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Verfahren zur Herstellung von spezifischen Impfstoffen.
Zur aktiven Immunisierung lebender Organismen gegen Infektionskrankheiten benutzt man ausser lebenden und abgetöteten Vollbakterien auch Extrakte der betreffenden Krankheits- erreger, die man entweder durch Autolyse oder durch Einwirkung von Säuren oder Basen auf das Kulturmaterial erhält. Nach anderen Angaben werden Zerfallprodukte der Bakterien, die auf mechanischem oder chemischem Wege hergestellt sind, zu dem gleichen Zwecke benutzt. In allen diesen Fällen handelt es sich darum, den Zellinhalt zum Zwecke der Immunisierung zu benutzen.
Die Anwendung chemischer Mittel zur Erreichung dieses Zweckes ist mit nicht unerheblichen Nachteilen verbunden, welche in der Schädigung der labilen, biologisch wirksamen Stoffe in Zellinhalt von Bakterien bestehen, und welche es bewirkt haben, dass man in vielen Fällen auf die Verwendung dieser Extrakte vollkommen verzichtet hat und sich an Stelle derselben der intakten Bakterienleiber als Immunisierungsmittel bediente.
Den Gegenstand der Erfindung bildet nun ein Verfahren, welches diese Mängel dadurch beseitigt, dass der Zellinhalt auf rein osmotischem Wege aus den Bakterienzellen in Freiheit gesetzt wird, wobei die Einwirkung jeder höheren Temperatur sowie jedweden chemischem Agens vermieden wird. Das einfachste Mittel, die Bakterienzelle durch Steigerung des in ihr vorhandenen osmotischen Druckes zu sprengen und hierdurch den Inhalt der Bakterienzelle in Freiheit zu setzen, würden nach rein theoretischer Überlegung reinstes Wasser sowie hypotonische oder hypertonische Salzlösung sein. Praktische Versuche aber haben gelehrt, dass weder durch reinstes Wasser noch durch sehr verdünnte oder stark konzentrierte Salzlösungen ein wirklich gutes Resultat in dieser Beziehung erzielt werden kann.
Selbst nach monatelangem Aufenthalt in sterilem, elektrolytfreiem Wasser gehen nur ganz unverhältnismässig geringe Mengen von der Leibessubstanz abgetöteter Bakterien in das umgebende Medium über. Bei der Anwendung sehr verdünnter Salzlösungen (o-i bis o's'/e) oder von konzentrierten Salzlösungen (10 bis 20%) findet gleichfalls nur ein sehr langsamer Zerfall der Bakterienzellen statt, so dass man in den Aufschwemmungen abgetöteter Bakterien in Salzlösungen selbst nach Jahren noch intakte. in keiner Weise geschädigte Bakterien nachweisen kann.
Demgegenüber wurde nun gefunden, dass man mit Hilfe von elektrischen Gleichströmen in kurzer Zeit den Gesamtinhalt der Bakterien in Freiheit setzen und einen vollkommenen Zerfall der Bakterienzellen herbeiführen kann. In einer anderen Erfindung der Erfinderin wird ein Verfahren geschildert, nach welchem es gelingt, Bakterien durch einen elektrischen Gleichstrom von bestimmter Stärke und bestimmter Einwirkungsdauer unter Ausschliessung jeder Wärmewirkung und unter Fernhaltung desinfizierender Mittel abzutöten.
Es hat sich gezeigt, dass, wenn man solche durch den elektrischen Strom oder auch durch andere Mittel abgetötete Bakterien einem elektrischen Gleichstrom von konstanter mittlerer Stromstärke und niedriger Spannung mehrere Stunden hindurch unterwirft, ein Austritt des Zellinhaltes in das umgebende Medium stattfindet und die meisten Bakterienarten einem körnigen Zerfall anheimfallen.
Zur Herstellung spezifischer Impfstoffe kann man entweder je nach der Bakterienart, welche man verwendet, den Bakterieninhalt oder die extrahierte Bakterienhülle oder
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auch Gemische beider verwenden. Es ist Sache des Experiments, ausfindig zu machen, welcher Bestandteil oder welche Mischung die besten Immunisierungsresultate für jede
Bakterienart liefern. Es wurde nämlich gefunden, dass zur Immunisierung gegen gewisse
Bakterienarten die unlöslichen Anteile der Bakterienzellen nicht entbehrt werden können, ; während bei anderen wiederum nur der Zellinhalt, nicht aber die extrahierten Zellhüllen die
Immunitätsreaktion auslöst.
Es konnte beispielsweise aus Schweinerotlaufbazillen durch die dreistündige Einwirkung eines elektrischen Gleichstromes von 12 Amp. bei 15 bis 20 Volt
Spannung, bei einer wirksamen Elektrodenfläche von 400ru2 ein vollkommen klares Bazillen- extrakt hergestellt werden, welches in der Menge von o-i cm3 Versuchstieren eine hervor- 'ragende Immunität gegen spätere Infektion mit lebenden Rotlaufbazillen zu verleihen imstande war.
Dagegen wurde bei den Bazillen der Genügelcholera, unter den gleichen
Verhältnissen ein derart günstiges Immunisierungsresultat nicht erreicht, sondern es musste. um die gleiche Wirkung zu erzielen, nicht nur das klare Extrakt, sondern eine Auf- schwemmung von Extrakt und Bazillenrückständen zur Immunisierung verwendet werden.
In diesem Falle allerdings war die immunisierende Wirkung eine sehr grosse.
In gleicher Weise wie die Rotlaufbazillen wurden abgetötete Tuberkelbazillen mit Hilfe des elektrischen Stromes extrahiert. Die Einwirkungsdauer betrug acht Stunden. Nach dieser
Zeit zeigten die Bazillen einen ausgesprochenen körnigen Zerfall. Es waren kaum noch intakte Bazillen in der Flüssigkeit nachweisbar. Die Hauptmenge des Zellinhaltes war in
Wasser gelöst, eine Tatsache, die durch kutane oder subkutane Reaktion bei tuberkulösen
Individuen erwiesen werden könnte. Zur Immunisierung gegen Tuberkulose aber soll nicht nur der klar lösliche Zellinhalt, sondern auch der unlösliche Rückstand von Bakterienleibern benutzt werden.
Es wurde weiterhin festgestellt, dass die spezifischen Antigene im Zellinhalt der meisten
Bakterien ungemein labile Stoffe sind, die beim Aufbewahren sehr rasch einer Zersetzung unterliegen, wodurch die betreffenden Extrakte nach kürzerer oder längerer Zeit ihre Wirk- samkeit einbüssen oder doch eine starke Abschwächung erfahren. Demgegenüber wurde nun gefunden, dass man diesen spezifischen Antigenen eine dauernde Haltbarkeit dadurch ver- leihen kann. dass man ihren Lösungen sogenannte Schutzkolloide, und zwar am besten genuine Eiweisskörper hinzufügt. Lösungen von spezifischen Antigenen bei Gegenwart von gelösten genuinen Eiweisskörpern bleiben lange Zeit hindurch vollkommen unverändert haltbar, sofern in den betreffenden Lösungen Ausscheidungen ungelöster Eiweisskörper ver- mieden werden.
Wollte man beispielsweise der Lösung eines spezifischen Antigens zur
Konservierung normales Blutserum beifügen, so würde bei einem längeren Aufbewahren dieses Gemisches sehr bald ein Niederschlag von Euglobulin entstehen, mit welcher Aus- scheidung auch eine Schädigung des spezifischen Antigens, wie die Erfahrung gelehrt hat, verbunden ist. Man wird also zur Konservierung der Lösungen spezifischer Antigene mit
Vorteil solche Eiweissstoffe verwenden, bei welchen eine Abscheidung ungelöster Stoffe aus- geschlossen erscheint. Es wurde nun gefunden, dass sich hierzu ganz besonders an sich lösliche Eiweissstoffe, Paraglobuline und Albumine oder deren Gemische eignen.
Die Anwendung von Paraglobulinen und Albuminen für diese Zwecke besitzt noch den grossen Vorteil, dass man die Extraktion der Zellen und die Herstellung von Paraglobulinen und Albuminen aus normalem Serum in einem Arbeitsgang mit Hilfe des elektrischen Stromes vornehmen kann. Das nachstehende Beispiel wird die hier obwaltenden Verhältnisse am besten klarlegen.
I. Aus einer Bouillonkultur von virulenten Schweinerotlaufbazillen wurden die Bakterien mit Hilfe der Zentrifuge abgeschleudert, gewaschen und mit normalem Pferdeblutserum auf- geschwemmt. Das Gemisch wurde in den Mittelraum eines elektroosmotischen Dreizellenapparates gebracht, der bekanntlich aus einem durch zwei Elektroden und Diaphragmen in drei Kammern geteilten Behälter besteht, und der Einwirkung eines elektrischen Gleichstromes von 10 bis 12 Amp. drei Stunden lang ausgesetzt. Zur Konstanterhaltung des elektrischen Stromes wurde dem Gemisch, sobald die Stromstärke sank, eine geringe Menge einer io"/eigen Kochsalzlösung beigegeben.
Die Temperatur wurde durch einen Strom fliessenden Wassers im Anoden-und Kathodenraum so geregelt, dass sie 25 niemals überschritte Nach Ablauf dieser Zeit wurde der Zusatz von Kochsalzlösung unterlassen, und die im Gemisch befindlichen Elektrolyte wurden durch den elektrischen Strom allmählich beseitigt. Die Stromstärke sank bei zunehmender Spannung bis zu 0-4 Amp. In diesem Stadium, in welchem fast vollkommene Elektrolytfreiheit erreicht war, entstand im Gemisch von Serum und Bakterien eine starke Ausscheidung von Euglobulin. Die Einwirkung wurde hierauf unterbrochen, das Gemisch aus dem Mittelraum entfernt und mit Hilfe der Zentrifuge die Trennung einer vollkommen klaren, schwach gelb gefärbten Flüssigkeit und eines aus Euglobulin und Bakterienresten bestehenden Bodensatzes vorgenommen.
Bei der Prüfung im Tierexperiment zeigte es sich, dass die klare Flüssigkeit hervorragende immunisatorische Eigenschaften besass. o-i cm3 des eiweissreichen Extraktes schützten weisse Mäuse vor der
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Infektion mit dem Vielfachen einer tödlichen Dosis lebender Rotlaufbazillen. Derselbe Impfstoff zeigte nach drei Monaten, wiewohl er ohne jede besonderen Vorsichtsmassregeln aufbewahrt worden war, noch dieselbe Wirksamkeit.
2. Eine Schweinerotlaufkultur in Nährbouillon wurde mit dem gleichen Volumen von normalem Pferdeblutserum versetzt, durch Schütteln homogenisiert und in gleicher Weise-wie unter i dargestellt-der Einwirkung eines konstanten elektrischen Stromes unterworfen. Es zeigte sich hierbei, dass die in der Nährbouil1on vorhandenen Albumosen und Peptone das kathodische Diaphragma durchdringen und aus dem Gemisch abwandern, so dass man zum Schluss nach der Abscheidung von Euglobulinen und Bakterienresten eine klare Lösung von Extraktivstoffen und gelösten Eiweisskörpern erhält. Auch diese zeigten die gleiche immunisatorischen Eigenschaften wie der unter i geschilderten Impfstoffe. Seine Wirksamkeit erfuhr beim Aufbewahren keinerlei Abschwächung.
Gleich günstige Resultate wurden mit einer grossen Anzahl anderer pathogener Bakterien erhalten.
Für die Herstellung spezifischer Impfstoffe musste es nun als ein grosser Vorteil angesehen werden, wenn diese imstande waren, nicht nur aktive, sondern gleichzeitig auch passive Immunität zu erzeugen. Der Nachteil aller bisher zur passiven Immunisierung benutzten Impfstoffe liegt darin, dass die von ihnen erzeugte Immunität erst nach Ablauf einer geraumen Zeit (8 bis 14 Tage) in die Erscheinung tritt. Die schutzgeimpften Individuen waren in der Zeit, die zwischen Impfung und Eintritt der Immunität verstrich, der Gefahr der Infektion ausgesetzt, die nach Urteil vieler Fachleute sogar durch die Impfung eine Steigerung erfahren soll. (Negative Phase. ) Um diesem Übelstand abzuhelfen, wurde so verfahren, dass an Stelle des normalen Serums bei der Herstellung von spezifischen Impfstoffen mit Hilfe des elektrischen Stromes spezifisches Immunserum gewählt wurde.
Beispielsweise wurde also zur Herstellung eines Impfstoffes gegen Schweinerotlauf das Gemisch einer Bouillonkultur virolenter Schweinerotlaufbazillen mit dem gleichen Volumen eines gut wirksamen Schweinerotlaufserums in dem Dreizellenapparat der Einwirkung des elektrischen Stromes unterworfen. Die Reaktion verlief in allen ihren Teilen genau wie \orher geschildert, jedoch unterschied sich der erhaltene Impfstoff von dem früheren dadurch, dass er Versuchstieren sofort nach der Impfung einen starken passiven Schutz verlieh, so dass man die Tiere bereits wenige Stunden später mit virulenten Kulturen infizieren konnte, ohne sie in irgendeiner Weise zu schädigen.
Ein gleich günstiges Resultat wurde bei Geflügelcholera, bei Streptokokken, Pneumokokken, Meningokokken usw. erzielt.
Es ist bereits vorher geschildert, dass bei bestimmten Bakterienarten die immunisatorische Wirkung nicht auf die gelösten Stoffe aus dem Bakterieninhalt beschränkt ist, sondern entweder den Bakterienhüllen allein anhaftet oder sich auf gelöste und unlösliche Bestandteile verteilt. In diesem Falle wird man so verfahren müssen, dass man nicht die klare Lösung von Bakterieninhalt und Eiweissstoffen, sondern den bei dem elektrischen Verfahren erhaltenen Rückstand, welcher aus Bakterienhüllen und Euglobulinen besteht, zur Herstellung der spezifischen Impfstoffe verwendet. Dieses Gemisch wird dann mit Hilfe von elektrolythaltigem, schwach alkalischem Wasser in Lösung gebracht und durch geeignete Verdünnung auf spezifischen Impfstoff verarbeitet.
PATENT-ANSPRÜCHE : i. Verf hren zur Herstellung von spezifischen Impfstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass man elektrische Gleichströme auf Emulsionen abgetöteter Bakterien einwirken lässt und die hierbei erhaltenen klaren, von den extrahierten Bazillen getrennten Extrakte in genuiner oder künstlich konzentrierter Form als spezifische Impfstoffe zur Erzeugung einer aktiven Immunität verwendet.