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Verfahren zur Gewinnung von reinen Cellulosefasern aus cellulosehaltigen,
durch inkrustierende Begleitstoffe verunreinigten Materialien. Es ist gefunden worden,
daß es bei der Ausführung des Verfahrens gemäß dem Hauptpatent q.o75oo nach der
Einbadmethode, d. h. wenn die Einwirkung der Oxydationsmittel und der Salze schwacher
Säuren gemeinsam in einer einzigen Arbeitsstufe erfolgt, schwierig ist, den Angriff
der eigentlichen Cellulose und die Bildung deren Umwandlungskörper, wie Oxycellulose,
Y-Cellulose usw., zu vernieiden. Die Ausführung in zwei Arbeitsstufen, d. h. in
getrennter Behandlung mit dem Oxydationsmittel einerseits und mit schwach alkalischen
Salzen anderseits, bietet daher denVorteil, daß man die Behandlungszeit und die
Arbeitsbedingungen besonders für das Oxydationsmittel regeln kann, da sich dessen
Einwirkung in wesentlich kürzerer Zeit zu vollziehen pflegt. Wird das Rohmaterial
demgemäß zunächst z. B. in einer Chloratmosphäre behandelt, so kann man durch entsprechende
Wahl der Beschaffenheit (Konzentration, Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur) dieser
Atmosphäre den Vorgang derart leiten, daß nur die inkrustierenden Stoffe und nicht
die Cellulose selbst angegriffen werden. Auch kannman den Vorganghinsichtlich des
vollkommenen Luftabschlusses, was für die Verhinderung der Oxycellulosebildung wesentlich
ist, besser leiten als dies beim Arbeiten in Bädern möglich ist. Es hat sich außerdem
lierausgestellt, daß, abgesehen von Temperatur und Konzentration, besonders der
Wassergehalt, sei es des gasförmigen Oxydationsmittels, sei es des Fasermaterials
selbst, auf die differenzierte Einwirkung des Gases auf die inkrustierenden Stoffe
einerseits und die Cellulose anderseits von ausschlaggebender Bedeutung ist.
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Es sind zwar bereits ähnliche Verfahren bekannt, bei welchen das Rohmaterial
abv,echselnd mit einem aktiven Gas, wie Chlor, und mit einer verdünnten alkalischen
Lösung behandelt wird. Diese Verfahren gehen jedoch von der Auffassung aus, daß
die Aufschließung unbedingt unter Zuhilfenahme von 4tzalkalien erfolgen muß, und
suchen das bekannte Angreifen des reinen Faserstoffe durch diese letzteren dadurch
weniger schädlich zu machen, daß die verwendeten Temperaturen möglichst gering,
auf jeden Fall unterhalb roo° C, gehalten werden.
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Der Erfindungsgegenstand geht von demselben Grundgedanken aus, wie
er im Hauptpatent 4075oo angegeben wurde, nämlich -aß auch bei zweistufiger Aufschließung,
d. h. getrennter Behandlung mit Oxydationsmitteln einerseits und mit alkalischen
Bädern anderseits, die Gegenwart von Ätzalkalien unbedingt vermieden und :nur Salze
schwacher Säuren angewendet werden dürfen, diese aber unter einem Überdruck von
wenigstens i Atin. zur Anwendung kommen müssen.
Die z. B. durch
Chlor angegriffenen Harze und Pektine lassen sich erst bei höherer Temperatur verseifen,
so daß sie bei den bekannten Verfahren aus der Faser heraus nicht abgelöst werden
können. Anderseits war es bekannt, Pflanzenmaterial zwecks Aufschließung mit Chlor
unter Druck zu behandeln, doch erfolgte dies so, daß flüssiges Chlor in eine Salzlösung,
in welcher sich das Material befindet, entspannt wird, so daß es sich hier um eine
mehr oder weniger gesättigte Chlorlösung handelt.
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Gemäß der Erfindung wird bei der unter Druck stattfindenden Chlorbehandlung
eine Regelung der Wirkung dadurch erzielt, daß die Chloratmosphäre bei Abwesenheit
von tropfbar-flüssigemWasser durch Wasserdampf von bestimmtem Sättigungsgrad und
Temperatur auf im voraus bestimmten Druck, Temperatur und Feuchtigkeitsgehalt gebracht
wird.
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Das Verfahren kann in folgenden Weisen zur Ausführung gebracht werden:
Das Material, welchesatis rohem, urigebleichtem Zellstoff oder rohen, pflanzlichen
Faserstoffen bestehen kann, wird in einer Menge von iooo kg der Einwirkung
einer Chloratmosphäre ausgesetzt, welche i bis z kg aktives Chlor enthält sowie
eine Wasserdampfmenge von 2o kg Wasser, wenn das Rohmaterial natürlichen Feuchtigkeitsgehalt
von 5 Prozent aufweist. Die Behandlung erfolgt bei gewöhnlicher Temperatur, d. h.
15 bis 2o° C. Die jeweilige Chlor- und Wasserdampfmenge kann durch einen Vorversuch
je nach dem Gehalt des Rohmaterials an inkrustierenden Bestandteilen derart bestimmt
werden, daß-durch eine Reihe von Parallelversuchen festgestellt wird, bei welchen
absoluten und relativen Mengen der beiden Bestandteile der oxydierenden Atmosphäre
die Bildung der Oxycellulose noch nicht eintritt, was z. B. durch die Methylenblauausfärbung
leicht festzustellen ist. In der Regel ist die Überführung der inkrustierenden Bestandteile
in leicht durch die Salze schwacher Säuren zu verseifende Körper - mögen diese als
Oxydationsprodukte oder als Chlorderivate angesprochen werden - binnen einer Viertelstunde
beendet. Das Material wird dann in der im Hauptpatent beschriebenen Weise mit eurer
Lösung von kohlensauren bzw. kieselsauren Salzen mit oder ohne Zusatz von Seife
unter Druck während z bis 3 Stunden gekocht. Es hat sich in der Praxis herausgestellt,
daß die Kochdauer gegenüber dem bekannten Verfahren, .nach welchem das rohe Cellulosematerial
mit schwacher Sodalösung gekocht wird, auf die Hälfte und noch weniger herabgedrückt
werden kann.
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Für einige Rohmaterialien, wie rohen, ungebleichten Zellstoff, hat
es sich als vorteilhaft erwiesen, die Behandlung in der oxydierenden Atmosphäre
bei höherer Temperatur vorzunehmen. Es werden z. B. iooo kg Sulfitzellstoff in einer
Atmosphäre behandelt, welche a kg Chlor und solche Mengen von trockenem überhitzten
Wasserdampf von i 5o' C enthält, daß der Druck auf 3 Atm. steigt. Die Behandlung
ist in io :Minuten. beendet, wonach der Zellstoff mit einer Lösung von kieselsaurem
Natron gekocht wird, welche 33 Prozent Natriumsilikat und so viel Wasser enthält,
daß das Material gerade von der Flüssigkeit bedeckt isst.
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. Die Behandlung von rohen, urigebleichten Baumwollgeweben oder Garnen
wird in folgender Weise vorgenommen: Der Beuchkessel wird mit dem Baumwollgewebe
beschickt, geschlossen und mit möglichst trockenem Dampf gefüllt, bis der Druck
i/2 Atm. erreicht hat, wonach das Abblaseventil geöffnet und der Dampf ausgelasseil
wird. Nach dem Schließen des Ventils wird wiederum Dampf unter Druck eingeführt,
nach Erreichung eines Überdruckes von neuem abgeblasen usf., bis der abgeblasene
Dampf beim Hindurchleiten durch eine Pyrogallollösung keine Oxydation mehr hervorruft.
1=s empfiehlt sich dann, den Beuchkessel durch Bespritzen mit kaltem Wasser abzukühlen,
wodurch der Dampf kondensiert und ein Vakuum innerhalb des Beuchkessels erzeugt
wird, so daß die im Material noch vorhandene Luft zum Austreten gebracht wird, wonach
wiedertun Dampf eingeführt und abgeblasen wird. Es kann nun angenommen werden, daß
sich im Bettchkessel und im Material kein Satterstofl mehr befindet, so daß nunmehr
mit der Einführung des Chlors begonnen werden kann. Die Chlormenge ist derart, daß
auf das Material etwa i Prozent Chlor zur Einwirkung kommt. Nach einer viertelstündigen
Behandlungszeit wird der Beuchkessel mit Dampf durchgeblasen und mit einer Lösung
von 3 Prozent Soda auf das Material berechnet gefüllt, geschlossen und während einer
Stunde auf 3 Atm. Druck gebracht.
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Für die rohen Faserstoffe, wie Nesselfaser, Schilffaser, Stroh, Agave,
Hopfenfaser, Torffaser usw., ist die Anwendung höherer Temperaturen nicht erforderlich
und sogar schädlich, so daß die Anwendung der Chloratmosphäre bei niedrigeren Temperaturen
erfolgen soll. Zu diesem Zweck wird das Chlor nach der Entnahme aus der Druckflasche
auf etwa -io° bis -5° C gekühlt. Enthält die Faser weniger als 3 Prozent natürliche
Feuchtigkeit, so wird das Chlor durch auf o° gekühlte Salzsohle hindurchgeführt,
bis es einen Gehalt von .8 bis io Prozent Wasser enthält.