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Verfahren zur Herstellung von weißem Kalkstickstoff Es ist bereits
ein Verfahren zur Herstellung eines körnigen, calciumcyanamidhaltigen Düngemittels
bekannt, bei dem man auf Calciumcarbonat oder Dolomit, welche auf Hirsekorn- oder
Erbsenkorngröße oder auch auf etwas gröbere Korngrößen zerkleinert sind, Ammaniak
in an sich bekannter Weise bei Temperaturen. von 500 bis 850° C und bei gewöhnlichem
oder erhöhtem Druck einwirken läßt.
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Es ist weiter bekannt, einen stickstoffreichen Dünger in der Weise
herzustellen, daß gebrannter Kalk im Wirbelbett in geeigneter Korngröße mit N- und
C-haltigen Gasen bei einer Temperatur von 700 bis 800° C zur Reaktion gebracht wird.
Unter Verwendung von Ammoniak und Kohlenoxyd spielt sich die Reaktion nach folgender
Bruttoformel ab: Ca0 -f- 2NH3 -[- 3C0 = CaCN2 -i- 2C02 -E- 3H2 + 21kca1. Für die
maximale Ausbeute gilt unter Zugrundelegung einer bestimmten Kalkmenge ein bestimmtes
Mengenverhältnis des eingeleiteten Ammoniaks zum eingeleiteten Kohlenoxyd. Es hat
sich gezeigt, daß eine Erhöhung der Ammoniakkonzentration allein nicht zu einem
Ansteigen, sondern zu einem Fallen des Umsatzes führt. Andererseits ergibt sich
der Umsatz, wenn man von einer vorgegebenen Körnung ausgeht, die im übrigen durch.
die Teilchengröße des fertigen Düngemittels festgelegt ist, durch den Querschnitt
des Wirbelbettes, da die Strömungsgeschwindigkeit der Gase durch die Teilchengröße
bedingt ist; sie liegt bei einer Körnung um 1 mm herum bei etwa 0,3 mlsec, bezogen
auf den effektiven Gasdurchsatz und den freien Ofenquerschnitt. Es gelang bisher
nicht, bei Wirbelöfen auf eine höhere Leistung als 30 kg N pro m2 Querschnitt in
der Stunde zu kommen.
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Die Reaktion der N- und C-haltigen Gase mit dem Kalk erfolgt keineswegs
quantitativ, vielmehr werden die Gase bei einem Durchgang durch den Ofen nicht einmal
zur Hälfte umgesetzt. Aus den Restgasen, die erhebliche Mengen der unzersetzten
N- und C-haltigen Reaktionsteilnehmer sowie Blausäure, Kohlensäure und Wasserstoff
enthalten, die aus der Azotierreaktion sowie aus Neben- und Folgereaktionen stammen,
werden jene daher ausgewaschen und in das Wirbelbett zurückgeführt. Es wurde bereits
vorgeschlagen, zum Auswaschen des Ammoniaks Blausäure zu verwenden, die Blausäure
selbst mittels einer damit nicht mischbaren Flüssigkeit, z. B. Dekahydronaphthalin,
zu kondensieren, die Kohlensäure durch eine Druckwasserwäsche zu entfernen und schließlich
Kohlenoxyd und Wasserstoff zu trennen.
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Gemäß der Erfindung gelingt es bei einer derartigen Herstellung von
Calciumcyanamid durch Wirbelbettreaktion gebrannten Kalkes mit N- und C-haltigen
Gasen in der Hitze und Abscheiden der noch verbleibenden, unzersetzten N- und C-haltigen
Reaktionsteilnehmer aus dem Restgas unter Rückführung derselben in das Wirbelbett,
den Umsatz dadurch zu steigern, daß sowohl die zu Calciumcyanamid führende Reaktion
als auch die Abscheidung und Rückführung der N- und C-haltigen Reaktionsteilnehmer
unter erhöhtem Druck erfolgt. Unter erhöhtem Druck ist dabei ein Überdruck von wenigstens
1 atii verstanden, jedoch sind auch Überdrücke von 5 bis 10 atü anwendbar.
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Zur Veranschaulichung des neuen Verfahrens möge das auf der Zeichnung
dargestellte Schema dienen: Mit 10 ist der Ofen bezeichnet, in dem die Reaktion
des gebrannten Kalkes mit den stickstoff- und kohlenstoffhaltigen Gasen erfolgt.
Bei 11 erfolgt die Kalkzufuhr mit einer Einspeisung in den Druckzustand, 12 ist
die Leitung, mittels deren frisches Ammoniak, 13 diejenige, durch die frisches Kohlenoxyd
zugeführt wird. Das Ammoniak wird im Erhitzer 14, das Kohlenoyd im Erhitzer 15 auf
die für die Reaktion erforderliche Temperatur gebracht. In den Leitungen 12 und
13 stehen die beiden Reaktionsgase bereits unter Druck, dieser pflanzt sich in den
Ofen fort. Die bei der Reaktion gebildeten Gase und die nicht umgesetzten Reaktionsteilnehmer
verlassen den Ofen unter Druck und werden im Wärmeaustauscher 16 auf etwa 200 bis
300° C, im Wärmeaustausch b:eispielsweisegegen kaltes Kohlenoxyd oder Ammoniak,
herabgekühlt und gelangen mit dieser Temperatur unmittelbar in den Wascher
17. Hier wird aus den Gasen mittels Blausäure das Ammoniak ausgewaschen.
Dabei erwärmt sich die Waschlösung etwa von 20 auf 60° C; die fühlbare Wärme der
Gase wird bis zu einer Temperaturstufe von etwa 20° C ausgenutzt. Aus der während
des Waschvorganges erwärmten Waschflüssigkeit wird im Abtr:eiber 18, vorzugsweise
bei gleichzeitiger Entspannung der Lösung, das Ammoniak
ausgetrieben
und mittels der Pumpe 19 auf den erforderlichen Betriebsdruck gebracht.
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Anstatt das Ammoniak mit Blausäure auszuwaschen, kann man für die
Wäsche auch eine Säure verwenden, z. B. Phosphorsäure, aus der sich das Ammoniak
wieder abtreiben läßt.
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Aus den ammoniakfreien Restgasen wird die Blausäure abgetrennt und
durch die Leitung 22 und eine Pumpe 23 über den Erhitzer 30 in den Ofen gedrückt.
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Mittels Druckwasser wird im Wascher 23 die Kohlensäure ausgewaschen
und durch die Leitung 24 abgeführt. In dem Apparat 25 findet, beispielsweise mittels
Druckzerlegung und Tiefkühlung, die Trennung von Kohlenoxyd und Wasserstoff statt.
Durch die Leitung 26 zieht das im wesentlichen aus Wasserstoff bestehende Restgas
ab. Das Kohlenoxyd wird mittels der Leitung 27 der Pumpe 2$ zugeführt, die es in
den Reaktionsofen zurückbefördert und auf den erforderlichen Reaktionsdruck bringt.
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Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß bei Durchführung
des Verfahrens im Wirbelbett unter erhöhtem Druck der Umsatz pro m2 Ofenquerschnitt
proportional dem aufgegebenen Druck ansteigt. Diese Umsatzsteigerung war insofern
überraschend, als nach der der Reaktion zugrunde liegenden Gleichgewichtskonstanten
zu erwarten gewesen wäre, daß das Gleichgewicht zwischen dem entstehenden Calciumcyanamid
und dem Gasgemisch und damit der Umsatz durch Veränderung des Partialdruckes einer
oder mehrerer Komponenten nicht beeinflußt würde.
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Die Anwendung des Druckes in dem gesamten System b.rnngt eine Reihe
erheblicher Vorteile mit sich, wie im. folgenden näher gezeigt werden soll: Es sei
zunächst darauf hingewiesen, daß man bei Anwendung der Wirbelschicht auf eine bestimmte
Gasgeschwindigkeit angewiesen ist; bei zu kleiner Gasgeschwindigkeit z. B. unterhalb
von 0,15 m/sec (effektiv) auf leeren Ofenraum gerechnet und bei Körnungen von 0,5
bis 2 mm Durchmesser, bleibt das Bett ruhig liegen und verklebt erfahrungsmäßig
während der Azotierung. Bei zu hoher Gasgeschwindigkeit, beispielsweise oberhalb
von 0,5 m/sec, wird das Bett so weit auseinandergetragen, daß eine Flugstaubwolke
entsteht und feines und mittleres Korn mit dem Gas aus dem Ofen ausgetragen werden.
Der Arbeitsbereich, der für die Azotierung in der Wirbelschicht zur Verfügung steht,
ist also gering. Die Wirbelgeschwindigkeit, d. h. diejenige Gasgeschwindigkeit,
bei der Teilchen bestimmter Größe und bestimmten spezifischen Gewichtes gerade wirbeln,
ist in dem hier in Frage kommenden Gebiet nur in geringem Maße vom Druck abhängig.
Für die Reaktion, welche sich an der Oberfläche der im Wirbelbett sich bewegenden
Körper abspielt, steht also bei gleicher Strömungsgeschwindigkeit und erhöhtem Druck,
d. h. bei erhöhter Gasdichte die mehrfache Menge an Gasmolekülen zur Verfügung.
Das bedeutet, daß der Umsatz pro m2 Ofenquerschnitt annähernd proportional zum Druck
ansteigt.
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Außerdem hat sich überraschenderweise ergeben, daß der Einfluß der
vergrößerten Gasdichte ausgeglichen wird durch die größere dynamische Zähigkeit.
Damit wird die Geschwindigkeit, bei der die Teilchen mit einem festgelegten Durchmesser
und festgelegtem spezifischem Gewicht gerade noch wirbeln, nur wenig verändert gehalten.
Andererseits kann man auch beim Übergang vom Normaldruck zum erhöhten Druck die
Gasmenge nicht proportional zum Druck, sondern nur in geringem Maße oder gar nicht
heraufsetzen. Damit ergibt sich eine der Drucksteigerung umgekehrt proportionale,
geringere Gasgeschwindigkeit. Man kann also ein kleineres Korn einsetzen und den
sonst für die Wirbelbettreaktion nicht verwendbaren Kalkstaub benutzen. Dadurch
erhöht sich wiederum beim eingesetzten Kalk die Reaktionsoberfläche und damit der
Umsatz.
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Durch Kombination der beiden Maßnahmen - Anwendung von Druck und Azotierung
in der Wirbelschicht - wurde also überraschenderweise nicht nur eine dem Druck proportional
steigende Raumzeitausbeute erhalten, sondern es wird auch die Möglichkeit geschaffen,
viel feinerkörnigen Kalkstaub als bisher zu azotieren.
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Mit Rücksicht auf die verhältnismäßig großen Dimensionen des Wirbelbettofens
sind dessen abstrahlende Flächen erheblich. Wird der Abstrahlung nicht durch eine
Auße nbeheizung vorgebeugt, so ergibt sich trotz des exothermen Charakters der Reaktion
eine erhebliche Herabsetzung der Temperatur der Behandlungsgase, wobei allerdings.
auch die erwähnten Nebenreaktionen, die endotherm verlaufen, eine Rolle spielen.
So beträgt bei bekannten Konstruktionen der Temperaturabfall pro Wirbelboden beispielsweise
80° C; hieraus resultiert bei mehrstufigem Arbeiten ein schlechter Umsatz auf dem
zweiten Wirbelboden, außerdem kann eine C 02 Aufnahme durch den Kalk auf diesem
Boden die Folge sein, wodurch dieser Teil des Kalkes für die Stickstoffanlagerung
verlorengeht.
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Die Druckerhöhung ermöglicht es nun, die Vorheizung heraufzusetzen,
weil beispielsweise in rauchgasbeheizten Vorwärmern mit größerer Gasgeschwindigkeit
gearbeitet werden kann, wobei der Druckverlust zwar ansteigt, aber nur in einem
Maße, das auf den gesamten Druck benagen unerheblich ist. An sich sollte erwartet
werden, daß bei höherem Druck der Wärmeübergang auf die Innenwand des Ofens nahezu
proportional zum Druck ansteigt (siehe die bekannten Gleichungen zur Berechnung
der Wärmeübergangszahl). Es wurde aber auch hier die überraschende Feststellung
gemacht, daß dieAbstrahlungsverluste nicht wesentlich erhöht werden, da offenbar
der Druckeinfluß auf den Wärmeübergang in Wirbelschichten nicht von Bedeutung ist.
Aus diesem nicht voraussehbaren Grund ist der Wärmedurchgang nicht proportional
zur Drucksteigung und damit bleibt der Wärmeverlust ebenso groß wie bei einem unter
normalem Druck betriebenen Ofen, der sich aber hier auf die p-fach größere Gasmenge
verteilt.
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Mit einer Erhöhung des Druckes und damit des Gasvolumens vervielfacht
sich auch die zur Deckung der Abstrahlungsverluste zur Verfügung stehende fühlbare
Wärme. Bei einem Druck von 8 atü würde also der Temperaturrückgang in. dem genannten
Beispiel nur 10° C betragen.
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Noch deutlicher kommt aber der Vorteil des Arbeitens unter Druck darin
zum Ausdruck, daß einerseits die für die Reaktion benötigten N- und C-haltigen Gase
vielfach ohnehin unter Druck zur Verfügung stehen - z. B. N H, aus der unter
mindestens 200 atü durchgeführten Synthese und C Ct aus der Koksofengaszerlegung
unter Druck -, auf der anderen Seite die Verfahren der Abscheidung der einzelnen
Reaktionsprodukte und nicht umgesetzten Reaktionsteilnehmer aus den den Ofen verlassenden
Gasen
mit Vorteil unter erhöhtem Druck durchgeführt werden. Das
gilt insbesondere für das Auswaschen der Kohlensäure mittels Wasser, das ohne Druck
überhaupt nicht mit praktischem Effekt möglich ist. Das gilt aber auch für die übrigen
Auswasch- und Kondensationsvorgänge, die bei erhöhtem Druck gewöhnlich in entsprechend
kleineren Apparaten durchführbar sind. Auch die Wärmeaustauschvorgänge, welche in
dem Verfahren eine Rolle spielen, und die Aufheizung der Reaktionsteilnehmer gehen
bei erhöhter Gasgeschwindigkeit in Heiz- und Austauschelementen wirksamer vor sich.
Der Druckverlust, den erhöhte Geschwindigkeiten mit sich bringen, spielt bei höheren
Drücken eine bedeutend geringere Rolle.
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Diesen vielfachen Vorteilen steht als einziger Nachteil der gegenüber,
daß das ganze System einschließlich der Kalkzuführung und der Kalkstickstoffabführung
sowie der Kreislauf der verschiedenen Gase und Flüssigkeiten in solcher Weise vor
sich gehen muß, daß keine Stoffverluste auftreten.