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Verfahren zur Herstellung von Salpetersäure Es ist bekannt, daß die
Anwendung von tiefen Temperaturen für die Darstellung von Salpetersäure aus Stickoxyden,
wie 'sie beispielsweise durch die Verbrennung von Luft oder Ammoniak gewonnen werden,
große Vorteile bietet. Denn die Gleichgewichtseinstellung der beiden Hauptreaktionen
2 N O + O., .@ ' 2 N O., -f - Oxydationswärme |
3 N O., -{- H.,0 a H N O , |
- -I- N O -1- Absorptionswärme |
erfolgt infolge des exothermen Charakters dieser Reaktionen bei tiefen Temperaturen
unter fast quantitativer Bildung der beiden gewünschten Produkte
NO, und
H N 03.
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Ferner ist auch die Geschwindigkeit der Bildung von Stickstoffdioxyd
um so größer, je tiefer die Raumtemperatur liegt, da es sich bei der Oxydation des
Stickstoffoxydes um eine Reaktion handelt, deren Geschwindigkeit mit abnehmender
Temperatur steigt. Bei gegebenen Konzentrationen im Ausgangsgemisch wächst also
in der Kälte der Gehalt des Stickoxydgemisches an Stickstoffdioxyd und somit auch
die Konzentration der zu erzeugenden Salpetersäure.
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Die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung zwischen Stickstoffdioxyd
und Wasser einerseits und Salpetersäure und StiLkstoffoxyd anderseits verläuft an
sich außerordentlich rasch, aber so, daß mit steigender Temperatur -und mit steigender
Konzentration der Salpetersäure immer weniger NO; in Salpetersäure überzuführen
ist. Die Beziehung zwischen dem Verhältnis von NO. und NO zu der Konzentration der
Salpetersäure ist für jede Temperatur eindeutig bestimmt. Liegt die NOK-Konzentration
im Vergleich zur Stickstoffoxydkonzentration unter der für jede Temperatur geltenden
Beziehung, so findet sogar eine Rückbildung der Salpetersäure zu NO2 statt, d. h.
die zweite der oben aufgeführten Gleichung verläuft von rechts nach links.
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Aus diesen Darlegungen geht hervor, daß die Anwendung tiefer Temperaturen
für einen schnellen Verlauf der Salpetersäurebildung günstig und für die Erreichung
einer hohen Konzentration der Salpetersäure sogar unerläßlich ist. Diese Regel gilt
sowohl für die Druck- als auch drucklosen Verfahren, nur ist sie für die letzteren
besonders bedeutungsvoll.
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Es sind verschiedene Verfahren bereits bekannt, bei denen diese Erkenntnis
praktisch ausgewertet worden ist. Um z. B. die Oxydation zu beschleunigen, ist die
Anordnung besonderer leerer Kammern vorgeschlagen worden, die von außen mit Kältelauge
berieselt werden. Wegen des schlechten Wärmeübertragungskoeffizienten zwischen Gas
und Flüssigkeit
und. .infQIge der für die Oxydation erforderlichen
großen Räume findet jedoch nur ein ungenügender Wä,rxiieaustausch statt.
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Bei anderen Verfahren wird die Säure durch Kältelauge gekühlt und
dann auf einen Reaktionsturm geführt, in welchem. sie mit denn stickoxydhaltigen
Gasgemisch zwecks Kühlung und Bildung von Salpetersäure zusammentrifft.
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Diese Arbeitsweise ist mit großen Nachteilen verbunden. Einmal ist
zu beachten, daß eine Verdünnung der zirkulierenden Säure durch den Wasserdampfgehalt
der Gase eintritt, indem nämlich die Dampfspannung der im Gegenstrom mit der kalben
Säure in Berührung kommenden Gase-sinkt und infolgedessen eine Absrheidung von Wasserdampf
eintritt. Ferner verlassen Säure und Gas den Turm noch mit den Kältemengen, die
zur Erzeugung des erforderlichen Temperaturgefälles aufzuwenden sind. Diese Kältemengen
sind für deil Produktionsprozeß verloren. Die kalte, hochprozentige Säure ist sogar
wieder aufzuwärmen, um die für die Bleichung der Säure erforderliche Ausblasung
vornehmen zu können.
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Es ist selbstverständlich, daß man sich trotz der durch die Anwendung
der Kälte erzielten Vorteile bei der Salpetersäureherstellung aus Stickoxyden meistens
mit den bei gewöhnlichen Temperaturen zu erreichenden. Umsätzen und Konzentrationen
der Salpetersäure zufriedengibt, weil diese Vorteile wieder durch die für die Kälteerzeugung
aufzuwendenden Energiemengen mehr -als ausgeglichen werden.
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Durch die Anwendung-des erfindungsgemäßen Verfahrens und einer neuen
für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen Einrichtung ist es möglich, ohne
Aufwendung der bisher erforderlichen Kältemengen, welche an sich zur Erreichung
der zur Gewinnung hochprozentiger Salpetersäure erforderlichen tiefen Temperaturen
notwendig wären, alle Vorteile zu erzielen, welche durch die Anwendung von Kälte
bei der Herstellung von Salpetersäure gegeben sind. Es wird jetzt erreicht, daß,
abgesehen von den durch den Eintritt der chemischen Reaktionen in allen Fällen gleichbleibenden
Reaktionswärmen, nur sehr wenig Kälteleistung erforderlich ist, und zwar beispielsweise
15 bis höchstens 2o o/o der ohne Anwendung des Verfahrens erforderlichen
Kälteleistung. -Das neue Verfahren soll an Hand der Zeichnung beschrieben werden,
die eine beispielsweise Ausführung der für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen
neuen Einrichtung wiedergibt.
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Der auf der Zeichnung dargestellte Turm besitzt an seinem untersten
Teil - de Zuführungsleitung für die Gase i, während sich oben die Einführungsleitungen
2 -und 3 für die Säuren befinden. In der Mitte des Turmes ist Sieb q. angebracht,
auf dem die Säure durch die aufsteigenden Gase in einer dem Druck der Gase und der
Größe der Sieböffnung entsprechenden Höhe gehalten wird und lediglich die Aufgabemengen
durch die Sieböffnungen in den untersten Teil des Turmes gelangen. In dem Säurebassin
liegen Kühlschlangen 5, durch die mittels einer Pumpe 6 Kältelauge geschickt wird,
welche in einer Kältemaschinenanlage ;gewonnen wird. Die Kühlschlangen können selbstverständlich
auch als Verdampferschlangen für flüssiges Ammoniak ausgebildet werden. Diese letztere
Einrichtung ist besonders dann zweckmäßig, wenn für die Verbrennung flüssiges Ammoniak
zur Verfügung steht, so daß sich jede Kältemaschinenanlage erübrigt. Außerdem befinden
sich in dem Turm die Füllkörperschichten 7, 8 und g. Die Gase treten durch die Leitung
i o wieder aus dem Turm aus, und die Pumpe i i ist dazu bestimmt, einen Teil der
im Turm produzierten konzentrierten Säure durch Leitung 3 wieder auf den Turm zu
geben. Durch Leitung 12 gelangt die in dem Turm gewonnene starke Salpetersäure an
ihren Verwendungsort.
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Die _ Wirkungsweise der neuen Einrichtung ergibt sich aus der Anordnung
von Wärmeaustauschflächen unterhalb und oberhalb des Kältebassins, in dem die für
die Reaktion erforderliche tiefste Temperatur herrscht. Durch diese Anordnung wird
erreicht, daß, abgesehen von der Deckung 'der Ausstrahlungsverluste durch die Kältemaschineneinxiehtung,
lediglich diejenigen Wärmemengen zu vernichten sind, welche durch die Oxydations-
und Absorptionsreaktionen entstehen. Denn die Säure, ,die aus dem Kältebassin nach
unten fließt, gibt -ihre Kälte an die aufwärts strömenden Gase ab. Durch entsprechende
Bemessung der Füllkörperschichten kann der Wärmeaustausch nahezu vollständig erreicht
werden, so daß die Säure mit derselben Temperatur den Turm verläßt, mit welcher
sie auf den Turm aufgegeben wird. Das gleiche gilt für die Gase, welche nach Verlassen
des Kältebassins in den oberhalb dieses Bassins angeordneten Füllkörperschichten
mit der aufgegebenen Säure in Wärmeaustausch treten.
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Bei den Gasen ist noch zu beachten, daß der' Feuchtigkeitsgehalt der
ein- und austretenden Gase nahezu gleich ist, so daß also keine Verdünnung der zu
konzentrierenden Säure durch Abscheidung des von den Gasen mitgeführten Feuchtigkeitsgehaltes
eintritt. Während nämlich im unteren Teil des Turmes eine Abscheidung des mitgeführten
Wasserdampfgehaltes infolge der kühlenden Wirkung
der Säuren erfolgt,
wirken im oberen Teil des Turmes die kalten Gase wieder konzentrierend, indem sie
sich auf die Eintrittstemperatur der Säure erwärmen.
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Da der Wärmeinhalt der Gasmengen in den meisten Fällen mit dem Wärmeinhalt
der zu verstärkenden Säuremengen innerhalb des in Frage kommenden Temperaturintervalles
nicht übereinstimmt, ist @es erforderlich, einen Teil der im Verstärkerturm gewonnenen
starken Säure im ständigen Kreislauf in den Turm zurückzuführen.
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Es ist aber wesentlich, daß der letzte Wärmeaustausch der Gase im
Verstärkungsturm mit der zu konzentrierenden Säure vor sich geht, damit bereits
in dieser Stufe eine Absorption von Stickstoffdioxyd stattfindet. Ausführungsbeispiel
Etwa 4000 cbm Gas, die in bekannter Weise von ihrem Wassergehalt befreit und oxydiert
worden sind, werden durch Leitung i in den Turm gesaugt oder gepreßt. Sie enthalten
rd. 8,5 Volumprozent NO2 und o,5 Volumprozent NO. Ihre Temperatur
beträgt 3o". In der unterhalb des Kältebassins angeordneten Wärmeaustauscheinrichtung
7 werden die Gase durch die herabfließende Säure auf annähernd die im Kältebassin
herrschende Temperatur, nämlich - 5°, gekühlt; gleichzeitig tritt eine Erwärmung
der Säure auf ungefähr die Eintrittstemperatur der Gase ein.
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Bei - 5° steht eine 6oo;oige Säure mit einem Gas von 6,5 Volumprozent
NO2 und o,6 Volumprozent NO im Gleichgewicht, so daß im Verstärkungsturm 2 Volumprozent
der 4ooo cbm Gas als Stickstoffdioxyd in Salpetersäure übergeführt werden. Aus dem
Gas werden insgesamt etwa iooo kg Salpetersäure (i oo %ig) gewonnen. Im Verstärkungsturm
findet demnach eine Bildung von 2a0 kg H N 03 (i oo %ig) statt. Der weitaus größte
Teil dieser Menge entsteht im Kältebassin, welches die Gase mit einer Temperatur
von - 5° verlassen. Infolge der außerordentlich niedrigen Temperatur der Gase findet
eine sehr schnelle Rückoxydation des bei der Salpetersäurebildung entstandenen Stickoxydes
statt, wobei die Temperatur der Gase auf etwa i5° steigt.
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In der folgenden Wärmeaustauscheinrichtung 8 erwärmen sich die Gase
unter Kühlung der Säure weiter. Gleichzeitig findet eine geringe Absorption statt.
Die Gase oxydieren sich dann wieder und treten mit etwa 20° in der Füllkörperschicht
9 in den letzten Wärme- und Reaktionsaustausch mit der zu verstärkenden Säure von
der Hauptabsorption. Mit etwa 27° tritt das Gas in den obersten Teil des Oxydationsturmes
und nach erfolgter Oxydation mit etwa 30° aus dem Turm.
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Aus diesem Gas, dessen Zusammensetzung 6,5 Volumprozent N02 und o,6
Volumprozent N O ist, werden in der Hauptabsorption außerhalb des Verstärkerturmes
etwa i45okg einer mindestens 54%igen Säure gewonnen, die zu ihrer Verstärkung auf
den Verstärkerturm gegeben wird.
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Die in den Turm zur Verstärkung eingeführte Säure hat eine Temperatur
von 30°; unter Berücksichtigung der Absorptionswärme wird sie durch die abziehenden
Gase auf etwa 2¢ bis 25° gesenkt. Da die zu verstärkende Säure einschließlich der
im Verstärkerturm gebildeten Salpetersäure zum. Ausgleich der Wärmebilanz nicht
genügt, werden noch ¢00 bis 50o kg starke Säure auf den Turm gegeben. Diese Säure
wird der im Turm gewonnenen Säure im ständigen Kreislauf entnommen. Ihre Temperatur
beträgt etwa 27°, die beim Vermischen mit der auf den Turm gegebenen Absorptionssäure
zunächst auf 26° fällt und dann durch die Gase weiter auf 22° herabgesetzt wird.
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Die fühlbare Wärme der Säure entsprechend einer Temperaturdifferenz
von 22° bis - 5° entspricht der im oberen Teil des Turmes entwickelten Oxydations-
und Absorptionswärme, so daß von der Kältemaschine bis auf geringe unvermeidliche
Verluste nur diejenigen Wärmemengen zu bewältigen sind, die auf die Reaktionswärme
entfallen.
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Da die Gase unterhalb des Kältebassins fast annähernd ihre höchste
Oxydationsstufe erreichen, treffen die konzentriertesten Gase an der kältesten Stelle
mit der zu konzentrierenden Säure zusammen. Da hier die Reaktionswärmen im Augenblick
des Entstehens abgeführt werden und es folglich nie zu einer Temperatursteigerung
kommt, kann aus den Gasen die ihrer Konzentration entsprechende jeweils höchstmögliche
Salpetersäurekonzentration erreicht werden.