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Verfahren zum Aufschluß von Pflanzenfaserstoffen mit Hilfe von Calciumhypochlorit
Es wurde gefunden, daß man einen ligninfreien Zellstoff in einem Arbeitsgange erhält,
wenn man verholzte Materialien, die in geeigneter Weise, z. B. nach bekannten Verfahren
mit Alkali, vorbehandelt sein können, bei nicht zu hoher Temperatur mit Calciuinhypochloritlösungen
behandelt, und zwar so, Mali man eine Lösung von verhältnismäßig hoher Anfangskonzentration
verwendet, deren Wirkungswert im Verlaufe des Aufschlußprozesses allmählich herabsinkt
und schließlich auf Null fällt. Die Gesamtmenge der zu Beginn mehr als 2 "/" wirksames
Chlor enthaltenden Lösung richtet sich nach dem jeweils zur Anwendung kommenden
Ausgangsmaterial in der Weise, daß stets nur die zur völligen Oxydation des Lignins
gerade ausreichende Menge Chlor zur Anwendung kommt. Bei z. B. mit Alkali vorbehandeltem
Fichtenholz werden etwa 50 % des Gewichtes vom Ausgangsmaterial an aktivem Chlor
in Form einer davon 2,8 °/" enthaltenden Calciumhvpochloritlösung verwendet. Um
die bei dem Abbau des Lignins entstehende Kohlensäure und andere saure Substanzen
unschädlich zu machen, setzt man während des Prozesses allmählich so viel Kalkbrühe
zu, daß die Lauge Sets eine schwach kalkalkalische Reaktion zeigt, der Gehalt an
freiem Calciumhydroxyd aber tunlichst nie mehr als o,i5 °/" beträgt. Arbeitet man
in der vorgeschriebenen Weise, so ist nach beendetem Aufschluß kein aktives Chlor
mehr vorhanden, und der resultierende Zellstoff zeigt keine Reaktionen mehr auf
Lignin. Das erhaltene Faserprodukt ist gut gebleicht und für viele Verwendungszwecke
geeignet.
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Das Aufschlußverfahren vorliegender Erfindung stellt einen reinen
Oxy d'ationsprozeß dar. Durch den Zusatz von Kalk wird vermieden, daß in irgendeiner
Phase des Prozesses freie unterchlorige Säure und dadurch elementares Chlor zur
Entstehung kommt, welches bekanntlich in jeder Form die Cellulose des Fasermaterials
erheblich angreift. Das vorliegende Verfahren unterscheidet sich eben dadurch prinzipiell
von denjenigen Methoden, welche ganz oder teilweise mit unterchloriger Säure bzw.
mit Chlor einen Aufschluß bewirken und welche im wesentlichen Chlorierungsprozesse
darstellen.
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Es ist ferner seit langem bekannt, cellulosehaltiges Material mit
Lösungen von Hypochloriten zu behandeln. Soweit die Praxis in Frage kommt, hatte
bisher diese Behandlung vornehmlich den Zweck, Holzstoff oder Holzschliff von färbenden
Bestandteilen zu befreien, um denselben für weißes Papier verarbeiten zu können.
Es handelt sich also im wesentlichen nur um einen Bleichprozeß.
Bei
der Bleiche von bereits aufgeschlossenem Zellstoff bat man auch schon mit Calciumhypochlorit
unter- Zusatz von Calciumhydroxyd gearbeitet. Alle diese Bleichverfahren sind aber
grundsätzlich verschieden von einem wirklichen Aufschlußverfahren für Holz und andere
ähnliche Rohstoffe, das den Gegenstand der vorliegendenErfindungbildet.
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Was den eigentlichen Aufschluß von Holz, Stroh usw., also die Gewinnung
von Cellulose mittels Hypochloriten betrifft, so liegen auch darüber mehrere Angaben
in der Literatur vor. Bei älteren Verfahren unter Benutzung von Chlorkalklösung
sind zwar Lösungen mit einem Gehalt von mindestens a °/o wirksamem Chlor angewandt
worden, doch ist auf genaue Einhaltung der Bedingungen keine Rücksicht genommen
worden. Der Grad der jeweils vorhandenen Alkalität -ob Alkali oder Erdalkali - und
die Gesamtmenge des zur Einwirkung auf den Rohstoff gebrachten Chlors, blieb unberücksichtigt.
Da nicht erkannt worden war, daß nur bei einer bestimmten Konzentration an freiem
Calciumhydroxyd während des ganzen Aufschlusses dieser den giinstigen Verlauf nimmt,
ist es verständlich, daß früher eine geregelte Reaktionsführung unter wesentlicher
Ersparnis an Zeit und Chlor bei bleichzeitiger Verbesserung der Qualität des Zellstoffes
nicht möglich war.
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Aus neuerer Zeit finden sich Angaben über Holzaufschlußversuche, aus
welchen hervorgeht, daß schon bei gewöhnlicher Temperatur durch Anwendung einer
einhalbnormalen, also einer ziemlich schwachen Natriumhypochloritlösung, die Cellulosefaser
in erheblichem Maße angegriffen wird, eine Tatsache, die auch früher von anderen
Forschern beobachtet worden war. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß eine solche
Schädigung der Faser bei erhöhter Temperatur, deren Anwendung ebenfalls bereits
vorgeschlagen wurde, noch weit mehr zur Geltung kommen muß.
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Man hat daher später in der Weise gearbeitet, daß die Ligninsubstanzen
nicht durch Oxydation völlig zerstört, d. h. wegoxydiert, sondern nur durch ein
gelindes Anoxydieren in andersartige alkalilösliche Verbindungen übergeführt wurden,
welche dann' während des Prozesses oder in einem darauffolgenden besonderen Arbeitsgange
durch intensive und wiederholte Behandlung mit Alkalien, Schwefelalkalien oder Alkalisulfiten
herausgelöst wurden. Dieses Verfahren ist demnach von dem vorliegenden grundsätzlich
verschieden, Der Aufschluß wird mit Hypochloriten der Alkalien durchgeführt, und
es können während des Prozesses Alkalien oder andere Alkaliverbindungen zugesetzt
werden, wobei das Material nur einer gelinden Oxydation unterworfen werden soll.
Demgegenüber ist bei vorliegendem Verfahren jede Verwendung von Alkalihypochloriten
ausgeschlossen, ebenso wie jeder Zusatz von Alkalien während des Aufschlusses vermieden
wird; (las Material wird nicht gelinde oxydiert, sondern im Gegensatz zu dem obigen
Verfahren einem energischen, wenn auch kurzen Oxydationsprozeß unterworfen. Hierin
beruht das Wesen der vorliegenden Erfindung. Es hat sich nämlich gezeigt, daß bei
Gegenwart von mehr oder weniger freiem Alkali kein oder nur ein verzögerter Angriff
des Hypochlorits auf das Lignin stattfindet, während andererseits die etwa freigelegte
Cellulosefaser durch die dadurch notwendig werdende längere Einwirkungsdauer angegriffen
wird. Der Übelstand wird aber erfindungsgemäß in dem vorliegenden Verfahren dadurch
vermieden, daß an Stelle von Alkali ein Erdalkali, vorteilhaft Ätzkalk, zur Anwendung
gebracht wird. Durch den letzteren wird der oxydative Angriff auf die Inkrusten
nicht verzögert, und die Lösung wird nicht an gleichfalls hemmenden Alkalicarbonaten
angereichert, sondern die gebildete Kohlensäure und andere Säuren werden als schwerlösliche
Kalksalze fortgespült. Durch die Anwendung einer Calciumhypocliloritlösung von ziemlich
hoher Anfangskonzentration richtet sich der erste Angriff ausschließlich auf die
Ligninsubstanz, welche oxydativ völlig abgebaut und restlos zerstört wird. Da die
Konzentration an aktivem Chlor hierdurch dauernd herabsinkt, in dem Maße, wie Lignin
zerstört und Cellulosefaser freigelegt - wird, wird die letztere in weitgehendem
Maße geschützt und geschont. Der Aufschluß schreitet rasch vorwärts und ist in verhältnismäßig
kurzer Zeit beendet. Während die Einwirkungsdauer bei N'atriumhypochlorit nach älteren
Verfahren einen Tag in Anspruch nahm, ist hier der Prozeß in einigen Stunden beendet.
Die Temperaturerhöhung durch Selbsterwiirmung während des Prozesses ist mäßig und
bedarf keiner weiteren Kontrolle. Durch einfache Außenkühlung läßt sich erforderlichenfalls
jede Schädigung vermeiden.
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Daß eine so energische Oxydation, wie sie in vorliegendem Verfahren
zur Durchführung kommt, ein in bezug auf die Cellulose so günstiges Resultat liefern
würde, war nach den zahlreichen Veröffentlichungen in keiner Weise vorherzusehen
und stellt einen überraschenden Effekt dar. Dazu kommt, daß das Verfahren gegenüber
den bisher benutzten einen erheblichen Zeitgewinn und eine Ersparnis an Wärmeenergie
bedeutet; es ist technisch sehr leicht ausführbar und stellt insgesamt einen großen
Fortschritt dar.
Beispiele i. Zu t kg mit o,5"/"iger Natronlauge
bei etwa 95° vorbehandelter und wieder entlaugter Fichtenholzwolle werden in feuchtem
Zustand 65 1 einer 2,8 "/" aktives Chlor und o, i 5 °/" Calciumhydroxyd enthaltenden
Calciumhypochloritlösung zugesetzt. Im Verlauf des Aufschlußprozesses wird der Lösung
allmählich Kalkmilch, enthaltend Zoo g Calciumhydroxd, in dem Maße zugegeben, daß
der Gehalt' an freiem Calciumhvdroxvd während des ganzen Aufschlusses noch eben
nachweisbar ist. Ist die Phloroglucinprobe auf Lignin an einer Probe der Pflanzenfaser
nicht mehr nachweisbar, so wird der erhaltene Zellstoff von der Lauge befreit, neutral
gewässert und zuletzt durch Absäuern völlig von Kall. befreit und neutral gewaschen.
Die Ausbeute an getrocknetem Zellstoff beträgt etwa 55 "4 vom angewandten Ausgangsmaterial.
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2. Zu d. kg mit o,5"["iger Natronlauge bei etwa 95° vorbehandeltem
und wieder entlaugtem Esparto «erden in feuchtem Zustand 50 1 einer 2,8 "/" aktives
Chlor und o,15 "I" ('alciuinliydroxyd enthaltenden Calciumhypo -chloritlösung zugesetzt.
Im Verlauf des Aufschlußprozesses wird der Lösung allmählich. Kalkmilch, enthaltend
150 g Calciumhydroxyd, in dem Maße zugesetzt, daß der Gehalt an freiem Calciumhydroxyd
während des ganzen Aufschlusses noch eben nachweisbar ist. Ist die Phloroglucinprobe
auf Lignin negativ, so wird der erhaltene Zellstoff von der Lauge befreit, neutral
gewässert und zuletzt durch Absäuern kalkfrei und neutral gewaschen. Die Ausbeute
an getrocknetem Zellstoff beträgt etwa 55 "J" vom angewandten Ausgangsinaterial.
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3. Zu q. kg mit o,5"/"iger Natronlauge bei etwa 95' vorbehandelter
Buchenholzwolle werden in feuchtem Zustand bei 20° C 4.0 1 einer :2,8'/" aktives
Chlor und 0,i5 "/" Calciumhydroxyd enthaltenden Calciumhypochloritlösung zugesetzt.
Im Verlauf des Aufschlußprozesses wird der Lösung allmählich Kalkmilch, enthaltend
150 g Calciumhydroxyd, in dem Maße zugesetzt, d'aß der Gehalt an freiem Calciumhydroxy
d während des ganzen Aufschlusses noch eben nachweisbar ist und o,15 "1" nicht übersteigt.
Ist die Phloroglucinprobe auf Lignin negativ, so wird der erhaltene Zellstoff von
der Lauge befreit, neutral gewässert und zuletzt durch Abs'äuern kalkfrei und neutral
gewaschen. Die Ausbeute an getrocknetem Zellstoff beträgt etwa 48'/" vom angewandten
Ausgangsmaterial.
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.I. Zu 4. kg mit i,o"/'"iger Natronlauge bei etwa 95° vorbehandeltem
und zuvor gequetschtem Stroh werden in feuchtem Zi.istand bei 20° C 22 1
einer 2,8 "," aktives Chlor und o,15 °/" Calciumhvdrox_vd enthaltenden Calciumhypochloritlösung
zugesetzt. Im Verlauf des Äufschlußprozesses wird der Lösung allmählich Kalkmilch,
enthaltend 150 g Calciumhvdroxyd, in dem Maße zugesetzt, daß der Gehalt an freiem
Calcitnnhydroxyd während des ganzen Aufschlusses noch eben nachweisbar ist und o,15
"(" nicht übersteigt. Ist die Phloroglucinprobe auf Lignin negativ, sc6wird der
erhaltene Zellstoff von der Lauge befreit, neutral gewässert und zuletzt durch Absäuern
kalkfrei und neutral gewaschen. Die Ausbeute an getrockneten Zellstoff beträgt 40
"f" vom angewandten Ausgangsmaterial.
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5. Zu 4. kg mit i"/"iger Natronlauge bei etwa 95' vorbehandeltem
und zuvor gequetschtem Bambus werden in feuchtem Zustand bei 20° C 35 1 einer 2,8
"/" aktives Chlor und 0,i5 "/" Calciumhydroxyd enthaltenden Calciumhypochloritlösting
zugesetzt. Im Verlauf des Aufschlußprozesses wird der Lösung allmählich Kalkmilch,
enthaltend 150 g Calciumlivdroxyd in (lein Maße zugesetzt, daß der Gehalt an freiem
Calciumhydroxyd während des ganzen Aufschlusses noch eben nachweisbar ist und 0,15
"/" nicht übersteigt. Ist die Phloroglucinprobe auf Lignin negativ, so wird der
erhaltene Zellstoff von der Lauge befreit, neutral gewässert und zuletzt durch Absäuern
hallcfrei und neutral gewaschen. Die Ausbeute an getrocknetem Zellstoff beträgt
etwa 39 "I" vom angewandten Ausgangsmaterial.