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Verfahren zur Herstellung matt aussehender Fäden und Fasern aus Homo-
und/oder Mischpolymerisaten des Acrylnitrils Die Erfindung betrifft die Herstellung
geformter Gebilde aus Polymerisaten und Mischpolymerisaten des Acrylnitrils durch
Verspinnen von Lösungen, die als Lösungsmittel Salpetersäure enthalten, die z. B.
gemäß den deutschen Patenten 969 053 und 1235 502 hergestellt wurden.
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Bei den Untersuchungen des Erfinders über die Eignung von Lösungen
von Polymerisaten oder Mischpolymerisaten des Acrylnitrils in Salpetersäure zur
Verarbeitung nach der Naßspinnmethode haben sich überraschende und typische Ergebnisse
gezeigt. Es wurde gefunden, daß die beim Ausfällen gewonnenen Produkte in ihren
Eigenschaften stark von der Temperatur des Fällbades abhängig sind. Wird die Fällung
unterhalb des kritischen Temperaturbereichs, welcher Begriff nachstehend noch erläutert
wird, vorgenommen, so erhält man, wie erwartet, hochglänzende Fäden mit seidenartigem
Charakter. Wird jedoch die Temperatur des Fällbades in den kritischen Bereich verlegt,
so entstehen nicht mehr hochglänzende Fäden mit seidenartigem Charakter, sondern
je nach der Temperatur des Fällbades Fäden, die weniger glänzend oder gar glanzlos
sind und ein mattes bis weißes Aussehen zeigen, das auf eine poröse Struktur zurückzuführen
ist.
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Erfindungsgegenstand ist somit ein Verfahren zur Herstellung matt
aussehender Fäden und Fasern aus Homo- und/oder Mischpolymerisaten des Acrylnitrils,
die in Salpetersäure ohne Zersetzung gelöst werden können und zu wenigstens 80 °/o
aus Acrylnitril bestehen, durch übliches Naßspinnen und Verstrecken, dadurch gekennzeichnet,
daß man Lösungen des Polymerisats in Salpetersäure in ein Fällbad verspinnt, das
im wesentlichen aus Wasser und Salpetersäure besteht und Temperaturen zwischen 15
und 70'C
aufweist.
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Der kritische Temperaturbereich hängt etwas von der stofflichen Zusammensetzung
des Polymerisats ab, liegt aber immer zwischen 15 und 70°C. Wird eine Lösung von
Polyacrylnitril in Salpetersäure versponnen und weist das Fällbad eine Temperatur
unter 15°C auf, so sind die Fäden glänzend und von seidenartigem Charakter. Wird
jedoch die Temperatur über 15°C hinaus gesteigert, so nehmen die Fäden mit Erhöhung
der Temperatur immer deutlicher ein mattes und weißes Aussehen an. Natürlich sind
die Übergänge vom glänzenden, klaren, zum matten und weißen Faden, durch die Steigerung
der Temperatur des Fällbades erreicht wird, nicht plötzlich, sondern allmählich,
und die Übergangstemperaturen sind je nach der Zusammensetzung und Art des Fadenas
verschieden. Manche Polymerisate lassen z. B. bereits bei Badtemperaturen zwischen
15 und 20°C den geschilderten Effekt wahrnehmen. Die Temperaturgrenze nach unten
liegt im allgemeinen jedoch über 20°C, d. h., von dieser Temperatur an wird der
Effekt für das bloße Auge deutlich. Die Temperaturgrenze nach oben ist durch die
Spinnfähigkeit gegeben. Es war anzunehmen, daß ein Gebilde mit poröser Struktur
für den nachfolgenden Streckvorgang, der erst die mechanischen Eigenschaften auf
eine brauchbare und wertvolle Höhe steigert, ungeeignet ist. Doch ist das Gegenteil
der Fall. Durch Auspressen der salpetersauren Lösung in warmes Wasser entsteht ein
Faden, dessen Inneres auf die ganze Fadenlänge eine sehr feine, regelmäßige poröse
Struktur aufweist, so daß ein störungsfreies Spinnen und Strecken möglich ist. Dieses
Verhalten scheint typisch für die Lösungen in Salpetersäure zu sein. Mit anderen
Lösungsmitteln ließ sich der gleiche Effekt bis jetzt nicht herausarbeiten. Nach
oben ist die Temperaturgrenze, wie bereits oben bemerkt, durch die Spinn- und Streckfähigkeit
gegeben. Mit Erhöhung der Temperatur nimmt nämlich, wie sich deutlich bei der Herstellung
von Filmen auf Glasplättchen zeigen läßt, die Größe der Hohlräume immer mehr zu,
so daß das Spinnen eines feinen Fadens allmählich unmöglich wird. Für gröbere Titer
kann zwar noch bei 70°C gearbeitet werden, doch ist der Mattierungseffekt bereits
bei 30 bis 40°C maximal. Der kritische Temperaturbereich
wird daher
mit 15 bis 70°C angegeben, der vorteilhafteste Bereich ist 25 bis 50°C.
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Es wurde beobachtet, daß der innerhalb des kritischen Temperaturbereichs
gewonnene Faden gegenüber einem solchen unterhalb des kritischen Temperaturbereichs
gewonnenen Faden bei gleichem Titer einen größeren Durchmesser besitzt, also völliger
ist. Die Fadenquerschnitte sind in der Regel kreisrund; während z. B. ein Faden
von 3 Denier, der bei Temperaturen zwischen 5 und 15'C hergestellt wurde,
einen Durchmesser von 19 bis 20 Mikron hat, zeigt ein unter sonst gleichen Bedingungen,
aber bei einer Fällbadtemperatur von 35 bis 40°C hergestellter Faden einen Durchmesser
von 24 bis 29 Mikron.
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Das mikroskopische Bild gestreckter Fäden läßt die glänzenden Fäden
fast glasklar und durchsichtig erscheinen, während die matten Fäden auch in dünnem
Querschnitt trüb und matt aussehen, doch sind eigentliche Inhomogenitäten, z. B.
Luftblasen, nicht zu erkennen. Untersucht man aber den Faden im ungestreckten Zustand,
also so, wie er aus dem Fällbad kommt, nach dem Waschen mit Wasser und Trocknen,
so entdeckt man unter dem Mikroskop unzählige, gerade noch sichtbare Bläschen. Im
übrigen ist der Faden in diesem unfertigen, d. h. ungestreckten Zustand jedoch ein
ebenso unstabiles Gebilde wie der glänzende Faden. Nach dem Strecken sind eigenartigerweise
die Festigkeitseigenschaften des matten, porösen Fadens mindestens nicht geringer
als die des klaren, glänzenden Fadens.
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Es gelingt nach diesem Verfahren also lediglich durch Veränderung
der Temperatur im Fällbad statt glänzender Fäden mit dichter Struktur matte Fäden
mit poröser Struktur herzustellen. Der Grad der Porisität kann durch die Temperaturhöhe
variiert werden. Überraschenderweise lassen sich diese matten Fäden durch Strecken
ebensogut veredeln wie die glänzenden Fäden.
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Die Erfindung zeichnet sich durch folgende Vorteile aus: 1. Man kann
ohne Zusatzstoffe lediglich durch Einstellung der Badtemperatur auf eine bestimmte
Höhe an Fäden Mattierungseffekte bzw. einen bestimmten Weißheitsgrad erzielen.
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2. Die gestreckten Fäden mit dem Mattierungseffekt zeigen gegenüber
hochglänzenden keine geringeren Festigkeitseigenschaften.
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3. Die Fäden stellen sich billiger als glänzende Fäden, weil man bei
gleichem Gewicht volumenmäßig eine größere Menge erhält. Die Fäden mit dem Mattierungseffekt
haben ein scheinbar kleineres spezifisches Gewicht.
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4. Die erfindungsgemäß hergestellten Fäden zeigen ein größeres Warmhaltungsvermögen.
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In Ausübung der Erfindung können auch Mischpolymerisate des Acrylnitrils
verwendet oder mitverwendet werden. Als Mischpolymerisate kommen solche in Betracht,
die aus mindestens 800/, Acrylnitril und anderen polymerisierbaren Verbindungen,
wie z. B. Vinylacetat, Acryl- und Methacrylsäure oder deren Estern und Amiden, bestehen.
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Der Salpetersäuregehalt im Fällbad liegt je nach Zuflußgeschwindigkeit
zwischen 1 und 400/,.
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Um einen Vergleich zu gestatten, ist von den nachfolgenden, zur Erläuterung
der Erfindung bestimmten Beispielen das erste bei einer Temperatur des Fällbades
unterhalb des kritischen Temperaturbereichs ausgearbeitet worden. Die folgenden
Beispiele zeigen Ausführungen innerhalb des kritischen Temperaturbereichs.
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Beispiel 1 100g Polyacrylnitril mit dem Durchschnittsmolekulargewicht
60000 und 1 g Harnstoff werden bei 20°C in 700g 59 °/oiger Salpetersäure
gelöst. Die Lösung wird durch ein Chromnickeldrahtnetz von 50 Mikron Maschenweite
filtriert und bei 10 bis 15°C aufbewahrt. Bei dieser Temperatur ist die Lösung wenigstens
100 Stunden haltbar, d. h., nach dieser Zeit kann das Polymerisat quantitativ durch
Fällen mit Wasser mit nahezu unverändertem Stickstoffgehalt isoliert werden. Die
Lösung besitzt eine Viskosität von 450 Poise bei 20°C. Sie wird mit einer Geschwindigkeit
von 36 ccm in der Stunde durch eine Düse mit zehn Löchern von 0,1 mm Durchmesser
in ein Fällbad von 35 bis 40°C gedrückt. Das Fällbad besteht aus 10 °/oiger Salpetersäure.
Im Bad durchläuft der Faden eine Strecke von 150 mm, worauf er in einer Waschrinne
von 500 mm Länge im Gegenstrom mit destilliertem Wasser gewaschen wird, um dann
eine Abzugsspule zu erreichen, deren Umfangsgeschwindigkeit 8 m/min beträgt. Von
dieser Spule wird der Faden durch ein Wasserbad von 90 bis 95°C, das 0,1°/o Phosphorsäure,
0,2°/o Polyvinylalkohol und 0,2°/a Glycerin enthält, geführt, wo er die Hauptmenge
seines Wassers abgibt, und dann über eine Umlenkrolle durch einen Trockenschacht
geleitet, wo er mit Luft von etwa 100°C getrocknet wird, um dann über eine Spule
von 10 m/min Umfangsgeschwindigkeit, die auf 150°C geheizt ist, auf die Endspule
mit 30 m/min Umfangsgeschwindigkeit zu gelangen. Man erhält so einen aus zehn Einzelfäden
bestehenden Gesamtfaden von 30 Denier mit einer Reißfestigkeit von 120 bis 150 g.
Der Faden ist matt und von schneeweißer Farbe, der Querschnitt ist rund und mißt
22 bis 24 Mikron im Durchmesser.
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Vergleich Arbeitet man genau wie oben beschrieben, jedoch mit dem
einzigen Unterschied, daß die Temperatur im Fällbad auf 10 bis 15°C statt 35 bis
40°C gehalten wird, erhält man ebenfalls einen aus zehn Einzelfäden bestehenden
Gesamtfaden von 30 Denier mit einer Reißfestigkeit von 120 bis 150 g. Der Faden
ist aber glänzend und farblos. Der Querschnitt ist rund, der Durchmesser beträgt
19 bis 20 Mikron.
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Beispiel 2 Wie im Beispiel 1 wird aus 100g Polyacrylnitril vom Durchschnittsmolekulargewicht
65 000 und 800 g 59 °/aiger Salpetersäure eine Lösung bei 20°C hergestellt. Die
Lösung besitzt eine Viskosität von 400 Poise bei 15°C. Sie wird wie oben versponnen
mit folgenden Änderungen: Die Düse hat zehn Löcher mit 0,2 mm Durchmesser, sie wird
mit einer stündlichen Lösungsmenge von 40 ccm gespeist. Die Abzugsgeschwindigkeit
beträgt 3 m/min an der Düse und 30 m/min auf der Streckspule. Die Temperatur im
Fällbad wird auf 40 bis 45'C gehalten. Der Faden hat einen Gesamttiter von 30 Denier
mit einer Reißfestigkeit von 140 g. Er ist matt und weiß. Der Fadenquerschnitt ist
rund mit 25 bis 28 Mikron Durchmesser.
Beispiel 3 Acrylnitril und
Vinylacetat werden in bekannter Weise polymerisiert, so daß ein Mischpolymerisat
mit 5 % Vinylacetatgehalt und dem Molekulargewicht von 70 000 entsteht. Das
Polymerisat wird auf eine Korngröße unter 150 Mikron Durchmesser zerkleinert. 100
Teile dieses Mischpolymerisats werden mit 350 Teilen Salpetersäure von 53 Gewichtsprozent
verrieben, wobei eine Suspension entsteht. Diese Suspension wird bei Unterdruck
entgast. Dann werden 1 Teil Harnstoff und 350 Teile Salpetersäure von 65 Gewichtsprozent
eingerührt. Die Suspension verwandelt sich in wenigen Minuten in eine klare Lösung.
Die Lösung wird durch ein feinporiges Filter aus Polyvinylchloridgewebe filtriert
und dann im Vakuum entgast. Alle diese Operationen werden bei etwa 15"C durchgeführt.
Man erhält so eine fast wasserklare Lösung von etwa 350 Poise bei 20°C. Diese Lösung
wird in ein Fällbad, das aus 30 °/oiger Salpetersäure besteht, gesponnen, wie im
Beispiel 1 geschildert. Die Temperatur im Fällbad wird auf 2 bis 5'C gehalten, es
entsteht ein klarer, glänzender Faden. Nun wird die Temperatur im Fällbad langsam
gesteigert. Man beobachtet, wie mit dem Temperaturanstieg das Aussehen des Fadens
sich ändert. Er wird zunächst milchig-durchscheinend, um von 20°C an ein mattes,
weißes Aussehen anzunehmen. Das Volumen der je Zeiteinheit erzeugten Fadenmasse
nimmt mit der Temperatursteigerung zu.
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Der Spinnvorgang läßt sich bis zu 35 bis 40°C im Fällbad ohne Störungen
bewältigen, bei noch weiterer Steigerung der Fällbadtemperatur erfolgen jedoch leicht
Fadenbrüche, _ bevor der Faden durch den Streckvorgang genügend verfestigt ist.
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Die folgende Tabelle zeigt die Eigenschaften des Fadens in Abhängigkeit
von der Fällbadtemperatur, wobei in Reihe A die Reißfestigkeit in Gramm je 1 Denier,
in Reihe B der Durchmesser des Fadens in Mikron und in Reihe C das Aussehen des
Fadens angegeben ist.
5 0 C 15 0 C 30°C |
A 4,5 4,6 4,8 |
B 19 22 28 |
C klar glänzend milchig-durch- matt weiß |
scheinend |
In gleicher Weise mit ganz ähnlichen Erscheinungen lassen sich Mischpolymerisate
aus Acrylnitril und kleineren Mengen Methacrylamid, Methacrylnitril, Dimethylaminoäthyl-methacrylat,
Vinylpyridin, Vinylimidazol verarbeiten. Die durch Erhöhen der Fällbadtemperatur
mattierten Fäden lassen sich ebensogut wie die bei tieferer Temperatur gefällten
glänzenden Fäden durch Strecken in ihren mechanischen Eigenschaften entscheidend
verbessern.
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In Ergänzung der Beispiele sei noch folgendes ausgeführt: Das Spinnen
im Wasserbad und die darauffolgende Behandlung können auf die verschiedenste Art
geschehen. So kann man z. B. die im Wasser glänzend oder erfindungsgemäß matt gesponnenen
Fäden zunächst mit Wasser auswaschen und hernach den gequollenen Faden durch Behandeln
mit heißem Wasser über 70°C die Hauptmenge des Quellwassers entziehen oder den ausgewaschenen
Faden unter Erwärmen auf 70 bis 100°C, z. B. in einem Wasserbad, wenigstens um 30
°/o strecken und dann diesen vorgestreckten Faden anschließend bei mehr als 100°C
nochmals um 10 bis 250 % strecken. Schließlich kann man dem gequollenen Faden
durch Erwärmen auf 70 bis 100°C, z. B. durch Führen über eine geheizte Unterlage,
die Hauptmenge des Quellwassers in flüssiger Form entziehen und gegebenenfalls das
so erhaltene heiße Wasser zum Behandeln des frisch gesponnenen Fadens bei Temperaturen
von 70 bis 100°C verwenden. Das Nachstrecken kann man auch in einem Wasserbad vornehmen,
das Spuren einer starken Säure enthält, und nach dem Naßstrecken gegebenenfalls
den Faden mit einer Avivage versehen, die ihm kleinere Mengen einer starken Säure
und eines Gleitmittels zuführt.