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Verfahren zur Gewinnung von Bastfasern Die Verarbeitung von Bastfasern
zu Garnen, Stoffen und Geweben begegnet großen Hindernissen durch die Sprödheit
und Härte der Naturstoffe und durch die Ungleichheit dieser Eigenschaften. Der dadurch
erhöhte Arbeitsaufwand und die Qualitätsminderung konnte durch die bisher angewandten
Verfahren nicht zufriedenstellend behoben werden. - Diese Feststellung bezieht sich
auf fast alle Bastfasern, insbesondere auf einige Jutesorten, die auch Kenaf genannt
werden. Diese letzteren werden in anspruchsvollen Betrieben nicht verarbeitet und
können guten Bastfasern nur in geringeren Mengen beigemischt werden, jedoch stets
unter Verminderung der Qualität und Erhöhung des Arbeitsaufwands.
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Bei diesen Jutesorten führt die mechanische Weichmachung unter verstärkter
Anwendung von Weichmacher-Hilfsstoffen nicht zum Ziel, wie im folgenden ausgeführt
wird. Die holzigen Faserbündel werden gebrochen und mit Öl geschmiert, lassen sich
aber nicht zu einem Schleier ausbreiten und daher nicht zu knotenfreien gleichmäßigen
Garnen verspinnen. Das Schmiermittel, Öl, kann nicht in beliebiger Menge angewandt
werden, da Ware, aus der das Öl tropft, nicht marktfähig ist.
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P a r s o n s (bull. Textile Institut, XXXIII,1942, 77) wie Brochet,
Parisot und Szymanek (Bull. de 1'Institut Textile de France, 39, 1953, V.:
Contribution a 1'etude sur 1'encimage du juta) stellen fest, daß durch Ölen, Schmieren,
also Beizen zwar das Spinnen erleichtert, die Qualität der Jute jedoch nicht verbessert
wird. Die Ware wird weder besser noch schlechter. Bei dem nach dem Beizen folgenden
Ruhen des Faserstoffes entsteht eine Erwärmung als Folge der Oxydation des bei der
Beizung verwendeten Öles. Diese Feststellungen sind nur teilweise richtig. Die zitierten
Forscher haben übersehen, daß man inzwischen von den Tranen zu Ölen mineralischer
Herkunft übergegangen ist, bei denen eine Oxydation nicht stattfinden kann. Die
Mineralöle sind hauptsächlich aus Parafinketten zusammengesetzt und daher reaktionsträge.
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Inzwischen gingen die Forschungen weiter, und in erster Linie S a
h a und B a n e r j e s (Softening Hard Cutting Jute with Diammonium Hydrogen Phosphate,
»Fibres«, London, 1955, X.) haben festgestellt, daß durch Zusatz von anorganischen
Nährsalzen die in Bastfasern anwesenden Mikroorganismen die Pektine, also die in
den Bastfasern vorhandenen Klebstoffe abbauen. Diese Erscheinung ist auch bei der
Leinen-und Flachsverarbeitung festgestellt worden. Das beweisen die Arbeiten von
E y r e und N o d d e r (Journal of Text. Inst., 1924, 15,T 237), die Veröffentlichungen
von R u s c h m a n n (e. d. 1924, 15, T 61 und T 104) wie schließlich die Publikation
von T h a y s e n und B u n k e r (The Microbiology of Cellulose, Hemmicellulose,
Pectin and gims, 1927, P1 63).
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Nun wurden verschiedene Methoden für die Verarbeitung der hartnäckigeren
Bastfasern in Anwendung gebracht, die im großen und ganzen darin bestanden, daß
man auf losen Bastfaserbündeln Ammoniumphosphatlösung zerstäubt hat und in diesem
Zustand die benetzten Bündel 4 bis 10 Tage hindurch gelagert hat, um den Mikroorganismen
die Möglichkeit zu bieten, ihre Aufgaben zu erfüllen.
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Verschiedentlich wurde sogar so weit gegangen, die abbauenden Mikroorganismen
direkt auf die Bastfasern zu bringen, wie das z. B. in der britischen Patentschrift
721878 beschrieben wird. Das Verfahren will die Aufgabe durch direkte Anwendung
einer Zystaselösung, mit entsprechendem Mikroorganismengehalt (Pilzen und Bakterien)
und Ammoniumphosphat lösen.
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Dabei ist zu beachten, daß diese Verfahren klimabeeinflußt sind, komplizierte
Vorbereitungen, Teilmanipultationen und sehr große Arbeitsflächen (4 bis 10 Tage
Lagerung der losen Bastbündel) verlangen und in ihrer enzymatischen Wirkung nicht
sicher zu steuern sind, so daß teilweise die so wichtige Reißfestigkeit der Bastfasern
herabgesetzt wird.
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Infolgedessen werden die mit Beimischung solcher Bastfasern hergestellten
Garne hauptsächlich als Schußgarne verwendet, da hierbei an die Reißfestigkeit keine
so hohen Anforderungen gestellt werden. Die Einwände gegen diese Verfahren werden
durch die Tatsache bestätigt, daß auch weiterhin diese Bastfasern nur in geringer
Beimischung mit teueren Sorten verwendet werden und unverändert mit niedrigen Preisen
notiert werden.
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Zu den zitierten Arbeiten sind die Versuche in Laboratorien durchgeführt
worden; eine gleichmäßige Behandlung wäre nur durch eine maschinelle Einrichtung
zu erreichen, wobei das Resultat immer noch unsicher bliebe.
Andere
Versuche, mit den minderwertigeren Bastfasern Garne gleicher Qualität wie First,
Tossa oder Lightning zu erzeugen, beruhen auf dem Abkochen in Chemikalienlösungen,
z. B. in verdünnter Natriumfluoridlösung. Das Verfahren ist kostspielig und gefährdet
die grundlegende Beschaffenheit der Faserstoffe. Das Abkochen in einer Lösung von
Ammoniumoxalat hat ähnliche Nachteile und ist umständlich. In beiden Fällen werden
kostspielige rostfreie Einrichtungen benötigt. Auch mit Silikaten, besonders Natriummetasilikat
wurden gewisse Erfolge erzielt. Da aber alles Abkochen mit mehrfachem Spülen und
Trocknen abgeschlossen werden muß, sind diese Verfahren langwierig, erfordern Investionen
und sind daher kostspielig.
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Wie Versuche gezeigt haben, ergab bei den bekannten Verfahren die
Temperaturmessung der behandelten Faserstoffe häufig eine periodische Kurve als
Funktion der Zeit, die wahrscheinlich durch andere Mikroorganismen beeinflußt war,
anstatt einer zu erwartenden Maximumkurve. Parallel dazu ging eine Abnahme der Faserfestigkeit.
Diese Unstetigkeit trat z. B. bei Versuchen auf, bei denen entweder reines Phosphat
oder durch Reagieren- von Phosphorsäure mit Ammoniumhydroxyd selbsterzeugtes Diammoniumhydrophosphat
als Nährstoff verwendet worden ist; eine Überdosierung rief ebenfalls periodische
Erwärmung hervor. Die behandelten Fasern waren ungleichmäßig, in der Festigkeit
schwankend und ließen sich kaum zu feineren Garnen spinnen, waren also von unbehandelten
Bastfasern kaum zu unterscheiden. Andere Versuche mit verschiedenen Phosphor- und
Stickstoffverbindungen ergaben ebensowenig zufriedenstellende Resultate.
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Dagegen ergaben Versuche mit einem Phosphat, das als Nebenprodukt
bei der Zyklisierung von aliphatischen Aminoverbindungen entsteht und das vorher
mit Ammoniumhydroxyd neutralisiert wurde, fortlaufend Maximum-Temperaturkurven.
Bei weiteren Versuchen mit geradkettigen Aminoverbindungen mit Spurenverunreinigung
durch 2-Phenyl-3 methyltetrahydro-1,4-oxazin ergab sich ein gleichgünstiges Resultat.
Die Bastfasern erwärmten sich nur einmal, waren nach der Abkühlung frei von Pektinen
und wiesen eine unveränderte Reißfestigkeit, Elastizität und Gleichmäßigkeit auf.
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Diese Phosphatbehandlung war nun noch mit der normalen Verarbeitungsoperation
zu kombinieren. Bekanntlich benutzen in den letzten Jahren die Verarbeiter beim
Beizen der Jutefaserstoffe eine Emulsion aus Mineralöl mit Emulgierungsmitteln bzw.
Stabilisatoren verschiedener pH-Werte. Es wurde festgestellt, daß bei einem pH-Wert
über 6 das Verfahren nicht gleichmäßig günstig funktioniert; auch unter pH 5 waren
die Resultate nicht einwandfrei. Es wurde also festgestellt, daß die enzymatische
Einwirkung im pH-Bereich von 5 bis-6 am günstigsten abläuft.
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Erfindungsgegenstand ist nun ein Verfahren zum Gewinnen von Bastfasern
durch enzymatische Aufbereitung von Bastmaterialien in Gegenwart von Diammoniumhydrogenphosphat,
Imprägnieren des Bastmaterials mit einer Öl-Wasser-Emulsion und übliche Weiterverarbeitung.
Es ist dadurch gekennzeichnet, daß man auf das mechanisch vorbereitete Bastmaterial
eine Öl-Wasser-Emulsion aufbringt, die pro Kilogramm Bastmaterial 5 bis 10 g Diammoniumhydrogenphosphat
und 0,2 bis 0,4 g einer Oxazinverbindung enthält und einen pH-Wert von 5 bis 6 hat,
und daß man das so behandelte Material dann in Form von Ballen, Bündeln oder Rollen
abstellt, bis die Temperatur derselben, die 60°C erreichen kann, wieder abgesunken
ist.
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Besonders vorteilhaft ist es, wenn man dabei als Oxazinverbindung
das 2-Phenyl 1-3-methyl-tetrahydro-1,4-oxazin verwendet.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zeigt in seiner großindustriellen Ausführung
gut reproduzierbare, befriedigende Ergebnisse und ist hierin den bekannten Verfahren
deutlich überlegen. Die gewonnenen Fasern lassen sich leicht zu Schleiern ausbreiten,
decken sich also gut. Beim Spinnen sind sie gleichwertig den teuersten Faserqualitäten
und als Ketten- und Schußgarne verhalten sie sich am Webstuhl vorzüglich. Die erzeugten
Gewebe sind schön, gleichmäßig und an Reißfertigkeit hochwertig.
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Beispiel Aus einem Gemisch, bestehend aus 600l Spindelöl, 7001 Wasser,
50 kg Diammoniumhydrogenphosphat, 2 kg 2-Phenyl-3-methyl-tetrahydro-1,4-oxazin,
3 kg Polyglykolester (als Emulgator und Träger), wird eine Emulsion erzeugt, wobei
der Zusatz des Phosphates kurz vor der Beendigung des Mischens geschieht. Das Mischen
erfolgt am günstigsten durch Anwendung einer Flüssigkeits-Ultraschall-Pfeife.
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Die so erzeugte Emulsion wird durch Zerstäubung auf eine Faserbahn
aus Bastmaterial gebracht, die nachher in Bündeln oder Rollen zum Abstehen gebracht
wird.
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Die Temperatur der Rollen oder Faserbündel beginnt nach einigen Stunden
zu steigen und erreicht bei 20°C Raumtemperatur in 24 bis 30 Stunden den Maximalwert
von 60°C. In weiteren 30 bis 40 Stunden sinkt die Temperatur der Rollen oder Bündel
unter 30°C, und die Aufbereitung der Bastfasern ist beendet, das Material kann versponnen
werden.
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Ein weiteres Lagern ist für die Qualität des Faserstoffes nicht gefährlich,
im Gegensatz zu den verschiedenen erwähnten Methoden.