-
Die vorliegende Erfindung bezieht
sich insbesondere auf die Strukturgensequenz des Peptidantibiotikums
Mersacidin. Die Sequenzierung zeigte, das Prämersacidin aus einer unüblich langen
48 Aminosäure-Leader-Sequenz
und einem 20 Aminosäure-Propeptidteil besteht,
welcher während
der Biosynthese zum reifen Lantibiotikum modifziert wird.
-
Mersacidin gehört zu einer Gruppe von bakteriziden
Peptiden, welche als Lantibiotika bezeichnet wurde, zur Kennzeichnung,
daß diese
Peptide die seltenen Aminosäuren
Lanthionin und/oder 3-Methyllanthionin enthalten. Zusätzliche
modifizierte Aminosäuren,
wie Dehydroalanin und Dehydrobutyrin treten regelmäßig auf,
wogegen S-Aminovinylcystein und Lysinoalanin nur in einigen Lantibiotika
gefunden werden (G. Jung (1991), Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 30:
1051–1068).
Lantibiotika werden von Grampositiven Bakterien produziert und aus
ribosomal synthetisierten Präpeptiden
hergeleitet. Die lantibiotischen Strukturgene finden sich entweder
auf dem bakteriellen Chromosom (z. B. Subtilin und Synamycin) oder
mit bewegbaren Elementen wie Transposonen (z. B. Nisin) oder großen Plasmiden
(z. B. Epidermin und Pep5) assoziiert. Die Präpeptide bestehen aus einer
N-terminalen Leader-Sequenz,
welche nach dem Export aus der Zelle des Herstellers abgespalten
wird, und dem C-terminalen Propeptid, welches posttranslational
zum reifen Lantibiotikum modifiziert wird (G. Jung (1991), oben).
In einem ersten Modifizierungsschritt werden Serin- und Threoninreste
dehydratisiert, um Dehydroalanin (Dha) beziehungsweise Dehydrobutyrin
(Dhb) zu erhalten (H.-P. Weil et al. (1990), Eur. J. Biochem. 194:
217–223).
Darauffolgend reagieren die SH-Gruppen der Cysteinreste mit den Doppelbindungen
von Dha- oder Dhb-Resten, um die Lanthionine bzw. Methyllanthionine
auszubilden.
-
Mersacidin wurde aus dem Kulturüberstand
von Bacillus spec. HIL Y-85,54728 isoliert und wurde zum Gegenstand
des Interesses aufgrund seiner signifikanten in vivo-Effizienz gegenüber Methicillin-resistentem Staphylococcus
aureus (MRSA) (S. Chatterjee et al. (1992), J. Antibiotics 45: 839–845). Es
ist das kleinste bislang isolierte Lantibiotikum (1825 Da), synthetisiert
aus einem Propeptid von 20 Aminosäuren und es enthält 3 Methyllanthioninreste,
ein Dehydroalanin und ein S-Aminovinyl-2-methylcystein (1A) (S- Chatterjee (1992), J. Antibiotics
45: 832–838).
Mersacidin trägt
keine Nettoladung und besitzt insgesamt hydrophobe Eigenschaften.
Jüngere
Ergebnisse weisen darauf hin, daß Mersacidin die Peptidoglycanbiosynthese
behindert. Dies erfolgt am wahrscheinlichsten auf der Ebene der
Transglycosylierung über
einen Mechanismus, welcher sich von denjenigen der Antibiotika unterscheidet,
die gegenwärtig
gegen MRSA verwendet werden.
-
Die vorliegende Erfindung bezieht
sich daher auf Prämersacidin
mit der in 2 gezeigten
Aminosäuresequenz
von Aminosäure
Nr. 1 bis 68 und Promersacidin mit der Aminosäuresequenz, wie sie in 2 gezeigt ist, von Aminosäure Nr.
49 bis 68.
-
Eine weitere Ausführungsform der vorliegenden
Erfindung sind DNAs, welche für
Prämersacidin
codieren, insbesondere DNAs mit der Nucleotidsequenz, wie sie in 2 von Nr. 22 bis 225 gezeigt
ist, welche für
Prämersacidin
codiert, ein Vektor, welcher die genannte DNA enthält, und
eine Wirtszelle, welche den genannten Vektor enthält.
-
Eine weitere Ausführungsform ist ein Verfahren
zur Herstellung von Prämersacidin,
Promersacidin oder reifem Mersacidin durch gentechnologische Verfahren,
die allgemein einem Fachmann auf dem Gebiet bekannt sind, d. h.
eine geeignete Wirtszelle, welche die genannten für Prämersacidin
codierenden DNAs enthält,
wird unter geeigneten Bedingungen kultiviert, gefolgt von der Isolation
von Prämersacidin,
welches von der genannten Wirtszelle, vorzugsweise einem Gram-positiven
Bakterium, wie Bacillus, Streptomyces oder Streptococcus exprimiert
wird.
-
Schließlich können das Prämersacidinpeptid oder die Gene
erfindungsgemäß zur Herstellung
von reifem Mersacidin verwendet werden, wie es beispielsweise in
WO 90/00558 beschrieben ist.
-
Beispielsweise ist reifes Mersacidin
als Peptidantibiotikum für
die Konservierung von Nahrungsmitteln, insbesondere gegen Methicillin-resistentem
Staphylococcus aureus, oder als Antibiotikum zur Behandlung von Infektionen
mit Staphylococcus aureus bei Tieren oder Menschen nützlich.
Die Erfindung kann ferner verwendet werden, um in der Aminosäuresequenz
modifizierte Mersacidinderivate mit einem erweiteren antibiotischen
Spektrum oder einer unterschiedlichen Effizienz zu erhalten. Darüber hinaus
eröffnet
die Erfindung Wege, um Mersacidin oder dessen Derivate durch Genmanipulation
zu überexprimieren.
-
Beschreibung
der Figuren
-
1:
A) Struktur des Lantibiotikums Mersacidin. B) Mutmaßliche Präpeptidsequenz
und Sequenz des 51 Basen-Guessmers,
welches für
die Identifizierung des Strukturgens verwendet wurde.
-
2:
Nukleotidsequenz des Strukturgens mrsA des Lantibiotikums Mersacidin
und abgeleitete Aminosäuresequenz
des Präpeptids.
Die Ribosomenbindungsstelle vor dem ATG-Start-Codon ist eingerahmt
und die Verarbeitungsstelle ist durch einen Pfeil markiert. Der
mutmaßliche
rho-unabhänige
Terminator ist unterstrichen.
-
3:
Vergleich der Leadersequenzen mehrerer Lantibiotika. Die konservierten
Sequenzen sind in Fettdruck markiert.
-
Beispiel
-
1. Klonierung des Strukturgens
von Mersacidin
-
Die mutmaßliche Mersacidinpropeptidsequenz
(1B) wurde aus der Struktur
von Mersacidin abgeleitet und basiert auf der allgemeinen Information über die
lantibiotische Biosynthese. Die dargestellte Sonde wurde als ein
51-Basen-Guessmer synthetisiert, basierend auf der bevorzugten Codon-Verwendung
von Bacillus auf einem PCR-Mate® (Applied
Biosystems, Weiterstadt, FRG) und mit Digoxigenin (Boehringer Mannheim,
Mannheim, BRD) (1B)
markiert. Die Aminobutyrylreste (Abus-Hälfte von
Methyllanthionin) stammen aus Threoninen, wogegen die Alaninreste
(Alas-Hälfte
von Methyllanthionin) als Cystein im Propeptid codiert sind. Das
S-Aminovinyl-2-methylcystein, welches die terminale Ringstruktur
ausbildet, wird wahrscheinlich aus einem Methyllantionin gebildet,
welches oxidativ decarboxyliert wird, wie es für Epidermin gezeigt wurde,
das ein C-terminales S-Aminovinylcystein enthält (T. Kupke et al. (1992),
J. Bacteriol. 174: 5354–5361).
-
Da keine Plasmide im Produzentenstrang
festgestellt werden konnten, wurde chromosomale DNA hergestellt,
wie von Marmur beschrieben (J. Marmur (1961), J. Mol. Biol. 3: 208–218) beschrieben,
mit der Ausnahme, daß nur
eine Chloroformextraktion und Fällung
durchgeführt
wurde und daß die
DNA darauffolgend in einem Äquilibrierungspuffer
gelöst
und auf einer Qiagen-tip® 100 Säule (Diagen, Hilden, BRD) gereinigt
wurde. Bei 51°C
hybridisierte eine einzige 2 kb Bande einer chromosomalen Restriktionsverdauung
mit Hind III mit der Sonde in einem Southern-Blot (E. M. Southern
(1975), J. Mol. Biol. 98: 503–517).
-
Die Fragmente, welche in der Größe von 1,9
bis 2,3 kb reichen, wurden aus dem Gel ausgeschnitten, mit einem
BIOTRAP® (Schleicher
und Schüll,
Dassel, BRD) eluiert und in pUC18 (C. Yanisch-Perron et al. (1985),
Gene 33: 103–109)
in E. coli subkloniert. Die Plasmide mehrerer rekombinanter Kolonien
wurden durch das Birnboim und Doly-Verfahren (H. C. Birnbom und
J. Doly (1979), Nucl. Acids Res. 7: 1513–1523) hergestellt, mit Hind
III verdaut und mit dem Guessmer bepropt. Einer der Klone, welcher
ein positives Signal ergab, wurde durch Restriktionsverdauungen
mit verschiedenen Enzymen und darauffolgende Southern-Blots weiter analysiert.
Abschließend
wurde ein 1,3 kb EcoR I-Hind III-Fragment in pEMBL18 und pEMBL19
(L. Dente et al. (1983), Nucleic Acids. Res. 11: 1645–1655) in
E. coli subkloniert. Darüber
hinaus wurde ein 0,6 kb EcoR V-Fragment in den Vektor pCU1 (J. Augustin
et al. (1992), Eur. J. Biochem. 204: 1149–1154) kloniert nach einer Site-directed-Mutagenese der EcoR
I-Stelle in eine EcoR V-Stelle unter Verwendung des Transformer-Site-directed
Mutagenese-Kits (Clontech, Palo Alto, USA).
-
2. Nukleotidsequenz des
Mersacidinstrukturgens, mrsA
-
Das 0,6 kb Fragment wurde auf einem
automatischen DNA-Sequnzer A.L.F. (Pharmacia, Brüssel, Belgien) unter Verwendung
der Didesoxykettenterminierungsmethode (F. Sanger et al. (1977),
Proc. Natl. Acad. Sci. USA 74: 5463–5467) aus doppelsträngiger DNA
sequenziert; zum Primen wurden der Universal und Reversal-Primer des AutoRead®-Sequenzierungskits
(Pharmacia, Brüssel,
Belgien) und zwei synthetische Oligonukleotide 5'-TCTCTTCCATTTTTTTG)3' und 5'-(AAATCAAATTAACAAATAC)3' angewandt. Die Nukleotidsequenz
des Mersacidin-Strukturgens, mrsA, ist in 2 gezeigt. Es wurde eine potentielle
Ribosomenbindungsstelle (AGG GGG) acht Basenpaare stromaufwärts des
ATG-Start-Codons
des offenen Leserasters gefunden. Der C-terminale Teil der Sequenz
stimmt mit der veröffentlichten
Mersacidin- Primerstruktur
(S. Chatterjee et al. (1992), J. Antibiotics 45: 832–838) und
seiner vorgeschlagenen Propeptidsequenz überein. Der N-terminale Teil
besteht aus einer 48 Aminosäure-Leader-Sequenz (Pfeil
in 2). Das Promersacidin
besteht aus 20 Aminosäuren.
Die volle Länge
des Präpeptids
ist somit 68 Aminosäuren
mit einer berechneten Molekularmasse von 7228 Da. Acht Basen stromabwärts des
TAA (Ochre)-Stop-Codons wurde eine Haarnadelstruktur mit einem freien
Energiewert von –86,7
kJ Mol–1 und
einer Stammgröße von 14
Basenpaaren gefunden, welche als ein rho-unabhängiger Terminator während der
Transkription dienen könnte,
da ihr eine TTTATT-Sequenz folgt (2).
-
3. Charakterisierung
des Mersacidinpräpeptids
-
Lantibiotika wurden in zwei Gruppen
eingeteilt (G. Jung (1991), oben). Typ A-Lantibiotika sind verlängerte amphiphile
Peptide, welche vorübergehende
Poren in den Membranen empfindlicher Bakterien ausbilden (H.-G.
Sahl (1991), Pore formation in bacterial membranes by cationic lantibiotics,
S. 347–358.
In G. Jung und H.-G. Sahl (Hrsg.), Nisin and novel lantibiotics,
Escom, Leiden). Typ B-Lantibiotika sind globulare Peptide, welche
durch Streptomyces produziert werden, sie besitzen Molekülmassen
kleiner als 2100 Da und sind hochhomolog was ihre Aminosäuresequenz
und Ringstruktur betrifft, was eine Kopf-zu-Schwanz-Kondensation umfaßt (G. Jung
(1991), oben). Bislang konnte Mersacidin nicht in eine der Gruppen
klassifiziert werden (G. Bierbaum und H.-G. Sahl (1993), Zbl. Bakt.
278: 1–22).
In dieser Hinsicht ist der Vergleich der Präpeptidsequenz von Mersacidin
mit jener von Typ A- und Typ B-Lantibiotika von besonderem Interesse.
-
Es sind zwei übliche Charakteristika von
lantibiotischen Leader-Sequenzen in Mersacidin konserviert: i) Es
gibt kein Cystein in der Leader-Sequenz (G. Jun (1991), oben), ii)
es wird eine α-Helixneigung
für den C-terminalen
Teil der Leader- Sequenz
vorhergesagt. Derartige Strukturelemente sind auch für die Leader-Peptide
von Typ A-Lantibiotika durch zirkulare Dichroismus-Messungen in
Trifluorethanol/Wasser-Gemischen vorhergesagt und gezeigt worden
(A. G. Beck-Sickinger und G. Jung. Synthesis and conformational analysis
of lantibiotic leader-, pro- and prepeptides, S. 218–230. In
G. Jung und H.-G.
Sahl (Hrsg.), Nisin and novel lantibiotics, Escom, Leiden 1991).
In jeder anderen Hinsicht unterscheidet sich die Mersacidin-Leader-Sequenz
von den bislang beschriebenen Typ A-Lantibiotika-Leader-Sequenzen: Wie in 3 gezeigt, ähnelt sie
in der Länge
und in der Ladungsverteilung (48 Aminosäuren/12 Ladungen) eher der
unüblich
langen 59 Aminosäure-Leader-Sequenz (11
Ladungen) vom Typ B-Lantibiotikum Cynnamycin (C. Kaletta et al. (1989),
Pep5, a new lantibiotic: strucutral gene isolation and prepeptide
sequence. Arch. Microbiol. 152: 16–19). Im Gegensatz dazu enthält eine
typische, eine hohe Ladung aufweisende Typ A-Lantibiotikum-Leader-Sequenz, z. B. das
Pep5-Leader-Peptid, 10 geladene Reste in insgesamt nur 26 Aminosäuren (C.
Kaletta et al. (1989), oben). Konservierte Sequenzen von Typ A-Lantibiotika
(z. B. das F D/N L D/E-Motif) werden im Mersacidin-Leader-Peptid
nicht gefunden. Die Proteasespaltungstelle der Mersacidin-Leader-Sequenz (–4M-–3E-–2A-–1A-+1C) unterscheidet sich von der konservierten
Stelle der Typ A-Lantibiotika (3).
Hier finden wir entweder die Nisin-Typ-Spaltungsstelle (–1, positiv
geladene Aminosäure; –2, Prolin; –3, negativ
geladen oder polar und –4
hydrophob) oder die hydrophobes Glycin enthaltenden Spaltungsstellen
von Lacticin 481 (J.-C. Piard et al. (1993), J. Biol. Chem., 268,
16361–16368)
oder Streptococcin A-FF22 (W. L. Hynes et al. (1993), Appl. Env.
Micorbiol. 59: 1969–1971).
Die (–3A-–2F-–1A)-Spaltungsstelle
von Cinnamycin (C. Kaletta et al. (1989), oben) stimmt mit der (–3A-–2X-–1A)-Regel
für Proteine überein,
welche über
den Sec-Pfad ausgeschieden werden. Schließlich zeigt das Mersacidin-Präpeptid keine
Homologien zu den konservierten Sequenzen von Typ A-Lantibiotika-Leader- Sequenzen. Es besteht Ähnlichkeit
zum Präpeptid
von Cinnamycin in der Länge
und in der Ladungsverteilung, aber keine offensichtliche Sequenzhomologie
am Aminosäureniveau. Mersacidin
ist kleiner als Typ A-Lantibiotika, es ist nicht positiv geladen
und es depolarisiert keine Membranen, sondern es inhibiert eher
die Peptidoglycanbiosynthese. Dies weist, zusätzlich zu den Eigenschaften
des Leader-Peptids, darauf hin, daß Mersacidin mehr mit den Typ
B-Lantibiotika als mit den Typ A-Lantiobiotika
verwandt ist. Vor kurzem wurde das Sequenz- und Überbrückungsmuster eines weiteren
Lantibiotikums, Actagardin, welches ebenfalls die Zellwandbiosynthese
inhibiert (S. Somma et al., Antimicrob. Agents Chemother. 11: 396–401, 1977)
aufgeklärt.
Ein Vergleich mit Mersacidin zeigt, daß ein Ring nahezu vollständig in
beiden Lanitbiotika konserviert ist. Im Hinblick auf die starke
Homologie der bislang charakterisierten Typ B-Lantibiotika Duramycin
A, B, C, Ancovenin und Cinnamycin könnten diese Peptide auch als
Strukturvarianten betrachtet werden, wie es für Epidermin und Gallidermin
oder Nisin A und Nisin Z beobachtet wird. Wir schlagen daher vor,
daß Mersacidin
und Actagardin mit den Typ B-Lantibiotika klassifiziert werden sollten
und daß die
Bezeichung Typ B-Lantibiotikum
nicht ausschließlich
für Strukturvarianten
von Duramycin reserviert sein sollte, sondern auch schmale, globulare
Lantibiotika umfaßt,
welche eine niedrige Ladung tragen und Enzymaktivität zeigen.
-
-
-