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Verfahren zur Herstellung künstlicher Fäden oder Faserbündel aus Viskose
mit hoher Festigkeit und Dehnung Es ist eine Reihe von Spinnverfahren bekanntgeworden,
nach denen aus Viskose künstliche Fäden mit Festigkeiten von 2,5 g pro Denier und
wesentlich mehr bei entsprechender Naßfestigkeit erzielt werden können. Es werden
hierzu Spinnbäder verschiedener Zusammensetzung verwendet, die im allgemeinen hohe
Säurekonzentrationen und geringen Wassergehalt aufweisen, im einzelnen bezüglich
Konzentration und Zusammensetzung aber stark differieren. Wesentlich ist bei der
Verwendung dieser Bäder zur Erzielung hoher Festigkeiten die Ausübung eines Zuges
auf den Faden nach Verlassen des Bades, worauf der Faden vor oder auf der Aufwickelvorrichtung
meist eine Waschung mit Wasser erfährt.
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Alle so erzeugten hochfesten Seiden weisen aber nur geringe Dehnungen
und Naßdehnungen auf. Das aus der Reißdehnungskurve ermittelte Arbeitsvermögen liegt
trotz der hohen Reißfestigkeit nicht über, oft sogar unter dem Arbeitsvermögen einer
guten ohne besondere Spannungsmaßnahmen gesponnenen Viskoseseide. Die einseitige
Erhöhung der Festigkeit auf Kosten der Dehnbarkeit bringt eine Reihe von Nachteilen
bei der Weiterverarbeitung mit sich. Man hat daher schon vorgeschlagen, solche Seiden
durch eine alkalische Nachbehandlung zu verbessern, was indessen beträchtliche Mißstände
mit sich bringt. Auch das Verspinnen von Viskosen, die mit Glykolen verestert oder
veräthert sind, in z. B. starke Schwefelsäure, ist schon vorgeschlagen worden. Abgesehen
von den erhöhten Kosten in der Viskoseherstellung hat die Verwendung von mit Chlorhydrinen
umgesetzten Viskosen den schwerwiegenden Nachteil, daß durch den Chloridgehalt der
Viskose das Spinnbad salzsäurehaltig wird.
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Nach vorliegender Erfindung ist es nun leicht möglich, die Dehnbarkeit
hochfester Seiden lediglich durch mechanische Maßnahmen schon beim Spinnprozeß so
günstig zu beeinflussen, daß die Fäden ein höheres Arbeitsvermögen als die bisher
bekannten Viskosekunstfäden aufweisen.
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Der Erfindung liegt die Beobachtung zugrunde, daß bei Verwendung der
bekannten Spinnbäder zur Erzielung hochfester Seiden ein unter Streckung aus dem
Spinnbad gezogener Faden beim Einlaufen in Wasser unter völliger Entspannung, d.
h. bei freiem Durchhängen, eine starke Kontraktion erfährt und nach Eintritt der
Kontraktion bei Anwendung einer zweiten Streckung einen Faden ergibt, der nach Fertigstellung
eine Bruchfestigkeit über 2,5 g pro Denier und eine Dehnbarkeit von über 9 bis über
150/0 aufweist. Auch die NTaßdehnung liegt bei diesen Fäden mindestens ebenso hoch,
meist aber höher als die Trockendehnung. Diese Beobachtung ist um so überraschender,
als sie in direktem Widerspruch mit der bisher bekannten Annahme steht, daß Fäden,
die in starker Schwefelsäure mit oder ohne Spannung gesponnen wurden,- vollkommene
Irreversibilität der Längsquellung beim Auswaschen der Schwefelsäure aufweisen.
Starke Schwefelsäurebäder
machen aber keine Ausnahme von der erwähnten
Beobachtung, auch tritt die erwähnte Kontraktion, ebenfalls im Gegensatz zu den
zitierten Behauptungen, auch bei Spinnbädern ein, die weniger als 5o bis 55°/o Monohydrat
enthalten. Die nach der ersten Streckung beim Einlaufen in Wasser geschrumpften
Fäden behalten ihr hervorragendes Verfestigungsvermögen sogar nach dem Trocknen
ohne Spannung.
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Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, die Fäden in der ersten Streckperiode,
also in säurenassem Zustand, auf einen feineren Titer auszuziehen, als er für den
fertigen Faden beabsichtigt ist, ihn dann auf einen gröberen als den Soll-Titer
zusammenschrumpfen zu lassen und nach Verlassen des Wasserbades in der zweiten Streckperiode
auf den endgültigen Titer auszuziehen. Der Schrumpfungsbetrag hängt unter anderem
vom Betrag der Spannung vor dem Schrumpfen ab und wächst mit dieser Spannung. Spinnt
man z. B. mit einem Bad nach Beispiel 3 mit einem Abzug von 5o m, so schrumpft der
Faden beim freien Einlaufen in Wasser um 5o0/0 seiner Länge zusammen. Durch Steigerung
der Spannung vor der Abzugsrolle läßt sich diese Schrumpfung auf 610/, erhöhen.
Unter besonders günstigen Verhältnissen sind schon Schrumpfungen bis über 700/a
beobachtet worden. Bei der praktischen Ausübung des Verfahrens verfährt man z. B.
so, daß der Faden nach Verlassen des Bades über ein oder mehrere Glasstäbe durch
eine Rolle abgezogen wird, die eine höhere Umfangsgeschwindigkeit aufweist, als
dem endgültigen Titer entspricht. Von dieser Rolle fällt der Faden in eine Wanne
mit Wasser, indem er etwa eine Strecke von io bis 5o cm vollkommen lose durchhängend
durchläuft, um dann mittels einer zweiten Rolle, die eine dem gewünschten Titer
entsprechende Umfangsgeschwindigkeit aufweist, wieder herausgezogen zu werden. Zwischen
dieser zweiten Rolle und dem Wasserbad ist wieder eine Spannvorrichtung aus Glasstäben
eingeschaltet. Statt Spannvorrichtungen aus Glasstäben zu verwenden, kann man auch
die Spannung durch Walzenpaare erzeugen, von denen jeweils die erste Walze eine
geringere Umfangsgeschwindigkeit aufweist als die zweite. Die Abzugswalze hinter
dem Wasserbad, auf der der Faden seinen endgültigen Titer hat,4,-ann zugleich als
Aufnahmevorrichtung für den Faden dienen, z. B. als Spule ausgebildet sein, oder
sie kann auch nur zur Weiterführung des Fadens benutzt werden, wenn z. B. der Faden
in eine Spinnzentrifuge geleitet werden soll. Die Geschwindigkeit, mit der der Faden
aus dem Wasserbad abgezogen wird, muß natürlich gleich sein der Geschwindigkeit,
mit der er ins Wasser eintritt, vermindert um die tatsächlich eingetretene Schrumpfung.
Ist die Austrittsgeschwindigkeit aus dem Wasser kleiner als die um die Schrumpfung
verminderte Fadengeschwindigkeit vor dem Schrumpfbad, so kommt es zu Fadenanhäufungen
im Schrumpfbad. Zweckmäßig zieht man' aus dem Wasserbad etwas rascher ab, als der
größtmöglichen Schrumpfung entspricht. Hierdurch wird das im Schrumpfbad hängende
Fadenstück etwas aus dem Bad herausgezogen, also die Radstrecke verkürzt, wodurch
die Schrumpfung entsprechend geringer, die Austrittsgeschwindigkeit also etwas größer
wird. Es stellt sich so von selbst das Gleichgewicht zwischen Schrumpfung und den
beiden Abzugsgeschwindigkeiten derart ein, daß der Faden im Schrumpfbad bei einem
bestimmten Abzugsverhältnis eine bestimmte Strecke im Wasser durchhängt.
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Die Temperatur des Wasserbades kann Raumtemperatur oder auch höhere
Temperatur haben. Auch können in dem Wasser des Schrumpfbades Stoffe gelöst sein,
die den Schrumpfvorgang nicht hindern, sondern ihn sogar begünstigen.
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Eine weitere Ausführungsform des Verfahrens besteht darin, daß man
den nach Durchlaufen des Wasserbades geschrumpften Faden ohne jede Spannung auf
Spulen oder Haspel aufwickelt und in einem anderen Arbeitsgang erst auf die endgültige
Feinheit unter gleichzeitiger Verfestigung auszieht. Hierbei kann er gleich anschließend
gezwirnt werden, z. B. in einer Spinnzentrifuge. Das Ausziehen erfolgt in diesem
Fall am besten in feuchtem Zustande.
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Man kann aber auch den spannungslos auf Spulen oder Haspeln aufgewickelten
Faden erst auswaschen und trocknen und dann in trocknem Zustand auf den gewünschten
Titer unter gleichzeitiger Verfestigung ausziehen, wobei wieder gleich das Zwirnen
angeschlossen werden kann. Derartige geschrumpfte Fäden haben in unausgezogenem
Zustand getrocknet eine Dehnung bis 50 und naß eine Dehnung bis zoo°/°.
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Das Maß der Schrumpfung und '\@'iederausziehbarkeit hängt bis zu einem
gewissen Grad von dem verwendeten Spinnbad und der Viskose ab. Infolgedessen erhält
man nicht in allen Fällen gleich günstige Ergebnisse. Auf jeden Fall lassen sich
aber bei gleichen Festigkeiten höhere7Dehnungen erzielen, als wenn die gleichen
Bäder ohne Zwischenschaltung einer Schrumpfung verwendet werden. Welche Auszüge
vor und hinter dem Schrumpfbad die besten Ergebnisse liefern, muß von Fall zu Fall
ausprobiert werden. Verhältnismäßig säurearme und salzreiche Bäder geben im allgemeinen
bessere Ergebnisse, wenn die Viskose in gereiftem Zustand versponnen wird, während
andere Bäder unter den verschiedensten Verhältnissen günstige Resultate liefern.
Die Viskose kann aus gereifter wie ungereifter Alkalicellulose hergestellt sein.
Mit der Verbesserung der Dehnbarkeit geht eine wesentlich tiefere Anfärbbarkeit
des
Fadens Hand in Hand, so daß gegenüber gewöhnlichen Viskoseseiden in der Farbstoffaufnahme
kein Unterschied mehr besteht. Das Verfahren eignet sich ebensogut zur Erzeugung
von Faserbündeln., die auf Stapelfas#--rverarbeitet werden, wie zur Herstellung
von Kunstseide.
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Man hat zwar schon vorgeschlagen, frisch gesponnene Kunstfäden mit
einem bestimmten Abzug aus dem Bad zu ziehen und mit einem geringeren aufzuwickeln.
Auch ist schon vorgeschlagen worden, den Faden zwischen zwei Rollen mit verschiedener
Geschwindigkeit zu spannen, auf der zweiten Rolle mit einer Flüssigkeit zu waschen
und im Fall einer dabei eintretenden Schrumpfung ihn mit einer dritten Rolle mit
geringerer Geschwindigkeit abzuziehen. Bei vorliegendem Verfahren handelt es sich
aber darum, den stark gestreckten Faden frei durchhängend sehr stark schrumpfen
zu lassen und ihn dann wieder einer Streckung zu unterziehen. Schon kleinere Widerstände
verhindern die freie Auswirkung des dem Faden eigentümlichen Schrumpfbestrebens.
Der Vorgang kann mit einem Reckprozeß der Metallindustrie in zwei Stufen mit dazwischenliegendem
Anlassen verglichen werden.
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Es sind auch Verfahren bekannt, welche zur Herstellung hochfester
Fäden den frisch gesponnenen Faden in mehreren Stufen verstrekken und dazwischen
den Faden durch Wasser oder Quellungsbäder führen. Bei dieser Arbeitsweise wird
aber dem Faden nicht erlaubt zu schrumpfen, d. h. es wird ihm nicht die Möglichkeit
gegeben, die durch das Ausziehen zunächst erhaltene Länge wieder zu verkürzen. Eine
solche Arbeitsweise führt deshalb nicht zu Fäden erhöhter Dehnung. Beispiele i.
Eine Viskose mit 50;`0 Cellulose und 5,5°,'"0 NaOH wird bei einer Chlorammonreife
von 9,5 ccin (mit 15 proz. Chlorammon bestimmt) in ein Bad von 76 proz. Schwefelsäure
bei 22 gesponnen.' Viskoseförderung und letzter Abzug werden auf einen Fadentiter
von i Denier eingestellt. Der Faden läuft nach Verlassen des Bades über drei Glasstäbe
von i mm Stärke und dann über eine Rolle mit 5o m Umfangsgeschwindigkeit, um die
er einmal ganz herumgeschlungen wird. Von hier fällt er in ein Wasserbad von gewöhnlicher
Temperatur, in dem er über eine Strecke von 2o cm frei durchhängend untertaucht.
Aus dem Wasserbad wird er von einer Spule mit 33 m Umfangsgeschwindigkeit abgezogen
und aufgewickelt. Zwischen Wasserbad und Spule wird er durch Zwischenschaltung von
vierparallelen, in einer Ebene liegenden Glasstäben von 5 mm Dicke gespannt. Die
Spule läuft in einem Oberbad reit Wasser. Nach Fertigstellung haben die Fäden eine
Festigkeit von 3,54 g trocken und 2,16 g na ß pro Denier und eine Trocken- bzw.
Maßdehnung von 9,2 bzw. 8,70/0.
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Dieselbe Viskose- wird in ein io bis 122 kaltes Bad versponnen, das
durch Veresterung von 2o Teilen Methanol mit So Teilen konzentrierter Schwefelsäure
hergestellt wurde. Die erste Abzugsrolle hat eine Umfangsgeschwindigkeit von 46
m, die Spule eine solche von 32 m. Die Fadenstrecke im Schrumpfbad beträgt 15 cm,
die Temperatur des Schrumpfbades 18 '. Hinter dem Schrumpfbad wird nur über 2 Stäbe
gespannt. Die übrigen Bedingungen sind wie in Beispiel i. Man erhält Fäden von einer
Trocken-bzw. Maßfestigkeit von 3,28 bzw. 2,26 g pro Denier bei einer Dehnung von
9,60;o trocken und 13,q.0/° naß.
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3. Dieselbe Viskose und Säure wie in Beispiel s, nur wird die Säure
mit 2o0/° Wasser versetzt. Die erste Abzugsrolle hat eine Umfangsgeschwindigkeit
von 5o m, die Spule eine solche von 30 m. Die Spinnbadtemperatur beträgt
23 ', die Spannung hinter dem SchrumpfbaderfolgtdurchvierStäbe. ÜbrigeBedingungen
sind wie in Beispiel e. Die Fäden haben eine Trockenfestigkeit von 3,1 g und eine
Maßfestigkeit von 1,73°/° bei einer Trockendehnung von 15 °,1° und einer Maßdehnung
von 21,2"/,).
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4. Eine gereifte Viskose mit 504 Cellulose und 5,5o,', NaOH wird bei
einer Kochsalzreife von .1,75 ccm in ein 22 @ warmes Bad gesponnen, das 4.1,35°J°
Schwefelsäure, 26,8°/° Ammoniumbisulfat und 3,4°/° Natriumbisulfat enthält (Gewichtsprozente).
Das Wasser des Schrumpfbades hat eine Temperatur von 35 '. Hinter dem Schrumpfbad
wird mit drei Glasstäben gespannt. Die Abzugsrolle hat 52 m, die Spule 32 m Umfangsgeschwindigkeit.
Die übrigen Bedingungen sind wie in den vorhergehenden Beispielen. Die Fäden haben
eine Trockenfestigkeit von 3 g und eine Maßfestigkeit von 1,5 g pro Denier. Die
Trockendehnung beträgt 13,70!0, die Maßdehnung 19,20I0.