Verwendung acylierter Glykolurile als Aktivatoren für Perverbindungen
Wässrige Lösung von anorganischen Perverbindungen, insbesondere von Wasserstoffperoxid oder Perboraten, werden seit langem als Oxydations- und Bleichmittel für die verschiedensten Materialien verwandt.
Allerdings wird der Aktivsauerstoff erst bei Temperaturen oberhalb 700 C und vorzugsweise im Bereich von 80 bis 1000 C mit für Praxiszwecke ausreichender Geschwindigkeit wirksam, so dass sich diese Bleichmittel nicht bei temperaturempfindlichen Materialien anwenden lassen, bei denen man mit Rücksicht auf das zu bleichende Material- darauf angewiesen ist, bei verhältnismässig niedrigen Temperaturen zu arbeiten.
Die Erfindung betrifft die Verwendung bestimmter organischer Substanzen als Aktivatoren für Perverbindungen zum Bleichen ausserhalb der Textilindustrie, wodurch die für eine praktisch wirksame Bleiche und Oxydation notwendige Mindesttemperatur gesenkt und bzw. oder der Oxydationsvorgang beschleunigt wird.
Die erfindungsgemäss als Aktivatoren für die Perverbindungen zu verwenden organischen Substanzen sind acylierte Glykolurile der folgenden Formel
EMI1.1
worin wenigstens zwei der Reste Rt bis R4 Acylreste mit 2 bis 8 C-Atomen darstellen, während die anderen Reste Wasserstoffatome und bzw. oder Alkyl- oder Arylreste mit 1 bis 8 C-Atomen und bzw. oder Acylreste mit 2 bis 8 C-Atomen bedeuten. Die in einem Molekül vorhandenen Acylreste können gleichartig oder verschieden sein; vorzugsweise verwendet man tetraacylierte Glykolurile mit gleichartigen C2 4-Acykesten.
Als Acylreste kommen beispielsweise in Frage: der Acetyl-, Propionyl-, Butyryl-, Nitriloacetyl-, Monochloracetyl-, Dichloracetyl- oder Trichloracetylrest sowie die gegebenenfalls durch Nitrogruppen oder Halogenatome substituierten Benzoyl- oder Toluylre- ste. Auch durch Methoxyl- oder Nitrilgruppen substituierte Benzoylreste sind geeignet.
Das Tetraacetyl-glykoluril und seine Herstellung sind bekannt; man erhält es durch Acetylieren des Gly kolurils mit Essigsäureanhydrid. In analoger Weise lassen sich die anderen acylierten Glykolurile durch Umsetzen des Glykolurils mit Carbonsäureanhydriden, Carbonsäurechloriden oder Carbonsäureestern herstellen. Abgesehen vom Tetraacetyl-glykoluril handelt es sich um neue chemische Stoffe.
Unter den zu aktivierenden Peroxiden spielt das Wasserstoffperoxid praktisch die grösste Rolle. Es kann als solches, aber auch in Form seiner meist festen Peroxyhydrate oder Anlagerungsprodukte an anorganische und organische Verbindungen eingesetzt werden.
Zu den letzteren gehören beispielsweise die Anlagerungsprodukte des Wasserstoffperoxids an Harnstoff oder Melamin; zu den Peroxyhydraten gehören z. B. die Perborate, Perortho-, Perpyro-, Perpolyphosphate, Percarbonate und Persilikate. Die erfindungsgemässen Aktivatoren können aber auch zusammen mit echten Persäuren, wie beispielsweise der Caro'schen Säure (Peroximonoschwefelsäure H2SO5) oder der Peroxidischwefelsäure (H2S208) bzw. deren Salzen verwandt werden.
Jeder im Aktivator vorhandene Acylrest vermag ein Aktivsauerstoffatom der angewandten Perverbindung zu aktivieren; für eine vollständige Aktivierung des eingesetzten Aktivsauerstoffes sind daher theoretisch Aktivator und Peroxyverbindung in äquivalenten Mengen anzuwenden. In vielen Fällen der Praxis erreicht man aber auch schon mit wesentlich geringeren Mengen an Aktivator befriedigende Effekte, während man andererseits den Aktivator auch in verhältnismässig grossen Überschüssen anwenden kann. Im allgemeinen wird die angewandte Aktivatormenge 0,5 bis 6, vorzugsweise 2 bis 4 Acylreste pro Aktivsauerstoffatom betragen.
Die Beschleunigung des Bleich- bzw. Oxydationsvorganges zeigt sich sowohl bei niederen, im Bereich von 20 und vorzugsweise von 300 bis 60 C liegenden Temperaturen, als auch beim Überschreiten dieser Tem peraturgrenze, wobei man bis zu 950 C gehen kann.
Der Fachmann hat je nach dem zu lösenden Problem die Möglichkeit, mit dem Einsatz der erfindungsgemässen Aktivatoren entweder die Behandlungstemperatur zu senken und bzw. oder die Behandlungsdauer bei gleichbleibender Temperatur zu verkürzen. Schliesslich kann man auch eine Tief- und eine Hochtemperaturbleiche in einem Arbeitsgang kombinieren. In derartigen Fällen kann es von Vorteil sein, den Aktivator in unterschüssigen Mengen einzusetzen ; es wird dann bei niederen Temperaturen nur ein Teil des vorhandenen Aktivsauerstoffes aktiviert; der Rest steht für die Bleiche bei erhöhten Temperaturen zur Verfügung.
Die beim Arbeiten mit den erfindungsgemässen Aktivatoren einzuhaltenden Bedingungen, wie beispielsweise Konzentration des Peroxids, Temperatur, pH-Wert und Dauer der Behandlung, richten sich im wesentlichen nach der zu oxydierenden bzw. zu bleichenden Substanz und gegebenenfalls nach dem Trägermaterial, auf oder in dem sich die zu bleichende Substanz befindet. Die meist wässrigen Oxydationsbzw. Bleichflüssigkeiten können 20 bis 500, vorzugsweise 50 bis 250mag/1 Aktivsauerstoff enthalten und einen pH-Wert im Bereich von 2 bis 12, vorzugsweise 7 bis 11,5 und insbesondere von 8 bis 10,5 aufweisen.
Die erfindungsgemäss zu verwendenden Aktivatoren können ausserhalb der Textilindustrie überall da eingesetzt werden, wo man bisher Peroxyverbindungen, insbesondere Wasserstoffperoxid oder Perborate, als Oxidations- bzw. Bleichmittel verwandt hat. Dies gilt z. B. für das Bleichen von Ölen, Fetten und Wachsen, in der kosmetischen Haaren und Hautbehandlung, bei der Desinfektion oder Sterilisation und bei der Passivierung von Aluminium- oder anderen Leichtmetalloberflächen.
Der gewünschte pH-Wert wird durch Zusatz von sauer, neutral oder alkalisch reagierenden Substanzen, evtl. von Puffergemischen eingestellt, vor allen Dingen von Zusätzen, die man auch bei einer entsprechenden, bisher üblichen Behandlung mitverwandt hat.
Hierzu gehören vielfach die zur Verringerung der Oberflächenspannung der wässrigen Oxydations- bzw.
Bleichflüssigkeit diendenden oberflächenaktiven Substanzen, wie z. B. Seife oder an sich bekannte synthetische Waschaktivsubstanzen anionischer, nichtionischer, zwitterionischer oder kationischer Natur. Arbeitet man im alkalischen Bereich, dann können alkalische Stoffe zugesetzt werden sowie anorganische oder organische Komplexbildner, insbesondere zum Binden der sogenannten Härtebildner des Wassers oder evtl. vorhandener Schwermetalle geeignete Komplexbildner.
Beispiel 1
Herstellung von 1,3,4,6-Tetraacetyl-glykoluril.
Im Gegensatz zu den Untersuchungen von H. Biltz kann Glykoluril auch ohne gleichzeitige Anwendung eines Katalysators und ohne Druckanwendung in das Tetraacetylderivat überführt werden. Zu diesem Zweck kocht man eine Suspension von 100 g Glykoluril in 1,51 Acetylhydrid so lange unter Rühren am Rückfluss, bis das Glykoluril vollständig gelöst ist. Nach Abdestillieren des überschüssigen Acetanhydrids und der bei der Reaktion gebildeten Essigsäure bleibt das rohe Tetraacetyl-glykoluril zurück; es kann ohne weitere Aufarbeitung verwendet werden; falls gewünscht lässt es z. B. in folgender Weise durch Umkristallisieren reinigen:
Das rohe Tetraacetyl-glykoluril wird in wenig Methanol aufgenommen und das Lösungsmittel vom ungelöst gebliebenen Rückstand abgesaugt.
Der Rückstand wird aus einem Gemisch von 4 Volumenteilen Methanol und 1 Volumenteil Essigsäureäthylester umkristallisiert; dabei fallen 150 g (52,8 /o der Theorie) Tetraacetyl-glykoluril vom Schmelzpunkt 233 bis 2400 C an. Der Schmelzpunkt liegt nach Literaturangaben bei 236 bis 2380 C.
Wie ersichtlich, stimmen die für die Zusammensetzung C12H14N4O4 berechneten Analysendaten gut mit den gefundenen überein: berechnet: C = 46,40 0/; ; H = 4,52 O/o; N = 18,05 O/o gefunden: C = 46,36 O/o; ; H = 4,97 0/; ; N = 18,12 O/o
Ausserdam zeigen IR- und NMR-Spektrum die für das Tetraacetyl-glykoluril charakteristischen Banden.
Beispiel 2
In analager Wease erhält man durch Acylieren von 100 g Glykoluril in 1,51 Propionsäureanhydrid und Umkristallisieren des Reaktionsproduktes aus Isopropanol 82 g Tetrapropionyl-glykoluril vom Schmelzpunkt 144 bis 1460 C, was einer theoretischen Ausbeute von 31,5 O/o entspricht. Die gefundenen Analysendaten stimmen mit den für die Zusammensetzung C15H22N4O5 berechneten gut überein: berechnet: C = 52,50 O/o; ; H = 6,06 O/o; ; N = 15,32 O/o gefunden: C = 52,64 O/o; ; H = 6,19 O/o; N = 15,61 lo
Ausserdem stimmt das osmometrisch in Aceton gefundene Molgewicht von 358,7 befriedigend mit dem berechneten (366,38) überein. IR- und NMR-Spektrum zeigen die für Tetrapropionyl-glykoluril zu erwartenden charakteristischen Banden.
Beispiele 3 und 4
Die Brauchbarkeit der erfindungsgemässen Aktivatoren wurde durch folgende Versuche demonstriert:
Lösungen, die 0,615 g NaBO2 . H2O2 .3 H2O (4 mMol) und 2,5 g Na4P207. 10 HO pro Liter enthielten, wurden nach Zusatz von 4 mMol Aktivator auf 45" bzw. 600 C erwärmt und während des ganzen Versuches unter Rühren auf der angegebenen Temperatur gehalten. In bestimmten Zeitabständen wurden 100 ml abpipettiert, sofort auf ein Gemisch von 250 g Eis und 15 ml Eisessig gegeben und anschliessend nach Zugabe von ca. 0,35 g Kaliumjodid mit 0,1 n Natriumthiosulfatlösung und Stärke als Indikator titriert.
Unter den angegebenen Versuchsbedingungen verbraucht man bei einer 100 zeigen Aktivierung der eingesetzten Peroxyverbindung 8,0 ml Thiosulfatlösung.
In den Tabellen ist sowohl der Thiosulfatverbrauch als auch die prozentuale Menge der aktivierten Peroxyverbindung angegeben.
Tabelle zu Beispiel 3:
Aktivierung von Perborat mit Tetraacetyl-glykoluril Erzielte Aktivierung
Probenahme bei 450 C bei 600 C nach ml /OO O ml D/o o x Minuten 0,1n Na2S2O8 aktiviert 0, 1 n Na2s2oa aktiviert x= 1 6,80 85,0 7,17 89,8
5 6,71 84,0 6,67 83,5
10 6,65 83,0 5,82 72,7
15 6,55 82,0 5,30 66,2
30 6,39 79,8 3,66 45,7
45 5,99 75,9 2,61 32,6
60 5,57 69,7 1,38 17,3
Tabelle zu Beispiel 4:
Aktivierung von Perborat mit Tetrapropionyl-glykoluril
Erzielte Aktivierung
Probenahme bei 450 C bei 600 C nach ml Olo O ml O/o O x Minuten 0,1 n Na2S3O5 aktiviert 0,1 n Na2S203 aktiviert x= 1 2,33 29,2 4,33 54,2
5 6,07 76,0 6,11 76,5
10 6,06 75,8 5,75 71,8
15 5,78 72,2 5,07 63,4
30 5,31 66,5 4,28 53,5
45 5,06 63,4 3,42 42,7
60 4,82 60,2 2,79 34,9
Wie man erkennt, erreicht man bei Einsatz des Tetraacetyl-glykolurils bereits nach einer Versuchsdauer von einer Minute den maximalen Aktivierungsgrad, der in Abhängigkeit von der gewählten Temperatur über eine gewisse Zeitspanne hinweg praktisch erhalten bleibt. Der nachfolgende Abfall der Werte ist auf die Selbstzersetzung der primär gebildeten Peressigsäure zurückzuführen.
Beim Tetrapropionyl-glykoluril steigt die Menge des aktivierten Sauerstoffes langsamer an; dafür ist aber die nach 60 Minuten bei 60 C noch vorhandene Menge an Aktivsauerstoff grösser als beim Tetraacetyl-glykoluril. Die Produkte unterscheiden sich demnach in dem zeitlichen Ablauf der Aktivierung, und man hat die Möglichkeit, einen Aktivator zu wählen, dessen Wirkung dem jeweiligen Bleichoder Oxydationsprozess optimal angepasst ist.
Beispiel 5 (erfindungsgemässes Verwendungsbeispiel)
Zum Bleichen, zum Färben von Haaren mit Hilfe von Oxydationsfarbstoffen und zur oxydativen Nachbehandlung von Haaren nach Verformung unter Einwirkung von reduzierenden Thioverbindungen (Kaltwell-Verfahren) verwendet man üblicherweise wässrige, 10 bis 200 g/l H202 enthaltende Lösungen. Führt man diese Behandlung nach Zusatz von 20 bis 500 g/l Tetraacetyl-glykoluril durch, so ist eine erhebliche Verstärkung der Oxydationswirkung des HO2 zu beobach ten, so dass man, falls erwünscht, auch bei geringeren H202-Konzentrationen arbeiten kann.