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Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus Polymethylmethacrylat
Es ist bekannt, daß Polymethylmethacrylat in zwei reinen eutaktischen kristallisierbaren
Formen hergestellt werden kann. Die zwei Typen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften,
wie Einfriertemperaturen, Schmelzpunkten, Dichten und in ihren Röntgenbeugungsdiagrammen
voneinander und von dem konventionellen ataktischen Polymethylmethacrylat (F o X
und Mitarbeiter, J. Am. Chem. Soc., 80, S. 1768 und 2341 [1958]; R. G. J. M iii
e rund Mitarbeiter, Chem.
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Ind., S. 1323 [Oktober 1958]; A.A.Korotkow, Moskau, »Makromolekulare
Verbindungen«, 1, S.1319 [1959]; U. B a um an n und Mitarbeiter, »Makromolekulare
Chemie«, 36, S. 81 [1959]).
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In der genannten Literatur wurde dem kristallisierbaren Produkt mit
der tieferen Einfriertemperatur und der höheren Dichte die isotaktische Konfiguration
zugeordnet und das Polymerisat mit der höheren Einfriertemperatur und der niedrigeren
Dichte als »syndiotaktisch« bezeichnet.
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Diese Zuordnung der Begriffe isotaktisch und syndiotaktisch soll
in vorliegender Erfindung beibehalten werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen,
daß noch nicht endgültig geklärt ist, ob diese Zuordnung richtig gewählt wurde.
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Das ataktische Polymethylmethacrylat zeigt im Gegensatz zu den kristallisierbaren
Formen keine geordnete sterische Konfiguration der monomeren Einheiten im Polymerisat.
Es wird durch die üblichen Polymerisationsverfahren nach dem radikalischen Mechanismus
ohne Einhalten bestimmter Reaktionsbedingungen, wie tiefer Temperaturen, erhalten
(N a t t a, «Stereospezifische Katalysen und isotaktische Polymere«, Angewandte
Chemie, 68, S. 393 [1956]).
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Das isotaktische Polymethylmethacrylat kann z. B. erhalten werden
durch anionische Polymerisation in unpolaren Lösungsmitteln, die initiiert wird
durch organische Lithiumverbindungen oder Grignardverbindungen.
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Das syndiotaktische Polymethylmethacrylat läßt sich durch radikalische
Polymerisation bei niederen Temperaturen oder durch anionische Polymerisation in
einem polaren Lösungsmittel, z. B. in 1 ,2-Dimethoxyäthan bei -60"C mit 9-Fluorenyllithium
als Initiator herstellen.
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Die Kristallisationsneigung dieser eutaktischen Polymerisate ist
jedoch verhältnismäßig gering; z. B. erhält man aus Lösungen in den üblichen organischen
Lösungsmitteln beim Antrocknen amorphe Filme.
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Durch Behandlung mit speziellen Lösungsmitteln kann man die Polymerisate
in den kristallinen Zustand überführen, dabei entstehen jedoch im allgemeinen Polymerisatpulver,
die allenfalls durch Sintern unter
Druck unterhalb des kristallinen Schmelzpunktes
in kompakte Körper übergeführt werden können. Es wurde auch schon festgestellt,
daß Mischungen aus isotaktischem und syndiotaktischem Polymethylmethacrylat nach
Kristallisation ein anderes Röntgenbeugungsdiagramm liefern als die Komponenten,
und zwar entspricht das Diagramm jenem, das von dem Stereosegmentcopolymerisat der
beiden Komponenten erhalten wird.
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Da auf Grund der geringen Kristallisationsneigung der eutaktischen
Polymethylmethacrylat-Typen bis jetzt noch kein zuverlässiges Verfahren bekannt
wurde, das in glatter und technisch reproduzierbarer Weise zu kristallisierten Produkten
auf Polymethylmethacrylatbasis führt, konnte sich kristallisiertes PolymethyImethacrylat
in der Praxis als Kunststoffmaterial noch nicht durchsetzen.
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Es wurde nun gefunden, daß man Formkörper aus Polymethylmethacrylatlösungen,
-emulsionen oder -schmelzen nach an sich bekannten Verfahren herstellen kann, wenn
man hierzu ein Gemisch aus 50 bis 90 Gewichtsprozent ataktischem Polymethylmethacrylat
und 10 bis 50 Gewichtsprozent isotaktischem Polymethylmethacrylat verwendet. Es
muß als überraschend bezeichnet werden, daß die genannte Mischung als isotaktischem
und ataktischem Polymerisat eine ausgezeichnete Kristallisationstendenz besitzt,
während das reine isotaktische Polymerisat nur schwer unter Anwendung besonderer
Maßnahmen zur Kristallisation gebracht werden kann und das ataktische Produkt überhaupt
nicht kristallisiert.
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Die aus den Mischungen hergestellten Formkörper zeigen gegenüber
solchen aus konventionellem Polymethylmethacrylat erheblich verbesserte Eigenschaften,
wie im folgenden noch näher erläutert wird.
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Zur Herstellung der Formkörper stehen je nach Beschaffenheit des
gewünschten Endproduktes verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
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Bei der Herstellung von Fäden, Filmen, Folien und Überzügen empfiehlt
es sich, von Lösungen oder Emulsionen der Mischungen aus isotaktischem und ataktischem
Polymethylmethacrylat auszugehen. Die Komponenten werden in geeigneten Lösungsmitteln
gelöst bzw. die Lösungen der einzelnen Komponenten zusammengegeben und in an sich
bekannter Weise zu Filmen ausgegossen, Fäden daraus gesponnen oder Überzüge aufgetragen.
Als geeignete Lösungsmittel kommen aromatische Kohlenwasserstoffe, halogenierte
Kohlenwasserstoffe, Ester, Äther und Ketone in Frage.
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Fäden, die auf diese Weise hergestellt sind, zeigen gegenüber Fäden
aus ataktischem Polymethylmethacrylat eine wesentlich erhöhte Zugfestigkeit. Durch
Recken kann man optimale Eigenschaften erreichen.
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Auch die Lösungsmittelbeständigkeit der Produkte ist größer als bei
den entsprechenden Körpern aus ataktischem Polymethylmethacrylat, was besonders
für Filme und Folien von praktischer Bedeutung ist.
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Die Gemische aus den isotaktischen und ataktischen Komponenten in
Lösung oder in Emulsion können auch erhalten werden durch Lösungs- oder Emulsionspolymerisation
von Methylmethacrylat in Gegenwart des isotaktischen Polymethylmethacrylats.
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Es besteht weiterhin die Möglichkeit, Gemische aus isotaktischem
und ataktischem Polymethylmethacrylat aus der Schmelze bzw. im plastischen Zustand
zu Formkörpern zu verarbeiten. Besonders erwähnt sei die Verarbeitung der Polymerisatmischungen
auf Spritzgußmaschinen, Strangpressen oder Kalandern.
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Auch in diesem Falle kann beim Erstarren wieder Kristallisation eintreten,
insbesondere wenn bei der Verformung eine Orientierung auftritt. Die pulver-bzw.
perlförmigen Polymerisatgemische lassen sich z. B. herstellen durch Suspensions-
oder Fällungspolymerisation von Methylmethacrylat, das isotaktisches Polymethylmethacrylat
gelöst enthält.
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Die Zusammensetzung der Mischungen kann in weiten Grenzen variiert
werden. Besonders günstig ist das Mischungsverhältnis mit 10 bis 50 Gewichtsprozent
isotaktischem Polymethylmethacrylat, bezogen auf die Gesamtmischung.
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Substanzpolymerisate, die sich aus einer Mischung von isotaktischem
und ataktischem Polymethylmethacrylat aufbauen. können auf die Weise hergestellt
werden, daß man isotaktisches Polymethylmethacrylat in monomerem Methylmethacrylat
anquillt bzw. darin auflöst und die Mischung einer radikalischen Polymerisation
unterwirft.
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Der zu polymerisierenden Mischung können noch ataktisches und/oder
syndiotaktisches Polymethylmethacrylat, ferner andere Natur- und Kunststoffe, Kunstharze
sowie Füll- und Farbstoffe zugesetzt werden. Der Anteil des isotaktischen Polymethylmethacrylats
soll jedoch vorzugsweise 10 bis 40 Gewichtsprozent der Gesamtmischung betragen.
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Die mit den Substanzpolymerisaten hergestellten Formkörper besitzen
gegenüber den aus konventioneuem Polymethylmethacrylat hergestellten Formkörpern
verbesserte mechanische Eigenschaften, insbesondere eine wesentlich erhöhte Zugfestigkeit,
wie aus den nachstehenden Beispielen ersichtlich ist. Die Polymerisation kann in
der endgültigen Form also in situ durchgeführt werden. Die Formgebung der Polymerisate
kann jedoch auch nach den üblichen Methoden, wie Biegen, Ziehen, Blasen, Prägen,
oder durch spanabhebende Verarbeitung erfolgen. Die Produkte können für dieselben
Zwecke eingesetzt werden wie
das bisher bekannte ataktische Polymethylmethacrylat.
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Auf die Verwendungsmöglichkeiten auf dem Dentalgebiet sei ebenfalls
hingewiesen.
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Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß die erfindungsgemäß
hergestellten Formkörper trotz ihrer stark kristallinen Struktur klar durchsichtig
sind und eine ausgezeichnete Brillanz besitzen.
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Beispiel 1 Eine Mischung von 1 Gewichtsteil isotaktischem Polymethylmethacrylat
mit einer Grenzviskosität von rlsple = 0,20 l/g in Benzol und 1 Gewichtsteil eines
durch radikalische Polymerisation bei 60"C hergestellten ataktischen Polymethylmethacrylats
mit einer Grenzviskosität von rsplc = 0,31 log in Benzol wird bei 70"C in Benzol
gelöst. Die Lösung geliert beim Abkühlen auf Zimmertemperatur und schmilzt bei etwa
50"C. Die gelierte Mischung kann auch durch Zusatz von Chloroform verflüssigt werden.
Die durch Erwärmen verflüssigte Lösung wird auf einer horizontalen Glasplatte zu
einem Film ausgegossen. Die zunächst bei 20"C und dann bei 100"C getrocknete Folie
zeigt ein ausgeprägtes Debye-Scherrer-Diagramm und ist dabei klar durchsichtig.
Sie kann bei etwa 120"C gereckt werden und besitzt dann eine hohe Zugfestigkeit.
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Beispiel 2 Eine Lösung von 70 Gewichtsteilen ataktischem und 30 Gewichtsteilen
isotaktischem Polymethylmethacrylat in Toluol, die wie im Beispiel 1 durch Erwärmen
verflüssigt wurde, wird auf eine feste Unterlage aufgespritzt. Da die Lösung beim
Abkühlen sofort wieder geliert, kann sie auch auf eine senkrechte Wand in dickerer
Schicht aufgetragen werden. Denselben Effekt kann man erreichen, wenn man die beiden
Polymerisate getrennt auflöst und die Lösungen gleichzeitig so aufspritzt, daß sie
während des Spritzens gemischt werden. In diesem Falle ist ein Erwärmen nicht erforderlich.
Man erhält nach dem Trocknen bei Zimmertemperatur oder erhöhter Temperatur einen
harten Überzug. Dieser zeichnet sich gegenüber den üblichen Überzügen auf Polymethylmethacrylatbasis
durch erhöhte Lösungsmittelbeständigkeit aus. Die Lösung kann auch Farbstoffe, Pigmente
oder andere Füllstoffe enthalten.
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Beispiel 3 25 Gewichtsteile isotaktisches Polymethylmethacrylat und
75 Gewichtsteile ataktisches Polymethylmethacrylat werden in Benzol gelöst. Die
Lösung wird so weit eingedampft, bis sie eine zum Verspinnen geeignete Viskosität
besitzt und dann bei 85"C durch eine 0,3 mm weite Düse gesponnen. Der Faden wird
in einem senkrechten Trockenrohr durch einen Luftstrom getrocknet und im Verhältnis
1: 2 gereckt.
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Später wird er noch einmal bei 100"C im Verhältnis 1: 3 gereckt. Der
Faden ist sehr stark kristallin. Seine Zugfestigkeit beträgt 20 bis 25 kg/mm2. Ein
unter denselben Bedingungen hergestellter Faden aus ataktischem Polymethylmethacrylat
besitzt nur eine Zugfestigkeit von 5 bis 11 kg/mm2.
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Beispiel 4 Eine Lösung von 25 Gewichstteilen isotaktischem und 75
Gewichtsteilen ataktischem Polymethylmethacrylat
in Chloroform
wird wie im Beispiel 3, jedoch bei 30"C versponnen. Man erhält zunächst einen amorphen
Faden. Dieser wird bei 120"C im Verhältnis 1: 2 gereckt. Dabei bildet sich eine
kristalline Struktur aus, und der Faden besitzt dann eine Zugfestigkeit von etwa
20 kg/mm2.
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Beispiel 5 Eine Lösung von 20 Gewichtsteilen isotaktischem Polymethylmethacrylat
und 0,25 Gewichtsteilen Dibenzoylperoxyd in 80 Gewichtsteilen Methylmethacrylat
wird in einer 3 mm weiten Polymerisationskammer 24 Stunden bei 60"C polymerisiert.
Die Platte ist klar durchsichtig und stark röntgenkristallin. Ein Streifen des Polymerisats
wird auf 130"C erwärmt und um 100% gereckt. Er bleibt stark kristallin und besitzt
eine Zugfestigkeit von 1025 kg/cm2.
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Patentansprüche: 1. Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus
Polymethylmethacrylatlösungen, -emulsionen oder -schmelzen nach an sich bekannten
Verfahren, dadurch gekennzeichnet, daß man hierzu ein Gemisch aus 50 bis 90 Gewichtsprozent
ataktischem Polymethylmethacrylat und 10 bis 50 Gewichtsprozent isotaktischem Polymethylmethacrylat
verwendet.