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Verfahren zur Herstellung gießbarer Sprengladungen Für die Herstellung
hochschußsicherer, insbesondere gießbarer Sprengladungen für Artilleriegeschosse
jeden Kalibers ist die Auswahl an verfügbaren Sprengstoffen eine überaus beschränkte.
Solche Sprengstoffe müssen sehr verschiedenartigen Anforderungen genügen. Neben
einer zur wirksamen Zerlegung der Geschosse ausreichenden Energie und Brisanz müssen
diese Sprengstoffe ebensowohl eine vollkommene Beschußsicherheit wie auch Schußsicherheit
(Schoksicherheit) besitzen. Auf der anderen Seite muß aber trotz hoher Unempfindlichkeit
gegen Stoßwirkung die Detonationsempfindlichkeit in dem besonders insensiblen Zustande
des harten Gusses eine solche sein, daß die Detonation bei gehörigem Einschluß durch
die Zündladung mit Sicherheit ausgelöst wird. Schließlich muß die Schmelztemperatur
des Sprengstoffes so liegen, daß Schmelzen und Gießen ohne Zersetzungsgefahr vorgenommen
werden kann.
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Neben Pikrinsäure hat sich in den letzten Jahrzehnten vor allem Trinitrotoluol
als ein Sprengstoff erwiesen, der allen diesen Anforderungen in weitgehendem Maße
gerecht wird. Wenn bei der Pikrinsäure der hohe Schmelzpunkt von 12z° den Gießvorgang
immerhin. noch als ziemlich gefährlich erwiesen hat, so daß man die Pikrinsäure
vorwiegend in gepreßtem Zustande gebraucht, macht die niedrige Schmelztemperatur
des Trinitrotoluols von etwa 8o° den Gießvorgang vollkommen gefahrlos.
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Nun steht bei einem etwa eintretenden Massenbedarf an Munition der
Ausgangsstoff für diesen Sprengstoff, nämlich das Toluol, nur in durchaus beschränkter
Menge zur Verfügung, da dasselbe eine bestimmte, unabänderlich begrenzte Fraktion
des Steinkohlenteers darstellt, die sich nicht nach Belieben erhöhen läßt. Man sucht
daher seit langem nach gleichwertigen Ersatzstoffen bzw. nach Sprengstoffen, die
auf der einen Seite alle die bekannten günstigen und bewährten Eigenschaften des
Trinitrotoluols in sich vereinigen, auf der anderen Seite aber sich in beliebigen
Mengen aus jederzeit leicht beschaffbaren Rohstoffen herstellen lassen, so daß man
nicht auf ein- nur in bestimmten Mengen anfallendes Naturprodukt oder Halbfabrikat
wie den Steinkohlenteer angewiesen ist.
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Man hat hierbei besonders nach aliphatischen Produkten Ausschau gehalten,
die sich womöglich aus einfachsten Bausteinen, wie Kohle, Wasser, Luft, ohne den
Umweg über den Steinkohl nteer synthetisch aufbauen lassen.
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Die verschiedensten Vorschläge, Trinitrotoluol zu ersetzen oder es
zum mindesten weitgehend zu strecken, sind bereits gemacht und
zum
Teil auch ausgeführt worden. Ein großer Teil derselben hat den Nachteil, daß er
zu ganz oder teilweise wasserlöslichen Sprengladungen führte, deren Herstellung
und Lagerung außerhalb der Geschosse immerhin'mit gewissen Risiken verbunden war,
so daß solche Ladungen nur im Bedarfsfalle dur@cl% direktes Eingießen in die Geschosse
verwendet wurden.
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Es wurde nun gefunden, daß sich eine wasserunlösliche Sprengladung,
die nur geringe Anteile von Trinitrotoluol oder anderen schmelzbaren aromatischen
Nitrokörpern, die ihren Ausgang vom Steinkohlenteer nehmen, enthält, dadurch herstellen
läßt, daß man den an sich bekannten und schon mehrfach vorgeschlagenen, rein aliphatischen
Sprengstoff Dinitrodim,ethyl,oxamid in geringen Mengen dieser ,aromatischen Nitrokörper
bei entsprechenden Temperaturen zur Lösung bringt.
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Dinitrodimethyloxamid kann aus der leicht und in beliebigen Mengen
zugänglichen Oxalsäure und dem synthetisch erzeugten @ethylamin leicht gewonnen
werden und ist hinsichtlich Sprengkraft und Unempfindlichkeit, also artilleristischer
Sicherheit, dem Trinitrotolwol durchaus ebenbürtig, wie dieses chemisch hochstabil
und vollkommen wasserunlöslich.
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Andererseits ist dieser Sprengstoff angesichts seines hohen Sclunelzpunktes
von 124', bei dem bereits fühlbare Verflüchtigung eintritt, für sich allein nicht
gießbar.
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Es wurde nun die überraschende Beobachtung gemacht, daß trotz der
ganz verschiedenen chemischen Natur das Dinitrodimethyloxamid überaus leicht löslich
in aromatischen Nitrokörpern ist, so daß sich bei bequemen Gießtemperaturen, wie
etwa zwischen go und ioo° C, Sprengladungen gießen lassen, die weit überwiegend
aus diesem Sprengstoff bestehen und von den nur in beschränktem Maße verfügbaren
Nitrokörpern, .wie Trinitrotoluol, .einen verhältnismäßig geringen Anteil, enthalten.
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Dinitrodimethyloxamid ist zwar in demselben Zusammenhang, nämlich
als Flußmittel bzw. als Komponente gießbarer Sprengladungen, in der Literatur schon
erwähnt worden, und zwar zur Herstellung gießbarer Ladungen, die in der Hauptsache
aus Nitropentaerythrit neben Dinitrodimethyloxamid bestehen. jedoch haben sich diese
Gemische wegen ihrer mangelnden Beschußsicherheit als artilleristisch unverwendbar
erwiesen.
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Ferner sind gießbare Gemische bekannt, die Beinen mäßigen Zusatz von
Dinitrodimethyloxamid neben dem Hauptbestandteil Dinitroäthanoloxamiddinitrat enthalten.
Auch diese Schmelzmischungen, die in der Hauptsache einen Ester der Salpetersäure
enthalten, haben sich als militärisch nicht verwendbar erwiesen, und zwar wegen
ihrer nicht ausreichenden und den betreffenden hohen Anforderungen nicht genügenden
chemischen Stabilität.
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Während bei den bisher bekannten Verfahren das Dinitrodimethyloxamid
lediglich als Flußmittel dazu dient, den zu hohen Schmelzpunkt der betreffenden
zu gießenden Sprengstoffe herabzusetzen und dementsprechend keinen integrierenden
Bestandteil der Ladung bildet, vielmehr nur als Zusatz von ioo/o, iSolo bis höchstens
3oojo anwesend ist, beruht die neue und eigenartige Wirkung des vorliegenden Verfahrens
auf der Entdeckung einer überraschend hohen Löslichkeit des Dinitrodimethvloxamids
in den für hochsichere Geschoßladungen brauchbaren, an sich bei genügend niedriger
Temperatur schmelzbaren aromatischen Nitrokörpern, wie Trinitrotoluol und Trinitrochlorhenzol,
die @es ermöglicht, diese Nitrokörper weitgehend mit Dinitrodimethyloxamid zu strecken,
so daß letzteres nunmehr zum Hauptbestandteil der Gießladung wird, wie folgende
Beispiele zeigen:
Beispiel I |
t Gießtemperatur................ g5 o |
Dinitrodimethyloxamid ................ 7o °/o@ Gußdichte
...................... 1,56 |
Trinitrotoluol. ........... . ............ 30
% Ausbauchung . ................. 315 ccm |
Detonationsgeschwindigkeit . . . . . 685o m; Sek. |
Beispiel II |
Gießtemperatur................ g0° |
Dinitrodimethyloxamid ................ 6o °o Gußdichte
..................... |
1,54 |
Trinitrotoluol ......................... 40 °o Bleiblockausbauchung
.......... 3io ccm |
Detonationsgeschwindigkeit ..... 6goo m/Sek. |
Vergleichszahlen |
Bleiblockausbauchung von Dinitrodimethyloxamid .............................
345 ccm |
_ - Trinitrotoluol.-........................... .......
295 ccm |
Detonationsgeschwindigkeit von gegossenem Tri ...............................
6goo m/ Sek. |
Beispiel III |
Dinitrodimethyloxamid ................ 7o
'1f r# Gießtemperatur ................ roo' |
Trinitrochlorbenzol. ................... 30 ## Gußdichte.
. . . . . . . . . . : : : : : : : z,5,^. |
Bleiblockausbauchung 320 ccm |
Beispiel IV |
, |
Dinitrodimethyloxamid ................ 60 o# o Gießtemperatur
...... .......... 90' |
Trinitrochlorbenzol.................... 40
0'O Gußdichte ..................... r,6o |
Bleiblockausbauchung .......... 315 ccm |
Als Beispiel dafür, daß man unter Anwendung des Dinitrodimiethyloxamids auch gießbare
Sprengladungen herstellen kann, bei denen man der Steinkohlenteerfabrikation völlig
entraten und sich auf die Mitauswertung der Naphthalinbasis beschränken kann, möge
folgendes dienen:
Beispiel V |
Dinitrodimethyloxamid ................ 50 °' Gießtemperatur
................ 93' |
o . GuBdichte..................... Z,So |
Tetranitro-Trinitronaphthalin-Gemisch .. 5o(1,0 i Bleiblockausbauchung
.......... 3oo ccm |
Das nitrierte Naphthalingemisch besteht zu zwei Drittel aus Tetranitronaphthalin
und zu einem Drittel aus Trinitronaphthalin und wird bei der Weiternitrierung von
Dinitronaphthalin mit hochkonzentrierten Mischsäuren erhalten.
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Bisher sind nitrierte Naphthaline, ,abgesehen von kleinen Zusätzen
(120/0) zu gießbaren Perchloratmischungen, in gießbaren Sprengladungen nur in Verbindung
mit einem irberschuß von Trinitrotoluol verwendet worden, da sie für sich allein
durchweg bei zu hohen Temperaturen schmelzen.
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Außer den genannten aromatischen Nitrokörpern lassen sich in derselben
Weise auch noch andere in der Kraftleistung und Unempfindlichkeit dem Trinitrotoluol
ähnliche Nitrokörper mit großen Mengen von Dinitrodimethyloxamid zusammenschmelzen.
Alle derartigen Güsse zeichnen sich durch eine dem Trinitrotoluol ebenbürtige Brisanz
bei gleichzeitig noch erhöhter Schußsicherheit aus. Ebenso sind diese Güsse neben
ihrer Wass@erunlöslichkeit durch eine hervorragende chemische Stabilität ausgezeichnet.