-
Verfahren zur fraktionierten Gewinnung von Lipoiden aus Naturrohstoffen
Die heute in der Fettindustrie üblichen Verfahren zur Isolierung von Fetten und
Ölen aus Rohstoffen verschiedenster Art verwenden überwiegend die Pressung und die
Extraktion. Eine hochentwickelte Apparateindustrie liefert Vorrichtungen für diskontinuierliche
oder kontinuierliche Arbeitsweisen. Bei der Extraktion verwendet man Lösungsmittel
verschiedener Siedepunkte, meist Benzin oder Hexan. Bei der Pressung wird die Saat
vorgewärmt, ehe eine Kaltpressung und eine Warmpressung folgen. Aber auch die kalte
Pressung ist mehr oder weniger mit einer Erwärmung der Saat verknüpft.
-
Die aus glyceridreichen Rohstoffen erhaltenen Rohfette sind bekanntlich
keine reinen Glyceridgemische. Sie enthalten vielmehr in wechselnden Mengen Begleitstoffe,
suspendiert oder gelöst. Bei feuchten Rohstoffen tritt Wasser auf, daneben wirken
Trübungsstoffe. besonders Schleim, teils kolloid gelöst und sich als Schleim abscheidend
(Phosphatide), störend. Gelöste Begleitstoffe sind freie Fettsäuren, Sterine, Vitamine.
Pro- und Antioxydantien, Lipochrome usw. Die Menge der Nichtglyceride kann unter
Umständen stark ansteigen, so daß sie nicht mehr Begleitstoffe sind, sondern zu
den Hauptbestandteilen natürlicher Lipoide «-erden. Aus den Rohölen beseitigt man
Wasser und Trübstoffe durch Absetzenlassen, Filtration oder Zentrifugierung, entschleimt
durch Erhitzen (»Brechen« der Öle), neutralisiert freie Fettsäuren oder destilliert
sie ab, bleicht oder desodorisiert. Zahlreiche Verfahren dieser Art zur Reinigung
und Raffination von Fetten und Ölen sind im Schrifttum beschrieben worden. Man gewinnt
auf diese Weise Fette und Öle, in denen die Glyceride im gleichen Mischungs- und
Mengenverhältnis vorliegen wie im Rohstoff. Daher spricht man z. B. kurzweg von
Leinöl bei dem Öl der Leinsaat, von Schweinefett aus dem Fettgewebe des Schweines
usw.
-
Das vorliegende Verfahren geht von dem Gedanken aus, die natürlichen
Lipoide, insbesondere die Glyceride gesättigter und ungesättigter, aber nicht substituierter
Fettsäuren, bei der Isolierung aus den Rohstoffen zu fraktionieren. So sollten z.
B. aus Leinsaat, Sojabohnen, Raps usw. nicht nur ein Leinöl, ein Sojaöl, ein Rüböl
usw. gewonnen werden, sondern je nach dem gewünschten Verwendungszweck ein
01 oder mehrere Öle abweichender Glyceridzusammensetzung, wenn auch gleichen
Ursprungs. In ähnlicher Weise sollten auch aus tierischen Rohstoffen verschiedene
Fraktionen direkt gewonnen werden.
-
Dieses Ziel ließ sich durch eine neue Arbeitsweise erreichen, nämlich
durch Einhaltung ganz bestimmter Temperaturen bei der Isolierung der Lipoide. Zur
Fraktionierung erwiesen sich in erster Linie Temperaturen unter o° als geeignet.
Hierbei werden bereits aus dem lipoidhaltigen Rohstoff die gewünschten Fraktionen
gewonnen, indem Glyceridgemische niederer und höherer Schmelzpunkte, unterschiedlicher
Sättigungsgrade sowie verschiedener Molekülgröße getrennt anfallen. Die Pressung
der fetthaltigen Rohstoffe bei tiefen und höheren Temperaturen setzt geeignete Pressen
voraus, die eine Kühlung gestatten, sofern man nicht die Tieftemperaturpressung
in besonderen Kühlzellen vornimmt. Die dann folgende Pressung kann in der gleichen
oder einer weiteren Vorrichtung unter Temperatursteigerung erfolgen. Vorteilhafter
erwies sich die Tieftemperaturextraktion, eine bisher in der Öl- und Fettindustrie
nicht eingeführte Arbeitsweise. Man extrahiert zunächst bei tiefen und tiefsten
Temperaturen mit Lösungsmitteln verschiedener Art oder mit verflüssigten Gasen,
mit oder ohne Druck, z. B. mit Benzin, Hexan, Propan, Butan, gechlorten Kohlenwasserstoffen,
Furfurol usw. Hierbei löst sich nur ein Teil der Glyceride. Nach Entfernung der
»Tieftemperaturmiszella« steigert man die Temperatur in gewünschter Weise, gegebenenfalls
bis zur Siedetemperatur des Lösungsmittels. Damit «-erden weitere Glyceridfraktionen
oder auch das gesamte Restöl bzw. Fett gewonnen. Falls man nur eine Fraktion benötigt,
kann natürlich der durch Pressung oder Extraktion bei tiefen Temperaturen gewonnene
Rückstand samt der darin noch enthaltenen Fettfraktion den jeweils gewünschten Zwecken
zugeführt werden.
-
Es gelingt auf diese Weise, z. B. aus Leinsaat durch Anwendung von
Temperaturen von -40 oder -55° Gl_vceridfraktionen zu erhalten, deren Jodzahlen
bis zu ;o Einheiten höher sind als bei der üblichen Extraktion des Gesamtöles. Aus
Rinderfettgewebe wurden bei -30° flüssige und feste Fraktionen der JZ 78 und 40
gewonnen. In der Regel werden bei tiefen Temperaturen die Fraktionen höherer Jodzahlen
gewonnen, dem tieferen Schmelzpunkt und der
besseren Löslichkeit
der Glyceride ungesättigter Fettsäuren entsprechend. Die Diskrepanzen der Kennzahlen
und der Schmelzpunkte sowie die Aufteilung in Glyceride von Fettsäuren verschiedener
Molekulargewichte sind naturgemäß auch von der Menge der Fraktionen abhängig. Je
geringer die Menge der bei tiefer Temperatur gewonnenen Fraktion, z. B. bei Leinöl,
ist, desto höher ist die JZ; je kleiner andererseits die Menge der zuletzt aus der
Saat extrahierten Glyceride ist, desto höher die JZ. Durch Wechsel der Temperaturen
und der Konzentrationsverhältnisse lassen sich Fraktionen jeweils gewünschter Mengen
und Beschaffenheit erzielen.
-
Dieses Verfahren der fraktionierten Isolierung von Fetten aus fetthaltigen
Rohstoffen, die Glyceride nichtsubstituierter Fettsäuren enthalten, läßt sich kontinuierlich
und diskontinuierlich durchführen. Im erstgenannten Falle wird das Lösungsmittel
der zunächst erhaltenen Miszella verdampft, kondensiert und zur weiteren Extraktion
benutzt. Dieser Kreislauf vollzieht sich bei Anwendung von verflüssigten Gasen als
Fettlösungsmittel besonders vorteilhaft, da die Verdunstungskälte zur Abkühlung
bei Entfernung derselben benutzt werden kann. Das Verfahren gestattet auch die Verwendung
mehrerer Extraktionsbehälter, die gegebenenfalls nach dem Gegenstromprinzip und
bei verschiedenen Temperaturen mit den Lösungsmitteln beschickt werden. Auch mehrere
Lösungsmittel hintereinander lassen sich in der beschriebenen Weise benutzen. Hierzu
eignet sich besonders die vorgenannte Anwendung verflüssigter Gase zur Tieftemperaturextraktion,
denn nach Beseitigung. der Extraktionsflüssigkeit in Dampfform, z. B. durch Druckentlastung,
bleibt die Saat trocken zurück und ist zur Extraktion der restlichen Glyceridgemische
mit einem anderen Lösungsmittel bereit. Es liegt auf der Hand, daß man auch den
Rohstoff für sich erst auf tiefe Temperaturen, z. B. durch Aufbewahrung in mit flüssiger
Luft gekühlten Zellen, bringen kann, ehe man ihn der beschriebenen Behandlung unterwirft.
Auch kann bei kontinuierlicher Arbeitsweise die Saat durch das tiefgekühlte Lösungsmittel
hindurchgeführt oder mit diesem berieselt werden. Schließlich lassen sich Pressung
und Extraktion nach dem beschriebenen Verfahren miteinander kombinieren.
-
Es ist bereits bekannt, Glyceridgemische pflanzlicher oder tierischer
Fette zu fraktionieren. Enthalten Speiseöle zu viel höherschmelzende Glyceride,
so werden sie entstearinisiert, damit sie sich bei tieferen Außentemperaturen nicht
trüben. Talge werden getrennt in Fraktionen niederen und höheren Schmelzpunktes.
Auch eine Zerlegung von Ölen in Anteile höheren und niedrigeren Sättigungsgrades
wird neuerdings auf verschiedenen Wegen vorgenommen, um z. B. besser trocknende
Öle für Anstrichzwecke herzustellen. Hier handelt es sich um bereits isolierte Glyceride.
Das gleiche ist der Fall bei dem USA.-Patent 2 552 797. In dem USA.-Patent
2 573 900 wird zwar erwähnt, daß man auch zerkleinerte Saat mit Furfurol behandeln
könne. Doch wird auch in diesem Fall zunächst das gesamte Öl in Furfurol gelöst
und die Lösung daraufhin durch Zusatz von Kolilenwasserstoffen fraktioniert. Es
werden weiterhin nur solche polaren Lösungsmittel vorgeschlagen, die mit den Ölen
zwei flüssige Phasen bilden. Auch bei dem USA.-Patent 2 56o 935 werden fetthaltige
Rohstoffe zunächst restlos extrahiert, und zwar bei Temperaturen von + 2o bis -I-
6o11 C. Dann wird bei noch höherer Temperatur eine Zerlegung in zwei flüssige Phasen
vorgenommen. Propan wird in der Nähe seines kritischen Punktes verwendet, eine Arbeitsweise,
die bei höheren Kohlenwasserstoffen, wie z. B. Pentan oder Hexan, nicht möglich
ist. Demgegenüber extrahiert das Verfahren der vorliegenden Anmeldung die fetthaltigen
Rohstoffe bei tiefen Temperaturen, löst infolgedessen zunächst nur einen Teil der
Glyceride heraus und vermeidet die Bildung zweiphasiger Systeme.
-
Wenn somit die Gewinnung von Glyceridfraktionen aus fetthaltigen Rohstoffen
in befriedigender Weisedurchgeführt werden kann, so zeigen sich bei dem Verfahren
der vorliegenden Anmeldung auch in bezug auf die übrigen Lipoidbestandteile überraschende
Fortschritte.
-
Bei Verwendung tiefer Temperaturen werden die mit der Erwärmung leicht
entzündlicher Lösungsmittel verbundenen Gefahren herabgesetzt, und leicht veränderliche
Bestandteile der Saat und des Fettes werden geschont. Bedeutsam ist es weiterhin,
daß bei der beschriebenen Arbeitsweise nicht nur die Glyceride, sondern auch die
eingangs genannten Begleitstoffe einer Fraktionierung unterworfen sind. Zunächst
vermeidet die Tieftemperaturbehandlung in den ersten Fraktionen das Auftreten von
Wasser, Trübungsstoffen oder Schleim; letzterer ist bei den bisher üblichen Verfahren
häufig eine Folge der Wärmebehandlung. Aber auch kolloid oder echt gelöste Begleitstoffe
erfahren eine Fraktionierung, denn auch ihre verschiedene Löslichkeit macht sich
bei der Verwendung von Lösungsmitteln -bei verschiedenen Temperaturen bemerkbar.
Dies zeigt sich z. B. bei den Phosphatiden, den freien Fettsäuren und auch anderen
Begleitstoffen. Man hat es hierbei in der Hand, je nach der Wahl des Lösungsmittels
und der Temperatur die Begleitstoffe in den bei tieferer bzw. bei höherer Temperatur
gewonnenen Fraktionen anzureichern. So gelingt es z. B. bei der Tieftemperaturextraktion
von Sojabohnen ein Öl zu erhalten, das nur ganz geringe Mengen der Phosphatide enthält,
im Gegensatz zu :dem Öl, das bei höherer Temperatur extrahiert wird. Der Vorteil,
der durch Ersparung besonderer Reinigungs- und Raffinationsverfahren gegeben ist;
ist leicht zu erkennen. Die verschiedene Löslichkeit macht sich bei der unter den
Bedingungen des vorliegenden Verfahrens durchgeführten Isolierung naturgemäß auch
bei den anderenLipoidbestandteilen bemerkbar, und zwar um so stärker, je größer
ihre Menge jeweils ist. Beispiel i Leinsaat, fein geschrotet, wird bei -q.011 mit
etwa der doppelten Gewichtsmenge Hexan behandelt. Die erhaltene Miszella hinterläßt
nach Beseitigung des Lösungsmittels ein sehr helles Leinöl der JZ 2o2 in einer Menge
von rund i2o/o des Gewichtes der Saat. Wird letztere bei -h 70° weiterextrahiert,
so fällt in einer Menge von i8o/o der Saat ein wesentlich dunkleres Öl der JZ 172
an. Beispiel 2 Wird der unter i geschilderte Versuch zunächst bei -5511, dann nochmals
bei -q.011 durchgeführt, so hat das nunmehr bei -I- 70° extrahierte, in einer Menge
von rund ioo/o, bezogen auf die Saat, erhaltene 01
eine JZ von 156.
-
Beispiel 3 Sojabohnen, geschrotet, lieferten bei der bisher üblichen,
mit Hexan durchgeführten Extraktion in
einer Menge von 1q.0/0 ein
Öl der JZ 128 und der SZ 2, 1, mit einem Phosphatidgehalt von 1,q.0/0. Wurde die
gleiche Saat zunächst bei -4o° mit der doppelten Menge Hexan extrahiert, so erhielt
man 7'/o eines Sojaöles der JZ 135 und der SZ 0,7, das praktisch frei von
Phosphatiden war. Das anschließend in der Wärme extrahierte, in etwa gleicher Menge
anfallende weit dunklere Öl enthielt bei einer JZ von 122 Phosphatide zu 2,8%. Der
Trenneffekt der Glyceride steigerte sich bei -55° in der Weise, daß Fraktionen der
JZ 151 bzw. 118 anfielen. Die Fraktion höherer JZ war wiederum frei von Phosphatiden.
Beispiel 4 15 Teile geschrotete Sojasaat, bei -55° mit 45 Teilen Chloräthyl behandelt,
ergaben nach Abdunsten des Lösungsmittels 301/o des vorhandenen Öles mit einer JZ
von 133. Der Rest desselben hatte nach der Wärmeextraktion eine JZ von 124.
-
Beispiel 5 15o Teile geschrotete Sojasaat wurden bei -55° mit 70o
Teilen flüssigem Propan (30% Butan enthaltend) extrahiert. Das in einer Menge von
15 % des Gesamtöles erhaltene, phosphatidfreie Öl hatte eine JZ von 140, das warm
extrahierte Restöl von 125. Die Menge des phosphatidfreien Öles hoher JZ wird erhöht,
wenn man in einem geschlossenen System mehrere Behälter, die zerkleinerte Saat in
hoher Schicht enthalten, hintereinanderschaltet und die Miszella derart von einem
zu dem anderen drückt, daß sie jeweils zur ölreicheren Saat fließt. Soll im gleichen
System die Restextraktion erfolgen, so wird nach Entfernung der Miszella das Propan
unter Steigerung der Temperatur bzw. Druckentlastung abgedampft, worauf man die
Behälter mit einem höhersiedenden Lösungsmittel beschickt. Bei genügend druckfester
Apparatur läßt sich auch die unter Steigerung der Temperatur vorgenommene Nachextraktion
mit Propan durchführen.
-
Beispiel 6 4o Teile Copra, bei -30° mit 16o Teilen Hexan extrahiert,
liefern rund io% eines flüssigen Öles der JZ 28. Preßt man das extrahierte Material
darauf in üblicher Weise, so hat das nunmehr erhaltene feste Fett eine JZ von 6.
-
Beispiel 7 Baumwollsaat, ungeschält zerkleinert, lieferte bei üblicher
Behandlung ein dunkelbraunes Extraktionsöl der JZ 1o8 in einer Menge von 14,5%,
mit einer SZ von 15,3. Die Extraktion bei -40° dagegen gab eine hellbraune Fraktion
der JZ 121 (40% des Öles), die eine SZ von 5 hatte. Die darauffolgende Extraktion
bei höherer Temperatur lieferte ein wiederum dunkelbraunes Öl (60% des Gesamtöles)
der JZ ioo und einer SZ über 21.
-
Beispiel 8 Rinderfettgewebe, 84% Fett der JZ44 enthaltend, wurde nach
der Zerkleinerung mit der doppelten Menge Hexan bei -30° digeriert. In Lösung ging
ein Glyceridgemisch der JZ 78 (io%); das Restfett hatte eine JZ von 41. Bei wiederholter
Kälteextraktion stieg der Anteil des gelösten Fettes an, während die JZ entsprechend
absinkt.
-
Beispiel 9 Das Fleisch grüner Heringe ergab nach Zerkleinerung bei
Extraktion mit siedendem Hexan 10,30/0 eines flüssigen Lipoides der JZ 119. Wurde
das zerkleinerte Fleisch bei -30° eingefroren und bei gleicher Temperatur mit Hexan
extrahiert, so fiel in einer Menge von 4,6% ein Öl der JZ 126 an.