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Verfahren zur Gewinnung von schwefelhaltigem Öl und Wasserglas. Zur
Herstellung von Wasserglas auf trockenem Wege durch Zusammenschmelzen von kohlensauren
Alkalien mit Kieselsäure empfiehlt schon der Erfinder dieses Verfahrens, Joh. Ne
-pomuk von Fuchs, einen Zusatz von Kohlepulver. Den gleichen Weg befolgen auch andere
Techniker, namentlich bei Anwendung von Rohmaterialien, welche schwefelsaure Salze
enthalten.
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Die Zumischung von Kohlepulver kann, wie jetzt gefunden wurde, erspart
werden, wenn man die Kieselsäure in Form einer anorganischer Substanz reichen Infusorienerde,
also einer Infusorienerde bituminöser Beschaffenheit, verwendet, die man vor dem
eigentlichen Schmelzprozeß der trockenen 'Destillation unterwirft, wobei außerdem
als Destillationsprodukt ein schwefelhaltiges Rohöl gewönnen werden- kann. Die im
Destillationsapparat zurückbleibende Kieselerde wird durch den infolge der trockenen
Destillation ausgeschiedenen Kohlenstoff tiefdunkel bis schwarz gefärbt.
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Man kann sich durch einen einfachen Versuch davon überzeugen, ob eine
Infusorienerde für
das Verfahren geeignet ist. Zu diesem Zwecke
werden z. B. 3 g der zu prüfenden bituminösen Kieselgur (Infusorienrede) etwa I5
bis 2o Minuten im bedeckten Tiegel unter beschränktem Luftzutritt erhitzt. Dabei
tritt ein Gewichtsverlust von I2 bis I5 Prozent und mehr ein, wobei der Geruch nach
schwefelhaltigem Öl wahrnehmbar wird. Der Tiegeldeckel beschlägt sich meist auf
der Innenseite mit einem teerigen Fleck. Der im Tiegel befindliche Rückstand ist
durch ausgeschiedenen Kohlenstoff dunkelbraun bis schwarz gefärbt.
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Die Gewinnung von schwefelhaltigem Rohöl ist überraschend. Sie erhöht
die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens, weil das Rohmaterial für dieses pharmazeutisch
wichtige Produkt sonst fast ausschließlich durch Destillation bituminösen Gesteins
in der Umgebung von Seefeld in Tirol gewonnen wird. Der Arbeitsvorgang für die Wasserglasbereitung
ist folgender: Beispiel.
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Ioo Gewichtsteile bituminöser Kieselgur, die bei dem oben angegebenen
Versuch einen Glühverlust von etwa 26 Prozent ergibt, werden mit 7o Gewichtsteilen
schwefelsaurem Natrium gemischt und die Mischung durch eine Öffnung im Deckel eines
senkrechten Destillationsapparates eingefüllt, während die Heizgase von unten her
um den Apparat und durch einen achsial angeordneten Abzugskanal nach dem Gegenstromprinzip
zugeführt werden. In dem oberen kälteren Teil spielt sich ein Destillationsvorgang
ab, dessen Produkte abgeleitet und in geeigneten Vorlagen kondensiert werden. Außer
einer teerigen Substanz scheidet sich in der Vorlage über einer wässerigen Flüssigkeit
von häßlichem Geruch das gelbbraune Ichthyolrohöl ab. Beim Nachsinken in den unteren
heißen Teil des Apparates kommt dann das Gemisch aus Kieselsäure, Alkali und Kohle
zum Schmelzen und kann von der Sohle durch Abstichöffnung abgelassen und in der
üblichen Weise zur handelsüblichen Ware weiterverarbeitet werden. Die Mengenverhältnisse
der Alkalien zur Kieselgur können je nach dem Verwendungszweck des zu gewinnenden
Wasserglases und nach dem Gehalt des frei werdendenKohlenstoffes schwanken.
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Da die verkohlte Infusorienerde im wesentlichen dieselben physikalischen
Eigenschaften wie im ursprünglichen Zustande zeigt, kann man sich auch nur auf die
Schwefelölgewinnung ohne Zusatz von Alkalien beschränken, wofür natürlich nur ein
weit geringerer Wärmeaufwand erforderlich ist, und die zurückbleibende kohlehaltige
Infusorienerde anderweitig verwenden. Bei der Wasserglasgewinnung nach der oben
beschriebenen Weise wird aber die Vorwärmung der Kieselerdemischung ausgenutzt.
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Das vorliegende Verfahren hat den Vorteil, daß man von einheimischen
Produkten, z. B. der bituminösen Kieselgur, ausgehen kann, wie sie bei Unterlüß
in der Lüneburger Heide vorkommt. Dieses Produkt ist schon äußerlich an seiner dunklen,
grünlichen Farbe erkennbar. Vor der Destillation im großen führt man zweckmäßig
die oben angegebene Probe aus.
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Wenn man das Destillat in einer gekühlten Vorlage auffängt, so scheidet
sich über einer wässerigen Flüssigkeit ein braunes Öl aus, das, abgesehen von dem
widrigen Geruch, durch die charakteristische Reaktion derartiger schwefelhaltiger
Öle konzentrierte Schwefelsäure, die unter einer dichtschließenden Glasglocke danebengestellt
wird, violett bis blau zu färben, als Ichthyol identifiziert werden kann.
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Der Glührückstand, der eine mit Kohlenstoff innigst vermengte Infusorienerde
darstellt, kann zu den verschiedensten technischen Zwecken vorteilhaft verwendet
werden. Er stellt z. B. ein wertvolles Aufsaugen-iittel für Nitroglyzerin dar, dessen
überschüssiger Sauerstoffgehaltdurch den Kohlenstoff der Gur verwertet wird. Außerdem
bildet der Rückstand ein wertvolles Entfärbungsmittel und einen brauchbaren Farbstoffträger,
z. B. für schwarze Körperfarben-.
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Glüht man die zurückgebliebene kohlenstoffhaltige Kieselgur bei Luftzutritt
weiter, so verbrennt die Kohle. Das- so gewonnene Produkt ist sehr wertvoll für
Isolations- und Filtrationszwecke.
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In Dinglers Polytechnisches Journal 1857 I, S.. 2io, Zeile 13 und
14, 1878, S. 285, Zeile 4 und 5, ist angegeben, daß man Infusorienerde glüht, um
dem daraus zu erzielenden Wasserglas eine schönere Farbe zu gebrn. Durch das Glühen
werden nach den dort gemachten Angaben organische Reste zerstört. Bei der hier angewandten
trockenen Destillation bituminöser Infusorienerde wird dies gerade vermieden und
kein weißes, sondern durch ausgeschiedenen Kohlenstoff schwarz gefärbtes Produkt
erhalten, das nach dem Abdestillieren des Ichthyols bei der weiteren Verarbeitung
auf Wasserglas, wie bereits erwähnt, den Zusatz von Kohle überflüssig macht.