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Gewinnung von reinem Schwefeldioxyd Die nach der Gleichung 2 H- S
O4 -j- S = 3 S O" -f- 2 H. O verlaufende Bildung von Schwefeldioxyd konnte mangels
einer geeigneten Apparatur technisch bisher nicht benutzt werden (s. Handbuch der
Schwefelsäurefabrikation: Lunge, 19i6, I, Seite 575 bis 576 und Wa e s e r, 193o,
l,. Seite 79i). Insbesondere Gußeisen und Eisenlegierungen schienen für solche Apparate
nicht in Betracht zu kommen. Gußeisen wird von kochender starker Schwefelsäure zwar
verhältnismäßig nur wenig angegriffen, aber gegenüber dünner Schwefelsäure isst
es sehr unbeständig, was entscheidend ist, da bei jener Reaktion infolge der Entstehung
von Wasser sich die angewandte Schwefelsäure fortlaufend verdünnt. Bedenkt man ferner,
daß die Reaktion ziemlich viel Wärme verbraucht und daß wegen der Notwendigkeit
der Beheizung auch säurefest ausgemauerte Bußeiserne Gefäße sich ausschließen, so
ist begreiflich, daß nach W a e s e r (a. a. O.) diese Gewinnung von Schwefeldioxyd
im Großbetrieb bis heute nicht auszuführen war.
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Es bedeutet daher einen wesentlichen technischen Fortschritt, daß
es trotz der geschilderten Schwierigkeiten mit dem vorliegenden Verfahren gelingt,
Schwefeldioxyd aus Schwefel und Schwefelsäure in einem Bußeisernen Gefäß zu erzeugen,
indem man darin, ausgehend von einer starken oder dünnen Schwefelsäure, eine Säurekonzentration
von etwa 960,1o aufrechterhält. Die Aufrechterhaltung dieser Säurekonzentration
von 96%, der gegenüber z. B. Gußeis.en selbst in der Siedehitze recht beständig
ist, kann z. B. auf folgende Weise erzielt werden: Man läßt durch das Bußeiserne
Reaktionsgefäß, z. B. einen mit Deckel, Gasabgang, Einwurföffnung, Einlauf und Überlauf
versehenen und mittels Gas oder Kohle geheizten gußeisern:en Kessel, welcher anfangs,
mit 96%iger kochender Schwefelsäure gefüllt ist, während der gleichmäßigen Beschickung
mit festem, ge-3chmolzenem, dampfförmigem oder in Schwefelsäure aufgeschwemmtem
Schwefel, überschüssige starke Schwefelsäure hindurchfließen. Zu einem Teil zergeht
der Schwefel schnell, zu einem anderen Teil schmilzt er zu quallenartigen Gebilden
zusammen, welche in der kochenden Säure suspendiert sind und langsamer verschwinden.
Der außer Schwefeldioxyd erzeugte Wass rdampf entweicht zu einem Teil mit dem Schwefeldioxyd,
zum anderen Teil. wird er von der zur Aufrechterhaltung der hohen Säurekonzentration
durch den Apparat hindurchgesebickten Spülsäure absorbiert und mit ihr durch den
Überlauf, welcher zur Zurückhaltung von Schwefel siebartig ausgebildet ist, fortgeführt.
Da die aus siedender Schwefelsäure entweichenden Wasserdämpfe
auch
Dämpfe der Schwefelsäure enthalten, läßt man die aus Schwefeldioxyd, Wasserdampf
und Schwefelsäuredämpfen bestehenden Gase durch eine mit Steinen oder Raschigzylindern
gefüllte, über dem Kessel stehende und sich nach ihm entleerende, säurefeste Kolonne
gehen, in welcher sich die Schwefelsäuredämpfe kondensieren, während das Schwefeldioxyd
und die Wasserdämpfe aus dem auf etwa iao° gehaltenen Oberteil der Kolonne entweichen.
Nach Niederschlagung der Wasserdämpfe in mit Wasser gekühlten Kühlern oder in mit
Wasser innen berieselten Türmen trocknet man das übrigbleibende feuchte Schwefeldioxyd,
z. B. mittels starker Schwefelsäure, und verflüssigt es durch Kühlung oder unter
geringem Druck. Weitere Versuche haben ergeben, daß die für die Reaktion notwendige
Schwefelsäure, in welcher der Reaktionsschwefel suspendiert sein kann, auch in verdünnter
Form verwendbar ist, wenn man sie am Kopf der erwähnten Kolonne einfließen läßt.
Sogar die der Aufrechterhaltung der hohen Säurekonzentration dienende Spülsäure
kann man ebenfalls in Form von verdünnter Säure einführen, indem man auch sie in
dem Oberteil der konzentrierend wirkenden Kolonne eintreten läßt. In diesem Falle
stellt das neue Verfahren die Gewinnung von Schwefeldioxyd aus Abfallsäure und Schwefel
dar und liefert ein außerordentlich billiges Produkt.
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Die Aufrechterhaltung der hohen Säurekonzentration ermöglicht nicht
nur die Verwendung der für den Großbetrieb erwünschten gußeisernen Apparatur, sondern
sie schließt noch in sich den Vorteil der Durchführung der Reaktion mit größter
Geschwindigkeit bei der höchstmöglichen Temperatur, d. i. der Siedepunkt der starken
Schwefelsäure von etwa 330°. Würde man bei tieferer Temperatur arbeiten, wie sie
sich ohne die beschriebene Aufrechterhaltung der hohen Säurekonzentration infolge
der mit der Reaktion verbundenen Wasserbildung ergäbe (der Siedepunkt der Säure
sinkt dann dauernd mit dem Fortschreiten- der Reaktion), so wäre die Reaktionsgeschwindigkeit
erheblich geringer und schon bei z. B. 85%iger Säure unbefriedigend. Aus diesem
Grunde, also zur Erzielung eines möglichst großen. Umsatzes, empfiehlt sich das
geschilderte Verfahren auch dann, wenn man den Reaktionskessel aus einem Material
herstellt, welches an sich gegen verdünnte Schwefelsäure beständig ist, wie z. B.
Eisensilicium, Platin, Quarz oder Glas.
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Zur Aufrechterhaltung der hohen Säurekonzentration mit Rücksicht sei
es auf das Material des Reaktionskessels oder auf die nur bei höherer Temperatur
befriedigende Reaktionsgeschwindigkeit, bedient man sich, wie gesagt, am zweckmäßigsten
des Durchflusses überschüssiger starker Schwefelsäure. In den Fällen, wo, wie z.
B. bei Kesseln aus Eisensilicium, eine gelegentliche Erniedrigung der Säurekonzentration
die Apparatur nicht schädigt, möchte man meinen, mit dem Ersatz der durch die Reaktion
verbrauchten Schwefelsäure ohne Verwendung eines überschusses und ohne Betätigung
des Überlaufes auskommen zu können. Da aber, wie schon beschrieb-en, ein Teil des
Schwefels zusammenschmilzt und langsamer verschwindet, wäre es nicht eben leicht,
Verbrauch und Ersatz aufeinander so genau einzustellen, wie es ein .gleichmäßig
fortlaufender Betrieb, besonders hinsichtlich der Temperatur und der Innehaltung
des Flüssigkeitsniveaus im Kessel, erfordert. Auch hier ist also der Durchfluß oder
mit anderen Worten ein. gewisser IJberschuß durchlaufender starker Säure nützlich.
Daß man die hohe Säurekonzentration in dem Reaktionskessel auch durch Einleiten
von S O3 aufrechterhalten kann, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
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Das Verfahren kann beispielsweise unter Benutzung der in der Zeichnung
erläuterten Apparatur wie folgt ausgeführt werden In dem gußeisernen Kessel A befinden
sich etwa io t 96%iger Schwefelsäure, die durch eine geeignete äußere Heizung, z.
B. Generatorgasfeuerung, im lebhaften Sieden (Kochpunkt rund 33o°) erhalten werden.
Am Kopf der mit Raschigringen ausgesetzten Kolonne B läuft mit einer Geschwindigkeit
von etwa 61/m eine etwa 70%ige (Abfall-) Schwefelsäure ein, die auf dem Wege durch
die Kolonne unter der Einwirkung der entgegenströmenden H2 S O4-Dämpfe ihren Wassergehalt
verliert und als etwa 85%ige Säure in den Kessel A gelangt, in dem sie vollends
konzentriert wird und durch einen siebartig ausgebildeten Überlauf G als rund 96%ige
Säure abläuft.
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Gleichzeitig mit dieser dünnen, durch die Kolonne aufgegebenen Spülsäure
wird durch den Trichter C nv.ttels .einer rotierenden Schnecke D gemahlener Schwefel
in einer Menge von etwa 2o kg/h in den Kessel A eingetragen.
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Das entstehende SO2-Gas verläßt zusammen mit Wasserdämpfen den Kessel
A, streicht durch die Kolonne B, deren Temperatur am Kopfe auf etwa 12o° gehalten
wird, und gibt in dem mit gekühltem Wasser berieselten Wäscher E den größten Teil
seines Wassergehaltes ab. Die letzten Wasseranteile werden dem Gas in dem mit starker
Schwefelsäure berieselten Trockenturm F entzogen. Es kann dann unter Kühlung oder
geringem Druck verflüssigt werden.