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Verfahren zur Herstellung von spezifischen Impfstoffen aus Reinkulturen
von Mikroorganismen. Den Gegenstand des Patents.38348i bildet ein Verfahren, nach
welchem es gelingt, Mikroorganismen jeder Art durch elektrische Ströme von bestimmter
Stromstärke abzutöten. Es wurde nun weiterhin gefunden, daß man, wenn Reinkulturen
von Mikroorganismen diesem Verfahren unterworfen werden, Aufschwemmungen abgetöteter
Bakterien erhält, welche in ganz besonders hervorragender Weise für die Herstellung
von spezifischen Impfstoffen geeignet sind.
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Zur Herstellung spezifischer Impfstoffe aus Bakterien verfuhr man
bisher so, daß man aus Reinkulturen von Bakterien diese durch Ausschleudern mit
Hilfe der Zentrifuge abschied, sie mit isotonischer Kochsalzlösung wusch, sodann
wiederum in isotonischer Kochsalzlösung aufschwemmte, und die Bakterien durch die
Einwirkung höherer Hitzegrade (56
bis 6o°) oder durch die Einwirkung von Desinfektionsmitteln
(Phenol, Trikresol, Äther usw.) abtötete. Von den Emulsionen abgetöteter Bakterien
wurden hierauf Verdünnungen mit bestimmter Keimzahl in i ccm angelegt und unmittelbar
als Impfstoff verwendet. Diese Methode hatte den beträchtlichen Nachteil, daß durch
das Erhitzen auf höhere Temperaturgrade oder auch durch die Einwirkung der Desinfektionsmittel
eine nicht unbeträchtliche Schädigung der immunisato-Tischen Fähigkeiten der betreffenden
Bakterienarten verursacht wurde. Demzufolge sind 'die mit den betreffenden Impfstoffen,
z. B. mit dem so hergestellten Typhus- und dem Choleraimpfstoff, in der Praxis erzielten
Erfolge nur recht geringe geblieben.
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Man hat diese Tatsache auch bereits erkannt und hat mehrfach auf den
schädigenden Einfluß von Temperatur und Chemikalien hingewiesen. Infolgedessen hat
man wiederholt nach Mitteln gesucht, welche die Abtötung der betreffenden Bakterien
auf möglichst schonende Weise bewerkstelligen sollten. Von einer Temperatur von
6o°, die man früher zur Abtötung benutzte, war man in letzter Zeit bereits auf Temperaturen
von 56° zurückgegangen-und hatte bezüglich der chemischen Mittel alle stärkeren
Desinfektionsmittel, wie Kresol und Phenol, verworfen und nur den Äther als wirklich
geeignetes Mittel vorgeschlagen.
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Es wurde nun gefunden, daß demgegenüber die nach dem Hauptpatent durch
den elektrischen Strom abgetöteten Bakterien in immunisatorischer Beziehung den
durch Hitze oder Chemikalien abgetöteten Keimen sehr bedeutend überlegen sind-.
Während beispielsweise ein Impfstoff, der aus durch Erhitzen auf 56° abgetöteten
Schweinerotlaufbazillen hergestellt ist, erst in der Menge von i ccm
imstande
war, den Tod von weißen Mäusen, die i i Tage nach erfolgter immunisatorischer Vorbehandlung
mit virulenten Rotlaufbazillen infiziert wurden, um einige Tage gegenüber den Kontrollen
zu verzögern, war ein Impfstoff, der aus durch den elektrischen Strom abgetöteten
Schweinerotlaufbazillen hergestellt war, imstande, in der Menge von o,o i ccm den
Tod der weißen Mäuse durch virulente Kultur, welche ihnen i i Tage nach der immunisatorischen
Impfung einverleibt wurde, vollkommen zu verhindern. Selbstverständlich waren beide
Impfstoffe durch genaue Keimzählung auf die gleiche Keimzahl eingestellt worden.
Ähnlich günstige Resultate wurden mit Streptokokken, Pneumokokken, mit Typhusbazillen,
Diphteriebazillen und vielen anderen mehr erzielt.
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Bei dem Verfahren des Hauptpatentes wurde gezeigt, daß die Abtötung
von Bakterien durch einen elektrischen Gleichstrom von zwei Faktoren abhängig ist,
nämlich erstens von der Stromstärke und zweitens von der Zeitdauer und zwar so,
daß man mit Hilfe eines elektrischen Stromes von großer Stromstärke die Abtötung
in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht, während man durch die Einwirkung von schwächeren
Strömen bei längerer Zeitdauer die gleiche Wirkung erreicht. Es wurde ferner gefunden,
daß es für jede Bakterienart eine bestimmte Grenze der Stromstärke gibt, unterhalb
welcher eine Abtötung nicht erfolgt, auch wenn die Einwirkung des Stromes auf die
Mikroorganismen sehr lange Zeit fortgesetzt wird. Es wurde festgestellt, daß elektrische
Ströme, deren Stromstärke zur Abtötung von- Bakterien nicht hinreicht, trotzdem
gewisse Veränderungen in den Mikroorganismen herbeiführen, die sich dadurch zu erkennen
geben, daß die betreffenden Bakterien ihre Pathogenität für Versuchstiere verloren
haben, während sie auf künstlichen Nährböden noch voll entwicklungsfähig geblieben
sind. Dieselbe Wirkung kann man ganz analog der Abtötung auch dadurch erzielen,
daß man Ströme von einer Stromstärke, die an sich die Abtötung von Mikroorganismen
herbeiführen kann, während einer zur Abtötung ungenügenden Zeit auf die Mikroben
einwirken läßt.
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Folgende Beispiele sollen diese Verhältnisse näher erklären: 1. Eine
Pneumokokkenkultur von starker Pathogenität für weiße Mäuse und Meerschweinchen
wurde auf einem festen Nährmaterial gezüchtet. Die Kokken wurden, nachdem sie ein
üppiges Wachstum erreicht hatten, durch Aufschwemmen mit physiologischer Kochsalzlösung
von dem Nährsubstrat getrennt und durch längeres Schütteln mit der Kochsalzlösung
zu einer feinen Emulsion verarbeitet. Diese Emulsion wurde zunächst der Einwirkung
eines elektrischen Stromes im Mittelraum eines Dreizellenapparates von einer Stromstärke
von i o bis 12 Amp. bei einer wirksamen Elektrodenfläche von q.oo qcm 112 Stundenlang
unterworfen. Angestellte Kulturproben erwiesen, daß die Pneumokokken nach dieser
Zeit bei Anwendung der gesamten Stromstärke vollständig abgetötet waren. Wurde nun
auf eine in gleicher Weise hergestellte Emulsion lebender Pneumokokken ein Strom
von gleicher Stromstärke zur Einwirkung gebracht, wobei aber der Versuch bereits
nach einer halben Stunde unterbrochen wurde, so zeigte es sich, daß die Kokken,
auf geeignete Nährsubstrate übertragen, zwar noch vollkommen entwickelungsfähig
waren und bereits nach 2q. Stunden üppigstes Wachstum zeigten, daß sie aber, wie
bei ihrer Verimpfung auf weiße Mäuse und Meerschweinchen festgestellt werden konnte,
jegliche Pathogenität für diese Tierarten eingebüßt hatten. Von der Emulsion der
Pneumokokken genügte vor der Einwirkung des elektrischen Stromes o,o i ccin, um
weiße Mäuse, und o, i ccm, um Meerschweinchen von 25o g Gewicht innerhalb von 3
bis ,l Tagen mit Sicherheit zu töten. Nach halbstündiger Einwirkung des elektrischen
Stromes von ioAmp. in dem geschilderten Apparat war die Kultur so modifiziert worden,
daß man nunmehr i ccm der Emulsion an weiße Mäuse und nicht weniger als 5 cctn an
Meerschweinchen intraperitoneal verimpfen konnte, ohne daß die Tiere den geringsten
Grad von Erkrankung zeigten. Auch die aus der Emulsion nach der Einwirkung des elektrischen
Stromes gezüchtete Kultur zeigte dasselbe Phänomen. Auch sie hatte ihre Pathogenität
für Versuchstiere eingebüßt, woraus zu schließen ist, daß der elektrische Strom
die Kultur dauernd mitigiert hat. Bisher ist es wenigstens niemals gelungen, einer
durch den elektrischen Strom mitigierten Kultur ihre ursprüngliche Tierpathogenität
durch Züchtung auf künstlichen Nährböden wieder zu verleihen.
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1I. Ganz ähnlich verhalten sich Tuberkelbazillen vom Typus humanus
und Typus bovinus. Eine üppig gewachsene Tuberkelbazillenkultur wurde ebenfalls
vom Nährsubstrat befreit, in Kochsalzlösung aufgeschwemmt und der Einwirkung eines
elektrischen Gleichstromes im Mittelraum des Dreizellenapparates unterworfen. Die
Kultur wurde durch die Einwirkung des Stromes von i o Amp. nach 2 Stunden so weit
abgetötet, daß eine Fortzüchtung auf künstlichem Nährboden nicht mehr gelang. Wirkte
der elektrische Strom jedoch nur i bis i1/9 Stunden auf die Kulturemulsion ein,
so konnte zwar auf geeignetem Nährboden üppigstes 'Wachstum der
Tuberkelbazillen
erzielt werden, die Kulturen erwiesen sich aber bei der Verimpfung auf Meerschweinchen
(subkutan oder intraperitoneal) als apathogen, d. h., sie waren nicht mehr imstande,
bei den Tieren tuberkulöse Krankheitsprozesse hervorzurufen. Meerschweinchen, welche
mit erheblichen Dosen der durch den elektrischen Strom mitigierten Kultur subkutan
oder intraperitoneal infiziert worden waren, zeigten selbst nach 6 bis ä Wochen
keine äußerlich erkennbaren Symptome einer tuberkulösen Erkrankung. Es waren an
der Impfstelle äußerlich keinerlei Veränderungen erkennbar, Drüsenschwellungen lagen
nicht vor. Bei der Sektion der getöteten Tiere wurde nachgewiesen, daß außer belanglosen
Verwachsungen an der Impfstelle keinerlei pathologische Veränderungen vorhanden
waren, namentlich waren die inneren Organe vollkommen normal.
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In vielen Fällen wird es von Vorteil sein, an Stelle von abgetötetem
Kulturmaterial durch den elektrischen Strom mitigierte Mikroorganismen zur Herstellung
dieser Impfstoffe zu verwenden. Die Technik der Herstellung dieser Impfstoffe ist
naturgemäß dieselbe wie die mit dem abgetöteten Material befolgte.
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Man hat bei der Behandlung von Bakterienkulturen bereits den elektrischen
Strom an sich in Anwendung gebracht, -wie zum Beispiel aus Kraus-Levaditis Handbuch
der Technik und Methodik der Immunitätsforschung, Bd. I. 1908. S.345 und 777, hervorgeht.
Bei den dort beschriebenen Versuchen erfolgte die Abtötung der Bakterien jedoch
durch Wärmewirkung, die durch den elektrischen Strom veranlaßt war oder durch die
Wirkung der durch den elektrischen Strom erzeugten elektrolytischen Spaltungsprodukte.
Demgegenüber wird gemäß der Erfindung durch Anwendung des elektrischen Stromes eine
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der Bakterien erreicht, wiewohl jede Einwirkung von Wärme oder
elektrolytischen Spaltungsprodukten von Salzen ausgeschlossen wird. Während bei
den bisher bekannten Versuchen der elektrische Strom in Zusammenhang mit dem Sterilisationsproblem
nur zur Erzeugung von Wärme, von Chlor und anderen elektrolytischen Zersetzungsprodukten
verwendet worden ist, wird die elektrische Stromwirkung nach der Erfindung zur Hervorbringung
von elektroosmotischen Prozessen im Protoplasma der Mikrobenzellen mit Erfolg benutzt.
Die auf diese Weise abgetöteten Kulturen eignen sich besonders gut zur Immunisierung
und übertreffen in dieser Beziehung die nach den bekannten Verfahren abgetöteten
Bakterien ganz bedeutend.