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Verfahren zur Herstellung von preßfähigen Massen in Pulverform Die
vorliegende Erfindung bezieht sich auf die Herstellung von verschiedenartigen, für
die mannigfaltigsten gewerblichen Zwecke verwendbaren Preßmassen.
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Die Erfindung beruht auf der überraschenden Beobachtung, daß Dicyandiamid
bei genügend langem Erhitzen mit wässerigen Formaldehydlösungen ein hydrophobes
Harz liefert. Dieses Harz besitzt in der Kälte eine z ähharte Konsistenz, zerfällt
aber bei der Behandlung mit Wasser oder wässerigen Lösungen von Elektrolyten, beispielsweise
Natriumchlorid, Kaliumrhodanid usw., zu einem Pulver, das nach dem Trocknen ein
ausgezeichnetes Preßmaterial darstellt.
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Dicyandiamid wurde bisher als Ausgangsmaterial für die Herstellung
von Preßpulvern als solches nicht verwendet. Nach einem bekannten Verfahren (vgl.
die österreichische Patentschrift 95 663) können als Ausgangsinaterial für die Herstellung
von Harnstoffforinaldehydkondensationsprodukten, die aber keine preßfähigen Massen
liefern, an Stelle von freiem Harnstoff wässerige Auszüge des Kalkstickstoffes als
Harnstoff liefernde Ausgangsstoffe Verwendung finden, welche Auszüge vor der eigentlichen
Kondensation mit Säure gekocht werden. Durch diese Behandlung wird das Dicyandiamid,
das in solchen Auszügen überhaupt nur bei der Extraktion des Kalkstickstoffes mit
nicht angesäuertem Wasser vorhanden sein kann, jedenfalls weiterverändert.
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Das gleiche ist bei dem Verfahren der deutschen Patentschrift 394488
der Fall, nach welchem zur Kondensation mit Formaldehyd verwendbare Lösungen durch
Auslaugen von technischem Kalkstickstoff mit Wasser, vorzugsweise unter mäßigem
Erwärmen, gewonnen werden sollen. Die vom Rückstand abgetrennte Lösung, welche Cyanamid,
Dicyandiamid, Carbamid oder Carbamidabkömmlinge usw. enthält, soll mit Formaldehyd
in Gegenwart von Säure bis zur Bildung eines in Wasser unlöslichen Kondensationsproduktes
erhitzt werden. Nach dem Ausführungsbeispiel wird schon die zum Auslaugen des Kalkstickstoffes
dienende oder die zur Kondensation bestimmte Flüssigkeit mit verdünnten Säuren behandelt.
Auch in diesem Fall muß also eine Veränderung des Dicyandiamids, soweit es in den
Ausgangslösungen überhaupt vorhanden war, eintreten.
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Im Gegensatz zu diesen bekannten Verfahren handelt es sich bei dem
vorliegenden Verfahren um die Kondensation von unverändertem Dicyandiamid mit Formaldehyd.
Die nach dem erfundenen Verfahren hergestellten Produkte zeichnen sich durch eine
besonders hohe Flußfähigkeit aus, welche die der allerbesten auf dem Gebiet der
Aminoplaste bekannten Produkte übertrifft. Ferner
bietet das neue
Verfahren die Möglichkeit, Preßpulv er aus harzartigen Phenol- bzw. Kresolforinaldehydkondensationsprodukten
ohne Elektrolytzusatz herzustellen, was bisher nicht durchführbar war.
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Zur Herstellung eines Preßpulvers gemäß der Erfindung wird Dicyandiamid
mit einer wässerigen Formaldehydlösung in An- oder Abwesenheit von Kontaktmitteln
so lange erhitzt, bis sich beim Abkühlen einer der Reaktionsmischung entnommenen
Probe ein hydrophobes Harz ausscheidet. Man kommt nun in der einfachsten Weise zu
dem Preßpulv er, indem man die Reaktionsmischung in kaltes Wasser oder in wässerige
Lösungen eingießt, wobei sich das Harz ausscheidet, um alsbald in ein mehlfeines
Pulver überzugehen, das abgenutscht, gewaschen und getrocknet wird. Dieser Vorgang
kann durch mechanische Maßnahmen aller Art, wie Kneten, Rühren, Schlagen o. dgl.,
beschleunigt werden.
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Weiter wurde gefunden, daß man aus Gemischen von Dicvandiamid und
anderen Stoffen, die mit Formaldehyd harzartige Kondensationsprodukte liefern, Mischkolloide
herstellen kann, die sich ganz ähnlich verhalten wie das einheitliche Dicyandiamidformaldehydkondensationsprodukt.
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So erhält man z. B., wenn man, gleichzeitig mit der Dicyandiamidformaldehydkondensation,
Harnstoff ohne jeden Kontaktmittelzusatz mit so kleinen Mengen Formaldehyd, ivie
sie für die Harnstofformaldehydkondensation bisher überhaupt nicht verwendet worden
sind, in Reaktion treten läßt, nicht nur vollkommen wasserklare Mischkondensationsprodukte,
sondern nach hinreichend langer Erhitzung auch das stark hydrophobe Harz eines Mischkolloides,
das sich durch Behandlung mit Wasser oder wässerigen Lösungen der erwähnten Art
gleichfalls in ein Pulver überführen läßt, das nach dem Trocknen ein ausgezeichnetes
Preßmaterial darstellt.
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Mit Thioharnstoff gelingt es ebenfalls, ein Mischkolloid herzustellen,
das aus der wasserklaren Lösung in Form eines hydrophoben Harzes ausfällt. Auch
dieses Harz geht beim Behandeln mit Wasser bzw. mit wässerigen Lösungen äußerst
leicht in ein Pulver über, welches durch Hitze und Druck zu glasklaren Preßkörpern
verpreßt werden kann.
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Auch die Phenol- bzw. Kresolformaldehydkondensationsprodukte liefern,
wenn man sie im Gemisch mit Dicyandiamid mit Formaldehyd kondensiert, Harze, welche
bei gewöhnlicher Temperatur unter Wasser zu einem Pulver zerfallen. Es ist dies
deshalb von besonderer technischer Wichtigkeit, weil es bisher überhaupt nicht gelungen
ist, aus Phenolen bzw. Kresolen und Formaldehyd in einem Arbeitsvorgang zu pulverförmigen,
nicht weitpolymerisierten Massen zu gelangen. Es ist zwar bereits vorgeschlagen
worden, die harzartigen Anfangskondensationsprodukte aus Phenolen und Formaldehyd
zu lösen und hierauf durch hydrotrop wirkende Zusätze auszufällen. Diese Verfahren
haben, abgesehen von der Umständlichkeit ihrer technischen Durchführung, den großen
Nachteil, daß sie an die Anwesenheit von Elektrolyten gebunden sind, welche aus
den Harzen niemals quantitativ entfernt werden können. Demgegenüber liefert das
vorliegende Verfahren beim Eingießen der Reaktionsgemische in reines Wasser vollkommen
elektrolytfreie Massen, welchen außerdem durch die Einverleibung des Dicyandiamidformaldehydkondensationsproduktes
die gewerblich äußerst wertvolle Eigenschaft verliehen wird, auch mit Cellulose.
vermischt, sehr leicht und gut bearbeitbare Freßmischungen zu ergeben.
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Alle diese Pulver sind mit den einfachsten technischen Hilfsmitteln
in sozusagen beliebigem Feinheitsgrade herstellbar; sie trocknen vollkommen gleichmäßig
und sehr rasch und lassen sich nach dem Trocknen in der Heißpresse durch die gleichzeitige
oder getrennte Einwirkung von Hitze und Druck dank ihrer hervorragenden guten Flußfähigkeiten
zu fertigen Gegenständen aller Art v erpressen. Hierbei kann man entweder unmittelbar
die gebrauchsfertigen Stücke oder ein Ausgangsprodukt für die weitere mechanische
Bearbeitung in Form von Platten, Stäben u. d-1. herstellen. Die durch Heißpressung
erzeugten Massen lassen sich mit größter Leichtigkeit mechanisch .bearbeiten, wie
bohren, schneiden, sägen, feilen, fräsen, drehen, polieren usw.
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Das Verfahren sei durch die folgenden Beispiele erläutert, womit aber
die Ausführungsmöglichkeiten der Erfindung keineswegs erschöpft sind. Aus führungsbeispiele
i. ioo Gewichtsteile Dicyandiamid werden im Rückflußkessel mit ioo Gewichtsteilen
.lov olumprozentiger Formaldehydlösung versetzt (was einem Verhältnis von i Mol
Dicyandiamid zu i Mol festen Formaldehyds entspricht), worauf die ganze Reaktionsinischung
erwärmt wird. Wenn Lösung eingetreten ist, wird die Reaktionsmischung in schwachem
Sieden erhalten. Sie bleibt. vollkommen wasserklar. Nach etwa illz bis 2stündigem
Kochen scheidet sich in einer entnommenen Probe beim Abkühlen ein zähes, absolut
klares Harz aus. Wird nun bei Erreichung dieses Zustandes die ganze Reaktionsmischung
in kaltes Wasser gegossen,
so scheidet sich ein Harz aus, das alsbald
in ein Pulver übergeht. Dieser übergang kann durch mechanische Maßnahmen aller Art,
wie Rühren, Kneten, Schlagen usw., beschleunigt werden. Nach 24stündigem Verweilen
unter Wasser wird das Pulver abgenutscht und kurze Zeit gewaschen.
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ach dein Trocknen stellt dieses Pulver ein Preßpulver mit hervorragenden
Flußeigenschaften dar und läßt sich in der Heißpresse unter der vereinten Einwirkung
von Hitze und Druck zu glasklaren Preßlingen aller Art verpressen.
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a. ioo Gewichtsteile Dicyandiamid werden gemeinsain mit ; i Gewichtsteilen
Harnstoff in Zoo Gewichtsteilen -.ovoluniprozentiger wässeriger Formaldeliydlösung
gelöst (was einem Verhältnis von i Mol Dicvandiamid, i Mol Harnstoff und -2 Molen
festen Formaldehyds entspricht) und etwa -2 Stunden im Rückflußkessel erhitzt, bis
eine herausgenommene Probe beim Abkühlen ein äußerst hvdrophobes Harz ausscheidet,
welches sich durch Erwärmen wasserklar aufschmelzen läßt. Nach Erreichung dieses
Zustandes wird die Reaktionsmischung in kaltes Wasser gegossen, worauf der Übergang
in ein Pulver nach kurzer Zeit beendet ist. Nach dem Abnutschen, Waschen und Trocknen
wird. ein Preßpulver erhalten, welches unter Hitze und Druck in der Heißpresse wasserklare
Preßstücke liefert.
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3. ioo Gewichtsteile Dicyandiamid, 9i Gewichtsteile Thioharnstoff
und Zoo Gewichtsteile .lovolumprozentiger Formaldehydlösung (entsprechend i Mol
Dicyandiamid, i Mo1 Thioharnstoff und z Molen festen Formaldehyds) werden etwa i
% Stunden im Rückflußkessel erhitzt und hierauf in kaltes Wasser gegossen. Das Pulver
bildet nach dem Trocknen ein ausgezeichnetes Preßmaterial, welches ganz besonders
gute Flußfähigkeit besitzt und in der Heißpresse unter Hitze und Druck zu glasklaren
Preßlingen verpreßt werden kann.
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d.. ioo Gewichtsteile Dicyandiamid werden gemeinsam mit 112 Gewichtsteilen
Phenol in zoo Gewichtsteilen 4ovolumprozentiger Formaldehydlösung (was einem Verhältnis
von i 1-1o1 Dicyandiamid, i Mol Phenol und 2 Molen festen Formaldehyds entspricht)
etwa 2'j" Stunden im Rückflußkessel erhitzt. Hierbei hat sich die Reaktionsmischung
in zwei Schichten geteilt. Der gesamte Kesselinhalt wird nun in kaltes Wasser gegossen,
wobei der Übergang des erstarrten Harzes in ein Pulver alsbald beginnt, was durch
mechanische Maßnahmen beschleunigt werden kann. Das Pulver liefert nach dem Waschen
und "l.'rcclcnen ein Preßpulver mit ausgezeichneten Flußeigenschaften und ergibt,
in der Heißpresse verpreßt, schwach gelbgefärbte durchsichtige Preßlinge.
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ioo Gewichtsteile Dicyandiamid werden in derselben Weise, wie in Ausführungsbeispiel
4 beschrieben, mit 224 Gewichtsteilen Phenol und 3oo Gewichtsteilen 4.0v olumprozentiger
Formaldehydlösung zur Reaktion gebracht. (Es entspricht dies einem molaren Verhältnis
von i Mol Dicyandiamid, 2 Molen Phenol und 3 Molen festen Formaldehyds.) Trotz.
der verringerten Dicyandiamidmenge gelingt der Übergang in ein Pulver fast so leicht
wie bei dem vorstehenden Beispiel beschrieben.
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6. ioo Gewichtsteile Dicvandiamid werden mit 13o Gewichtsteilen Rohlcresol
und aoo Gewichtsteilen 4ovolumprozentiger Formaldehydlösung in der Hitze zur Einwirkung
gebracht. (Es entspricht dies einem molaren Verhältnis von i Mol Dicyandiamid auf
i Mol Kresol und 2 Mole festen Formaldehyds.) Im Gegensatz zu einer entsprechend
angesetzten Phenolformaldehy dkondensation ist hier bereits nach einstündigem Erhitzen
im Rückflußkessel die Reaktion beendet. Das abgeschiedene Harz wird in Wasser gegossen,
wobei der Übergang in ein Pulver spontan vor sich geht. Das Pulver liefert nach
dem Waschen und Trocknen ein Preßpulver mit ausgezeichneten Flußeigenschaften.
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Die erfindungsgemäß gewonnenen Preßpulver besitzen eine ganz besonders
hohe Flußfähigkeit unter Hitze und Druck, so daß sie mit einem hohen Prozentsatz
an Füllmitteln bzw. Streckmitteln aller Art, sowohl organischer wie anorganischer
Natur, versetzt werden können. Außerdem können zur Erreichung einer noch größeren
Flußfähigkeit sogenannte Flußmittel zugesetzt werden. Als Füllstoffe köminen insbesondere
alle faserigen Füllstoffe in Betracht, welche die mechanische Festigkeit der Preßkörper
wesentlich erhöhen. Derartige faserige Füllstoffe sind alle faserigen Materialien
mineralischen Ursprungs (wie beispielsweise Asbest), vegetabilischer Herkunft (wie
Cellulose in jeder Form, Baumwolle, Holzcellulose, Flachs usw., Cellulosederivate
oder Celluloseumwandlungsprodukte), schließlich Faserstoffe animalischer Art (wie
Wolle, Seide usw.), welche allein oder in geeigneten Mischungen verwendet werden
können. Die Einverleibung der Faserstoffe in die Preßmasse kann vor, während oder
nach dem Übergang in die Pulverform vorgenommen werden. Die Preßmassen bzw. die
daraus hergestellten Preßkörper lassen sich in der mannigfaltigsten Weise färben
und mustern.
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Die aus den gefüllten oder ungefüllten Preßmassen hergestellten Preßkörper
können
dank ihrer wertvollen Eigenschaften für die mannigfaltigsten
gewerblichen Zwecke Verwendung finden:--Ersatz von Glas, Milchglas, Porzellan, Herstellung
von Galanterie- und Schmuckwaren, elektrotechnischen Isolierkörpern, mechanischen
Werkstücken aller Art usw. . Die Anführung dieser besonderen Verwendungsgebiete
erschöpft aber keineswegs die vielseitige Verwendbarkeit dieser neuen Preßmassen.
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An Stelle des Dicyandiamids können auch seine Derivate oder seine
rohen, wässerigen Lösungen, wie sie vor der Reinigung entstehen, Verwendung finden.
An Stelle des Formaldehyds können auch seine Polymeren sowie andere Aldehyde verwendet
werden. An Stelle der Substanzen, die mit Aldehyden harzartige Kondensationsprodukte
liefern, können auch die Anfangskondensationsprodukte dieser Substanzen mit Formaldehyd,
wie die Methylolharnstoffe bzw. Methylplthioharnstoffe, Phenyl- bzw. Kresylalkohole
usw., verwendet werden, wobei die Formaldehydmenge entsprechend verringert wird.
Selbstverständlich kann die Reaktion in An-oder Abwesenheit von Kontaktmitteln vor
sich gehen.