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Verfahren zur Herstellung von Formgebilden aus tierischer Hautsubstanz
Es ist bereits vorgeschlagen worden, Haut und Hautabfälle durch Behandlung mit quellend
wirkenden Mitteln in einen gequollenen,. eine mechanische Zerteilung ,gestattenden
Zustand überzuführen und durch Zeifaserung der gequollenen Haut unter Schonung der
Fasern eine plastisch knietbare Fasermasse zu erhalten. Es ist auch bekannt, solche
Massen zur Herstellung von Formgebilden, z. B. Kunstfäden oder Kunstdärmen, z. B.
durch Pressen durch Düsen zu verwenden.
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Die quellende Behandlung der Haut kann hierbei mit alkalischen oder
sauren Flüssigkeiten vorgenommen werden. Als alkalische Flüssigkeiten wurden Kalkmilch,
verdünnte Natronlauge und Ammoniak vorgeschlagen. Die normale Äscherung, die die
Haut bei der Enthaarung erfährt, genügt nicht, um sie in einen Zustand überzuführen,
der die mechanische Zerteilung und Zerfaserung gestattet. Vielmehr ist es notwendig,
normal geäscherte Haut einer zusätzlichen Behandlung mit quellend wirkenden, alkalischen
oder sauren Mitteln, z. B. Kalkmilch oder Natronlauge oder Säuren, zu unterwerfen.
Beispielsweise wurde vorgeschlagen, normal gekäl'kte Haut mehrere Tage bis mehrere
Wochen mit Kalkmilch zu behandeln und nach Entfernung der Kalkmilch der Zerfaserung
zu unterwerfen.
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Versuche des Erfinders haben gezeigt, @daß normal geäscherte und anschließend
mehrere Tage bis mehrere Wochen mit Kalkmilch behandelte Haut den Zustand, in dem
sie sich leicht zerteilen läßt, nicht erreicht. Dies gilt insbesondere für den Fall,
daß man die zusätzlich gekälkte Haut von dem Kalk durch Auswaschen befreit. Hierbei
wird die an sich ungenügende Quellung der Haut noch zurückgedrängt, so daß die Haut
einen noch
größeren Widerstand bei der Zerteilung zeigt. Die bei
der Zerteilung erhaltenen Produkt besitzen den plastisch knetbaren Zustand, den
man für die Herstellung von Formgebilden durch Pressen durch Düsen benötigt, nicht.
Erst durch eine weitergehende Behandlung mit anderen Quelllungsmitteln als Kalk,
z. B. Natronlauge oder Salzsäure, gelingt es, die gekälkte Haut m einen Zustand
überzuführen, in dem sie sich leicht zerteilen läßt und bei der Zerteilung ,eine
hochgequollene, plastisch knetbare Fasermasse ergibt, die sich durch filmbildende
Eigenschaften auszeichnet, die für das Pressen der Masse durch Düsen benötigt werden.
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Andererseits ist die Zerfaserung der normal geäscherten und einer
zusätzlich:xl Kälkung von mehreren Tagen bis mehreren Wochen unterworfenen Haut
ohne Auswaschen des Kalkes mit einer Schädigung der Zerteilungsvorrichtungen durch
den aufgenommenen Kalk verbunden. Führt man aber dennoch die Zerteilung der ungewaschenen
gekälkten Haut durch, so bekommt man eine Masse, die zwar gequollen ist, aber doch
nicht die Eigenschaften besitzt, die für eine Formgebung durch Pressen durch Düsen
erforderlich sind.
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Im Verfolg dieser Untersuchungen wurde überraschenderweise gefunden,
daß die Kalkbehandlung von tierischer Hautsubstanz, die bei der Behandlungsdauer
der üblichen Äscherung selbst' nach zusätzlicher mehnvöchiger Kälkung zu keinen
für die Herstellung von Formgebilden geeigneten Produkten führt, ein brauchbares
Produkt ergibt, wenn man sie mindestens 6 Monate fortgesetzt. Während bei der normalen
Ascherung der Haut eine nur geringe Lockerung und eine nur ungenügende Quellung
der Haut erreicht wird, die bei dem Auswaschen des Kalkes noch vermindert wird,
gelingt es durch eine länger als 6 Monate durchgeführte Äscherung der Haut, diese
in einen Zustand zu überführen, in dem sie selbst nach Auswaschen des Kalkes sich
leicht zerteilen läßt und hierbei- plastisch knetbare Fasermassen von filmbildenden
Eigenschaften ergibt. Die einer derart abnorm langen Kalkbehandlung unterworfene
Haut läßt sich infolge tiefgehender struktureller Veränderungen auch in wenig gequollenem
Zustand auf Formgebilde verarbeiten.
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Dieses Ergebnis ist durchaus überraschend, da man in der Gerberei
,allgemein annahm, daß der proteolytisch e Abbau der Haut mit der Dauer der Kälkung
zunimmt, so daß das Hautmaterial während einer zu langen Kälkung weitgehend abgebaut
und in seiner Faserstruktur geschädigt wird. Dementsprechend vermeidet der Gerber
eine zu lange Kälkung, während der Gelatinefabrikant bewußt eine lange Kälkung anstrebt,
um die Gelatine leichter aus dem Hautmaterial @ex-_trahieren zu können.
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Im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen konnte aber festgestellt werden,
daß ein unerwünschter Abbau der Hautfaser auch bei der extrem langen Kälkungsdauer
von iS lIonaten nicht oder nicht in wesentlichem Maße eintritt, daß vielmehr das
Hautgefüge nur eint Veränderung erleidet, die die Isolierung der Fasern erleichtert.
Die isolierten Fasern zeigen eine völlig einwandfreie Reißfestigkeit, weshalb die
bei der langen Kälkung und Z;rteilung erhaltenen Fasermassen auch auf solche Formgebilde,
wie Textilfäden oder Kunstdärme, verarbeitet @ werden können, an deren mechanische
Widerstandsfähigkeit beträchtliche Anforderungen gestellt werden.
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Erfindungsgemäß wird bei der Herstellung von Formgebilden durch Pressen
von mit Kalk behandelter und zerteilter tierischer Hautsubstanz durch Düsen mindestens
6 Monate mit Kalk behandelte, weitgehend vom Kalk befreite und in nur wenig gequollenem
Zustand bei PH-Werten von etwa 5 bis etwa 9 mechanisch zerteilte tierisiche Hautsubstanz
velwendet. Unter tierischer Hautsubstanz sollen hierbei Häute, Felle, Hautteile,
Sehnen, Spalten, Leimleder, Schabsel verstanden w--rden. Die Hautsubstanz wird je
nach Beschaffenheit, wie Alter, Herkunft, Dicke usw., 6 bis i S Monate mit Kalk
behandelt. Dies kann z. B. dadurch erfolgen, daß die Hautteile, z. B. Hautspalte
der Gerbcreieli, in Kalkgruben für die gewünschte Dauer eingelegt werden. Das so
erhaltene Material wird in bekannter Weise, z. B. durch Waschen mit Wasser oder
Ammonchloridlösung, vom Kalk mehr oder weniger weitgehend befreit. Die Entfernung
des Kalkes wird so weit getrieben, daß die Haut nach dem Waschen einen pH-Wert von
5 bis 9, vorzugsweise 5 bis 7, zeigt. Das wenig gequollene iVlatrial läßt sich spielend
leicht z. B. zwischen Riffelwalzen zerquetschen und mittels Zerteilungsvorrichtungen,
wie Zerfaserern, Fleischwölfen, Knetmaschinen u. dgl., zu ein.-r pastösen, plastisch
knetbaren Masse unter weitgehender Schonung der Hautfasern verarbeiten. Die erhaltene
Masse wird in an sich bekannter Weise durch Ring-, Loch- oder Schlitzdüsen gepreßt,
und es werdai hierbei je nach Konstruktion der Düse Kunstdärme, Kunstfäden oder
Flächengebilde erhalten, die in üblicher Weise weiterverarbeitet werden können.
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Die Erfindung gestattet u. a. die Verwertung von Häuten und Hautabfällen,
deren Äscherung infolge wirtschaftlicher Konjunkturschwankungen weit über das Normale
hinaus
fortgesetzt wurde und die bisher nur auf Gelatine oder Leim
verkocht oder auf Düngemittel verärbeitet werden konnten.