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Verfahren zur Beschleunigung technischer Gärungen Das Verfahren bezweckt,
den Ablauf von Gärungs- und damit im Zusammenhang stehenden Wachstumsvorgängen zu
beschleunigen und damit die dazu erforderlichen Zeiten abzukürzen. Es eignet sich
sowohl für Gärungen, bei welchen die eigentliche Gärung und das Wachstum des Gärungserregers
gleichzeitig in vergleichbaren Maßen erfolgen, als auch für Gärungen, bei welchen
die reine Gärung oder die Wachstumsvorgänge vorherrschend sind. Im folgenden soll
das Wort Gärung als allgemeine Bezeichnung für die verschiedensten Arten von Gärungs-
und damit verbundenen Wachstumsvorgängen dienen.
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Es ist bereits bekannt, durch verschiedenartige Zusätze den Verlauf
von technischen Hefegärungen in der Weise zu beeinflussen, daß hohe Ausbeuten an
Hefe und Alkoholerhalten werden. Als derartige Zusätze sind Stoffe bekanntgeworden,
die als Nährstoffe 'für Hefen dienen können, z. B. gewisse organische Stickstoffverbindungen,
die direkt in Hefesubstanz umgewandelt werden. Es sind aber auch Substanzen vorgeschlagen
worden, die biologische Wirkstoffe enthalten, welche weniger durch ihre Menge, als
durch spezifische Wirksamkeit den Gärungsverlauf beeinflussen, z. B. Reiskleie,
grüne Pflanzenstoffe, Hefepreßsaft, Milch, Preßsäfte aus Tomaten oder Möhren u.
dgl. Alle diese Verfahren bezwecken die Erzielung hoher Ausbeuten an Hefe und Alkohol,
nehmen aber auf den dazu erforderlichen Zeitaufwand keine Rücksicht.
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Gegenüber diesen bekannten Verfahren dient das neue Verfahren dem
besonderen Zweck, die Gärzeiten abzukürzen, und zwar nicht bloß bei Hefegärungen,
sondern ganz allgemein bei durch verschiedenartige Erreger hervorgebrachten Gärungsvorgängen.
Durch Versuche wurde gefunden, daß die verschiedensten
Gärungen
und die damit im Zusammenhang stehenden Wachstumsvorgänge wesentlich beschleunigt
werden können, wenn man dem Gärsubstrat in geringen Mengen frische, ungekochte Molke
zusetzt. Es ist bekannt, Hefe bzw. alkoholische Getränke durch Vergären des in der
Molke enthaltenen Milchzuckers herzustellen. Ebenso ist es bekannt. Molke im Gemisch
mit anderen zuckerhaltigen Flüssigkeiten, z. B. Sulfitablaugen, zu vergären. In
allen diesen Fällen dient die Molke als zuckerhaltiges Hefenährmaterial und gelangt
dementsprechend in großen Mengen zur Anwendung. Außerdem wird die Molke oder der
mit Molke versetzte Gäransatz vor der Vergärung zut Hydrolyse des Milchzuckers und
zwecks Ausfällens des Caseins gekocht bzw. stark erhitzt. Während bei diesen Verfahren
die Molke die Rolle eines zuckerhaltigen. Hefenährmaterials spielt, wird gemäß dem
neuen Verfahren die Molke in so kleinen Mengen angewendet, daß der Zuckergehalt
des Molkenzusatzes beim Gärvorgang von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Wesentlich
für das neue Verfahren ist ferner die Verwendung von frischer, ungekochter Molke.
Durch Versuche wurde klargestellt, daß durch ein Erhitzen der Molke die besondere
Wirksamkeit derselben beträchtlich vermindert, bei längerer Erhitzungsdauer gänzlich
aufgehoben wird. Es scheint, das frische Molke ein Gärungsvorgänge begünstigendes
Wirkstoffsystem besitzt, das durch Erhitzen geschädigt wird. Es ist wohl auch ein
Verfahren bekannt, nach welchem hohe Hefeausbeuten sowie eine Beschleunigung des
Hefewachstums durch Zusätze von Milch in entrahmtem oder nichtentrahmtem Zustand,
süß oder gesäuert, erreicht werden sollen. Dieses bekannte Verfahren unterscheidet
sich aber von dem erfindungsgemäßen durch die Verschiedenheit der angewendeten Mittel.
Molke ist die Flüssigkeit, die zurückbleibt, wenn in der Milch der Käsestoff gerinnt.
Da hierbei das Milchfett vom Käsestoff eingeschlossen wird, ist die Molke praktisch
frei von Fett und Käsestoff. Durch-Versuche wurde gefunden, daß Milchfett und Milcheiweiß
den Ablauf der Gärungsvorgänge ungünstig beeinflussen und zur Bildung von Zersetzungsprodukten
Anlaß geben, die den Gäransatz in unerwünschter Weise verunreinigen. Entrahmte und
nichtentrahmte .Milch, in süßem oder saurem Zustand ist daher für das vorliegende
Verfahren nicht geeignet. Es wurde weiter gefunden, daß die die Gärbeschleunigung
hervorrufenden Wirkstoffe der Milch sich beim Abscheiden des Milchfettes und des
Käsestoffes in der restlichen Molkenflüssigkeit anreichern und daß frische, ungekochte
Molke eine unvergleichlich größere Wirkung als eine gleich große Milchmenge aufweist.
Es ist eine neue Erkenntnis, daß in frischer Molke Wirkstoffe der Milch in angereicherten
Mengenverhältnissen .enthalten sind, die die erfindungsgemäße Beschleunigung der
Gärungsvorgänge bewirken.
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Die die Gärung und das Wachstum des Gärungserregers beschleunigende
Wirkung frischer, ungekochter Molke, für welche verhältnismäßig kleine Zusätze genügen,
ist abhängig von der im Gärsubstrat herrschenden Wasserstoffionenkonzentration und
zeigt maximale Werte im Bereich von etwa pH = 418 bis PH = 7,6; in stärker sauren
Substratflüssigkeiten läßt die Wirksamkeit rasch nach. Bei Hefegärungen wird die
größte Wirksamkeit etwa -zwischen pH @ 6,3 und PH = 6,7 entfaltet. Frische Molke
zeigt bereits bei Zusätzen von o,25r!'o zum Ansatz deutliche Gärbeschleunigung und
bewirkt rasche Einstellung der für die Gärung günstigen pH-Werte. Durch Erhöhung
der Molkenzusätze bis auf etwa 20jo des Gärvolumens kann die günstige Wirkung wesentlich
verbessert werden; höhere Zusätze sind dagegen nur von geringem Wert, da die weitere
Wirkungssteigerung unbeträchtlich ist. Im Vergleich zu Zusätzen von frischem Tomatensaft
bewirken mengenmäßig gleiche Zusätze von frischer Molke in obigem Konzentrationsbereich
und in gleichen Zeiten bei Hefegärungen einen bis dreifach rascheren Gärablauf.
Von Bedeutung für die gär- und wachstumsbegünstigende Wirkung ist, daß die Molke
im frischen Zustand und ohne vorherige stärkere Erhitzung zur Anwendung gelangt.
Die Abscheidung des Caseins bei der Gewinnung der Molke kann durch Säurefällung
oder Labfermentwirkung oder auf eine beliebige andere Weise erfolgen, sofern damit
keine höhere über etwa 50-' C hinausgehende Erhitzung verbunden ist. Die Molkenflüssigkeit
wird anschließend neutralisiert und vor der Verwendung vorteilhaft auf einen pH-Wert
von etwa 7,1 bis 7,6 eingestellt. Versuche haben ergeben, daß Molkenzusätze, deren
pH-Werte im angegebenen Bereich liegen, eine rasch einsetzende, starke Beschleunigung
des Gärverlaufes bewirken, insbesondere aber die Dauer der Angärung herabsetzen.
Vorteilhaft wird die Neutralisation der Molkenflüssigk eit und die Einstellung der
günstigsten p,1-Werte durch entsprechende Zusätze basisch wirkender Stickstoffverbindungen
wie Ammoniak, Ammoncarbonat, Harnstoff und andere bewirkt. Vor der Verwendung der
Molke kann es zweckmäßig sein, diese durch Filtration durch entsprechende Filter
keimfrei zu machen.
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Das neue Verfahren ist mit Vorteil für die verschiedensten technischen
Gärungen anwendbar,
ohne Unterschied, ob die reinen Gärungsvorgänge
oder das Wachstum der Gärungserreger überwiegen. Es'-eignet sich für Gärungen mit
verschiedenen Hefearten, Milchsäurebakterien und anderen Gärungserregern. Insbesondere
ist das neue Verfahren auch für solche Hefegärungen verwendbar, die bei Verwendung
von kleinen Mengen Anstellhefe und verhältnismäßig hohen Zuckerkonzentrationen bei
wenig Lüftung rasch zu Ende geführt werden sollen, also beispielsweise für die Heranzüchtung
der Stellhefe in der Hefefabrikation. Mit Vorteil eignet sich das Verfahren auch
für die Vergärung der träge gärenden Holzzuckerwürzen und damit auch für die Futterhefegewimiung
aus Holzzucker. Es eignet sich ganz allgemein sowohl für solche Gärungen, bei welchen
unter schwacher Belüftung neben der reinen Gärung, das Wachstum des Gärungserregers
verläuft, als auch für diejenigen, die ohne Belüftung und ohne einen wesentlichen
Wachstumsprozeß vor sich gehen. Der besondere wirtschaftliche Vorteil des Verfahrens
liegt in seiner Einfachheit und in der erheblichen Zeitersparnis von etwa 2o bis
30% gegenüber den entsprechenden gewöhnlichen Gärungen. Bei bestehender Anlage kommt
eine Verringerung des Zeitaufwandes einer .entsprechenden Mehrleistung gleich. Ausführungsbeispiel
20 ooo kg einer handelsüblichen Melasse von etwa 75 bis 8o° Balling und einem Zuckergehalt
von etwa 50% werden zunächst mit Wasser auf 1 q.° Balling verdünnt und mit Schwefelsäure
schwach angesäuert, hierauf in der üblichen Weise unter Zusatz der notwendigen Mengen
von Ammon- und Phosphorsäuresalzen, z. B. 3oo kg Superphosphat und q.50 kg Ammonsulfat,
gekocht, anschließend gekühlt und geklärt und sodann mit ioo bis 2ookg Stellhefe
(o,5 bis i,o% des Melassegewic'ltes) unter solcher Verdünnung mit Wasser zur Vergärung
angestellt, daß sich ein Anfangs-PH von etwa 6,o ergibt. Zum' Gäransatz kommen ferner
goo 1 frische Molke, die vorher durch ein Entkeimungsfilter keimfrei filtriert und
mittels entsprechender Ammoniakzusätze auf ein pH von etwa 7,6 bis 7,1
eingestellt
ist. Es wird unter Anwendung eines kurzen Melassezulaufes vergoren, wobei zulaufende
Melasse- und Wassermengen so geregelt werden, daß sich ein- Endvolumen von ioo ooal
ergibt. Während der Gärung wird der Gäransatz in einem Temperaturbereich von 25
bis 3o° C gehalten und gleichmäßig mit etwa i 5o bis 3oo cbm Luft je Stunde belüftet.
Bereits nach i i bis 12 Stunden ist der Endpunkt der Gärung erreicht, während zur
Vergärung des gleichen Ansatzes unter sonst gleichen Bedingungen, aber ohne Molkenzusatz
17 bis 18 Stunden erforderlich sind. Die Ausbeute gerechnet auf 5o%ige Melasse beträgt
etwa 2o% Hefe von 27% Trockensubstanz und 2601o Alkohol.