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Verfahren zur Herstellung von 2 - 3-Butylenglykol aus Kohlehydraten
durch Vergärung Es ist seit längerer Zeit bekannt, daß verschiedene Kohlehydrate
und verwandte Verbindungen durch gewisse Bakterienarten unter Bildung von 2,- 3-Butylenglykol
.neben anderen Gärungsprodukten vergoren werden. So haben Harden und Walpole im
Jahre igo6 gezeigt, daß unter gewissen Bedingungen durch Bacterium lactis aerogenes
ziemlich erhebliche Mengen von 2 - 3-Butylenglykol aus Glucose und Mannit gebildet
werden. Auch bei einer Anzahl anderer Bakterienarten ist dieselbe Tatsache festgestellt
worden, und die Zahl der Bakterienarten, die imstande sind, kleine Mengen von :2
- 3-Butylenglykol und dem verwandten Acetylmethylcarbinol aus stark verschiedenen
Verbindungen zu bilden, hat sich als sehr groß erwiesen.
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Obwohl die mikrobiologische Herstellung von 2 - 3-Butylenglykol seit
mehr als ao Jahren bekannt ist, hat man bisher keine Herstellung von 2 - 3-Butylenglykol
in technischem Maßstabe auf diese Tatsachen gestützt. Dies ist nicht erstaunlich,
wenn man daran denkt, daß die Bedingungen, die sich nach den Versuchen von H a r
d e n und Walpole als notwendig erwiesen haben, um eine vollständige Vergärung von
Glucose o. dgl. zu erzielen, derart waren, daß ihre technische Anwendung nicht in
Frage kam. Zur Erzielung einer vollständigen Vergärung einer 2°/oigen Lösung von
Glucose u. dgl. erwies es sich als notwendig, der zu vergärenden Lösung i % Proteine
zuzusetzen, die in besonderer Weise gespalten waren, nämlich in der Form des kostspieligen
Peptons, und selbst dann brauchte die Gärung nicht weniger als einen Monat, um vollständig
zu werden.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung beruht nun auf der neuen und unerwarteten
Beobachtung, daß es "einerseits möglich ist, die erwähnten kostspieligen Ausgangsstoffe
vollständig zu vermeiden und an ihrer Stelle leicht zugängliche Rohstoffe einer
Vergärung zu 2 - 3-Butylenglykol zu unterwerfen, und daß man andererseits viel höhere
Zuckerkonzentrationen vergären kann, wobei der Vorgang in etwa %o der vorher angegebenen
Zeit oder sogar noch weniger vollendet wird.
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Als Rohstoffe haben sich als zweckmäßig erwiesen: Mais- und Kartoffelmaischen
mit oder ohne vorherige Verzuckerung, sei es mit Hilfe von Malzdiastase oder von
Mikrobendiastase oder von Säuren; ferner Maischen aus Roggen, Gerste, Weizen, Hafer,
Buchweizen, Kassawa und ähnlichen stärkehaltigen Rohstoffen; weiter zuckerhaltige
- Rohstoffe, wie Rübenmelassen, Zuckerrohrmelassen, Sorghum-, Ahorn- und Palmzuckersirup,
kurz, alle Rohstoffe, die überhaupt zur technischen Herstellung von Spiritus benutzt
worden sind. Außerdem haben sich auch milchzuckerhaltige Rohstoffe, wie Molken,
abgerahmte
Milch u. dgl., als durchaus verwendbar erwiesen.
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Die Verwendung dieser Rohstoffe in dem erwähnten Gärungsverfahren
hat sich nun als möglich erwiesen, weil sich ergeben hat, daß man aus diesen stark
verschiedenen Stoffen, die Stärke oder Zucker oder beides enthalten, wenn man sie
mit Stickstoffverbindungen, Phosphaten und Carbonaten mischt, sofern diese Körper
nicht bereits darin vorhanden sind, Maischen herstellen kann, die bei der Vergärung
mit Clostridium polyrriyxa, Aerobacter aerogenes oder Bakterien von entsprechenden
Gärungsvermögen imstande sind, 2,- 3-Butylenglykol zu liefern.
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Unter entsprechendem Gärungsvermögen wird die Fähigkeit verstanden,
Zuckerarten unter Bildung von 2 # 3-Butylenglykol zu vergären.
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Im allgemeinen enthalten die benutzten Rohstoffe keine genügende Menge
Stickstoffverbindungen, die löslich sind oder löslich gemacht werden können, sowie
von Phosphaten und Carbonaten. Indessen ergeben die aus den Rohstoffen hergestellten
Maischen bei Zusatz von Nitraten, anorganischen Ammoniumsalzen, Harnstoff o. dgl.
sowie von Phosphaten, wie Superphosphat, und fein verteilten unlöslichen Carbonaten
einen Nährboden, der vollkommen für die 2 # 3-Butylenglykolgärung geeignet ist.
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Der Zusatz von Stickstoffverbindungen, Phosphaten und Carbonaten bei
Gärungsvorgängen ist an sich bekannt.
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Die Anwendung der genannten Zusätze führt nun gerade bei der Herstellung
von 2 # 3-Blutylenglykol durch Vergärung von Kohlehydraten eine überraschende Verbesserung
des Verfahrens herbei. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß gewisse Bakterienarten,
wie Clostridium polymyxa, Aerobacter aerogenes und viele andere, welche unter den
bis jetzt bekannten Bedingungen nur wenige Prozent Zucker zu vergären vermögen,
durch diese Zusätze Maischen mit hohem Gehalt an löslichen Kohlehydraten bis zu
15 und 2o 1/" zur vollkommenen Vergärung bringen, und zwar in Zeiträumen,
die in keiner Weise der technischen Anwendung des Verfahrens entgegenstehen. S5
hat es sich z. B. als möglich erwiesen, innerhalb 36 Stunden Zuckerrohr-und Rübenmelassen
zur vollständigen Vergärung zu bringen, wenn man sie in geeigneter Weise verdünnt
und kleine Mengen von Superphosphat und Calciumcarbonat zusetzt, wodurch hohe Ausbeuten
an Butylenglykol erhalten werden, beispielsweise eine Menge, die 3o bis 50 °f, der
in den benutzten Melassen vorhandenen Zuckerarten entspricht. Außerdem erhält man
auch Alkohol, beispielsweise 16 bis qo 0/0 des vergorenen Zuckers. Weiter hat es
sich gezeigt, daß in Gegenwart der genannten Nährsalze das Gärungsvermögen der verschiedenen
Bakterienarten in der gärenden Maische erheblich erhöht wird, wenn man Sauerstoff
mit .oder ohne Zumischung anderer Gase (Luft) durchbläst, und zwar in derartiger
Menge, daß dabei irgendeine erhebliche Veränderung in der Beschaffenheit und Menge
der Gärungsprodukte nicht eintritt. Die Dauer der Vergärung wird dadurch bedeutend
abgekürzt. In diesem Falle hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die entweichenden
Gase mit Wasser zu waschen, um Alkoholverluste zu verhindern.
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Da es sich ergeben hat, daß verhältnismäßig hohe Konzentrationen von
Butylenglykol im Gegensatz zu verhältnismäßig kleinen Mengen von Alkohol die Gärungseigenschaften
der Bakterien nicht stören, so kann es vorteilhaft sein, den Alkohol entweder mit
oder ohne Druckverminderung abzudestillieren und den bereits Butylenglykol enthaltenden
Rückstand zur Herstellung einer neuen Maische zu verwenden.
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Auf diese Weise kann man verhältnismäßig hohe Konzentrationen an Butylenglykol
in der vergorenen Maische erhalten, wodurch die Gewinnungskosten erniedrigt werden.
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Die Gewinnung des Butylenglykols geschieht durch Verdampfen der vergorenen
Maischen in einem Vakuumverdampfer oder einer anderen Verdampfvorrichtung oder durch
Extraktion des Rückstandes mit Äther oder ähnlichen Lösungsmitteln oder durch beide
Arbeitsweisen oder durch Destillation mit oder ohne Druckverminderung, entweder
mit direktem oder indirektem Dampf, oder unter Vereinigung beider Arbeitsweisen.
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Das neue Verfahren kann in der Weise durchgeführt werden, daß man
nach dem Abdestillieren des gebildeten Alkohols eine neue Menge einer konzentrierteren
Maische aus Kohlehydraten, Stickstoffverbindungen, Phosphaten und Carbonaten zusetzt,
nochmals mit zur Bildung von 2 # 3-Butylenglykol fähigen Bakterien impft, die Maische
gären läßt und den Alkohol und das 2 # 3-Butylenglykol abscheidet.
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Das Abdestillieren des gebildeten Alkohols, der Zusatz konzentrierter
Maische und die Vergärung dieser Maische lassen sich mindestens einmal wiederholen.
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Die Herstellung von 2 # 3-Butylenglykol gemäß dem neuen Verfahren
kann in gewissen Fällen auch mit nicht sterilisierten Maischen ausgeführt werden.
Beispiel i 3000 kg Kartoffeln mit 2o'/, Stärkegehalt werden in einem Henze-Dämpfer
derart behandelt,
daß innerhalb 30 Minuten ein Druck von
3 Atm. erreicht wird. Die so erhaltene Masse wird in üblicher Weise in einem Maischbottich
mit 75 kg Malz eingemaischt. Die Maische wird in einer geschlossenen, vorher sterilisierten
Vorrichtung nach der Verzuckerung auf Siedetemperatur erhitzt und dann auf q.i°
abgekühlt. Darauf werden 25 kg Superphosphat und i9 kg. gut gemahlener Kalkstein
zugesetzt, und das Ganze wird mit Zoo 1 einer Mutterkultur von Aerobacter aerogenes
in Malzextrakt gemischt. Wenn die Gasentwicklung begonnen hat, wird durch die Flüssigkeit
Luft mit solcher Geschwindigkeit durchgeblasen, daß in der Stunde 25 cbm hindurchgehen.
Nach einer Zeitdauer, die von 33 bis 39 Stunden wechselt, ist die Gärung beendet.
Aus der vergorenen Maische werden durch Destillation und Rektifikation 1301 95o/oiger
Äthylalkohol gewonnen. Durch Verdampfen und darauffolgende Vakuumdestillation werden
235 kg rohes 2 - 3-Bütylenglykol mit einem Gehalt von g2 % gewonnen.
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Beispiele . 1q.00 kg Rohrzuckermelasse werden mit 35001 Wasser und
4o kg fein gemahlenem Phosphorit gemischt und die Mischung 15 Minuten lang auf Siedetemperatur
erhitzt. Darauf werden 5o kg Ammoniumsulfat und 35 kg gut gemahlener Kalkstein zugesetzt.
Nach Abkühlen auf q.3° werden 3001 einer reinen Kultur von Clostridium polymyxa
in Molken eingeführt. Nach 2 Stunden wird mit dem Durchleiten von Luft -mit einer
solchen Geschwindigkeit begonnen, daß 30 cbm in der Stunde hindurchgehen.
Die aus dem geschlossenen Gärgefäß entweichenden Gase werden in einen Wasser enthaltenden
Bottich geleitet, wodurch der von der Luft mitgeführte Alkohol zurückgehalten wird.
Die Gärung ist nach 2q. bis 36 Stunden beendet. Die vergorene Maische mit der Waschflüssig-.
keit wird wie nach Beispiel i aufgearbeitet. Die Ausbeute beträgt 175 1 95%iger
Äthylalkohol und 183 kg rohes 2 - 3-Butylenglylcol mit einem Gehalt von 92 010.