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Verfahren zur Herstellung von Citronensäure. Es ist schon seit längerer
Zeit bekannt, daß der Fadenpilz Citromyces bei seinem Stoffwechsel aus vorgelegtem
Kohlehydrat Citronensäure zu erzeugen vermag, und man hat auch schon versucht, diese
sogenannte Citronensäuregärung praktisch zu verwerten (vgl. Patentschrift
72957 und amerikanische Patentschrift 515o33). Von dem als spezifischen Citronensäurebildner
angesehenen Fadenpilz Citromyces sind später auch noch andere systematisch nahestehende
Fadenpilze als Citronensäurebildner erkannt und beschriel:en, teilweise auch zur
praktischen Verwertung vorgeschlagen worden, z. B. Sterigmatocystis nigra durch
M o 11 i a r d , Mucor periformis durch W e h m e r , Penicilliumarten durch B u
t k e w i t s c h- u. a. (z. B. Z a h o r s k i , amerikanische Patentschrift 1o66358),
Aspergillus niger durch T h o m und Currie.
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Die praktische Verwertung der Citronensäurebildung durch Fadenpilze
scheiterte aber bisher an verschiedenen Umständen. Vor allem ging der Säuerungsprozeß
langsam vor sich; ferner mußte die jeweils gebildete -Citronensäure dem weiteren
Zugriff durch den Pilz durch Festlegung mittels Schlämmkreide u. dgl. als Calciumcitrat
entzogen werden, was sich praktisch schwer ermöglichen läßt und Übelstände mit sich
bringt, da die frei werdende Kohlensäure unter den gewöhnlichen und üblichen Verhältnissen
die notwendige Sauerstoffzufuhr hemmt. Es waren deshalb infolge der langen Dauer
der »Gärung« Infektionen, die den Erfolg in Frage stellten, unvermeidlich, und es
mußte auch eine mehr oder weniger erhebliche Oxalsäurebildung in Kauf genommen werden,
die zwar meist übersehen wurde, aber doch sehr ausschlaggebend wirkte.
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Durch eigene systematische Versuche wurden nun, hauptsächlich für
die lebenskräftige Fadenpilzgattung Aspergillus, die Kulturbedingungen studiert,
die zu einer möglichst schnellen Bildung von Citronensäure führen, ohne die vorher
genannten Übelstände hinnehmen zu müssen. Sie bestehen in der Auswalil des vorzulegenden
Kohlehydrats, der geeigneten Stickstoffnahrung, des richtigen Verhältnisses von
Stickstoffquelle zur Phosphatquelle, in der Anzüchtung des Pilzmaterials in sauren
Kulturflüssigkeiten und schließlich in der Anpassung der Kulturführung an die Verhältnisse,
wie sie bei dem sogenannten Amyloverfahren oder einem sonstigen Reingärungsverfahren
in der Alkoholindustrie ausgebildet wurden.
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Dabei sind die Verhältnisse maßgebend, wie sie bei dem Amyloverfahren
und ähnlichen Verfahren bei der Verzuckerung der stärkehaltigen Rohstoffe angewendet
werden: Zugabe von Pilzeinsaat zu einer sterilen Maische, Entwicklung des Pilzes
durch ständige Zuführung von steriler Luft, Abführung der Kohlensäure, die während
der Atmung entsteht, durch eine Pumpe, Rühren der Maische, um die »Hautbildung«
des Mycels und damit die Sporung zu verhindern.
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Diese Bedingungen auf die »Citronensäureg:irung« angewendet, die im
wesentlichen
auch nicht: anderes als ein Atmungsprozeß des Pilzes
ist. ergeben die Möglichkeit einer wirklichen infektionsfreien Versäuerung. Man
kann zu der zu versäuernden Zuckerlösung Schlämmkreide hinzugeben, um die gebildete
Citronensäure sogleich dem Pilz zu entziehen; notwendig ist dies aber nicht. Gibt
man Schlämmkreide zu der ständig gerührten, in der Versäuerung sich befindlichen
Zuckerlösung, so hat man jedenfalls gegenüber der ruhenden Versäuerung, die nur
von der Mycelhaut her wirkt, den Vorteil, daß ständig neue und uriangegriffene Mengen
von Schlämmkreide mit neu sich bildender Säure in Berührung kommen. Die ruhende
Versäuerung krankt an dem großen Übelstand, daß sich die auf dem Boden der Versäuerungsgefäße
liegende Schlämmkreide auf der der Kulturflüssigkeit zugewendeten Fläche mit Calciumcitrat
überzieht, daß das darunterliegende Calciumcarbonat der weiteren Reaktion entzieht.
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Die Vorteile der Rührung der zu versäuernden Nährlösung liegen auf
der Hand, schon auch deswegen, weil es so möglich wird, an Stelle der großen und
sperrigen flachen Versäuerungsgefäße (Schalen) außerordentlich weniger Raum einnehmende
Bottiche mit vertikaler Entfaltung anzuwenden.
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Dies Ergebnis war unerwartet, da man nach den bisherigen Beobachtungen
sich die praktische Handhabung der Citronensäuregärung anders vorstellen mußte;
diese wird durch die neue Anordnung praktisch, hantierbar, abgekürzt und verbilligt.
Das neue Verfahren steht in keiner Beziehung zu anderen Verfahren, die bezüglich
der Herstellung von Citronensäure in neuerer Zeit gemacht wurden (britische Patentschrift
i6i87o benutzt feste Unterlagen für Gärungserreger).
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Wie es selbstverständlich ist, läßt sich für die praktische Citronensäuregärungsführung
kein allgemein gültiges Schema aufstellen, da wie bei allen mykologischen Vorgängen
eine gewisse Breite der Versuchsbedingungen, abhängig von örtlichen Verhältnissen
und Eigenschaften der Pilzrassen, eingeräumt werden muß.
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Im allgemeinen verfährt man aber so, daß man geeignete, als Säurebildner
erkannte Rassen von Aspergillus und verwandten Gattungen, wie Sterigmatocystis citromyces,
Penicillium in mit steigenden Mengen von Säuren (Mineralsäure oder Citronensäure)
angesäuerten Zuckerlösungen (am besten geeignet ist Saceharose, gut geeignet sind
aber auch Maltose, Glucose, Fructose) anzüchtet (knappe Stickstoffnahrung, reiche
Phosphatnahrung), mit den so hergestellten Anstellkulturen Gärgefäße, wie sie bei
dem sogenannten Amyloverfahren oder einem sonstigen Reingärungsverfahren üblich
sind, nach derer heschickung mit steriler Maische (Zucker lösung mit Nährsalzen
und sonstigen Bei, gaben, wie Stimulantien) beimpft, durcl leichtes Anwärmen, Luftzuführung
mit oder ohne Rühren der Maische die Saat vermehrt worauf man unter weiterer gesteigerter
Luftzuführung und ständigem Rühren dei Maische die Versäuerung herbeiführt. Durch
eine Pumpe wird die sterile Luft in zureichender Menge durch die Maische bewegt
und die im Kulturgefäß gebildete Kohlensäure abgesaugt. Durch ständige Beobachtung
wird die »Gärung« so geführt, daß der Pilz nicht oder nicht übermäßig zur Hautbildung
und Sporung kommt, keine »Überoxydation« eintritt, die Oxalsäurebildung (das erste
Anzeichen von Überoxydation) möglichst gehemmt wird; Kühlung und Regelung der Luftzufuhr
sind die wesentlichen Hilfsmittel für die im Sinne einer Citronensäuregärung richtige
Führung des Prozesses. Wie schon erwähnt, kann der zu v ersäuernden Maische Schlämmkreide
zugefügt werden; diese wird durch das Rührwerk ständig mit in Bewegung gehalten
und die entstandene Kohlensäure ständig durch den passierenden Luftstrom weggeführt.
Nach zu Ende geführter Versäuerung wird die saure Maische aus dem Gärgefäß entfernt
bzw. der citronensaure Kalk, der sich gebildet hat, falls Schlämmkreide bei dem
Versäuerungsprozeß anwesend war, abgelassen. Die Aufbereitung der sauren Lösungen
bzw. des Calciumcitrats erfolgt in der üblichen Weise.
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Auf diesem Weg lassen sich erhebliche Ausbeuten an Citronensäure,
berechnet auf der vorgelegten Zuckermenge, erzielen. Das vegetative Wachstum des
Pilzes, das nur auf Kosten der im Stoffwechsel intermediär gebildeten Citronensäure
geht, kommt nicht zu übermäßiger Entwicklung. Beispiel. iooLiter einer io-bis i5prozentigenLösung
von gewöhnlichem Zucker oder von Glucose oder von Maltose (die beiden letzteren
Zukkerarten enthalten zumeist in ihren Handelssorten unvergärbare Dextrine, was
bei der Berechnung mit in Betracht gezogen werden muß) werden zeit den Pilznährsalzen
versetzt, in eine Reingärungsapparatur gegeben, zweckmäßig durch Zusatz von Säure
(Mineralsäure oder Citronensäure) auf eine Wasserstoffionenkonzentration von ph
3,3 bis 3,6 gebracht, in der Apparatur durch Erwärmen sterilisiert und- dann in
entsprechender und den Verhältnissen der Apparatur angepaßter Weise mit Fadenpilzkulturen
der Gattungen Aspergillus, Sterigmatocystis, Penicillium und ähnlichen geimpft.
Durch
leichtes Anwärmen wird die Saat vermehrt, was sich durch Entnahme von Proben feststellen
läßt. Ist die Auskeimung erfolgt und lassen sich kurze Mycelfäden in der N N ährflüssigkeit
beobachten, so wird durch Zufuhr von steriler Luft unter gelegentlichem Umrühren
der Flüssigkeit und gleichzeitiger Abpumpung der gebildeten Atmungskohlensäure die
Versäuerung eingeleitet und weitergeführt. Die Regelung des Vorganges ist hauptsächlich
durch die zuzuführende Luftmenge und durch den Wechsel von künstlicher Abkühlung
und künstlicher Erwärmung möglich; es hängt natürlich ganz von der Menge der zu
viersäuernden Flüssigkeitsmengen und von der Temperatur des Raumes, in dem die Versäuerung
stattfindet, ab, ob die Erwärmung oder die Abkühlung einzusetzen hat. Die optimale
Temperatur beim Arbeiten mit Aspergillus liegt bei 15 bis 2o° C. Diese optimalen
Verhältnisse lassen sich leicht einhalten. Durch ständige Probeentnahmen wird das
vegetative Wachstum des Pilzes kontrolliert, das, wie schon erwähnt, nach Möglichkeit
zurückgehalten werden muß. Mit den zur Probe entnommenen Flüssigkeitsmengen läßt
sich auch in zweckmäßiger Weise die Kontrolle über Abnahme des Zuckergehaltes und
Zunahme des Citronensäuregehaltes vornehmen.
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In einigen Tagen, in günstigen Verhältnissen nach 5 bis 8 Tagen, ist
der Maximalgehalt an Citronensäure erreicht; eine Weiterführung des Prozesses ist
dann erfahrungsgemäß für die Erhaltung der Citronensäure ungünstig (Umbildung zu
Oxalsäure). Die Ausbeute an Citronensäure beträgt durchschnittlich 6o Prozent der
vorgelegten Zukkermenge; in günstigen Fällen auch bis zu 70 bis 75 Prozent.
In sehr vorsichtig geführten Versäuerungsmaischen kann man auch gelegentlich die
Ausbeute höher treiben, doch ist dann die Wirtschaftlichkeit wegen der langen Zeitdauer
in Frage gestellt und die Gefahr der störenden Oxalsäurebildung aus der primär erzeugten
Citronensäure erheblich.
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Aus den versäuerten Ausgangsflüssigkeiten wird die Citronensäure in
einer an sich bekannten Weise gewonnen (Fällung als Calciumcitrat, Zerlegung des
Calciumsalzes mit Schwefelsäure). Die nicht versäuerten Mengen des vorgelegten Zuckers
können bei diesem Vorgang wiedergewonnen und dem Prozeß wieder zugeführt werden.
Man kann auch das Kalksälz zunächst in das Bleisalz überführen und dieses durch
Schwefelwasserstoff zerlegen.
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Aus 125 bis 150 9 versäuerbarem Kohlehydrat (Saccharose, Glucose,
Maltose), zusammen mit 2,o bis 2,5 g Ammoniumnitrat und 0,7 bis r,o g Kaliumphosphat
und o,a bis o,25 g kristallisiertes Magnesiumsulfat, gelöst zu r 1 Wasser, erhält
man in der geschilderten Weise nach 5 bis 8 Tagen rund 65 bis 70 g kristallisierte
Citronensäure.