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Desinfektionsmittel Es ist bekannt, daß halogensubstituierte aliphatische
Alkohole in vitro stark baktericid wirken. So ist bereits die Verwendung von Dichlorhydrin,
insbesondere ß-Dichlorhydrin, gegebenenfalls bei gleichzeitiger Anwesenheit von
Dijod- oder Dibromhydrin als Desinfektionsmittel vorgeschlagen worden. Schlämmt
man Bakterienkulturen z. B. in Glycerin-mono- oder -dichlorhydrin auf, so werden
sie praktisch momentan abgetötet und ihre Substanz tiefgreifend verändert. Diese
Wirkung läßt jedoch bei Verdünnung rasch nach, so daß eine Abtötung der Bakterien
schon durch mäßig verdünnte wäßrige Lösungen der bisher untersuchten Chloralkohole
erst nach sehr langer Eimiirkungsdauer oder überhaupt nicht mehr zuverlässig eintritt.
Mit der Einführung eines Halogenatoms in einen aliphatischen Alkohol nimmt zugleich
seine Verträglichkeit gegenüber höher organisierten Lebewesen ab. So ist z. B. Chloräthylalkohol,
wie allgemein bekannt, ein schweres Nerven- und Stoffwechselgift. ß-Chlorpropenol
verursacht starke Hautschäden und ist wegen seiner verzögerten Wirkung besonders
gefährlich. Man hat deshalb halogensubstituierte Alkohole bisher noch nicht als
Desinfektionsmittel in der Human- oder Veterinärmedizin eingesetzt.
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Es wurde gefunden, daß zweifach halogensubstituierte Alkohole mit
4 oder mehr C-Atomen, die den allgemeinen Formeln
und
entsprechen, in denen X ein Chlor- oder Bromatom und R1 bis R5 Wasserstoffatome,
gesättigte Alkylgruppen mit höchstens 10 Kohlenstoffatomen oder einer der Reste
eine Phenylgruppe bedeuten, wobei jedoch mindestens einer der Reste R1 bis R5 eine
Alkylgruppe mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen darstellt, kräftig baktericid wirken
und daß diese baktericide Wirkung durch Zusatz von kapillaraktiven Stoffen beträchtlich
gesteigert wird. Solche Kombinationen geben wertvolle, hautverträgliche Desinfektionsmittel.
Ihr besonderer Wert liegt darin, daß sie im klinischen, gewerblichen und häuslichen
Gebrauch eine rasche Hände- und Körperdesinfektion ermöglichen, ohne die unerwünschten
Begleiterscheinungen der Phenolderivate und der Jod- oder Schwermetallverbindungen
enthaltenden Präparate aufzuweisen. Es hat sich gezeigt, daß die zweifach chlor-
oder bromsubstituierten Alkohole mit 4 oder mehr Kohlenstoffatomen im Molekül und
von diesen wiederum besonders diejenigen, die eine aliphatische Gruppe von 4 bis
8 Kohlenstoffatomen enthalten, den bekannten Halogenalkoholen mit 2 und 3 Kohlenstoffatomen
in ihrer baktericiden Wirkung stark überlegen sind.
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Geeignete Chlor- oder Bromalkohole sind beispielsweise 1,3-Dichlorbutanol-2,
3,4-Dichlorbutanol-2, 2,3-Dichlorbutanol-1, 1,3-Dichlor-2-methylpropanol-2, 1,3-Dichlor-2,3-dimethylbutanol-2,
2,3-Dichlor-2-methylpentanol-1, 2,3-Dichlor-2-äthylbutanol-1, 1,3-Dichlor-2,4,4-trimethylpentanol-2,
2,3-Dichlor-2-äthylhexanol-1, 2-Decyl-2,3-dichlorpropanol-1, 3-Phenyl-2,3-dichlorpropanol-1
sowie die entsprechenden Bromverbindungen.
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Diese Verbindungen lassen sich herstellen durch Anlagern von Chlor
oder Brom an die entsprechenden ungesättigten Alkohole (vgl. deutsche Patentschrift
696 725) oder z. B. durch Behandeln der ungesättigten Chloride mit Chlorwasser (Industrial
Engineering Chemistry, 33, 386 ff. [1941]).
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Geeignete oberflächenaktive Substanzen, die im Gemisch mit den Chlor-
oder Bromalkoholen deren keimtötende Wirkung erhöhen, sind beispielsweise Alkylarylsulfonate,
wie Salze der Butylnaphthalinsulfonsäure oder Dodecylbenzolsulfonsäure, Alkylsulfonate,
Fettalkoholsulfate, Schwefelsäureester von Fettsäuremonoglyceriden, von oxäthylierten
Fettalkoholen und von oxäthylierten Alkylphenolen, Sulfocarbonsäureester, fettsaure
oder harzsaure Salze von Alkalien oder Stickstoffbasen, Fettsäureamidalkylsulfonate,
wie Oleyl-methyltaurid, Fettsäureester von Oxyalkylsulfosäuren, Alkylpolyglykoläther,
Alkylphenolpolyglykoläther, Fettsäurepolyglykolester,
Fettsäurealkylolamidsulfate,
Fettsäurealkylolamidpolyglykoläthersulfate, wasserlösliche Kondensationsprodukte
von Fettsäurechloriden mit Eiweißabbauprodukten bzw. Aminosäuren.
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Es ist bekannt, daB bei Anwendung von Polyglykoläthern und Alkylphenolpoiyglykoläthern
als Netzmittel und Emulgatoren für Chlorphenole die baktericide Wirkung dieser Verbindungen
in beachtlicher Weise herabgesetzt wird (vgl. »Seifen, Öle, Fette, Wachse«, 1958,
S.760, rechte Spalte). Im Gegensatz dazu wird die baktericide Wirkung der beanspruchten
Verbindungen durch Zusatz der erwähnten nichtionogenen Polyglykoläther praktisch
nicht beeinflußt.
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Die Zusatzmenge der waschaktiven Substanzen kann in weiten Grenzen
schwanken, da neben der baktericiden Wirkung gleichzeitig auch eine gute Wasch-
und Netzwirkung angestrebt wird. Mengen von etwa 5 bis 700/,
- vorzugsweise
zwischen 10 und 300/" bezogen auf das Gemisch bzw. die Lösung - sind in der
Praxis übliche Konzentrationen. Man kann sowohl einheitliche Waschrohstoffe als
auch Gemenge der obengenannten Verbindungen anwenden.
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Soweit die Gemische von Chlor- oder Bromalkoholen und oberflächenaktiven
Substanzen nicht oder ungenügend in Wasser löslich sind, kann ihre Löslichkeit durch
Zugabe von Lösungsvermittlern oder Emulgiermitteln beliebig variiert werden. Man
kann ihnen auch hautpflegende Mittel, Riechstoffe, Farbstoffe u. dgl. beimischen.
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Als Lösungsvermittler für die beanspruchten Verbindungen und die waschaktiven
Substanzen können sowohl wasserlösliche als auch wasserunlösliche Lösungsmittel
zur Anwendung gebracht werden. Sehr gut haben sich wasserlösliche Glykolderivate
bewährt, wie beispielsweise 1,3-Butylenglykol, Propylenglykol, Butyldiglykol, Butylglykol,
Athylhexandiol, Polydiole usw. Die zugesetzte Menge solcher Lösungsvermittler beträgt
etwa 1 bis 50"/" vorzugsweise 10 bis 250/" bezogen auf die Lösung.
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Durch eine entsprechende Mischung dieser Lösungsvermittler ist man
ebenfalls in der Lage, die baktericide Wirkung der beanspruchten Verbindungen noch
zu erhöhen.
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Als hautpflegende Mittel können die in der Kosmetik üblichen Überfettungsmittel
zugesetzt werden, beispielsweise Fettalkohole mit mehr als 10 Kohlenstoffatomen,
Polyalkohole, Polyglykole, Polywachse, Polydiolfettsäureester und Wollfettalkohole.
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Von diesen Kombinationen, die sich als wäßrige Lösungen, Salben, Pasten
oder in fester Form herstellen lassen, genügen bei geeigneter Anwendung bereits
1- bis 5°/eige wäßrige Lösungen zur Abtötung der an der Körperhaut, vor allem an
den Händen, haftenden Bakterien. Noch leichter gelingt die Desinfektion von Geräten,
Gefäßen, Fußböden und Wänden. Beispiel 1 Eine Lösung von 5 Gewichtsprozent 1;3-Dichlor-2-methylpropanol-2,
15 Gewichtsprozent Butyldiglykol, 10 Gewichtsprozent Dodecylbenzolsulfonat, 1 Gewichtsprozent
Polydioldioleat, 2 Gewichtsprozent Natriumsulfat, 67 Gewichtsprozent Wasser (Stammlösung)
wurde im Suspensionstest gegen verschiedene Bakterienstämme geprüft. In Tabelle
1 bedeutet + = Wachstum, - = kein Wachstum oder Abtötung.
Tabelle 1 |
Konzentration |
1 Teil Stamm- 1 Teil Stamm- |
lösung+l Teil Lösung + 3 Teile |
Testkeim Wasser Wasser |
Einwirkungsdauer Einwirkungsdauer |
in Minuten in Minuten |
5 15 30 5 15 30 |
I |
Bacterium coli.. . - I - - + + + |
Bacterium |
pyocyaneum |
Bacterium proteus - - - - I - - |
Staphylococcus |
aureus ....... - - - - - - |
Enterokokken |
Paratyphus B + - , - |
Beispiel 2 Von den Lösungen A, B und C folgender Zusammensetzung (Mengenangaben
in Gewichtsprozent)
A I B 1 C |
3,4-Dichlorbutanol-1 ............. 5 5 - |
3,4-Dibrombutanol-1 ............ - - 5 |
Dodecylbenzolsulfonat (1000/,) ... 5 - 5 |
Paraffinsulfonat (C12 bis C18) ...... - 10 - |
Polydioldioleat.................. 1 1 1 |
1,3-Butylenglykol................ 20 20 20 |
2-Äthylhexandiol................ 10 - 10 |
Natriumsulfat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 2 |
Wasser ........................ 57 62 57 |
wurde jeweils 1 Volumteil mit 10 bzw. 20 Volumteilen Wasser verdünnt und im Suspensionstest
gegen Escherichia coli und Staphylococcus aureus geprüft. Die Ergebnisse sind in
Tabelle 2 wiedergegeben.
Tabelle 2 |
A I B I C |
Verdünnung |
1:20 1 1:10 1 1:20 |
Escherichia coli |
nach 5 Minuten .............. - - - |
nach 15 Minuten .............. - - (-f-) |
nach 30 Minuten .............. - - - |
nach 60 Minuten .............. - - - |
Staphylococcus aureus |
nach 5 Minuten .............. - - - |
nach 15 Minuten .......... |
nach 30 Minuten .............. - - - |
nach 60 Minuten .............. - - - |
Beispiel 3 Eine wäßrige Lösung, enthaltend 0,2 Gewichtsprozent 2,3-Dibrom-2-methylpropanol-1,
0,8 Gewichtsprozent Dodecylbenzolsulfonat, 0,6 Gewichtsprozent Butyldiglykol, wirkte
gegen Escherichia coli und Staphylococcus aureus im Suspensionstest schon nach 5
Minuten abtötend.
Tabelle 3 |
D I E I F I G |
Einwirkungszeit in Minuten |
5 I 15 I 30 I 60 I 5 I 15 I 30 I 60 I 5 I 15 I 30 j 60 I 5
I 15 I 30 I 60 |
I |
Bacterium coli haem........ - _ _ (-f-) I = - - - -
- - (-I-) - |
Bacterium coli comm.. . . . . . . - - - - - - - - - |
Staphylococcus aureus ...... - - - - - - - - - - - -
- - - - |
Bacpteriuom pyocyaneum ..m.. _ _ _ _ - - - - - - - - - I -
- I - |
Zur Veranschaulichung des mit den zweifach halogensubstituierten Alkoholen entsprechend
der vorliegenden Erfindung gegenüber den bereits bekannten Dihalogenhydrinen erzielten
technischen Fortschritts wurden mit folgenden Verbindungen Vergleichsversuche durchgeführt
bekannt: 1,3-Dichlorpropanol-2 (Spalte H), 1-Chlor-3-brom-propanol-2 (Spalte 1),
1-Chlor-3-jod-propanol-2 (Spalte K); neu: 3,4-Dichlorbutanol-1 (Spalte L), 2,3-Dichlor-2-äthyl-hexanol-1
(Spalte M).
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Die Stammlösungen folgender Zusammensetzungen wurden im Suspensionstest
gegen Escherichia coli und Staphylococcus aureus geprüft. Die Ergebnisse sind in
Tabelle 4 wiedergegeben.
Gewichts- |
prozent |
Dihalogenalkohol ........................ 5 |
1,3-Butylenglykol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 20 |
Dodecylbenzolsulfonat . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 15 |
Polydioldioleat .......................... 1 |
Harnstoff............................... 2,5 |
Natriumsulfat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 2 |
Wasser ................................. 54,5 |
Danach ergibt sich eine eindeutige Überlegenheit der erfindungsgemäßen Dichlorhydrine
gegenüber den bereits bekannten analogen Verbindungen.
Tabelle 4 |
H I I I K I L I M |
Einwirkungszeit in Minuten |
5 ; 15I 30I 60I 5 15i 30I 60I 5 15 30I 60 I 5 I 15 I 30 1 60I
5 i 15I 30I 60 |
1. Esch. coli |
Konzentration so |
/0 -I- (-I-)! - - - - - - - - - - - - - - |
des Dichlor- 10/0 -I- -I- -I- -I- - - (-f-) - - - - - |
hydrins 0,5 0/0 -f- -I- -f- -I- - - - - - - - |
i |
2. Staph. aur. |
Konzentration 5 0/0 - i - - - -i- -I- - - + -I- @-- -f- - -
- |
des Dichlor- 10/0 = - - I - I - - - - - - - - |
hydrins 0,5010 |
- - I - I - - - - - I - - - |
Beispiel 4 Die Lösungen D bis G folgender Zusammensetzungen (Mengen in Gewichtsprozent)
IDIEIFIG |
2,3-Dichlor-2-äthyl- |
hexanol-1 ............... 0,5 0,1 0,5 0,1 |
Dodecylbenzolsulfonat ...... 2,0 0,4 2,0 0,4 |
Polydioldioleat ............ 0,1 0,2 0,1 0,02 |
2-Methylen-propandiol...... 1,5 0,3 - - |
1,3-Butylenglykol.......... - - 1,5 0,3 |
Natriumsulfat ............. 0,2 0,04 0,2 0,04 |
Wasser.................... 95,7 etwa 95,7 etwa |
99 99 |
wurden im Suspensionstest gegen verschiedene Bakterienstämme geprüft. Die Ergebnisse
sind in Tabelle 3 zusammengestellt.