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Verfahren zur Polymerisation von fetten Ölen Fette Öle in polymerisiertem
Zustande sind für technische Zwecke mitunter wertvoller als in ihrer ursprünglichen
Form. Solange sie noch flüssig oder in organischen Lösungsmitteln löslich sind,
wächst mit der Molekulargröße auch das P.orenfüllungsvermögen. Man hat sich daher
nicht damit begnügt, durch Kochen oder Blasen Standöle .oder geblasene Öle darzustellen,
sondern unterwarf diese noch einer weiteren Veredelung durch Behandlung mit Schwefelverbindungen,
vor allein Schwefelchlorür. Geht die Polymerisation bis zur Entstehung fester oder
unlöslicher Produkte, so werden im Linoxyn, den unter Verwendung von Schwefel oder
Schwefelverbindungen hergestellten Faktisarten und ähnlichen Erzeugnissen technisch
in anderer Richtung wertvolle Stoffe .gewonnen.
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Es ist bereits bekannt, durch Einwirkung von Schwefeldioxyd auf fette
Öle einen Polymerisationsprozeß durchzuführen. So führten H. J. Waterman und C.
van Vlodrop das Leinöl bei 29o° in Standöl über (vgl. Journal of the Society of
Chemical Industry, 1936, Seite 333T.). Hierzu sind eine hohe Temperatur und eine
verhältnismäßig lange Einwirkungsdauer notwendig. Gegenstand vorliegenden Verfahrens
ist nun die Einwirkung von Schwefeldioxyd auf bereits. z. B. durch Blasen, Kochen
und Schwefeln vorpolymerisierte fette Öle. Hier läuft der weitere Polymerisationsgang
unter Bedingungen .ab, bei denen die ursprünglichen fetten Öle überhaupt nicht beeinflußt
werden. So kann man z. B. Zimmertemperaturen und normalen Druck verwenden. Je nach
dem Versuchsmaterial und der Versuchsdauer .entstehen flüssige und hochviscose oder
auch feste und elastische .-Erzeugnisse. Der Prozeß kann mit oder ohne Lösungsmittel.
durchgeführt werden. Das Enderzeugnis ist frei von Schwefel, unlöslich in Wasser
und hat auch keine hydrophilen
Eigenschaften. Die Verwendung des
Enderzeugnisses richtet sich nach seiner Beschaffenheit. So sind die noch löslichen
Polymerisate zu Anstrichzwecken brauchbar, während die höheren Polymerisationsstufen
beispielsweise als Linoxyn oder Faktis benutzt werden können. Bei der Linoleumherstellung
wird das Verfahren in sinngemäßer Abänderung angewandt. Beispiel i In dünngeblasenes
Leinöl (nachstehend Leinöl I genannt), das eine Viscosität von 167o cp zeigte, leitete
man bei 8o° gasförmiges Schwefeldioxyd ein. Auf i kg Öl kommen je Minute etwa o,5
bis 11 SO- Bei guter Verteilung und langsamem Passieren des Gasstromes kann die
Menge des SO2 noch wesentlich herabgesetzt werden. Sofort setzt eine Verdickung
ein. Nach 15 Minuten unterbricht man die Reaktion und entfernt gelöstes Schwefeldioxyd
mit Hilfe von Luft oder einem indifferenten Gasstrom. Bei Messung der Viscosität
sofort nach Beendigung des Versuchs erhält man 7250 cp, nasch einigem Stehen
steigt der Wert bis 12 150.
Dieses Erzeugnis, das auch in zweistufigem Verfahren
durch Zusatz von unbehandeltem Ausgangsmaterial in besonders haltbarer Farm hergestellt
werden kann, liefert, gelöst in Lackbenzin, gut trocknende Anstriche, .deren größeres
Porenfüllungsvermögen eine Ersparnis bedingt.
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Das gleiche geblasene Leinöl I, in der gleichen Menge Lackbenzin gelöst,
zeigt eine Viscosität von 44 cp. Leitet man bei. Zimmertemperatur 15 Minuten Schwefeldioxyd
ein, so steigt die Viscosität zunächst auf 16¢ cp, nach einigem Lagern auf 33o.
Diese Lösung liefert gut trocknende Anstriche. Die Lösung ist besonders haltbar
und dickt nicht nach. wenn man sie mit der gleichen Menge nicht mit SO. behandeltem
Öl versetzt.
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Behandelt man zum Vergleich unverändertes Leinöl mit Schwefeldioxyd
in bisher bekannter Weise, so zeigte sich bei 8o° überhaupt keine Viscositätssteigerung.
Dies steht in Übereinstimmung nut einem Versuch, bei dem Schwefeldioxyd als Bleichmittel
erprobt, werden sollte (Seifensieder-Zeitung, 1912, S. i i io). Dabei zeigt sich
erst nach zwei Monaten eine Viscositätserhöhung; indessen hatte sich das Öl dunkelbraun
verfärbt. Wird aber-Leinöl nach dem vorliegenden Verfahren verarbeitet, so tritt
keine Verschlechterung der Farbe ein. tTm den Vorteil der Vorpolymerisation gegenüber
der Behandlung mit Schwefeldioxyd unter Druck zu kennzeichnen, sei folgender Versuch
angeführt: Ein durch vorheriges Blasen mit Luft sich mit Schwefeldioxyd leicht polymerisierendes
Sojaöl wurde vergleichsweise mit Schwefeldioxyd inf Autoklaven auf 30o° erhitzt,
und zwar in Anlehnung an das Verfahren der französischen Patentschrift 82q.650 und
Angaben des Journal of the Society of Chemical Industry, 1936, S. 333T. Die Viscosität
des erhaltenen Produktes erwies sich als etwa halb so groß als diejenige des nach
vorliegendem Verfahren erhaltenen Öles. Die Farbe des Öles hat sich deutlich verschlechtert.
Es gelang auch nicht, durch Einwirkung von gasförmigem Schwefeldioxyd unter Druck
auf unveränderte Öle feste, elastische Stoffe zu erhalten. Schließlich scheidet
bei nicht vorbehandelten Ölen die Polymerisation in Lö= sang aus.
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Bei der Prüfung anderer Gase auf Beförderung der Polymerisation wurde
überraschenderweise gefunden, daß gasförmiges Ammoniak wie schweflige Säure tvirkt.
Dieses Ergebnis soll unter Verwendung des vorher beschriebenen ;geblasenen Leinöls
geschildert werden.
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Beispiel Das geblasene Leinöl I behandelte man bei 8o° mit ,gasförmigem
Ammoniak. Auf i oo Teile Leinöl kamen je Minute etwa 5o bis ioo Volumteile Gas.
Nach 30 Minuten stieg die Viscosität auf 7150C1) an, um beim Stehen
noch zuzunehmen. Wurde das Gas unter 5 Atm. Druck zur Einwirkung gebracht, so entstand
eine hochviscose, gallertartige Masse, die :aber in Lackbenzin gerade noch löslich
war. Verwendet man als Ausgangsmaterial das geblasene Leinöl I in Lösung, so steigt
die Viscosität auf etwa den dreifachen Betrag. Die Polymerisation verläuft also
etwas langsamer als bei der Verwendung von Schtvefeldioxyd. Beispiel 3 Ein stak
geblasenes Leinöl (Leinöl II), das eine Viscosität von rund 23 00o cp hatte, wurde
beim Einleiten von SO. (die Mengenverhältnisse entsprechen den mit
dem Leinöl I durchgeführten Versuchen) bei Zimmertemperatur in 2o Minuten gallertartig.
Wandte man das Gas unter einem Überdruck von 2 Atm. an, so entstand eine bröcklige,
elastische Masse, dem Schwefelgummi ähnlich. Auch hier zeigte sich gasförmiges Ammoniak
von gleichartiger Wirkung. Bei Zimmertemperatur und normalem Druck wurde das geblasene
Leinöl. 1I gallertartig. bei 5 Atm: fest und elastisch..
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Wie geblasene öle verhalten sich auch Standöle. Es muß bei diesen,
wenn in Lösung gearbeitet wird, darauf geachtet werden, darr die Polymerisate, sei
es sofort, sei es bei längerem Stehen, nicht ausfallen. Daß auch geschwefelte Öle
in der beschriebenen
Weise stärker polymerisiert werden können,
sei am Beispiel eines faktisierten Perillaöls erwähnt. .
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Beispiel q.
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iooTeile Perillaöl wurde in der gleichen Menge Lackbenzin mit 3 Teilen
Schwefelchlorür behandelt, bis die Lösung eine Viscosität von etwa 300 cp
hatte. Leitete man nun 15 Minuten lang in diese Lösung gasförmiges Ammoniak ein,
und zwar derart, daß pro Minute etwa das gleiche Volumen Gas die Flüssigkeit passierte,
so stieg dio Viscosität der Lösung so, stark an, daß man die gleiche Menge Lösungsmittel
hinzugeben maßte, um wieder die ursprüngliche Viscosität zu erhalten. Während bei
dein Ausgangsmaterial ein Anstrichmittel erhalten wurde, das gleiche Teile fettes
Öl und Lösungsmittel enthält, kamen bei dem mit Ammoniak be,-hande7.ten Produkt
,auf i Teil fettes Öl 3 Teile Lösungsmittel. Daneben hat das Ammoniak den Vorzug,
das geringe Mengen Säuren enthaltende geschwefelte Öl völlig zu entsäuern. Mit Sikkativen
versetzt, zeigen derartige Anstriche .ein ,gutes Trocknungsvermögen.
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Aus Sojaöl, Tranen usw. hergestellte geblasene @ Öle, Standöle oder
geschwefelte Öle zeigten ein gleiches Verhalten. Die chemischen oder physikalischen
Vorgänge, die derartigen Polymerisationsprozessen zugrunde liegen, sind schwer zu
deuten. Chemische Verbindungen des Schwefels oder Stickstoffs liegen im Endprodukt
jedoch nicht vor. Wie schon erwähnt, bedeuten beide Arten der Herstellung von Polymerisaten
einen tech nischen Fortschritt. Es werden ölsparende, in Wasser unlösliche Anstrichmittel,
halogenfreie, elastische Massen und Linoxyne verschiedener Verwendungsfähigkeit
gewonnen. Welches Polymerisationsmittel zur Anwendung kommt und ob man mit oder
ohne Lösungsmittel arbeitet, ist eine Frage des jeweiligen Arbeitszieles. Wenn die
Umsetzung bei Gegenwart empfindlicher Stoffe erfolgen soll, z. B. bei Geweben, die
mit geblasenen Ölen getränkt sind, wird man das indifferente Ammoniak wählen. Es
werden dann die in geeigneter Weise präparierten Stoffe in Kammern eingehängt, die
gasförmiges Ammoniak enthalten. Bei widerstandsfähige-nun Material, oder wenn das
Gas durch geeignete Behandlung wieder restlos entfernt werden kann, nimmt man gasförmiges
Schwefeldioxyd.