profilierte Aluminiumdrähte gelegt sind.
?Nach der Erfindung wird vorgeschlagen, vor oder nach dem endgültigen Verlegen des
Seiles, das also in üblicher Weise hergestellt worden ist, dieses durch Zug vorzubeanspruchen,
dessen Höhe, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Temperaturverhältnisse,
derart bemessen ist, daß der aus dem Werkstoff mit der höheren bleibenden Dehnung
bestehende Teil des Verbundfreileitungsseiles eine bleibende Verformung erfährt,
die größer ist als die im normalen Betrieb auftretenden Dehnungen. Im Gegensatz
zu den bekannten Verfahren handelt es sich demnach bei demjenigen nach der Erfindung
darum, das Verbundfrefleitungsseil nicht irgendwie oder beliebig vorzubeanspruchen,
sondern durch Berechnung im voraus festzulegen, welches die beispielsweise nur in
bestimmten Streckenabschnitten auftretenden betriebsmäßigen Beanspruchungen sind
und danach den Zug bei der Vorbelastung festzulegen. Bei diesen Berechnungen des
Vorbelastungszuges spielt selbstverständlich die Art des Werkstoffes die hauptsächliche
Rolle, doch sind die besonders gearteten örtlichen Temperaturverhältnisse in verschiedener
Weise zu berücksichtigen. Beispielsweise wird bei einem Stahl-Aluminium-Seil die
spezifische Belastung des Aluminiums mit abnehmender Temperatur rascher eine höhere
als beim Stahl, und ebenso erfolgt eine Herabminderung der spezifischen Beanspruchung
bei Temperaturerhöhungen im aluminiumseil schneller als im Stahlseil. Diese Verbältnisse
sind dem Leitungsbauer bekannt; sie werden beispielsweise auch bei der Errechnung
des Durchhangs berücksichtigt und müssen gegebenenfalls auch bei der Errechnung
des Vorbelastungszuges in Rechnung gesetzt «-erden.
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Die Überlegungen, die zu der Erfindung geführt haben, sind folgende:
Die statische und die dynamische Beanspruchung des Seiles im Betrieb darf eine gewisse
resultierende Grüße nicht überschreiten. Von den beiden auftreten-; den Beanspruchungen
liegt nur die Bestimmung der statischen Beanspruchung im freien F r-I messen
des Leitungsbauers, dagegen hängen die dvnamischen Beanspruchungen zum größten Teil
von örtlichen Verhältnissen ab. Es muß deshalb danach gestrebt werden, die statische
Beanspruchung so gering zu wählen, daß auch bei auftretenden höheren dynamischen
Beanspruchungen die zulässige resultierende Höchstgrenze nicht überschritten wird.
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Wird das Verbundseil nach der Erfindung vor dem endgültigen Verlegen
in der angegebenen Weise durch Zug vorbeansprucht, so liegt die Beanspruchung des
einen Werkstoffes innerhalb seines elastischen Bereiches, während die des anderen
Werkstoffes über seinen elastischen Bereich bereits hinausgegangen ist. Die Folge
ist, daß beim Zurückgehen auf die normale Seilbeanspruchung der eine Werkstoff (derjenige
mit der geringerer' bleibenden Dehnung) elastisch zurückgeht, während der andere
eine bleibende Verformung aufweist. Durch diese bleibende Verformung des einen Werkstoffes
wird nunmehr bei normaler Betriebsbeanspruchung erreicht, daß die Teilspannungen
verlagert werden; es wird der Werkstoff mit der höheren bleibenden Dehnung statisch
entlastet, der andere Werkstoff zusätzlich belastet. Dies bedeutet aber eine Herabsetzung
der Schwingungsgefährdung und zugleich eine gleichmäßigere Ausnutzung der Festigkeiten
der beiden Werkstoffe.
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Im Gegensatz zu bereits bekannten schwingungsfreien Seilen wird bei
diesem Verlegungsverfahren der Reibungsschluß zwischen Kernseil und Mantelseil nie
vollkommen aufgehoben. Es tritt wohl bei höheren Temperaturen eine erhebliche Verminderung
des Reibungsschlusses zwischen den beiden Seilteilen ein. Dieser Umstand ist jedoch
bei höheren Temperaturen ungefährlich, da dann an sich der Gesamtzug im Seil gering
ist. Bei Absinken der Temperatur tritt jedoch wieder ein genügender Reibungsschluß
zwischen den Einzelseilen ein; im Hinblick auf die bei sinkender Temperatur steigende
Seilbeanspruchung ist dies von Wichtigkeit, da ein Fehler in einem Einzeldraht
durch
die Gesamtheit der übrigen Drähte leicht ausgeglichen werden kann.
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Ein besonderer Vorteil des Verfahrens nach der Erfindung ist der,
daß es bei fabrikationsmäßig normal hergestellten Seilen ohne jede Schwierigkeit
angewandt werden kann; es können aber auch bereits verlegte Seile nachträglich der
Behandlung unterworfen werden. Irgendwelche Sondereinrichtungen, Armaturen, sonstige
zusätzliche Hilfsmittel sind nicht erforderlich. Bei bereits mit Klemmen verlegten
Seilen erreicht man bei der Ausführung des Verfahrens nach der Erfindung außerdem
eine Gewähr für einwandfreies Seil und gute Klernmenmontage.
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Das Verfahren ist aber auch anwendbar, wenn Drähte zwar desselben
Werkstoffes, aber verschiedener technischer Eigenschaften, wie Festigkeit, Dehnung
usw., im Seil vereinigt werden.